Protocol of the Session on April 24, 2013

Es spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frau Abgeordnete Siegesmund. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herr Machnig, ich dachte, Sie wollen Debatte, jetzt führen wir Debatte, dann freuen Sie sich doch darüber, das ist doch gut.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Ja, tue ich auch.)

Aber das ist der springende Punkt, Debattenbeiträge allein genügen eben auch nicht. Das ist der Punkt, warum ich sage, es reicht nicht, die Positionen innerhalb der Landesregierung gegeneinander zu stellen, sondern man muss am Ende auch, wenn man Regierung ist, nicht nur die Unterschiede herausarbeiten, sondern gelegentlich mal die Gemeinsamkeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage, mir fehlen von Ihnen die hier herausgestellten Gemeinsamkeiten. Da ist eine große Unwucht drin. Nehmen Sie doch einfach mal den Ein

(Abg. Ramelow)

druck aus Oppositionssicht mit, dass so eine Unwucht in der Landesregierung besteht, dass überhaupt nicht mehr erkennbar ist, nicht für uns, nicht für die Menschen in Thüringen, wo dieses Land unter Schwarz-Rot eigentlich hin soll. Das ist der zentrale Punkt, nicht die Tatsache, dass wir keine Debatten mit Ihnen führen wollen, im Gegenteil, es ist sehr schön, wenn lebendig darüber gestritten wird, wie Thüringens Zukunft aussehen soll.

Einen Punkt haben Sie übrigens ausgeklammert, den Ihr Kollege Bullerjahn eben vor einigen Jahren besonders betont hat, das ist die Frage der Zusammenarbeit der Ostländer miteinander - Kooperation, Koordination, Straffung bestimmter Strukturen. Das ist übrigens auch etwas, wo in den letzten dreieinhalb Jahren nichts Gemeinsames zu hören war unter Schwarz-Rot. Was passiert da? Was wollen Sie da? Wenn Herr Carius Unsinn sagt, dann können wir die Debatte ja hier auch dazu führen. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass Sie an diesen Punkt wirklich angeknüpft haben, wie an vielen anderen Punkten auch. Wir teilen an vielen Stellen die Analyse, die dem Papier vorangestellt wird. Darin sind wichtige Punkte, ich habe die vorhin benannt, aber es fehlt eben auch tatsächlich die Idee für ein sozialökologisch modernes Thüringen, jedenfalls wie wir es uns wünschen. Sie sprechen eben ganz bewusst nicht von einer Renaissance der Region im ländlichen Raum, sondern konzentrieren sich auf die „Schwächen“ des ländlichen Raums, indem Sie vor allen Dingen gar nicht darüber debattieren, wie eine Weiterentwicklung stattfinden kann, sondern das einfach außen vor lassen. Und die Konzentration auf die Städtekette, das wurde richtig gesagt, kann man auch positiv weiterentwickeln. Man kann Ökonomie der Nähe weiterentwickeln, dazu gibt es gute Ideen. Aber die Fokussierung allein oder das Auslassen der Potenziale der ländlichen Region, das ist etwas, das eine zusätzliche Unwucht reinbringt, wozu mich übrigens auch einmal die Perspektive der Ministerpräsidentin interessiert hätte.

Und jetzt noch einmal zur Frage Investitionsbegriff: Es hat keiner etwas gegen Investition. Wenn Sie sagen, 15 Prozent ist Ihre Marge, die Sie für ein gutes Benchmark halten, ist das auf der einen Seite spannend, aber da müssen wir über den Investitionsbegriff reden. Geht es da wieder nur um die Frage in Beton, oder was für Investitionen sind gemeint? Das ist der erste Punkt. Wie sehen nachhaltige Investitionen aus? Und der zweite Punkt, der daran wichtig ist, ist, dass wir sehr genau hinschauen müssen, wo das Geld herkommt. Ich vermisse zum Beispiel in der gesamten Debattenkultur im Augenblick Thüringens klaren Beitrag zur Frage, wie 2020 Landesfinanzen so aussehen können, dass der Osten nicht den Nachbau West macht, das nicht, aber daran anknüpft, was bisher erreicht wurde. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Steuerflucht und Steuerhinterziehung bekämpfen - Thüringens Landeshaushalt stärken“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5971

Als Erster hat des Wort der Abgeordnete Frank Kuschel von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bekanntermaßen hat gestern Bayern München 4:0 gewonnen. Das ist beeindruckend, auch für mich als Nichtfußballfan. Ein Dortmunder Spitzenspieler soll auch nach Bayern München wechseln. Das alles kann aber die Diskussion über die Affäre Uli Hoeneß nicht vertuschen. Warum benenne ich das? Uli Hoeneß hat einst gewarnt, die Reichensteuer der LINKEN würde Superreiche zwingen, ihr Geld in die Schweiz zu bringen.

(Beifall DIE LINKE)

Bekanntermaßen ist das Projekt der Reichensteuer der LINKEN noch nicht Wirklichkeit in diesem Lande.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: So sind wir.)

Wahrnehmbar mehr Menschen finden dieses Projekt nicht schlecht. Obwohl es also die Reichensteuer in der Bundesrepublik noch nicht gibt, verbringen Superreiche oder die, die sich dafür halten, offenbar ihr Geld ins Ausland, in dem Fall Uli Hoeneß in die Schweiz.

(Beifall DIE LINKE)

Also das ist erstaunlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur Hoeneß macht das, sondern, wenn man die CD-Funde der letzten Woche einmal benennen kann, dann gibt es eine Vielzahl von Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern, die offenbar so verfahren. Es hat also nichts mit einem Zukunftsprojekt der LINKEN zu tun, dass so gehandelt wird, sondern offenbar gibt es andere Ursachen. Meine Damen und Herren, deswegen fordern wir als LINKE: Gegen die Steuerparadiese muss

(Abg. Siegesmund)

die Politik national, aber auch international agieren. Wir gestehen durchaus zu, dass das kein einfacher Prozess ist. Insofern ist es wichtig, dass gerade von der Bundesregierung und auch von den Ländern, die ja insbesondere über die Finanzverwaltung für den Steuervollzug zuständig sind, eindeutige Signale ausgehen. Es darf keine Party mehr für perversen Reichtum geben. Gleichzeitig dürfen wir dann nicht immer die öffentliche Armut sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene bejammern, sondern es gibt aus unserer Sicht hier einen Zusammenhang und es tut sich etwas international. Ich verweise auf die Entscheidung in Luxemburg, die durchaus erst einmal als Schritt in die richtige Richtung zu bewerten ist, oder in der Schweiz. Wir wissen aber andererseits, dass es noch Vorbehalte in Österreich, in Großbritannien und auch in Irland gibt. Auch der Fall Hoeneß zeigt exemplarisch, dass man gegen Steuerhinterziehung und Steueroasen konsequent vorgehen muss. Das ist auch fiskalisch für uns von Bedeutung, weil die daraus erzielten Steuereinnahmen durchaus für den Abbau von Schulden oder die Reduzierung der Neuaufnahme von Schulden verwendet werden können.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus geht es natürlich um Steuergerechtigkeit in diesem Lande. Man kann nicht all den kleinen Steuerzahlern immer wieder die Mär der Steuergerechtigkeit vorhalten, wenn man dann die Großen laufen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, es ist also wichtig auch für die Akzeptanz des Steuersystems, dass wir ein gewisses Maß an Steuergerechtigkeit haben. Wenn wir Steuerhinterziehung als kleine Delikte abhandeln, wo man sich auch freikaufen kann, dann ist klar, dass auch die Mehrzahl der Steuerpflichtigen unser sehr kompliziertes Steuersystem nicht akzeptieren wird, zumindest nicht dauerhaft, sondern es auch dort dann Versuche geben wird sowohl legal als auch illegal, sich seiner Steuerverantwortung zu entziehen.

Meine Damen und Herren, es geht also um Steueroasen in der Welt, aber das darf uns den Blick nicht darauf verschließen, dass wir auch für manche Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik paradiesische Verhältnisse haben. Das hat etwas mit dem Steuervollzug zu tun. Bekanntermaßen stelle ich ab und zu eine Anfrage an die Landesregierung und es sind zwei Antworten ganz aktuell vom 17. April, als ich Steuereinnahmen durch Betriebsprüfung und Steuereinnahmen durch Steuerfahnder nachgefragt habe. Da sind erstaunliche Zahlen zutage gekommen. Bei der Steuerfahndung immerhin, wenn man das mal zugrunde legt, gibt es 1.500 Hinweise im Jahr auf Steuerhinterziehung und die Steuerfahndung hat davon 450 Abarbeitungen. Gleichzeitig sagt aber die Landesregierung, wir bräuchten keine zusätzlichen Steuerfahnder. Das

halte ich für bedenklich, wenn man unterstellt, dass nur ein Drittel der Hinweise offenbar abgearbeitet wird. Oder aber bei den Betriebsprüfungen - in Altenburg werden Kleinbetriebe statistisch alle 109 Jahre geprüft, landesweit alle 34 Jahre, die Großbetriebe alle viereinhalb Jahre, das ist okay, aber die Mittelbetriebe schon alle 17 Jahre.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Ende. Sie wissen, dass nach Abgabenordnung nur vier Jahre rückwirkend erhoben werden können.

Herr Abgeordneter.

Die Mehreinnahmen sind 136 Mio. €, das sind 489.000 € pro Steuerprüfer. Wir brauchen also mehr Steuerprüfer. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Lehmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, Steuerflucht und Steuerhinterziehung bekämpfen, das wird aktuell auch wieder bei Bürgern, Medien, Finanzverwaltungen intensiv diskutiert, ist aber kein neues Thema, sondern beschäftigt die Politik schon seit vielen Jahren. Steuern dienen der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur und des Gemeinwohls, Steueroasen konterkarieren dieses wichtige Ziel und gefährden einen ordnungsgemäßen Steuervollzug zulasten der Gemeinschaft. Hier sage ich für die CDU ganz deutlich: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die verfolgt werden muss.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein und Steuerhinterziehung ist ein unsolidarisches Verhalten.

Werter Kollege Kuschel, das 4:0 für die Bayern hat mich auch gefreut, aber bei einem Einzelfall, den Sie damit in den Zusammenhang brachten, halte ich mich nicht auf, denn ich habe Ihr Thema so verstanden, dass es hier um das Große und Ganze geht und nicht um diesen Einzelfall.

(Abg. Kuschel)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Der ist exemplarisch.)

Das Thema „Steueroasen austrocknen“ war auch ein wichtiger Punkt der Konferenz der finanz- und haushaltspolitischen Sprecher am 09.04. in Mecklenburg-Vorpommern, an der ich auch teilgenommen habe und hierzu haben wir uns auch ganz klar öffentlich positioniert. Alle Finanzpolitiker der CDU/ CSU aller Bundesländer waren da auch einer Meinung z. B. zum Thema Doppelbesteuerungsabkommen.

Diese mit anderen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen sind auch ein wichtiger Baustein zur Durchsetzung von Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie allein reichen aber nicht aus, um flächendeckend Ausweichbewegungen zu begegnen. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir mit Nachdruck die Initiative der Bundesregierung für weltweit besser abgestimmte Steuersysteme. Denn nur in partnerschaftlicher Zusammenarbeit kann zum Beispiel eine faire Besteuerung international agierender Konzerne sichergestellt werden. Dieses Thema muss man in diesem Zusammenhang mit betrachten, wie ich finde. Denn das Thema Steuervermeidung durch grenzüberschreitende Verlagerung von Gewinnen muss man dazu mit betrachten.

Der systematische Ankauf von Steuer-CD’s mit gestohlenen Daten ist aus unserer Sicht kein tragfähiges politisches Konzept, auch wenn Thüringen sich daran auch schon beteiligt hat. Unser Finanzminister hat ja gestern in den Medien deutlich gemacht, dass das nicht mehr infrage kommt. Dazu sind mir auch einige Zahlen geläufig. Die Beteiligung an dem Ankauf der Steuer-CD hat in etwa 176.000 € gekostet, eingenommen hat der Freistaat davon ca. 577.000 €. Letztlich ist das keine generelle Lösung für die Probleme, um die es hier geht.

Wir erwarten von allen Staaten Transparenz bei der Aufdeckung von Steuermissbrauch. Staaten, die hier nicht mitziehen, müssen auch die Konsequenzen zu spüren bekommen, etwa durch die Streichung von Entwicklungshilfen. Der automatische Datenabgleich, über den zurzeit zu diesem Thema viel gesprochen wird, muss durchgesetzt werden und auch weltweit erfolgen.

Wir fordern mehr Steuergerechtigkeit und einen konsequenten Steuervollzug. Diese Themen sind auch im Bundestag in der vorletzten Woche, wenn ich das richtig weiß, behandelt worden. Auch hier gab es einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen dazu.

Die Schaffung einer neuen Bundesbehörde, über die ja auch diskutiert wird, lehnen wir ab. Steuerschlupflöcher müssen durch ein einfaches, transparentes und nachvollziehbares Steuerrecht bei uns hier in Deutschland geschlossen und missbräuchli

che Steuergestaltung verhindert werden. Das ist schon lange ein Thema. Wir fordern deshalb die unverzügliche Einrichtung einer Bund-Länder-TaskForce. Sie soll vorhandenes Wissen bündeln und vernetzen, die Länder im Steuervollzug unterstützen und damit Steuermissbrauch aufdecken helfen.

Zu der personellen Ausstattung in den Finanzämtern könnte man hier auch noch viel sagen. Auf die zwei Kleinen Anfragen 2918 und 2916 ist hier schon hingewiesen worden.

Ich möchte jedoch den Rest meiner Zeit dafür nutzen, noch einmal auf das Steuerabkommen mit der Schweiz zu sprechen zu kommen. Dass dieses Steuerabkommen nicht zustande gekommen ist, haben wir der SPD und den GRÜNEN zu verdanken. Das Steuerabkommen wurde von Ihnen torpediert und Sie haben es zu Fall gebracht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Ein Glück!)