Protocol of the Session on March 22, 2013

Mein Haus hat, um zumindest näherungsweise eine Voraussage möglicher Gefangenenquoten und Inhaftiertenzahlen zu treffen, auf anerkannte Methoden, nämlich der empirischen Beobachtung der Vergangenheit und der aktuellen Entwicklung auch über die Grenzen Thüringens hinaus, zurückgegriffen. In Thüringen unterlag der Anteil der Inhaftierten in den letzten Jahren erheblichen, auf nicht demografischen Faktoren beruhenden Schwankungen. Am 31. März 2000 befanden sich 0,76 Promille und am 31. März 2006 0,95 Promille, bezogen auf die Einwohnerzahl Thüringens, in Haft. Bis zum 31. März 2010 sank der Wert auf 0,82 Promille und zeigt tendenziell derzeit wieder einen Anstieg an. Bezogen auf den Jugendvollzug waren Werte zwischen 0,09 Promille und 0,13 Promille zu verzeichnen. Das heißt, obwohl also die Einwohnerzahl in Thüringen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2006 um 5 Prozent sank, stieg die Gesamtanzahl der Gefangenen im gleichen Zeitraum um 18,6 Prozent. Man müsste diesen Satz zur Verdeutlichung fast noch einmal vorlesen. Ab 2006 sank die Gefangenenzahl demgegenüber überproportional zur Bevölkerungsentwicklung. In die Prognose ist daher über die bereits dargelegten vergangenen und gegenwärtigen Entwicklungen hinaus auch ein Vergleich der Gefangenenquoten der Länder eingeflossen. Im Durchschnitt lag in den westlichen Flächenländern der Anteil der Inhaftierten an der Bevölkerung zum Stichtag 31. März 2009 bei 0,87 Promille, in den neuen Ländern bei 0,84 Promille. Auch die aktuellen Erhebungen zeigen, dass die Anzahl der Inhaftierten derzeit entgegen der Prognose des Thüringer Rechnungshofs sich beinah auf dem Stand des Jahres 2011 bewegt, haben Eingang in die Prognose gefunden.

Meine Damen und Herren, um eine größtmögliche Transparenz und Vergleichbarkeit mit anderen Ländern zu ermöglichen, sind zu Berechnungszwecken die Angaben aus statistischen Berichten des Thüringer Landesamts für Statistik gewählt worden, die allerdings Arrestanten und vorübergehend Abwesende nicht berücksichtigen, zwei Gruppen, die jedoch in aller Regel einen Haftplatz in Anspruch nehmen. Unter Berücksichtigung dieser inhaftierten Gruppen war die Gefangenenquote geringfügig um ca. 0,01 bis 0,03 Promille höher. Letztlich haben wir auch berücksichtigt, dass der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden sinkt. Dass dies jedoch nicht zwangsläufig zu einem Rückgang der Gefangenenquoten führen muss, legt die Betrach

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

tung der Tatverdächtigenbelastungszahlen nahe. Sie gibt Aufschluss darüber, ob die Kriminalitätsentwicklung gleichförmig mit der Demografieentwicklung verläuft oder ob es gegenläufige Tendenzen gibt. Die polizeiliche Kriminalstatistik für den Freistaat Thüringen 2010 belegt, dass bis auf die Altersgruppe der Kinder und bei den Jugendlichen mit Ausnahme des Jahres 2009 in allen Altersgruppen die Tatverdächtigungsbelastungszahl 2010 höher liegt als in den Vorjahren. Die polizeiliche Kriminalstatistik 2011 zeigt ferner mit Ausnahme der Jugendlichen wieder in allen Bereichen eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die bereits jetzt ersichtlichen Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung der demografischen Entwicklung von der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung die Unterschiede der Gefangenenquoten in den Ländern und die Entwicklung der Gefangenenquote in Thüringen in den letzten Jahren dazu zwingen, eine breite Spanne der Entwicklung der Gefangenenzahlen zu berücksichtigen. Die Berechnungen meines Hauses beruhen auf der Prognose der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung und berücksichtigen zusätzlich eine Spanne der weiterhin in Betracht kommenden Möglichkeiten der Entwicklung der Gefangenenquoten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zu den prognostischen Betrachtungen noch Folgendes sagen: Entgegen der Auffassung des Thüringer Rechnungshofs basiert die durch das Thüringer Justizministerium prognostizierte Gefangenenquote und des darauf ermittelten Haftplatzbedarfs nicht nur auf einer rein statistisch rückblickenden Erfassung. Obgleich alle aufgeführten Berechnungen im Bereich des Möglichen liegen, erscheint die Annahme einer zukünftigen Gefangenenquote von 0,82 Promille nicht nur angemessen am untersten Level des gerade noch Vertretbaren.

So möchte ich nur noch auf eine Studie der schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung „swissfuture“ hinweisen. Danach stieg die Alterskriminalität in den Jahren 1984 bis 2004 um 131 Prozent. Nach alledem kann jegliche Berechnung, die auf einer Projektion der derzeitigen Verhältnisse beruht, nur vorläufig und unvollständig und, soweit diese sehr niedrig ausfällt, im sicherheitsrelevanten Bereich des Justizvollzugs sogar gefährlich sein.

Meine Damen und Herren, Thüringen hat ein aktuelles Justizvollzugskonzept. Lassen Sie mich kurz seinen Werdegang schildern. Das Kabinett hat in seiner 93. Sitzung am 20. Dezember 2011 mein Haus beauftragt, dem Kabinett als Grundlage für eine endgültige Entscheidung über das Neubauvorhaben einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt mit dem Freistaat Sachsen ein Justizvollzugskonzept vorzulegen. Das daraufhin in meinem Haus erstellte Justizvollzugskonzept 2012 hat das Kabinett am

15. Januar 2013 zur Kenntnis genommen. Nachdem letztmalig im Oktober 2004 ein Justizvollzugskonzept erarbeitet worden war, wurde zunächst eine Bestandsaufnahme und Darstellung der derzeitigen Situation unter Berücksichtigung der seit 2004 erheblich geänderten Rahmenbedingungen erforderlich. Zu nennen sind dabei insbesondere die im Rahmen der Föderalismusreform auf die Länder übergegangenen Gesetzgebungszuständigkeiten und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung. Zu berücksichtigen war aber auch, dass § 18 Strafvollzugsgesetz grundsätzlich die Einzelunterbringung des Gefangenen während der Ruhezeit vorsieht. Zwar gilt für Anstalten, deren Errichtung vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes begonnen wurde, die Übergangsvorschrift des § 201 Nr. 3 Strafvollzugsgesetz, nach der Gefangene auch während der Ruhezeit gemeinschaftlich untergebracht werden können. Das Gesetz stellt die Übergangsregelung jedoch nur unter den Vorbehalt der räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt. Das Thüringer Justizministerium war bisher wegen des Belegungsdrucks gezwungen, bei der Festsetzung der Belegungsfähigkeiten aller Altanstalten die Mehrfachbelegung von Hafträumen zuzulassen. Ich bin der Ansicht, dass 36 Jahre nach Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes und 22 Jahre nach der deutschen Einheit der in den letzten Jahren beschrittene Weg, Justizvollzugsanstalten - namentlich Tonna und Arnstadt - ausgerichtet an einem modernen, insbesondere einzelplatzbezogenen Justizvollzug neu zu konzipieren und zu errichten, konsequent weiterzuführen ist.

(Beifall SPD)

Dazu ist der Neubau einer Justizvollzugsanstalt als Ersatz für die unter vollzuglichen und wirtschaftlichen Aspekten nicht sanierungsfähigen Anstalten Gera und Hohenleuben erforderlich.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zum Fragenkomplex III aus dem Antrag der FDPFraktion kommen. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse wurden die Sanierungsmöglichkeiten der JVA Hohenleuben und Gera untersucht. Maßstab für die Beurteilung können nur die baulichen und strukturellen Anforderungen sein, die einen modernen, zeitgemäßen und zukunftsorientierten Justizvollzug ermöglichen. Die grundsätzlichen Eckpunkte der baulichen Gestaltung habe ich Ihnen schon im Zusammenhang mit den baulichen Anforderungen an den Neubau der gemeinsamen JVA dargelegt. Eine zu sanierende Justizvollzugsanstalt muss den gesetzlichen Anforderungen während der gesamten Nutzungsdauer entsprechen und wirtschaftlich gebaut sowie betrieben werden können. Bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurden daher sowohl die gegenwärtigen allgemeinen Stan

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

dards beim Bau von Justizvollzugsanstalten als auch die erforderliche Einzelunterbringung berücksichtigt. Die JVA Gera ist geprägt durch die innerstädtische Lage, welche immer wieder zu Problemen mit in der Nachbarschaft wohnenden Personen führt, aber auch zu Problemen beim Transport von Gefangenen. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil sie unter anderem umlaufleitende Transportbehörde für Gefangenensammeltransporte des Freistaats Thüringen und zentraler Anlaufpunkt für die Gefangenensammeltransporte aus Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist. Baulich ist die JVA Gera dadurch geprägt, dass die Verwaltung, die Aus- und Fortbildung der Gefangenen, die Arbeit der Gefangenen, aber auch die Unterbringung der Gefangenen in einem Gebäude konzentriert ist. Sport- und Freizeitmöglichkeiten gibt es nur sehr eingeschränkt. Insgesamt sind nur 50 Haftzellen vorhanden, die durchweg mehrfach belegt sind. Ein zeitgemäßer Vollzug mit guten Sicherheitsstandards ist so nicht möglich. Zudem ist die Anstalt in weiten Teilen sanierungsbedürftig. Zurzeit ist die Belegungsfähigkeit dieser Anstalt auf 149 Haftplätze festgelegt. Um bei einer Sanierung der JVA Gera dem gesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung nachkommen zu können, müsste das Haftplatzangebot von 149 Plätzen auf 50 Plätze reduziert werden. Das ist wirtschaftlich nicht vertretbar.

Die in der JVA Hohenleuben vorwiegend vorhandenen Gemeinschaftsräume können wegen des Alters und des dadurch bedingten baulichen Zustands und der begrenzten Kapazität sowie der bautechnisch beschränkten Umgestaltungsmöglichkeiten in Anbetracht des Grundrisses der Arbeit nicht an die Anforderungen eines zeitgemäßen Strafvollzugs angepasst werden. Der Abriss des alten Hafthauses und ein Neubau von Unterbringungsmöglichkeiten wären zwingend erforderlich. Bedingt durch die innerstädtische Zentrumslage inmitten eines Wohngebiets fehlt es an räumlichen Erweiterungsmöglichkeiten für das Grundstück, welche notwendig wären, um eine zeitgemäße Bebauung einschließlich einer 6 m hohen Umwehrungsmauer realisieren zu können. Die vorhandene bebaubare Grundstücksfläche reicht unter anderem wegen der erforderlichen Zurücksetzung der Umwehrungsmauer und mehrerer notwendiger Erweiterungsbauten sowie zur Schaffung von Freiflächen für Sportund Freizeitmöglichkeiten nicht aus. Im Rahmen der Prüfung der Sanierungsmöglichkeiten erfolgte zum Zweck des Vergleichs in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eine fiktive Berechnung der Sanierungskosten für die Justizvollzugsanstalt Hohenleuben. Diese Kostenschätzung geht aufgrund der baulichen und strukturellen Defizite und der eingeschränkten Sanierungsfähigkeit zur Schaffung moderner Einzelhafträume von einem Abbruch aller Unterbringungsbereiche und dem Neubau von Hafthäusern aus. Ungeachtet der zu geringen und ungünstig geschnittenen Flächen ergibt die Kosten

schätzung, dass eine Sanierung der JVA Hohenleuben nicht kostengünstiger wird als der Neubau einer ähnlich großen Justizvollzugsanstalt. Die fiktiv ermittelten Kosten für die Variante Status quo im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung belaufen sich auf 76.863.000 € für 470 Haftplätze. Demgegenüber berechnete der Sächsische Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement für eine gemeinsame Justizvollzugsanstalt in Sachsen Baukosten in Höhe von 130.700.000 €. Das entspricht einem Thüringer Anteil von 65.350.000 €. Im Übrigen wurde aufgrund dieser Umstände bereits in der Justizvollzugskonzeption der Landesregierung seit 2004 von einem Neubau im Ostthüringer Raum ausgegangen und der Neubau einer Justizvollzugsanstalt in die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD 2009 aufgenommen.

Meine Damen und Herren, die Kosten der Stilllegung der Justizvollzugsanstalten Hohenleuben und Gera wurden bislang noch nicht verifiziert und hängen auch wesentlich von der Nachnutzung ab, über die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden kann. Diese Kosten spielen in der Kostenvergleichsrechnung wegen der fehlenden Zukunftsfähigkeit der Anstalten aber keine entscheidende Rolle. Nach Aufgabe der Anstalten durch die Justiz ist zu prüfen, ob die beiden Justizvollzugsanstalten von einer anderen Behörde benötigt werden. Wenn nicht, werden die Anstalten, wie bei anderen von der Landesverwaltung nicht mehr benötigten Immobilien üblich, dem Landesbetrieb THÜLIMA in das allgemeine Grundvermögen zum Verkauf der Liegenschaften übertragen.

Meine Damen und Herren, unter Nummer III.6 ihres Antrags thematisiert die FDP-Fraktion schließlich die Frage, in welchen Justizvollzugsanstalten gegebenenfalls ähnliche Situationen bestehen. In keiner anderen Justizvollzugsanstalt besteht bezüglich leerstehender Gebäude eine ähnliche Situation wie in der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben. Sollte mit der diesbezüglichen Fragestellung aber eine sogenannte Nachverdichtung oder Erweiterung bestehender Anstalten gemeint sein, so wird dies zur Deckung des künftigen Haftplatzbedarfs als ungeeignet erachtet. Ein moderner, zeitgemäßer und auf umfassende Resozialisierung orientierter Justizvollzug erfordert nun einmal neben der inhaltlichen Ausgestaltung und der personellen Sicherstellung auch die baulich-strukturellen Voraussetzungen zur Schaffung der notwendigen Behandlungsatmosphäre. Dies gebieten auch die Gestaltungsgrundsätze gemäß § 143 Strafvollzugsgesetz. Diese gesetzliche Vorgabe macht deutlich, dass die Erreichung des Vollzugsziels auch von der Gestaltung der Anstalt abhängig und die Gestaltung der Justizvollzugsanstalt in erster Linie danach vorzunehmen ist, wie sie die Resozialisierung bewirkt. Im Übrigen wäre auch eine heimatnahe Unterbringung der Gefangen aus dem Ostthüringer Raum nicht mehr ge

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

währleistet. Zudem fehlt es einerseits an Erweiterungsflächen und andererseits lassen die naturgemäß beschränkten Kapazitäten jeder Anstalt, beispielsweise in der Küche, in der Ver- und Entsorgung mit Wasser, Strom, Telekommunikation und Heizung, Besuchsräume, Archiv, Vollzugsgeschäftsstelle, Freizeitund Arbeitsmöglichkeiten etc., eine Erweiterung nicht ohne Weiteres zu, zumal die Justizvollzugsanstalten Goldlauter und Tonna in den zurückliegenden Jahren bereits eine Nachverdichtung zum Zweck der Schaffung von Haftplatzkapazitäten erfahren haben.

Meine Damen und Herren, ich fasse daher zusammen: Eine Nachverdichtung der bestehenden Anstalten steht den oben dargestellten allgemeinen und rechtlichen Grundsätzen entgegen und würde die ohnehin bestehenden baulich-strukturellen Defizite der bestehenden Anstalten noch verstärken.

Abschließend noch drei Sätze zu den Nummern IV und V des Antrags der FDP-Fraktion: Die Landesregierung ist gern bereit, den zuständigen Ausschüssen zu berichten, wie sie mit der Stellungnahme des Thüringer Rechnungshofs umgeht. Eine weitere Inaugenscheinnahme der Justizvollzugsanstalten in Ostthüringen durch mein Haus, wie unter Nummer V des Antrags gefordert, ist jedoch nicht erforderlich. Ich lade aber die Mitglieder des Justizund Verfassungsausschusses gern erneut zu einem Besuch in die JVA Gera und die JVA Hohenleuben ein, um sich ein aktuelles Bild vor Ort zu machen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Bevor wir in die Aussprache und Beratung eintreten, gestatten Sie mir folgenden Hinweis: Gemäß § 29 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten der Landesregierung grundsätzlich in langer, also doppelter Redezeit behandelt. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I, II und III des Antrags? Die Fraktionen der CDU, der FDP, der SPD und die Fraktion DIE LINKE. Auf Verlangen dieser Fraktionen treten wir nun in die Beratung ein. Gleichzeitig führen wir dazu die Aussprache zu den Nummern IV und V des Antrags durch.

Als Erste hat sich Frau Sabine Berninger von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, herzlichen Dank, Herr Prof. Dr. Herz, für die Einladung. Ich denke, wir werden im Justizausschuss miteinander ins Gespräch kommen, ob wir sie annehmen möchten.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der FDP wirkt beim Lesen wie eine Zusammenfassung mehrerer Kleiner oder Mündlicher Anfragen, nur dass die Fraktion statt der schriftlichen Beantwortung eine mündliche haben möchte und die Beratung des Berichts im Ausschuss fortsetzen möchte. Um solche Fragen beantwortet zu bekommen, mein sehr geehrter Herr Bergner, braucht man einen solchen Plenumsantrag meines Erachtens nicht zu stellen.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Ich finde, das ist schon ein Stück weit ein Missbrauch dieser Form der parlamentarischen Befassung. Wenn schon ein Antrag - bitte?

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Was ande- res ist Ihnen wohl nicht eingefallen?)

an das Landtagsplenum - Herr Bergner, reagieren Sie doch nicht gleich eingeschnappt, ich muss auch manchmal Kritik von Ihnen einstecken -, dann auch und vor allem um gesellschaftspolitisch und politisch-konzeptionell weiterreichende Fragen zu debattieren und eigene Positionen deutlich zu machen. Eine eigene inhaltliche Position Ihrer Fraktion lässt sich, wenn überhaupt, aber nur sehr schwer aus dem Antrag herauslesen. Grundaussage ist eigentlich: Die Tatsachengrundlage für die Entscheidung und das weitere Vorgehen in Sachen JVANeubau muss geklärt werden. Nun müssen wir einfach mal auf die vergangenen Monate zurückblicken. Wir haben das mal versucht und mindestens 12 Gelegenheiten gefunden, Kleine Anfragen, Mündliche Anfragen, Selbstbefassungen im Justizausschuss, in denen die Landesregierung, also entweder Herr Dr. Poppenhäger oder Herr Prof. Dr. Herz, zu dem angefragten Sachverhalt rund um den Neubau der JVA berichtet hat. Es sind einige der Fragen in Ihrem Antrag längst beantwortet - auch öffentlich beantwortet. Es hat mehr als genug Gelegenheiten gegeben und eine ausreichende Zeitspanne

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Und das genügt Ihnen?)

- ich weiß nicht, wem das genügt, was diese Frage soll. Wenn ich eine Antwort schon habe, wozu brauche ich sie denn zweimal?

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Wenn Ih- nen diese Antworten genügen, ist das auch eine Aussage.)

Es gab ausreichend Gelegenheit, die Fragen im vorliegenden Antrag a) anderweitig auch zu stellen bzw. b) hat es schon Antworten gegeben. Wenn die Fraktion der FDP nicht zufrieden damit ist, wie sie beispielsweise, ich denke, es war im Novemberoder Dezemberplenum in der Fragestunde, nicht rumgekommen ist, dass Sie der Letzte waren, der

(Staatssekretär Prof. Dr. Herz)

die Fragen eingereicht hatte und damit waren die dann schon beantwortet, das

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Kommen Sie mal zum Thema.)

ist noch lange kein Grund, dann hier das Plenum mit einem solchen Antrag zu beschäftigen. Sie werden schon mich und gegebenenfalls die Präsidentin entscheiden lassen müssen, ob das, was ich hier rede, zum Thema ist. Wenn ich nicht zum Thema rede, wird Frau Präsidentin mich schon korrigieren, denke ich.

Dass die beiden Anstalten Hohenleuben und Gera geschlossen werden müssen, ist schon seit der 4. Wahlperiode als Tatsache in der Diskussion, weil gerade mit Blick auf Hohenleuben - und das kennen Sie sicher schon länger, als Sie hier im Landtag sitzen - und auf die ausgedehnte Mehrfachbelegung ein Weiterbetrieb mit einer Ausnahmeregelung angesichts der tatsächlich geltenden Standards - und die sind eben noch mal aufgezählt worden - nicht mehr vertretbar ist.

(Beifall DIE LINKE)

Für die JVA Gera, eine Haftanstalt in einer ehemaligen Brauerei im Stadtgebiet, gilt das genauso. Der Neubau wurde immer mit „Ersatz für“ begründet. Dass beide Anstalten auch durch Umbau und Modernisierung nicht zu retten sein würden, ist schon länger klar. Warum das der Landesrechnungshof nicht bemerkt hat, erschließt sich mir bisher nicht. Die Bediensteten hatten auch schon länger Zeit, sich darauf einzustellen, dass es deutliche Veränderungen in ihrem Berufsalltag geben wird. Wir haben im Januar erfahren, dass das Ministerium die Bediensteten bzw. die Personalvertretungen in Personalversammlungen formal und offiziell am 15. Januar wohl unterrichtet hat und über die Standortentscheidung informiert hat. Davor, wurde uns im Ausschuss gesagt, sei der Hauptpersonalrat regelmäßig informiert worden. Die Fraktion DIE LINKE hat da schon viel früher Kritik laut werden lassen und eine umfassendere Einbeziehung der Betroffenen gefordert, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie über Entscheidungen informiert werden, sondern dass sie tatsächlich in Planungsvorgänge einbezogen werden und damit auch ihre kritischen Wertungen und auch Alternativvorschläge und ihr fachliches Know-how einbringen können.

Die angeführten parlamentarischen Aktivitäten seit 2011, Herr Bergner, zeigen, dass der Justizausschuss und auch die interessierten Abgeordneten kontinuierlich am Thema dran gewesen sind, wenn wir auch beispielsweise im Ausschuss häufig mit Fragen bei der Landesregierung nachbohren mussten, um auch wirklich Antworten zu kriegen, die wir wissen wollten. Schon in der Antwort zur Anfrage zum Standort Altenburg - das ist eine aus dem August 2011 - sind Bewerberstandorte und Kriterien

genannt worden. In der Antwort 2012 im Januar zu Entscheidungskriterien - da gab es zwei Anfragen sind ziemlich detaillierte Angaben zu Art und Gewichtung dieser Kriterien gemacht worden. Dann haben wir als Nächstes Infos in der Justizausschuss-Sitzung am 25.04.2012 bekommen; da war noch mein Kollege Hauboldt im Justizausschuss für uns. Weitere Details gab es dann in der Ausschussberatung am 18. Januar 2012. Unter anderem wurde dort umfangreich über Nachnutzungen der zur Schließung anstehenden Standorte gesprochen. Hinsichtlich der genauen Details zu den technischen Daten, wie der zugrunde gelegten Haftplatzgröße und den Anforderungen an die Baugestaltung, hat das Justizministerium auf verschiedene Gutachten verwiesen. Es hat wohl einen 14-Kriterien-Katalog gegeben; über den wurde der Landtag im Januar 2012 informiert und ein sogenanntes K1-Gutachten wurde am 16. Januar dieses Jahres im Ausschuss angesprochen. Das politische Problem ist eher, dass der Fachausschuss, obwohl die komplexe Debatte das eigentlich erfordert hätte, diese detaillierten Materialien, die dem Entscheidungsprozess dienten, nicht bekommen hat. Vielleicht haben wir nicht dolle genug nachgefragt, aber das ist schon zu kritisieren und möglicherweise muss ich da auch einfach mit mir ein bisschen kritisch umgehen und beim nächsten Mal doller nachfragen.

(Beifall CDU)

Die Fragefülle des Antrags vermittelt ein ganzes Stück den Eindruck, dass Thüringen wegen eines mehr oder weniger unseriösen Auswahlverfahrens den Kürzeren gezogen habe. Trotz ständiger Themenbefassung vermittelt der Antrag den Eindruck mangelnder Transparenz. Aber es darf auch nicht, Herr Bergner, übersehen und verschwiegen werden, dass möglicherweise auch die Bürgerproteste an den aussichtsreichsten Thüringer Standorten, zum Teil unterstützt von kommunalen Gremien, die ihre ursprünglichen Beschlusslagen geändert hatten, die Aussichten für Thüringen verschlechterten.

Man könnte den Antrag zum Anlass nehmen - und die Landesregierung hat das in ihrem Sofortbericht zumindest ansatzweise getan -, jetzt hier über das Thüringer Justizvollzugskonzept, das uns ja im Januar, glaube ich, vorgelegt wurde, zu debattieren.

Meine Damen und Herren, ich finde aber, das würde den Antrag aufwerten. Wenn Sie wollen, kann ich zum Justizvollzugskonzept sprechen, aber ich halte den Anlass hier nicht für den richtigen.

Ich will noch mal was zum Thema Landesrechnungshof kurz sagen und dann aber auch schon zum Ende kommen. Die Landesregierung hat immer wieder, zuletzt in ihren Ausführungen am 6. Februar dieses Jahres, betont, dass auch schon in der Vergangenheit die Frage der Ertüchtigungsfähigkeit der Thüringer Justizvollzugsanstalten aus

führlich geprüft wurde und dass diese Prüfung für Hohenleuben und Gera und auch Untermaßfeld und Goldlauter, gemessen an den modernen Vollzugsstandards, negativ ausgefallen ist. Vielleicht kann man diese Prüfunterlagen auch mal als Ausschussmitglieder bekommen, Herr Prof. Dr. Herz.

Abgesehen von der Frage, ob Landesrechnungshöfe mit ihren Berichten aktive Fachpolitik über den Finanzbereich hinaus betreiben sollten, möchte ich noch einmal wenigstens sagen, dass der Bericht des Landesrechnungshofs nach unserer Meinung auch inhaltliche Schwächen aufweist. Er hat bei der Prüfung, ob neue Haftplätze notwendig sind, außer Acht gelassen, dass geltende Vollzugstandards einzuhalten sind. Wir als Fraktion lehnen es aber ab, Haftanstalten wie Hohenleuben, Gera, Untermaßfeld und Suhl-Goldlauter noch auf Jahre - und das würde ja so kommen, bauten wir jetzt nicht neu als rechtlich eigentlich nicht mehr zulässige Ausnahmen zu betreiben. Da könnten wir wahrscheinlich schon das Datum festsetzen, wann wir die nächste Rüge von welcher Kommission auch immer bekommen wollen, denn diese Justizvollzugsanstalten stehen mit ihren baulichen Mängeln, die auch durch Umbauten nicht behebbar sind, da muss ich die Prüfunterlagen gar nicht lesen, das weiß ich - Hohenleuben habe ich selber schon gesehen, in Gera war ich noch nicht, aber da vertraue ich meinem Kollegen Hauboldt, der dort war, und der Strafvollzugskommission -, diese JVAen stehen mit diesen baulichen Mängeln der Umsetzung eines modernen Justizvollzugskonzepts im Weg und dazu sagt der Thüringer Landesrechnungshof nichts, obwohl das das Kernthema bei dieser Thematik ist. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.