Protocol of the Session on March 21, 2013

es enthält eine ungeeignete Regelungstechnik für gefahrabwehrende Normen und führt so zu erheblichen Grundrechtseingriffen usw.

Meine Damen und Herren, noch erschwerend - und da muss ich leider die Abgeordneten Bergner und Renner noch ergänzen - kommt dazu, wenn man sich die Geschichte des PAG in Thüringen ansieht Sie haben die Geschichte ab 2008 hier richtig dargestellt - , muss man auch wissen, dass wir 2008 das PAG novelliert haben, weil das Vorgängergesetz schon in Teilen vom Verfassungsgerichtshof kassiert worden ist. Das heißt, wir müssen uns der traurigen Wahrheit stellen, dass wir in Thüringen seit über 10 Jahren über kein in Gänze verfassungskonformes Polizeiaufgabengesetz verfügen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist unvor- stellbar.)

Ja, es ist eigentlich unvorstellbar. Herr Fiedler, da kann ich Ihnen in Ihrer Beurteilung an einem Punkt überhaupt nicht recht geben, das ist nicht überraschend gekommen, das ist schon in den Debatten um 2008

(Beifall DIE LINKE, FDP)

- schauen Sie doch mal in die Protokolle - und nicht nur von den Oppositionsparteien hier im Landtag angemerkt worden. Das ist von den Kirchen gekommen, das ist von Vereinen und Verbänden gekommen, das ist von den Juristenverbänden gekommen. Sie sind sehenden Auges in dieses Messer gelaufen, es ist genug gewarnt worden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und niemand - an der Stelle hat Frau Renner leider recht -, der einigermaßen in der Materie drinsteckt, ich meine das im Sinne des Gesetzes -, kann wirklich sagen,

(Unruhe CDU)

dass das Urteil des Verfassungsgerichtshofes so überraschend ist. Deshalb, meine Damen und Herren, bleibt für die SPD-Fraktion als allererste und als die stärkste Prämisse bei der Novelle des PAG, wir brauchen endlich ein in Gänze verfassungskonformes Gesetz.

So sehr ich den Antrag, meine Dame und Herren der FDP, in einigen Passagen teile, bleibt ein sehr großes irritierendes Element für mich und auch Herr Adams hat es eben, ich möchte sagen, leider formuliert.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Nicht leider.)

Ich sage Ihnen offen, nach so vielen PAG-Debatten, ich kann die Forderung nicht mehr hören, ein modernes PAG zu machen. Also jetzt mal ganz

ehrlich, das ist doch nichts anderes als Parteirhetorik. Gehen wir mal weg von den Parteien,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist der Titel.)

fragen Sie mal den normalen Bürger auf der Straße, der mit der Polizei zu tun hat, fragen Sie mal die Polizisten, fragen Sie mal die Datenschützer oder fragen Sie ganz und gar mal die Juristen, was die unter einem modernen PAG verstehen. Da kriegen Sie fünf verschiedene Meinungen.

Also lassen Sie uns zu Beginn der Debatte nicht so mit parteipolitischen oder ideologischen Schlagwörtern wie „modernes Gesetz“ oder sogar mal das „modernste Gesetz in ganz Deutschland“ - das ist übrigens dann vom Verfassungsgerichtshof kassiert worden - lassen Sie uns von Anfang an nicht mit so Schlagworten arbeiten, sondern lassen Sie uns in der Sache arbeiten. Da sage ich noch einmal, wir brauchen ein gutes - an der Stelle gebe ich übrigens Wolfgang Fiedler recht -, ein praktikables und natürlich ein verfassungskonformes PAG. Auch da, finde ich, ist es die Wahrheit, dass das jetzige PAG außer den beklagten Teilen so schlecht gar nicht ist. Es ist das Haupthandwerkszeug für die Thüringer Polizisten, die kommen damit gut zurecht. Insofern will ich davor warnen, außer den Dingen, die uns das Gericht aufgibt, allzu viel in dieses Gesetz hineinzugeben. Ich habe die Woche auch längere Aussprachen mit Polizisten gehabt, die haben mir auch noch einmal gesagt, Leute, ihr da im Landtag, solche Gesetze brauchen wir auch mal mit einer Konstanz über 10, 12 Jahre, weil zu jedem neuen Gesetz gibt es wieder Auslegungsmöglichkeiten und da gibt es wieder Unklarheiten. Also wir brauchen in so einem Gesetz in den wesentlichen Eckpunkten eine gewisse Konstanz, um auch wirklich von Anfang an auch richtig sicher mit diesem Gesetz zu arbeiten.

So warten wir also, meine Damen und Herren, gespannt auf den Gesetzentwurf, nicht auf den Referentenentwurf, auf den Gesetzentwurf der Landesregierung. Dieses ist dann ein Auftakt zu einer hoffentlich sachlichen Debatte zum PAG. Die Debatte hier im Landtag war notwendig. Der Antrag muss aber nicht in den Ausschuss. Der Beginn der Sachund Fachdebatte ist die Vorlage des Gesetzes der Landesregierung und der Debatte wollen wir uns natürlich auch von der SPD-Landtagsfraktion gern stellen. Danke.

(Beifall SPD)

Vielen, herzlichen Dank, Herr Gentzel. Als Nächster hat der Abgeordnete Dirk Bergner für die FDPFraktion das Wort.

(Abg. Gentzel)

Herzlichen Dank. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle wollte ich auch dem Minister für seinen Bericht danken und ich will an dieser Stelle gleich eines vorweg sagen. Herr Kollege Gentzel, ich verstehe Ihre Diskussion in Richtung Parteirhetorik. An Ihrer Stelle hätte ich mir jetzt auch irgendetwas einfallen lassen, um ein Argument zu finden, nicht zuzustimmen. Aber, ich glaube, es ist richtig und wichtig gewesen, mit dieser Diskussion das Gesetz und den Gesetzentwurf anzuschieben, und ich glaube auch, wenn wir heute hier nicht darüber diskutiert hätten, würde das noch wesentlich länger auf dem Postweg schmoren.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Nein.)

Der Kollege Fiedler hat sich vorhin hingestellt, hat so sinngemäß erzählt, so schlimm ist es ja nicht gewesen. Ich darf Ihnen hier aus dem Urteil zitieren: „Die im Tenor aufgeführten Vorschriften sind mit der Thüringer Verfassung für unvereinbar zu erklären, § 37 Abs. 4 Satz 1 Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz, soweit sie dem Grundrechtsschutz des Bürgers dienen, würde ihre Nichtigerklärung zu einem Zustand führen, der von der verfassungsgemäßen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.“ Das heißt also nur deswegen. Daraus eine Auslegung zu machen nach dem Motto, so schlimm war es nicht, das trifft nicht den Kern der Sache und das ist schlicht und einfach auch so, wie es verschiedene Reden, auch die von Herrn Kollegen Gentzel, gezeigt haben, es war schon eine ziemliche Ohrfeige, die hier der Gesetzgeber kassieren musste.

Wie schon in der Einbringung dargelegt, geht es uns bei dem Antrag darum, die Verfassungswidrigkeit des Thüringer PAG schnellstmöglich zu heilen. Es ist schon, ich sage mal höflich ausgedrückt, unglücklich, dass wir auf das Urteil drei Jahre warten mussten. Nach meiner Kenntnis ist die Landesregierung an der langen Dauer des Verfahrens aber eben nicht ganz unschuldig. Deswegen sollte sie jetzt umso ehrgeiziger sein, schnellstmöglich einen verfassungsmäßigen Zustand im Thüringer PAG zu erlangen.

Unser Antrag, meine Damen und Herren, sieht unter II fünf Punkte vor, die nach unserer Auffassung bei der Novellierung des PAG Berücksichtigung finden sollten oder sogar müssen. Ich will gern die Aussage des Ministers zur Kenntnis nehmen, dass das wohl in vielen Teilen so der Fall sein soll. Aber, ich glaube, wir sind auch als Parlament gut beraten, da ja dieser kurzfristig vorgelegte Referentenentwurf natürlich noch nicht ordentlich durchgearbeitet werden konnte, auch diese Eckpunkte hier festzuzurren und sozusagen die Korsettstangen einzuziehen, meine Damen und Herren.

In den fünf Punkten geht es um die Gewährung von effektivem Rechtsschutz der Betroffenen einer Überwachung, den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung bzw. Lebensgestaltung durch ein umfassendes Erhebungsverbot und um klare und bestimmte Regelungen. Wenn man sich das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs mal gründlich durchliest, wird man sich der Feststellung nicht ganz erwehren können, dass das Gesetz entweder, mit Verlaub, sehr schlampig oder mit einer sehr heißen Nadel verfasst worden ist. Beides, meine Damen und Herren, ist im Falle eines Polizeiaufgabengesetzes, das weitreichende Befugnisse für Eingriffe in Grundrechte hat, nicht hinnehmbar.

Herr Kollege Fiedler, ich bin Herrn Burkhard Hirsch ausgesprochen dankbar, dass er als Anwalt die Schwachstellen treffsicher herausgearbeitet hat. Burkhard Hirsch ist eben nicht nur ein exzellenter Jurist, sondern auch ein anerkannter Streiter für Bürgerrechte in diesem Land, und das ist gut so.

(Beifall FDP)

Herr Kollege Fiedler, statt in Ihrer Rede die Vokabel „sehr“ zu streichen, hätten Sie sicher besser die Vokabel „Altgenosse“ weggelassen. Ich glaube, auch bei aller Unterschiedlichkeit von politischen Auffassungen gehört gegenüber einem Mann wie Burkhard Hirsch auch ein gewisser Respekt und der würde Ihnen guttun, Herr Kollege Fiedler.

(Beifall SPD, FDP)

Elementare Verstöße liegen nach meiner Auffassung darin, dass es bei der Normierung der §§ 34 ff. Thüringer PAG an einer Vorschrift fehlt, die bei einer Verletzung des Kernbereichs die Unterbrechung der Datenerhebung und die Löschung bereits erlangter kernbereichsrelevanter Daten vorschreibt. Auch ist die Dokumentationspflicht solcher Eingriffe nur unzureichend geregelt.

Außerdem, meine Damen und Herren, wird der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung in § 5 Abs. 7 in unzulässiger Weise eingeschränkt. Das ist kein Kavaliersdelikt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern ein Verstoß gegen Artikel 1 Abs. 1 der Thüringer Verfassung.

(Beifall FDP)

Ich glaube, wir sind gut beraten, das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ernst zu nehmen und sollten ihm mit dem entsprechenden gebotenen Respekt begegnen.

Aber es gibt auch noch einen weiteren Punkt in unserem Antrag. Nach dem jetzigen Thüringer PAG genießen sogenannte sonstige Rechtsanwälte entgegen Strafverteidigern und anderen Berufsgeheimnisträgern - § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 4 der StPO - nur einen relativen Schutz mit der Folge, dass im Einzelfall abgewogen werden kann und

muss, ob das individuelle Interesse an der Geheimhaltung oder das allgemeine Strafverfolgungsinteresse überwiegt. Eine Abgrenzung, wann ein Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit zum Strafverteidiger wird, ist immer einzelfallabhängig und in der Praxis kaum nachvollziehbar, meine Damen und Herren, und deswegen ist uns dieser Punkt ganz besonders wichtig.

(Beifall FDP)

Derselbe Sachverhalt muss oftmals sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich beurteilt werden. Wann es zu einer solchen Überschneidung kommt, ist immer nur im Einzelfall feststellbar. Im Nachhinein ist ein absoluter Schutz aber nicht mehr zu gewährleisten. Die christlich-liberale Bundesregierung hat seit dem 1. Februar 2011 auch für sonstige Rechtsanwälte ein absolutes Beweiserhebungsund -verwertungsverbot in § 160 a Abs. 1 StPO normiert. Ich halte es für zweckmäßig, meine Damen und Herren, auch in Thüringen diesen Weg zu gehen und hier eine einheitliche Linie mit der Bundesgesetzgebung zu fahren.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass die Punkte im Antrag für ein modernes, und ich bleibe bei der Vokabel, Herr Kollege Gentzel, und verfassungsgemäßes Thüringer Polizeiaufgabengesetz wichtig und richtig sind. Ich werbe schon um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, weil ich denke, dass wir auch für die Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuss, wenn er dann dort ist, die Eckpunkte festgelegt haben sollten.

Noch ein kurzes Wort zum Thema Alkoholverbot, über das wir ja jetzt auch gleich noch mal sprechen werden dürfen. Herr Kollege Fiedler, Ihre Aussage hat mich so ein bisschen an den Satz erinnern: Niemand hat die Absicht ein Alkoholverbot zu erlassen. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Bergner. Ich habe eine Frage: Sie wollen den Antrag gern an den Ausschuss überweisen?

Nur abgestimmt haben.

Sie wollen ihn nur abgestimmt haben. Gut, vielen herzlichen Dank. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt direkt zur Abstimmung über Nummer II des Antrags der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/5808. Wer dieser zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus CDU- und SPD-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? Das sind die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Antrag abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 13

Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen - eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/5813