Vielen Dank, Herr Gumprecht. Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Carsten Meyer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. 2004 hat die Bundeszahnärztekammer die Mundgesundheitsziele für Deutschland 2020 vorgelegt. Einige der dort definierten Ziele, zum Beispiel zur Zahnerhaltung und zur Reduzierung der Karieslast in bestimmten Altersgruppen wurden bereits erreicht. Vergleichsuntersuchungen zur Zahngesundheit zeigen überdies, dass Deutschland mittlerweile einen guten Rang im internationalen Vergleich erreicht hat. Aber - und das ist mehrfach von den Kolleginnen und Kollegen hier angesprochen worden - zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass wir eine Reihe von grundlegenden Problemen in der zahnmedizinischen Versorgung haben wie die vom Sozialstatus abhängige Zahngesundheit, unzureichende Qualitätstransparenz sowie eine durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen begünstigte Fehl-, Über- oder manchmal auch Unterversorgung.
Zahngesundheit ist für das allgemeine Wohlbefinden von ausschlaggebender Bedeutung, insbesondere wenn der körperliche oder geistige Handlungsspielraum der betroffenen Patientinnen und Patienten begrenzt ist. Der Genuss einer Mahlzeit wird dann zu einem unschätzbaren Gewinn an Lebens
qualität. Traurigerweise können vor allem Pflegebedürftige und Menschen mit einer Behinderung an der positiven Entwicklung der Mundgesundheit nicht angemessen partizipieren. Ich möchte betonen, da greift der Antrag der FDP als Erstes schon zu kurz, eben nicht nur diese beiden genannten Problemfälle, auf die Sie sich ja sehr konkret beziehen. Ich will im Rahmen einer Sozialmedizin nur daran erinnern, dass es auch um Asylbewerbende geht, um Geringverdiener und eben zum Beispiel auch um Strafgefangene, die alle das Problem haben, dass für Prävention, in dem Sinne, wie wir es wahrscheinlich hier alle verstehen, entweder nicht genug Geld da ist oder Gelegenheit oder Werbung oder alles zusammen.
Viele von ihnen sind nicht mehr in der Lage, sich ausreichend um die Zahnpflege zu kümmern, sind nicht mehr mobil, haben keine Möglichkeit, regelmäßig eine Zahnarztpraxis aufzusuchen. Dann fange ich jetzt an, mich langsam mit allem hier zu wiederholen. Das stellt sowohl die zahnmedizinische Versorgung als auch den Bundesgesetzgeber vor Herausforderungen, den Bundesgesetzgeber und nicht uns. Die FDP hat scheinbar außer Populismus den Bürgerinnen und Versicherten nicht viel zu bieten. In den Bundesländern etwas fordern, was man in Berlin in der Regierung nicht umsetzen kann bzw. will, ist absolut wenig sinnvoll. Meine Damen und Herren von der FDP, reden Sie nicht miteinander oder einfach einmal gemeinsam?
Das könnte von uns kommen, meinen Sie? Ich weiß nicht, wie Sie das einschätzen, aber diese Art von Qualität, diese Art von Anträgen suchen Sie doch bei uns auch einmal, vielleicht finden Sie doch auch so reichhaltigen Fundus wie bei Ihnen. Also, wenn das hilft, Herr Barth.
Nein, Ihnen Hinweise geben, dann gern. Fordern Sie doch Ihre Bundestagsfraktion oder Ihren Gesundheitsminister auf, den Kreis der Anspruchsberechtigten auszuweiten, wenn das der richtige Adressat ist, ist schon mehrfach genannt worden. Aber immer, wenn es Ihnen passt, dann holen Sie Ihre wohlfeilen Bundesratsinitiativen aus dem kompetenzarmen Hut und wollen dann über die Länder etwas erreichen, was Sie in Ihrem eigenen Ministerium nicht schaffen.
Darüber hinaus ist ganz offensichtlich, dass Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung nicht im Mittelpunkt Ihrer Gesundheitspolitik stehen, sondern dieser Schaufensterantrag ist ausschließlich dafür da, den Zahnärzten zusätzliche Einnahmen zu bescheren.
Das ist eine politische Wertung, Frau Kollegin, und dazu stehen wir auch. Denn wenn Sie es ernst gemeint hätten, hätten Sie beispielsweise die von mir genannten weiteren Risikogruppen auch mit aufgenommen. Sie hätten uns konkret gesagt, was zu tun ist. Was Sie reingeschrieben haben, heißt, helft uns dabei, wir sind nicht in der Lage, unseren Gesundheitsminister dazu zu bringen, etwas zu tun, was sinnvollerweise zu tun wäre.
Das ist mittlerweile ein halbes Dutzend Mal hier schon gesagt worden, das wollte ich Ihnen nicht noch einmal sagen. Das langweilt Sie ja dann irgendwann auch.
Wir GRÜNE fordern vor allem auf der Bundesebene seit Längerem, dass Pflegebedürftigen sowie Menschen, die aufgrund Ihrer Behinderung nicht dazu in der Lage sind, selbstständige Maßnahmen zum Erhalt Ihrer Zahn- und Mundgesundheit durchzuführen sind, zusätzliche Versorgungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden müssen und das aber alles bislang ohne Erfolg, aufgrund der Blockadehaltung der schwarz-gelben Bundesregierung.
Oh, doch, wir hatten wahrscheinlich dieselben Ideen wie Sie auch. Nur wir behaupten nicht etwas vollmundig, von dem wir nicht mehr in der Lage sind, das ansatzweise in unserer eigenen Fraktion durchzusetzen. Wir lassen uns dann auch nicht helfen von der FDP aus den Länderebenen, schon gar nicht aus den Ländern, wo die FDP noch dabei ist.
Die schwarz-gelbe Politik ist Ausdruck von eigenen Versäumnissen und Unzulänglichkeiten. Ich will nur an den verspäteten Beginn der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention erinnern, das Debakel um die Haftpflichtprämie von Hebammen sowie die Überführung des Anspruchs auf Hebammenhilfe in das SGB V. Anstatt die vermeintliche Gesetzeslücke zu schließen, verabschiedete die Bundesregierung eine Mogelpackung nach der anderen. Vor allem das Pflegeneuausrichtungsgesetz hatte das grundsätzliche Ziel, die zahnmedizinische Versorgung von Pflegebedürftigen zu verbessern. Wir haben von Herrn Gumprecht dazu einiges gehört. Doch was bleibt, auch hier wurde ein Einstieg in ein zahnärztliches Präventionsmanagement mit zusätzlichen vorsorgeorientierten Leistungen verpasst.
Was wir hier in Thüringen tun könnten und tun können und vielleicht auch mal tun sollten, um die Zahngesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, ist, Präventionsmaßnahmen zu unterstützen, die vor allen Dingen Kindern und sozial Benachteiligten zugutekommen. Diese Gruppen werden durch die herkömmlichen Präventionsmaßnahmen oft nicht erreicht. Der Aufbau entsprechender Informationsangebote sollte in enger Zusammenarbeit zwischen Land, Zahnärzteschaft und Krankenkassen erfolgen. Wir benötigen mehr Kooperation bzw. verzahnte Behandlungsabläufe, da die wachsende Zahl chronisch und mehrfach erkrankter Personen auf gut miteinander vernetzte Behandlungsabläufe angewiesen ist. Hier könnte das Land unterstützend wirken, damit mehr Anreize zur Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung gesetzt werden. Ansonsten werden wir uns den Meinungen von Herrn Gumprecht und seiner Fraktion anschließen und diesen Antrag ablehnen. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Meyer. Als Nächste hat jetzt das Wort Abgeordnete Franka Hitzing für die Fraktion der FDP.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Dr. Hartung, ich verstehe die Aufregung gar nicht, nach neun Jahren Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt kann es natürlich in drei Jahren nicht möglich sein, alles zu regeln und zu korrigieren, was in neun Jahren nicht gelaufen ist. Punkt 1.
Punkt 2 - das müssen Sie sich jetzt auch anhören kann ich Ihnen versichern, wir kennen die Adressen und wir können auch selber Briefe schreiben. Ich brauche Ihren Brief also nicht und Ihre arrogante Art und Weise können Sie stecken lassen.
Des Weiteren - bevor ich mit dem Eigentlichen anfange, ich erkläre es Ihnen dann noch mal, vielleicht geben Sie mir an manchen Stellen sogar recht, Sie haben es ja sogar schon getan. Ich staune auch, dass Sie als Arzt hier so loslegen. Aber eins will ich Ihnen sagen, das war vor vier Jahren so und das ist jetzt auch so: Auch im Bund regiert eine Koalition und der Bundesgesundheitsminister ist nicht allein, sondern er ist natürlich auch auf die Stimmen in der Koalition angewiesen. Das, was wir hier initiieren mit diesem Antrag, geht lediglich darum, das, was im Bund schon erreicht wurde - Herr
Mundgesundheit für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen zu verbessern, das ist das Anliegen unseres Antrags. Dass das Thema wichtig ist, das habe ich Ihnen bereits in meiner Einbringung erklärt, zumindest habe ich gedacht, Sie hätten es verstanden, aber das ist anscheinend nicht so, und deshalb will ich dazu noch einige Worte sagen.
Ich möchte gern mit Ihrer Erlaubnis aus einem Schreiben des Landesverbands für Menschen mit Behinderungen zitieren, welches auch Ihnen im Januar bereits zugegangen ist. Darin heißt es - mit Ihrer Erlaubnis: „Der Landesverband für Menschen mit Behinderungen in Thüringen e.V. unterstützt den Antrag der FDP-Fraktion des Thüringer Landtags auf Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen um präventive Leistungen zur Verbesserung der Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen. Bisher können diese Präventionsleistungen für diesen Personenkreis nur privat erbracht werden. Wir sehen in diesem Antrag daher ein Stück konkrete Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Sinne der Betroffenen auch und gerade in Thüringen. Daher bitten wir alle Abgeordneten des Thüringer Landtags hinsichtlich der notwendigen Initiative um Zustimmung zu diesem Antrag.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu passend haben sich auch die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Thüringens und die Landeszahnärztekammer Thüringens in einer gemeinsamen Pressemitteilung positiv zu dieser Initiative der FDP geäußert und bessere Präventionsleistungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen gefordert, und zwar angelehnt an die guten Erfahrungen, die bei der Vorsorge bei Kindern und Jugendlichen erzielt wurden.
Es verwundert mich auch, warum die Tatsache, dass man einen Punkt herausnimmt, der wirklich wichtig ist, unserer Meinung nach sehr wichtig ist und Sie haben mich da auch bestätigt -, warum es dann schlimm ist, diesen Punkt erst mal zu fokussieren und darüber zu reden. Nein, da wird gleich gesagt, weil ihr nicht alles macht und weil ihr nicht die komplette Welt retten könnt, lehnen wir das ab, ohne auch mal punktuell bestimmte Dinge anzusprechen und zu diskutieren.
Das verwundert mich schon sehr, meine verehrten Damen und Herren. In seltener Einmütigkeit haben sich sowohl Vertreter der Betroffenen als auch die Ärzteschaft unserem Anliegen angeschlossen und dies aus gutem Grund. Es ist nicht verwunderlich, dass die Mundgesundheit und die zahnmedizinische Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen deutlich schlechter als beim Bevölkerungsdurchschnitt sind. Prekär ist die Lage gerade bei Kindern mit Behinderungen. Hier erleiden 12-Jährige bis zu 25-mal häufiger einen Verlust der bleibenden Zähne als gleichaltrige Jugendliche ohne Behinderung. Des Weiteren vergehen in rund 50 Prozent der Heime zwischen zwei Zahnarztterminen mehr als 22 Monate. Die Zahnärzteschaft und auch die Krankenkassen raten jedoch dringend zu einer halbjährlichen Prävention. Das ist der Kern unseres Antrags, Prävention, und zwar so, dass sie auch wirklich wirksam ist.
Dies muss mindestens auch für Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige gelten, denn pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung gehören nun mal zur Risikogruppe für Karies und Paradontalerkrankungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei den 60- bis 79-Jährigen hat etwa jeder 6. Mann und jede 4. Frau fünf oder mehr Krankheiten. Gerade dadurch und durch die neurologisch und motorisch bedingten Einschränkungen ist die selbstständige Pflege der Zähne und des Zahnersatzes sehr eingeschränkt oder nicht mehr allein durchführbar. Auch eine Visusminderung durch Grünen Star, Grauen Star kann bei sonst noch rüstigen Senioren die Pflege von Gebiss und Prothesen einschränken. Hinzu kommen die Auswirkungen der im Alter zunehmenden Polymedikationen. Des Weiteren sind im Alter generell signifikante Veränderungen der Mundhöhlengesundheit zu beobachten. Neben Alterserkrankungen, wie altersbedingter Mundtrockenheit, Wurzelkaries oder Tumoren der Mundschleimhaut sind physiologische Veränderungen der oralen Gewebe ursächlich dafür.
Sehr verehrte Damen und Herren, was ihre Mundund Zahngesundheit anbelangt, haben pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen also spezielle Bedürfnisse, die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, der GKV, bis jetzt nicht ausreichend abgebildet sind. Auch hier gilt, dass Vorsorge günstiger ist als Nachsorge. Das ist der zweite Punkt, worauf es uns ankommt, die Vorsorge, die Prävention, denn die Auswirkungen sind beträchtlich und Erkrankungen der Mundhöhle schlagen unmittelbar auf den Gesamtorganismus aus. Das wissen wir alle. Wenn man Zahnschmerzen hat oder die Krankheit, den Zahn nicht orten kann, dass man sich im Gesamtpaket einfach krank fühlt. Folge sind teure Nachfolgeerkrankun
gen, aufwendige und für die Betroffenen belastende Behandlungen, Mehrfachmedikation bis hin zu Krankenhausaufenthalten. Eine rechtzeitige und regelmäßige Vorsorge hilft unserer Meinung nach sogar dem Gesundheitssystem, weil Prävention ist ganz einfach besser für die betroffenen Menschen als Behandlung nachher und für die Krankenkassen im Übrigen auch preiswerter.
Die FDP konnte im Bund die Novellierung des § 87 SGB V erreichen, so dass erstmals ab 2012 tatsächlich zusätzliche Leistungen zur besseren zahnmedizinischen Betreuung von Versicherten in häuslicher und stationärer Pflege überhaupt entsprechend möglich sind. Ich betone, dass es sich dabei jedoch um Akutbehandlungen handelt, also bei Schmerzen oder Ähnlichem. Vorher wurde den Ärzten der Mehraufwand der aufsuchenden Betreuung, der höhere Personaleinsatz oder auch das Wegegeld nicht vergütet. Selbstverständlich haben die Ärzte trotzdem behandelt, und zwar auf eigene Kosten. Wir wollen jedenfalls, dass zukünftig auch Präventionsleistungen als Pflichtleistungen der GKV festgeschrieben werden, damit es auch für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen zukünftig heißt - ich sagte es bereits eingangs „Gesund beginnt im Mund“.