Protocol of the Session on December 14, 2012

Einige generelle Äußerungen möchte ich dazu machen. Die Landesregierung hat den Personenkreis um die Personen in diesem Gesetz ergänzt, die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten. Die ständige Erweiterung des Personenkreises habe ich schon in meiner letzten Rede kritisiert, aber für mich ist die rechtliche Stellung und die Versorgung des aus dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE herausgenommenen Personenkreises und die Regelung der Kostenfrage immer noch nicht nachvollziehbar. Bei der Abschaffung oder Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes, was ja ein Bundesgesetz ist, kann sich dies völlig neu gestalten und wird sich dann auch sicher in der Landesgesetzgebung niederschlagen. Eine Umkehrung des Vorgangs der Unterbringung, nämlich vorrangig in Wohnungen und nicht in Gemeinschaftsunterkünften, begrüßen wir ausdrücklich, insbesondere da es Menschen, die sehr lange in diesen Gemeinschaftsunterkünften leben müssen, betrifft. Aber auch hier sehen wir, dass in Thüringen in den meisten Landkreisen diese Veränderung bereits stattgefunden hat.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber nicht mal zur Hälfte.)

Heime in abgelegenen Gegenden wurden geschlossen, wohnungsähnliche Strukturen wurden in etlichen Landkreisen geschaffen oder zumindest angestrebt. Es wurden insbesondere Familien mit Kindern, Menschen mit gesundheitlichen Problemen außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht. Wir wissen, das ist noch nicht

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Er- wachsene ohne Kinder haben wohl nicht das Recht?)

die Forderung, die wir auch in der Anhörung immer wieder zur Kenntnis nehmen durften. Wohnungen dienen dem Wohl der dort untergebrachten Menschen, aber wir akzeptieren trotzdem die Möglichkeit, die die Kreise haben und die sie auch inzwischen nutzen.

(Beifall CDU)

Die Argumente des Landkreises sind für mich nur in dem Punkt der regionalen Unterschiedlichkeit nachvollziehbar, aber die schwerere Erreichbarkeit für Termine und dass die Menschen auf sich alleingestellt ihr Leben nicht meistern, das wird in Thüringen schon lange widerlegt.

(Beifall CDU)

Die Forderung nach DIN 77800 halte ich für überzogen und nicht angemessen, da wir es jetzt hier nicht mit betreutem Wohnen für ältere Menschen zu tun haben. Ich möchte auch nicht zu allen einzelnen Änderungsvorschlägen der LINKEN hier Stellung nehmen. Das haben inzwischen meine Vorredner doch sehr ausführlich gemacht. Aber die Übernahme der tatsächlichen anfallenden Kosten bei den Kommunen durch das Land ist etwas, was immer wieder in Gesprächen genannt wurde. Die Ausstattung mit den Pauschalen ist nur für wenige Kreise und kreisfreie Städte kostendeckend. Umso erstaunter war ich, dass bei den Stellungnahmen des Landkreistages und des Gemeinde- und Städtebundes dies nicht so problematisch gesehen wurde. Wir haben von dieser Forderung Abstand genommen, da sie außerdem der in der Verfassung verankerten Haushaltssystematik widerspricht.

Nun zu dem Änderungsantrag der Koalition zur Gewährung eines Zugangsrechts für Vertreter von Wohlfahrtsverbänden sowie Flüchtlingshilfeorganisationen und Flüchtlingsvereinen im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungstätigkeit. Damit ist nicht das Hausrecht des Betreibers infrage gestellt. Für uns bedeutet das auch nicht, dass Gemeinschaftsunterkünfte öffentliche Einrichtungen sind, die jedermann nach Belieben betreten oder nutzen kann. Anmeldungen, Vereinbaren und Einhalten von Regeln im Umgang halten wir für ein Gebot der Höflichkeit. Aber die Menschen, die sich für Betreuung und Beratung, das Erlernen der Sprache und Integrationsangebote engagieren, müssen nicht wie Bettler darauf hoffen, dass sie in die Unterkünfte eingelassen werden. Dies soll einem besseren Miteinander dienen, vor allem dort, wo die Zusammenarbeit noch nicht gegeben ist oder behindert wird. Wir finden das ganz wichtig und sind froh, dass sich die SPD mit ihren Forderungen durchsetzen konnte. Im Übrigen verweise ich auf meine Rede zur ersten Lesung. Alles dort Gesagte möchte ich nicht wiederholen, denn es wurde in großen Teilen durch die erfolgte Anhörung bestätigt. Wir nehmen die Anregungen, die insbesondere von der LIGA, dem Beauftragten der evangelischen Kirche, dem katholischen Büro, aber auch dem Flüchtlingsrat zu den verbindlichen Qualitätsstandards der Unterbringung, der Einzelunterbringung nach mehr als 12 Monaten gegeben wurden, sehr ernst. Frau Berninger, meiner Meinung nach war die kürzeste Stellungnahme die des Landkreistages zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, denn die haben gesagt, sie sind damit vollumfänglich einverstanden.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie sind doch die Einzige, die man inhaltlich nicht ernst nehmen kann.)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wen wundert es.)

Ich bitte trotzdem den Innenminister, die Anregungen, die in der Anhörung schriftlich gegeben wurden, in zukünftigen Regelungen zu berücksichtigen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wann denn?)

Die Beratung im Innenausschuss hat deutlich gemacht, wie wir uns heute verhalten werden. Wir schließen uns der Beschlussempfehlung des Ausschusses an.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nun schon einiges gesagt worden und wirklich verwundert hat jetzt auch nicht, Frau Kanis, dass Sie beim Entwurf der Landesregierung bleiben und einmal mehr sagen, dass doch in Zukunft der Innenminister berücksichtigen möge, was in den Stellungnahmen dargelegt wurde. Ich frage mich allerdings schon, und da bin ich bei der Frage, die meine Kollegin Berninger vorhin auch schon gestellt hat, warum wir Anhörungen veranstalten, warum wir schriftliche Stellungnahmen erbitten, wenn diese dann keinen Eingang in die Gesetzesberatung finden. Denn das ist leider der Fall.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung: Der Entwurf enthält lediglich einige aufgrund von Bundesrecht anzupassende Regelungen und diese erscheinen zunächst sehr formal. So soll aufgenommen werden, dass Personen, die sich zum Zwecke der Zeugenaussage in einem Strafverfahren zur Schwarzarbeitsbekämpfung befinden, ein befristetes Aufenthaltsrecht bekommen sollen und ihnen währenddessen Leistungen entsprechend des Asylbewerberleistungsgesetzes zustehen. Nicht wirklich spektakulär. Zudem soll das Flüchtlingsaufnahmegesetz entfristet werden, indem die bisher geltende Frist - Herr Bergner ist auf diese auch schon eingegangen, Frau Berninger auch - aufgehoben werden soll. Schon in der ersten Lesung und der Debatte dazu habe ich hier deutlich gemacht, dass wir die einfache Entfristung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes ablehnen. Hier sind wir uns mit Herrn Bergner und dem, was er für die FDP ausgeführt hat, sehr einig. Denn wir meinen, dass es durchaus richtig und auch angemessen und wichtig ist, in zeitlich angemessenen Abständen über mögliche Änderungsbedarfe gerade bei solchen zentralen

Gesetzen zu diskutieren, insbesondere im Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden. Zudem würde eine Entfristung, so meinen wir, die dauerhafte Festschreibung von diskriminierenden Regelungen bedeuten, die wir entschieden ablehnen. Denn dieser Gesetzentwurf der Landesregierung diskriminiert auch weiterhin.

(Beifall DIE LINKE)

Es liegt nun auch von CDU und SPD ein Änderungsantrag zum Flüchtlingsaufnahmegesetz vor. Dieser beinhaltet, dass zukünftig auch Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingshilfeorganisationen und Vereinen im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungsarbeit der Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften ermöglicht wird. Frau Berninger hat dazu einiges gesagt. Natürlich finden wir es richtig, dass ein Zugang gewährleistet ist. Allerdings - das will ich auch noch einmal sagen - wissen wir alle um die so gut wie nicht vorhandene Privatsphäre der Betroffenen, gerade in den größeren Einrichtungen. Ich habe mehrmals selbst Einrichtungen besucht und bin teilweise auch mit Delegationen durch die Gemeinschaftsschlafräume geführt worden, wo null Privatsphäre für die Betroffenen existiert. Das ist ein Punkt, den ich hier noch einmal sehr kritisch anmerken möchte. Wir begrüßen, wie gesagt, den Vorschlag, dass diese Verbände überhaupt Zugang bekommen, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Wir sagen aber auch, diese Änderung ist für uns nicht mehr als ein bisschen Kosmetik, weil der zentrale Kritikpunkt nämlich bleibt: Das ist die fehlende grundsätzliche Neu- und Umorientierung in der Thüringer Flüchtlings- und Asylpolitik. Diese jedenfalls wird von der Landesregierung weder angegangen noch auch nur irgendwie angestrebt. Daher werden wir auch den Gesetzentwurf der Landesregierung ablehnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE wird von uns grundsätzlich und insgesamt positiv bewertet, auch das habe ich schon einmal dargelegt. Er setzt migrations- und flüchtlingspolitische Forderungen genauso um, wie wir sie seit Jahren gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE, aber auch beispielsweise mit Pro Asyl, dem Thüringer Flüchtlingsrat e.V. und vielen anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen einfordern. Die zentralen Forderungen des Gesetzentwurfs der LINKEN, die uns auch wirklich wichtig sind, sind beispielsweise die Einzelunterbringungen ab dem 13. Monat, spätestens ab da soll nämlich die Einzelunterbringung vorgesehen sein.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Wenn Sie nämlich ins bisherige Gesetz schauen, dann lesen wir darin maximal eine windelweiche Kann-Regelung, die aber eher, ich sage es mal ganz hart, der Kommunalverwaltung suggeriert,

(Abg. Kanis)

dass eine Einzelunterbringung von Landesseite eigentlich nicht gewünscht ist. Das ist definitiv das falsche Signal. Leider ist bislang nur Frau Berninger tatsächlich auf die schriftliche Anhörung eingegangen. Ich möchte kurz aus einem Brief vorlesen, der am 10.12.2012 allen Fraktionen zugegangen ist, und zwar vom Katholikenrat im Bistum Erfurt, also zusätzlich zu den Anhörungen. In diesem Brief heißt es, ich zitiere: „In der Dezember-Sitzung des Thüringer Landtags werden Sie über Gesetzentwürfe zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes beraten und abstimmen. Der Katholikenrat des Bistums Erfurt bittet Sie, den Gesetzentwürfen nur dann zuzustimmen, wenn diese

1. die Aufnahme der Personengruppe des § 25 Abs. 4 b Aufenthaltsgesetz als Leistungsberechtigte nach Asylbewerbergesetz,

2. verbindliche Regelungen der Einzelunterbringung nach mehr als 12 Monaten Aufenthaltsdauer,

3. verbindliche Festlegungen von Standards der Unterbringung,

4. eine einheitliche Regelung des Leistungsbezuges als Geldleistung und

5. verbindliche Regelungen zur sozialen Betreuung und Leistung bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt beinhalten“,

lieber Herr Höhn.

(Beifall Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie diesen Brief ernst nehmen, dann können Sie nur einem Gesetzentwurf zustimmen, das ist ganz klar, zumindest nur einem, der heute hier vorliegt, und das ist der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Zu Ihnen kommen wir auch noch.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich will auch auf eine kritische Stellungnahme eingehen. Frau Berninger hatte schon einige andere Stellungnahmen erwähnt, die sich durchweg positiv auf den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE bezogen haben, nämlich von der LIGA, vom Flüchtlingsrat, von der evangelischen und der katholischen Kirche. Ich will aber auch Kritik nicht aussparen. Der Landkreistag hat argumentiert, dass Einzelunterbringung im ländlichen Raum schwierig sei, zu einem hohen Aufwand führe und regional sehr unterschiedlich möglich wäre. Außerdem nutze die Mehrheit der Asylbewerberinnen die Gemeinschaftsunterkunft zum Erlangen von Deutschkenntnissen. Das hat mich ein bisschen stutzig gemacht, weil ich genau das noch nicht erlebt habe, vielmehr die Kritik immer wieder laut wird, dass es viel zu wenig Möglichkeiten gibt, Deutsch zu lernen. Gera

de wenn Asylbewerberinnen quasi unter sich in Großunterkünften untergebracht werden, sprechen sie in der Regel eher die Sprachen, mit denen sie sich ohnehin verständigen, als dass sie eine neue Sprache, nämlich die deutsche Sprache, erlernen.

Wie ist unsere Position? Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir für dezentrale und menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, Geduldeten und Personen mit Aufenthaltsgestattung im Freistaat eintreten. Uns geht es perspektivisch darum, alle im Freistaat bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Asylbewerberinnen aufzulösen und diese Menschen dezentral oder in Wohnungen oder zumindest wohnungsähnlich unterzubringen. Wir meinen, dass jeder Mensch ein Recht auf Privatsphäre und Selbstbestimmung hat.

(Beifall DIE LINKE)

Dem wird Gemeinschaftsunterbringung nicht annähernd gerecht. Unser Ziel ist ein möglichst freies Leben für alle hier lebenden Menschen, weil sich das - und das müsste eigentlich auch allen hier wichtig sein - in vielerlei Hinsicht auch positiv auf die Lebensqualität und vor allen Dingen aber auf die Integrationschancen der oftmals traumatisierten Menschen auswirkt, die aus ganz verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen müssen. Die Betroffenen werden zum Beispiel bei dezentraler Unterbringung viel seltener krank, auch die Teilhabe insbesondere von Kindern bei schulischen Angeboten, Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, der kulturellen Bildung und der Spracherwerb werden in einem normalen Wohnumfeld deutlich erleichtert. Auch das oft angeführte Argument, dass Asylsuchende in den ersten Monaten ihres Aufenthalts besonders viel Hilfe und Beratung brauchen und deswegen besser in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen seien, trägt keineswegs. Es gibt viele gute Beispiele, die deutlich machen, dass eine Betreuung und Beratung auch dezentral sichergestellt werden kann. Deswegen finden wir den Ansatz der Fraktion DIE LINKE, betreute Wohnformen zu schaffen, vollkommen richtig und dieser Vorschlag findet unsere volle Unterstützung. Ich weiß auch nicht, warum man das lächerlich machen muss, so wie das vorhin hier passiert ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

DIE LINKE schlägt außerdem vor, bei der Verteilung der Personen auf die Kreise und kreisfreien Städte zuallererst und immer die privaten Belange der Menschen, zum Beispiel auch eine Familienzusammenführung oder auch die soziokulturellen Interessen der Menschen und die Inanspruchnahme von kulturellen, sozialen und politischen Bedürfnissen zu berücksichtigen. Auch das unterstützen wir, auch dazu unsere Zustimmung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun noch zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, was die angefallenen Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen anbelangt. Auch hier haben wir ja bereits im Oktober dazu beraten und die Gründe sind aus unserer Sicht auch nachvollziehbar, warum wir uns hier wie verhalten werden. Im Juni ist bekannt geworden, dass einige Landkreise in Thüringen die Landespauschalen für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht vollständig für diesen Zweck eingesetzt haben. So hat der Wartburgkreis in den Jahren 2004 bis 2007 etwa 850.000 € Überschüsse aus der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes und der Unterbringung „erwirtschaftet“, während gleichzeitig in der Gemeinschaftsunterkunft Gerstungen Menschen in unhaltbaren und menschenunwürdigen Zuständen vegetieren mussten. So muss man das einfach sagen.