Protocol of the Session on December 12, 2012

Meine Damen und Herren, es gibt mehr als ein Gutachten von unabhängigen Verfassungsexperten, die belegen, dass das Land Thüringen eben hier keine Gesetzgebungskompetenz hat, um in die Berufswahlfreiheit, die Wahlfreiheit von Arbeitnehmern, einzugreifen. Es liegt in deren Obliegenheit, zu wählen,

(Beifall FDP)

wann sie arbeiten. Dieses Recht wird hier gebrochen. Und es sind vielfältige Personengruppen. Sie tun es immer so ab, als ob die nur aus Studenten bestehen würden. Das sind Väter und Mütter, die sagen, aufgrund meiner familiären Organisation möchte ich und will ich samstags arbeiten. Das kann erfolgsabhängig prämienorientiert sein, das kann aber auch der Lebenssituation geschuldet sein, weil ein Single sagt, na, wenn die samstags alle zu Hause sind, dann gehe ich lieber arbeiten und verdiene mir etwas dazu. Das ist eben Freiheit. Davon werden scheinbar auf der von mir links geneigten Seite noch nicht alle gehört haben nach 23 Jahren, aber die Freiheit gehört eben dazu, zu entscheiden. Genauso haben wir die Freiheit, zu sagen, wenn mir der Job nicht passt, dann kann ich ihn auch verlassen und mir einen anderen suchen.

(Beifall FDP)

Auch das muss man akzeptieren, meine Damen und Herren, und nicht immer so tun, als ob wir Manchesterkapitalismus haben aus dem vorvorherigen Jahrhundert.

(Unruhe DIE LINKE)

Nein, man kann heute auch wählen, arbeite ich in einem beratungsintensiven Einzelhandel, arbeite ich in einem Job, der eben montags nine-to-five ist, all diese Möglichkeiten haben wir. Meine Damen und Herren, noch einmal von den Arbeitnehmern aus betrachtet, die Sie immer so ins Feld führen. Über die Möglichkeit, dass jeder frei wählen kann, wann er arbeiten will, habe ich gerade gesprochen. Einkommenseinbußen, Frau Leukefeld, auch wenn Sie das so herunterspielen, ergeben sich eben daraus, dass man mit mehr Umsatz - den kann ich natürlich nur erzielen, wenn der Laden entweder geöffnet ist oder auch Kunden kommen und ich sie beraten kann -, daraus resultiert die erfolgsabhängige Provision. Die kommen nicht, wie Sie uns manchmal glaubhaft machen wollen, vom Himmel gefallen, sondern die haben auch eine Leistung und eine Gegenleistung und wenn die nicht eintritt, passiert das, was Sie mit anderen Zahlen belegt haben, dass wir durch teilweise unsinnige Entscheidungen den Thüringer Einzelhandel vor Probleme stellen, die dazu führen, dass wir Arbeitsplätze abbauen. Ich nenne z.B. den fehlenden zweiten Adventssonntag, den wir nicht haben, an dem wir wieder erlebt haben, dass Karawanen nach Sachsen, nach Hessen fahren,

(Beifall FDP)

und die Leute des dortigen Einzelhandels. Ist der Thüringer Einzelhandel vom gesetzgeberischen Rahmen darauf eingestellt, dass der Internethandel boomt? Das sind alles Probleme, die im Einzelhandel stattfinden

Herr Abgeordneter,

- nein, will ich nicht -, denen wir begegnen müssen, damit unsere Städte auch blühen bleiben. Wir freuen uns über die Innenstädte, die lebhaft sind, die lebhaft geworden sind in den letzten 23 Jahren und deren Lebhaftigkeit wir in keinster Weise tangieren wollen. Insofern sollten wir auch alles dafür tun, und die das tun, sind die Einzelhändler. Nun fragen Sie auch mal die, die haben auch ein schützenswertes Recht. Ich habe damit begonnen, nämlich ihren Gewerbebetrieb auszuüben. Die haben auch das Recht, sich dabei mit Leuten zu bedienen, die sagen, jawohl ich gehe samstags arbeiten und du Chef,

(Beifall FDP)

das fällt nämlich auch aus, denn wir reden ja hier nur von den angestellten Mitarbeitern im Einzelhandel und nicht von den Unternehmern.

Herr Abgeordneter Kemmerich, Sie haben, glaube ich, vorhin gemeint, dass Frau Leukefeld Ihnen keine Frage stellen soll, aber der Herr Abgeordnete Lemb steht auch da.

Auch nicht, danke.

Der darf auch keine Frage stellen.

Wenn wir an den Unternehmer denken, der jetzt dann eben die sechs Tage die Woche zu arbeiten hat und das von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr oder wie lange er die Öffnungszeit wählt, dann treten Sie auch dessen Möglichkeiten oder finden die nicht genug Einfluss in Ihre Überlegungen. All das, und deshalb noch mal die Botschaft zum Schluss, und darum sind wir sehr froh, werden wir in Auswirkung unserer Gewaltenteilung vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen. Natürlich kann den Ausgang keiner vorhersagen, meine Damen und Herren, aber eins ist sicher: Nur eine Mehrheit eines Parlaments macht eben die Gesetze nicht verfassungskonform. Das haben wir an vielen Stellen dieser Republik erlebt. Und, meine Damen und Herren, wir sind sehr guten Mutes, dass wir eine verfassungskonforme und ausgewogene Lösung im Sinne aller Beteiligten - Unternehmer, Arbeitnehmer, aber auch der Kunden - des Thüringer Einzelhandels erleben werden.

Herr Abgeordneter Kemmerich, die Redezeit ist zu Ende.

(Beifall FDP)

Ich rufe für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Siegesmund auf.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, also in einem Punkt hat die FDP ja wirklich recht, in einem Punkt. Und der Punkt ist, dass dieser Konflikt um das Ladenöffnungsgesetz, der uns jetzt die ganze Legislatur schon begleitet, quasi hausgemacht ist. Ich will das gern noch einmal nachvollziehen in der Chronologie in aller gebotenen Kürze. Wenn man natürlich das Ladenöff

nungsgesetz erst Ende 2011, quasi kurz vor Ladenschluss, einreicht, wenn die parlamentarische Beratungszeit in sehr, sehr kurzer Form nur gewährleistet ist, wenn die regierungstragenden Fraktionen sich dann kurz vor der entscheidenden AusschussSitzung Ende 2011 quasi auf heiß gedrucktem Papier einigen, diesem Gesetzentwurf mit den zwei freien Samstagen zuzustimmen, um dann nach Weihnachten und Neujahr der Ansicht zu sein, na ja, vielleicht wollten wir das doch nicht so wirklich. Und wenn dann alle gemeinsam in dieser Koalition der Überzeugung sind, jetzt müssen wir mit Verordnungen noch mal nachbessern, dann kann ich Ihnen nur eins sagen: Die Konflikte, die wir hier austragen, sind hausgemacht und das Beispiel Ladenöffnungsgesetz zeigt, wie ein guter parlamentarischer Beratungsprozess eben nicht geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lemb, ich will Ihnen in einem Punkt ausdrücklich widersprechen: Es ist eben nicht so, dass der Sozialausschuss diese Verordnung beraten hat. Richtig ist, dass die Verordnung mehrfach auf der Tagesordnung stand. Aber zum einen hat der Staatssekretär im Ausschuss dies von der Tagesordnung nehmen lassen, respektive er hat angekündigt, er kann den entsprechenden Entwurf nicht vorlegen, aber er wird kommen. Und dann hieß es bei einer anderen Sitzung, nämlich der jüngsten, das Ganze wird zurückgezogen und wir beraten nicht wieder darüber. Das stimmt also nicht, dass wir im Sozialausschuss uns wirklich damit auseinandergesetzt hätten. Eigentlich ist das ein Trauerspiel, dass man dann meint, hier im parlamentarischen Beratungsprozess sagen zu müssen, der Ausschuss hätte Gelegenheit gehabt, das zu diskutieren. Dem ist nicht so, es wurde nicht diskutiert. Sie machen es sich an der Stelle wirklich zu einfach. Aber Sie machen es sich auch an einer anderen Stelle zu einfach. Vielleicht muss man auch nicht die Qualität eines Gesetzes daran messen, wie sich quantitativ hier draußen diejenigen versammeln, die dagegen Proteste organisieren, sondern sollte lieber auf die Stimmen hören, die hier sich tatsächlich vor dem Landtag versammelt haben und gesagt haben, es gibt hier Nachbesserungsbedarf. Also machen Sie es sich bitte nicht so einfach. Das ist in vielerlei Hinsicht ein handwerkliches Desaster, und dazu müssen SPD und CDU auch mal stehen und müssen das deutlich machen. Sie bieten damit eine Steilvorlage der Partei, die nicht anderes im Kopf hat, als sich um Unternehmer und den Einzelhandelsverband zu kümmern, nämlich der FDP,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Furchtbar, Unternehmer, gruselig. Kleine Einzelhändler - ganz furchtbar.)

die nimmt das doch dankend auf. Und das ist bitter, dass Sie diese Steilvorlage bieten, denn was wir

(Abg. Kemmerich)

wirklich nicht brauchen, ist der Gesetzentwurf der FDP. An dieser Stelle zum wiederholten Male: Das ist aus meiner Sicht nichts anderes als Beschäftigungstherapie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, er trägt eben nicht konstruktiv dazu bei, die Problematik hier zu lösen. Es ist einseitig arbeitgeberorientiert, das ist nun mal so, ob Sie wollen nicht. Herr Barth, ich nehme es wohl zur Kenntnis, dass Sie auf Sommertour waren und sich mit dem Einzelhandel getroffen haben. Das scheint aber eben immer nur die Geschäftsführerebene zu sein und nicht diejenigen, die im Einzelhandel arbeiten zu Armutslöhnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und liebe Frau Leukefeld, Sie sagten vorhin so lax: Mein Gott, dann muss man eben die Löhne erhöhen. Es gibt eben Dinge, für die Gott nicht zuständig ist, sondern die hier gelöst werden könnten. Ich verweise nur auf diejenigen hier in diesem Hause, mindestens drei Fraktionen, die sich für einen Mindestlohn einsetzen würden. Der könnte an der Stelle helfen.

Wir halten diesen FDP-Gesetzentwurf für überflüssig. Wir halten die Tatsache für überflüssig, dass es hier um nichts anderes geht, als zu diskutieren, dass shoppen bis die Ohren klingeln, das ist, was Thüringen zukunftsfähig macht. Herr Kemmerich, wenn Sie meinen, wenn die Läden nicht oft genug auf haben, verwaisen die Städte, vielleicht gehen Sie einfach auch in Erfurt auf den Weihnachtsmarkt, trinken einen Bio-Glühwein, der kann auch alkoholfrei sein, dann sehen Sie, dass das nicht unbedingt die Geschäfte sind, sondern auch viele andere Dinge, wo Sie Ihr Geld lassen können. Die zeigen, dass Städte blühen.

(Unruhe FDP)

Im Übrigen, das Beispiel Bayern - ich habe es mehrfach angeführt - zeigt, dass Ladenöffnungszeiten von 6.00 bis 20.00 Uhr völlig ausreichend sind. Die Lebenszufriedenheit der Bayern, der Glücklichkeits-, der Gini-Index in Bayern ist deutlich höher als der in Thüringen. Vielleicht liegt das auch an den Ladenöffnungszeiten. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe jetzt keine Redemeldungen mehr aus den Fraktionen. Für die Landesregierung Frau Ministerin Taubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich will zu diesem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion etwas sagen. Auch die Landesregierung lehnt diesen Entwurf ab. Ich denke, es ist müßig, sich jetzt noch mal in der Vergangenheit zu bewegen. Die Entscheidung von mir ist so getroffen worden. Ich habe die Verordnung zurückgezogen. Dazu möchte ich nicht sprechen. Aber was wir an diesem Gesetzentwurf der FDP kritisieren, dass er ganz weit zurückgeht. Ich denke nicht, Herr Kemmerich, dass es durchgeht, wenn man sagt, es ist die freie Entscheidung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu arbeiten, wann und wo sie wollen. Wenn das so wäre,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist Frei- zügigkeit.)

Herr Barth, meine Herren von der FDP, dann wäre es sehr schön. Aber Sie wissen, dass die Lebenswirklichkeit vollständig anders aussieht, dass Zwänge auf Beschäftigte einfließen in ganz unterschiedlicher Art und Weise. Ich will keine Unternehmerschelte machen, das liegt mir völlig fern, aber dass ganz bestimmte Zwänge auf die Beschäftigten wirken, die es ihnen insbesondere nicht möglich machen, eine freie Entscheidung zu treffen. Deswegen wäre wohl das Mindeste, was Sie einbringen sollten, das, was wir im Gesetzentwurf Anfang vorigen Jahres eingebracht haben, nämlich dass ein Samstag verpflichtend wäre.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Aber das ist doch überall so.)

Das, denke ich, wäre zumindest etwas, um Arbeitnehmern entgegenzukommen. Aber Sie gehen viel weiter dahinter zurück. Deswegen ist es inakzeptabel, so ein Gesetz zu verabschieden. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Damit schließe ich jetzt die Aussprache. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden. Demzufolge schließe ich den Tagesordnungspunkt, weil wir noch zur zweiten Beratung kommen. Bevor ich den Tagesordnungspunkt 10 aufrufe, möchte ich jetzt die Parlamentarischen Geschäftsführer bitten, die noch keine Redemeldungen ab TOP 12 abgegeben haben, in ihre Unterlagen zu schauen.

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 10

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Glücksspielgesetzes

(Abg. Siegesmund)

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/5266 ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Mir ist nicht signalisiert worden, dass aus einer der beiden Fraktionen das Gesetz begründet werden soll. Demzufolge kann ich gleich die Aussprache eröffnen. Für die Fraktion DIE LINKE rufe ich Abgeordneten Korschewsky auf.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, welch Wunder, aber an der Stelle sage ich ausdrücklich vielen Dank an die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU für diesen Gesetzentwurf, obwohl ich sagen möchte, dass wir uns eigentlich diesen Tagesordnungspunkt heute hätten sparen können, wenn Sie unserem Ansinnen gefolgt wären in der 90. Sitzung am 21.06.2012, in dem wir Ihrer Koalitionsvereinbarung gefolgt sind und die Untergrenzen schon einführen wollten.