Protocol of the Session on November 23, 2012

lung. Das sehe ich insbesondere bei der Versorgung mit Bekleidung durch Sachleistungen. Das ist nicht hinnehmbar. Ich weiß aber auch, Geld löst nicht alle Probleme, aber es hilft ungemein und lässt eine größere persönliche Freiheit zu. Die Höhe der Leistung ist nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gestiegen, aber immer noch nicht üppig. Eine Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII hätte mehrere Vorteile. Die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sind so stark bürokratisiert, mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden und so stark einschränkend, dass sie schon mehrfach Thema in diesem Plenarsaal waren. Handelnde Personen vor Ort entscheiden individuell über den Umfang einer medizinischen Leistung auf Antrag. Hamburg hat es vorgemacht. Eine Krankenkarte wie für alle anderen Bürger selbstverständlich würde manchen Weg, aber vor allen Dingen den Zwang, sein Problem erst der Behörde und dann einem Arzt anzuvertrauen, von den Betroffenen nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie eng unser Gesundheitssystem bei Regelleistungen ist, wissen wir aus eigener Erfahrung. Notwendig wäre aber, nicht mehr gesondert zu beantragen und genehmigungspflichtig. Von den 37.000 ausländischen Mitbürgern aus 162 Ländern in Thüringen, was ca. 2,3 Prozent der Bevölkerung ausmacht, erhielten 3.210 Personen Ende letzten Jahres Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Davon wiederum waren 25,3 Prozent Kinder unter 15 Jahren und 11,9 Prozent Kinder zwischen 15 und 21 Jahren, das heißt, 37,2 Prozent, die ihre Zukunft noch vor sich haben und ihren Aufenthalt hier in Deutschland in der Regel nicht selbstbestimmt gewählt haben, aber in ihren Entwicklungsmöglichkeiten sehr stark eingeschränkt werden. Wir reden hier von 1.200 Kindern, die unter diesen schlechten Bedingungen in Thüringen leben. Das sollte man sich noch einmal vor Augen halten. Wir reden auch von ca. 1.800 Personen im Alter bis zu 50 Jahren, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen könnten, wenn man sie ließe. Daraus ergibt sich natürlich auch eine andere Regelung zum Zugang zur Erwerbstätigkeit, Herr Bergner hat es schon angeführt, wobei ich nicht ganz verstanden habe, warum gerade er nach meiner Interpretation alle die, die nur eine Duldung haben, von diesem Zugang zum Arbeitsmarkt ausschließen möchte. Die Vorteile für den betroffenen Personenkreis, den ich nicht im Einzelnen aufzählen möchte, weil er so viele Gruppen und Untergruppen erfasst, liegen doch klar auf der Hand. Angemessenere Leistungen und das nicht in sach- und sachähnlicher Form, sondern mit Geld, die Möglichkeit der ärztlichen Versorgung einschließlich der Vorsorgeuntersuchungen insbesondere für die Kinder und Jugendlichen. Nicht vergessen sollte man - und dies kommt in der Bundesratsinitiative auch klar zum Ausdruck -, dass diese Umstellung nicht zulasten der Länder und Kommunen

gehen darf. Es handelt sich hier um eine Bundesaufgabe. Diese sollte einheitlich geregelt und entsprechend finanziert werden. Damit stellt sich die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung. Ich wiederhole nochmals, das Gesetz gehört, so wie es ist, abgeschafft.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind froh, dass es die Bundesratsinitiativen der SPD-geführten Länder gibt und erwarten bei der Diskussion im Bundesrat eine konstruktive und auf deutliche Verbesserung ausgerichtete Mitarbeit unserer Landesregierung. Aus diesem Grund besteht in unseren Augen keine Notwendigkeit, eine weitere Initiative in den Bundesrat einzubringen und somit folgen wir heute der Beschlussempfehlung des Innenausschusses.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist so verlogen.)

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Bedauern über die nicht erfolgte Begrenzung der Zuwanderung gesagt habe. Ich habe nur gesagt, dass das Gesetz in seiner damaligen Zielrichtung sein Ziel verfehlt hat. Manchmal habe ich den Eindruck, einige Kollegen suchen hier nur nach Reizwörtern und es geht ihnen gar nicht so sehr um die Inhalte der Debatte.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wir suchen nicht, Sie liefern uns!)

Vielen herzlichen Dank, Frau Kanis. Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Carsten Meyer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Kanis, da passte jetzt zu Ihrem Beitrag das Stichwort: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie das Gesetz nicht wollen, dann sollten Sie aktiv werden und das Problem, was wir hier gerade diskutieren, ist die Tatsache, dass alle hier im Raum mit der Ausnahme der LINKEN passiv bleiben wollen. So nach dem Motto, wir warten mal ab, wann der Bund reagiert.

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Landesregierung auffordert, eine Bundesratesinitiative zu starten, um das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen und stattdessen - und das ist das Wichtige daran, man muss ja etwas anderes tun - die Leistungserbringung für Asylsuchende, für Geduldete und Bleibeberechtigte in die existierenden Sozialleistungssysteme von SGB II und

XII zu integrieren und die medizinische Versorgung in die gesetzliche Krankenversicherung zu integrieren und wir haben auch deutlich gemacht, dass es uns nicht darauf ankommt, dass Sie just genau diesem Gesetzentwurf zustimmen, sondern dass Sie aktiv werden und im Bundesrat etwas dafür tun, dass sich schnell etwas ändert und genau das tun Sie nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie wiegeln nur ab und sagen, da gibt es ja Gott sei Dank Schwarz-Gelb, die sind wunderbar bei dem Thema dabei und die werden uns ganz schnell noch vor der Bundestagswahl ein wunderbares neues Gesetz hinlegen. Genau das werden sie nicht tun und diese Feigheit, meine Kolleginnen und Kollegen, Richtung SPD gesprochen, ist es, warum ich hier vorn noch einmal stehe und noch einmal versuche, unseren Gesetzentwurf zu verteidigen. Das Asylbewerberleistungsgesetz verstößt seit 1993 unserer Ansicht nach fundamental gegen die menschenrechtlichen Erwägungen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

in seiner Gesamtheit. Das Diskriminierungsverbot, das Sozialstaatsprinzip und der Gleichbehandlungsgrundsatz werden verletzt durch das Asylbewerberleistungsgesetz. Die Betroffenen des Asylbewerberleistungsgesetzes haben bis zum Verfassungsgerichtsurteil rund zwei Drittel der Leistungen bekommen, die ihnen zustehen müssten, wenn man das SGB II zugrunde legt, und das wird man wohl tun müssen. Die Leistungsgesetze waren nicht nur viel zu niedrig, sie sind auch willkürlich festgelegt gewesen, und sie wurden seit 1993 nicht verändert. Das muss man sich mal vorstellen 19 Jahre, das ist unglaublich. Das möchten Sie mal einem Gewerkschafter erzählen oder meinetwegen, wenn es der FDP lieber ist, jemandem, der als Vermieter Miete haben möchte und man sagt, seit 1993 bleibt alles gleich, der Staat hat leider kein Geld.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Oder einem Landtagsabgeordneten.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Al- les was hinkt, ist ein Vergleich.)

Übrigens, um das deutlich zu sagen, nicht dass DIE LINKE jetzt wieder anfängt und Zwischenrufe macht, ich weiß schon, Rot-Grün hat auch sein Päckchen zu tragen. Das muss man deutlich dazu sagen. Die haben alle ihr Päckchen zu tragen, die Verantwortung hatten, und ob es besser gewesen wäre, wenn DIE LINKE an der Regierung gewesen ist, das kann ich leider nicht beurteilen, das mal

(Abg. Kanis)

ganz nebenbei bemerkt. Das muss man auch mal dazu sagen, aber es ist insgesamt kein Ruhmesblatt für Deutschland, auf diese Art und Weise mit den Schwächsten, die hier angekommen sind, umgegangen zu sein.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das probieren wir mal.)

Das können wir irgendwann mal ausprobieren, genau. Gott sei Dank hat das Verfassungsgericht am 18.07. dazu entschieden. Vielleicht auch noch dazu eine kurze Bemerkung: 1992 waren es 438.000 Anträge, jetzt aktuell sprechen wir von 45.000. 1992 es ist 20 Jahre her - war auch Mölln. Die Reaktion darauf war dieses Gesetz. Ob das die richtige Reaktion von Demokraten darauf gewesen ist, wie Undemokraten, wie Menschenfeinde mit Asylbewerbern umgegangen sind, diese Frage sollte man heute vielleicht auch stellen, weil es gerade 20 Jahre her ist, das mal ganz nebenbei.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben zu Recht bemerkt - auch Frau Holbe hat es getan -, dass die Länder Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg - nein, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Bremen mittlerweile eine Initiative gestartet haben. Wir haben Ihnen gesagt, treten Sie bei und Sie finden unsere Zustimmung. Nein, Sie wollen nicht beitreten, Sie wollen abwarten, bis der Bund handelt. 3.000 Menschen in Thüringen werden das zu schätzen wissen, dass es auf die lange Bank geschoben wird.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das sind aber keine Wähler.)

Die brauchen jetzt ganz konkret Hilfe, jetzt ganz konkret. Das Asylbewerberleistungsgesetz, wie es jetzt ist, führt zu einer unzulässigen Einschränkung der medizinischen Versorgung, auch darauf muss man hinweisen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auch das wollen wir ändern. Akute Schmerzzustände, auf diese reduziert zu werden, wäre für niemanden von uns erträglich, wir würden alle und zu Recht auf die Barrikaden gehen, wenn wir im HartzIV-Bereich auch nur ansatzweise in diese Diskussionen kommen würden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das würde eine der größten sozialstaatlichen Errungenschaften Deutschlands kaputtmachen, nämlich eine angemessene medizinische Versorgung. Nur für Asylbewerber soll das bislang gelten, das ist unerträglich.

Dieser Kritik muss sich auch die Thüringer Landespolitik stellen und adäquate Antworten im Sinne ei

ner menschenwürdigen, an Humanität ausgerichteten Flüchtlingspolitik finden und umsetzen. Unser Antrag aus dem Februar sei da nur noch mal kurz erwähnt. Eine Gesundheitsversorgung, die nur auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände reduziert wird, lehnen wir ab und wir fordern eine wirkliche Gleichbehandlung aller in Deutschland lebenden Menschen. Ich habe die Sozialstaatsprinzipien dazu schon genannt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der Gesetzgeber verfolgt mit den Asylgesetzen vor allem den Zweck der Abschreckung. Das bedeutet Unterbringung in Sammellagern, Lebensmittel aus Essenspaketen, Minimalmedizin, Arbeitsverbote und Residenzpflicht. Was ich daran überhaupt nicht verstehen kann, als jemand, der nun nicht gerade der Fachmensch für dieses Thema ist, wenn ich Ihnen heute, ohne in die Nützlichkeitsdebatte zu verfallen, sagen würde, es gibt Menschen, die werden von sich aus aktiv, die nehmen ihr Leben selbst in die Hand, die sorgen sich um ihre Familien, um das Wohlergehen ihrer Familien und sind in der Regel auch noch besser qualifiziert als der Durchschnitt der Deutschen und sie wollen gern nach Deutschland kommen, dann würden Sie die mit Kusshand hier aufnehmen. Nur wenn sie kommen, weil sie wegen Flucht und Verfolgung und Vertreibung und Drohung für Leib und Leben hierherkommen, dann müssen sie abgeschreckt werden. Aber genauso sind Asylsuchende. Wer das nicht glaubt, kann ja mal versuchen, selber ohne Geld von hier nach Aserbaidschan und zurück zu kommen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

mit seiner Familie, mit kleinen Kindern und das Ganze möglicherweise auch noch, indem er dort als Akademiker gearbeitet hat und hier sich dann wiederfindet ohne Arbeitserlaubnis. Das muss man auch mal dazu gesagt haben.

Das Asylbewerberleistungsgesetz führt zu einem aufwendigen bürokratischen und finanziell sinnlosen Verwaltungsverfahren. Wir hätten wahrscheinlich sogar das Riesenglück, wenn Sie unserem Antrag folgen würden, dass die Möglichkeit bestünde, Geld zu sparen auf Landesebene. Die Einbeziehung in SGB II und SGB XII sorgt dafür, dass die Kosten beim Bund getragen werden müssen und nebenbei die ganze Bürokratie wegfallen könnte, zumindest in großen Teilen. Über das Thema Verwaltungsvereinfachung auch in dem Zusammenhang mal zu sprechen, verweigern Sie sich offensichtlich, denn ich habe ja gehört, wie lange und ausführlich Sie im Ausschuss dazu beraten haben.

Wir wollen eine Eingliederung der Leistungsberechtigten in das System des Sozialgesetzbuchs, um al

len Asylsuchenden damit bessere Möglichkeiten der Integration zu geben.

Wir kritisieren die Grundhaltung, die Sie bei dem Thema an den Tag legen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Anstatt einmal aktiv zu werden und zu sagen, es ist im Föderalismus eine vornehme Aufgabe, auch mal schneller zu sein als der behäbige Bund, wir als Länder können es schaffen, wir können auch mal zeigen, dass wir im Föderalismus noch eine Rolle spielen und nicht immer hinterherhinken und Gesetzgebungsverfahren des Bundes freundlicherweise abnicken dürfen im Bundesrat - nein, Sie sagen, wir wollen zwar alle das - vor allem dann in Richtung SPD gesprochen -, wir finden es eigentlich ganz prima, was da passiert, super Idee, aber wir warten jetzt mal in Ruhe ab, Schwarz-Gelb darf sich auf die Fahnen schreiben, dazu einen Gesetzentwurf gemacht zu haben. Nein, das werden Sie nicht tun. Sie werden warten müssen, bis Rot-Grün regiert und 2014 dann ein neues Gesetz kommt. Und das ist zwei Jahre später als es sein könnte, wenn die Bundesratsinitiative funktionieren würde. Sie könnte funktionieren, das wissen Sie so gut wie ich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, stelle ich fest, dass dieses Thema hier wie immer - ich darf jetzt seit drei Jahren dem Thema lauschen - rein ideologisch diskutiert wird, mittlerweile schon angereichert durch die Nützlichkeitsvariante der FDP, die sagt auf einmal, wir finden es ja toll, dass Asylbewerber kommen, weil wir haben Fachkräftemangel und jetzt können wir sie auch arbeitsmäßig gebrauchen. Diese Haltung ist genau die Haltung, die die Menschenrechte nicht wollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist ein Menschenrecht für Leute, die verfolgt werden, dass sie herkommen dürfen und dass es auch geprüft werden darf. Und ob das 40.000 sind oder 400.000, ist dabei nicht relevant. Unsere schlechte Entwicklungshilfepolitik, unsere zweifelhafte Politik, was Krieg und Frieden angeht, sind Teile des Problems, das wissen wir alle hier.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)