Protocol of the Session on October 8, 2008

Der zweite Kritikpunkt ist die strukturelle Elterneinbindung. Ein wichtiger Leistungsbereich ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz die frühkindliche Förderung. Dabei spielen natürlich die Eltern in den Kindestageseinrichtungen eine entscheidende Rolle. Das wissen Sie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie betonen auch immer wieder den Vorrang der elterlichen Verantwortung. Warum dann allerdings von der CDU oder von einer CDU-geführten Landesregierung den Elternvertretungen aus den Kindertageseinrichtungen kein Mitberatungsrecht im Landesjugendhilfeausschuss von vornherein eingeräumt wird, das ist für mich nicht zu verstehen. Wenn es dann um die konkrete Umsetzung geht, wie ernsthaft man es mit der Elternvertretung meint, dann scheint

Ihnen die Sorge um die Stärkung des Elternrechts wohl doch nicht so wichtig zu sein. Wenn man so verfahren würde, wäre das eine Missachtung des Elternrechts, es wäre eine vertane Chance, Eltern aus dem Bereich der Kindertagesstätten in die Arbeit des Landesjugendhilfeausschusses einzubinden. Dort geht es ja um die Umsetzung des Bildungsplans, dort geht es auch um die Umsetzung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule. Deswegen gehört dort auch ein Elternvertreter der Kitas hinein. Mit dem Vertreter des Landesschulbeirats ist ja in dem Zusammenhang auch eine Lösung gefunden worden.

Meine Damen und Herren, ich erwarte und ich hoffe, dass wir in den Fachausschüssen eine mündliche Anhörung der Experten durchführen können. Ich erwarte und hoffe, dass seitens der CDU Veränderungsbereitschaft besteht. Weil es in der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe insbesondere auch um bessere Chancen für benachteiligte Kinder und Jugendliche geht, lassen Sie mich noch einen letzten Satz anmerken. Ich erwarte auch, Frau Ministerin, dass das auf den Nägeln brennende Thema der Kinderarmut und deren Bekämpfung nicht ähnlich lange auf die Bank geschoben wird, wie das die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf im Zusammenhang von Jugendhilfe und Schule getan hat. Und ich hoffe auf eine konstruktive Auseinandersetzung in den Ausschüssen. Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Meißner, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ist die notwendige Folge aus dem 12. Kinder- und Jugendbericht, der Rechtsgrundlagen für die Jugendhilfe und Schulen hinsichtlich der Weiterentwicklung der Kooperation schafft. Dies ist ein wichtiger Schritt zum Ausbau eines wirksamen Kinderschutzes in Thüringen. Aber er stellt auch die Anpassung an die geänderten Bedürfnisse der Jugendhilfepraxis dar. Damit ist der Gesetzentwurf Reaktion auf die zahlreichen Entwicklungen und Veränderungen der Kinder und Jugendlichen und Bildungs- und Betreuungsumfeld von Schule und den Kindertagesstätten in Thüringen. Die CDU-Fraktion begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf in der Drucksache 4/4471 ausdrücklich.

Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit federführend so

wie zusätzlich an den Bildungsausschuss. Ich möchte mich auf die Bereiche der Verbesserung des Kinderschutzes und der Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule beschränken.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist Teil eines Gesamtkonzepts zur Weiterentwicklung von Jugendhilfe und Schule, in dem es auch um den Kinderschutz in Thüringen geht. Damit ist die Schule nicht mehr allein der Bildung verpflichtet und die Familie ist nicht nur für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen verantwortlich. Pflege und Erziehung der Kinder sind zuerst Sache der Eltern. Sie sind - wie es in Artikel 6 des Grundgesetzes heißt - das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Prinzipiell besteht in Thüringen ein flächendeckendes, qualitativ erstklassiges und ineinandergreifendes System von präventiv ausgerichteten Anlaufstellen, Diensten und Einrichtungen. Allerdings gilt es, die vorhandenen Angebote sinnvoll zu vernetzen und in entsprechenden Fällen zur Geltung zu bringen. Durch den vorgeschlagenen § 6 Abs. 2 a im Thüringer Kindertagesstättengesetz und den auch von meiner Kollegin Ehrlich-Strathausen angesprochen neuen § 55 a Abs. 2 Thüringer Schulgesetz wird der Schutzauftrag für unsere Kinder und Jugendlichen auch für Kita und Schule konkretisiert und bindend. Damit wird die nötige Verknüpfung aller Handlungsträger und der vorhandenen Hilfsangebote ermöglicht und der Maßnahmekatalog der Landesregierung zum Kinderschutz wird folgerichtig ergänzt. Ich freue mich, dass zumindest diesen Ansatz meine Kollegin Ehrlich-Strathausen genauso sieht.

Auch wenn viele verantwortungsvolle Pädagogen in Kitas und in der Schule schon beispielhaft auf das Gesamtumfeld der Kinder achten und in auffälligen Fällen eingreifen und reagieren, die vorgeschlagene Gesetzesvorlage gibt ihnen doch eine sichere rechtliche Grundlage für derartige Fälle in die Hand.

Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, in Thüringen gibt es eine Vielzahl von Angeboten der frühen Bildungsförderung. Zugleich ist sich die Landesregierung aber bewusst, dass eine bessere Vernetzung dieser Angebote dringend notwendig ist. Wichtig ist mir aber der Hinweis, dass es darauf ankommen wird, die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule weiter zu stabilisieren. Dazu bringt uns allein die Diskussion um die Finanzierung nichts, das wird mit der Vorlage des Gesetzentwurfs möglich. Wir können inzwischen auf eine Fülle von Jugendhilfeangeboten in der Schule verweisen, die gemeinsam von Jugendhilfe und Schule getragen werden. Hier hat sich über die letzten Jahre langsam, aber kontinuierlich ein deutlicher Wandel vollzogen. Mittlerweile hat die Landesregierung eine landesweit geltende Koope

rationsvereinbarung zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden abgeschlossen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns sicher darin einig, dass diese landesweite Empfehlung zur Kooperation von Jugendhilfe und Schule nur einen Rahmen vorgeben kann. Die Probleme vor Ort lassen sich damit nicht lösen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf gilt es auch, immer noch bestehende Vorbehalte bei den Jugendämtern gegenüber der Schule, aber auch Vorbehalte bei der Schule gegenüber der Jugendhilfe abzubauen. Die Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote vor Ort sind weitestgehend an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Dennoch müssen wir uns stärker als bisher auf die Zusammenarbeit mit Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und mit weiteren außerschulischen Partnern konzentrieren. Es ist notwendig, die Angebote der schulbezogenen Jugendarbeit in die örtliche Jugendhilfeplanung einzubeziehen. Auch das finden Sie im Gesetzentwurf der Landesregierung. Jugendämter und Schulämter müssen demnach noch stärker als bisher miteinander kommunizieren. In einigen Schulamtsbereichen funktioniert dieser Dialog bereits, in anderen ist er aber ausbaufähig.

Um hier weiter Unterstützung zu leisten, wurden im Landtagsbericht zum 12. Kinder- und Jugendbericht Empfehlungen an die Jugendhilfe gegeben. So zum Beispiel die Etablierung von Sozialraum- bzw. Planungsraumkonferenzen als unabdingbares Instrument der Jugendhilfeplanung oder Abschluss von Kooperationsempfehlungen zwischen Schulen und ihren Partnern im Sozialraum oder die Abstimmung der Jugendhilfeplanung der Landkreise und der kreisfreien Städte mit den Schulnetzplanungen. Genau darauf reagiert der vorliegende Gesetzentwurf. Er schafft damit eine wertvolle Basis für die Fortentwicklung der Bildung und Betreuung unserer Kinder und Jugendlichen in Thüringen. Die von Herrn Kollegen Bärwolff angesprochenen Doppelstrukturen werden dadurch gesetzlich strukturiert und zusammengeführt.

Sehr geehrte Abgeordnete und Kollegen, auf eines möchte ich abschließend jedoch besonders hinweisen: Immer wieder wird zu Recht gefordert, dass Kinder und Jugendliche an Entscheidungen zu beteiligen sind. Genau dieses haben wir hier im Plenum auch nicht nur einmal angesprochen. Daher begrüße ich insbesondere, dass im vorgeschlagenen neuen § 15 Satz 4 Thüringer Kinder- und Jugendhilfegesetz ausdrücklich das Recht des Kindes auf Mitbestimmung Niederschlag findet.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf konkretisiert vieles, was in Schule, Kindertagesstätte und Jugendhilfe bisher nur teilweise selbstverständlich war und ergänzt dieses. Der Entwurf beseitigt aber auch viele Unsicherheiten und

schließt Lücken, die sich in den vergangenen Jahren ergeben haben. Der Gesetzentwurf stellt damit eine deutliche Verbesserung im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen in Thüringen dar. Ich begrüße den vorliegenden Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule ausdrücklich. Daher freue auch ich mich auf die Beratung in den zuständigen Fachausschüssen und beantrage nochmals seitens meiner Fraktion die Überweisung an den Sozialausschuss und den Bildungsausschuss, wobei die Federführung bei dem Erstgenannten liegen soll. Um es mit den Worten bzw. dem Bild von Herrn Kollegen Bärwolff zu sagen, mit diesem Gesetzentwurf wird der Riese wohl zwei gleichlange Beine haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Skibbe, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Gründe nennen, warum wir die Federführung nicht im Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit sehen, sondern im Kultusministerium; denn ein großer Teil dieses Gesetzes ist ein ganzes Sammelsurium verschiedener Regelungen und Anpassungen im unter anderem derzeit gültigen Thüringer Schulgesetz, im Thüringer Gesetz über die Schulaufsicht und im Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft. Also alles Gesetzesänderungen, die dringend einer Behandlung im Bildungsausschuss bedürfen, Sie wiesen vorhin darauf hin, Frau Ministerin Lieberknecht.

Was die Schulgesetzänderung zum Gymnasium mit dem oben genannten Thema zu tun hat, erschließt sich mir nicht so richtig. Abgesehen davon, dass sich die ehemaligen Zielvorstellungen des Kultus von der Stärkung der Klassen hier nicht wiederfinden, muss man an dieser Stelle sagen, dass die Gymnasien doch längst nach dieser Gesetzesänderung arbeiten. Für die Einführung des Gesetzes nach Schuljahresbeginn ist es wohl auch am heutigen Tage im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich spät. Die Veränderungen zur Schuleingangphase hätten sicher auch bereits mit der Einführung dieser umgesetzt werden können.

Die Abschnitte zur eigenverantwortlichen Schule beziehen sich hier leider nur auf die Schul- und Unterrichtsqualität. Die gesamte Schulorganisation mit den entsprechenden Instrumenten, wie wir bereits schon seit langem fordern - ein eigenes Budget, Ein

satz des Kollegiums oder schulscharfe Ausschreibungen -, fehlen gänzlich. Stattdessen ist die Schule dem Staatlichen Schulamt bei der Umsetzung einer Zielvereinbarung zur Rechenschaftslegung verpflichtet. Widerspricht das aber nicht gerade der neuen Rolle der Staatlichen Schulämter weg von der Aufsicht, hin zu Qualitätsagenturen?

Lassen Sie uns weiterhin über die angemessenen Zeitabstände, in denen Evaluationen durch externe Experten an den Schulen durchgeführt werden, im Bildungsausschuss diskutieren. Lassen Sie uns über die erweiterte Rolle des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien auch als Dach für regionale Schulberatung und Unterstützung diskutieren.

Unter dem Strich konstatieren wir, dass sich ein Großteil des Gesetzes mit Änderungen beschäftigt, die in den Bildungsausschuss gehören, da sind wir uns sicher einig. Eine Federführung im Bildungsausschuss in Verbindung mit einer mündlichen Anhörung wäre für dieses Gesetz angemessen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine gesetzliche Verpflichtung der Schulen zur Kooperation mit den Jugendämtern und den Trägern der freien Jugendhilfe ist längst überfällig. Wenn wir das oft noch vorherrschende Nebeneinander von Familie, Schule und Jugendhilfe überwinden wollen, dann brauchen wir das gemeinsame und koordinierte Handeln der beteiligten Professionen. Ich denke, nur so wird es uns wirklich gelingen, die Bildungsbereitschaft von Kindern und Jugendlichen zu stärken, ihre individuelle und soziale Entwicklung zu fördern, auch Benachteiligungen abzubauen und sie natürlich auch vor den Gefahren für ihr Wohl zu schützen und so auch ein gelingendes Aufwachsen zu unterstützen. Das ist ja das Ziel aller Bildung und Erziehung.

Schule und Jugendhilfe, da sind wir uns einig, sind stärker denn je bei der Bewältigung dieser Herausforderungen aufeinander angewiesen. Deshalb bedarf es einer weit besseren Vernetzung von Jugendhilfe und Schule. Die unterschiedlichen Aufgaben, Strukturen und Arbeitsweisen müssen miteinander koordiniert und zum Wohl der Kinder und Jugendlichen zum Tragen gebracht werden. Das bedeutet systematische Zusammenarbeit bei der Unterstüt

zung einzelner Kinder und Jugendlicher, Schaffen von Ansprechpartnersystemen, Netzwerken und konkreten Beratungsangeboten an und im Umfeld von Schulen, verstärkte Nutzung von Einrichtungen und Angeboten der Jugendhilfe durch die Schulen, gemeinsame Gestaltung ganztägiger Bildung und Erziehung und Betreuung. Hier müssen endlich durch die Landesregierung verlässliche personelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die verstärkte Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf, die gemeinsame Entwicklung von Präventionskonzepten im Umgang mit Schuldistanz - also Schulverweigerung, Schulmüdigkeit oder Schulverdrossenheit -, das gemeinsame Erarbeiten von sinnvollen Übergangssystemen für schwächere Jugendliche beim Einstieg ins Berufsleben und nicht zuletzt der weitere Ausbau der Schulsozialarbeit. Wir müssen hier endlich vernünftige Rahmenbedingungen entwickeln, Mindeststandards durchsetzen und auch langfristig absichern. Wir brauchen, meine Damen und Herren, ein sozialpädagogisches Konzept an jeder Schule. Die bedarfsgerechte Aufnahme von Schulsozialarbeit in das Schulkonzept wird uns allerdings nur dann gelingen, wenn wir Schulsozialarbeit auch auf Dauer institutionalisieren und klare, belastbare - das ist entscheidend - Kooperationsstrukturen schaffen. Das darf sich eben nicht in der beratenden Teilnahme der Mitarbeiter der Jugendhilfe in der Lehrerkonferenz erschöpfen. Schule und Jugendhilfe muss hier gleichberechtigt - und das wurde vorhin auch von den Kollegen der LINKEN klar gesagt - in Augenhöhe zusammenarbeiten.

Meine Damen und Herren, von der Landesregierung erwarte ich eine solide Ausgestaltung der Vorgaben. Das heißt, in den entsprechenden Verordnungen müssen verlässliche Rahmenbedingungen für die Kooperation von Jugendhilfe und Schule sowie für die Tätigkeit sozialpädagogischer Fachkräfte an Schulen geregelt werden, ansonsten bleibt der Gesetzestext Makulatur.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf, darauf hat Frau Skibbe gerade hingewiesen, nimmt auch Änderungen des Schulgesetzes vor, die mit dem postulierten Regelungsgehalt der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule eigentlich nichts zu tun haben. So kommt es zu einer gesetzlichen Fixierung der reformierten gymnasialen Oberstufe. Es werden die Regelungen zur Nichtanrechenbarkeit des dritten Schulbesuchjahres der Schuleingangsphase auf die Dauer der Vollzeitschulpflicht getroffen, die Aufgaben des ThILLM werden zeitgemäßen Anforderungen angepasst und - das ist wesentlich - es soll ein neuer § 40 b in das Schulgesetz eingeführt werden. Dieser neue § 40 b trägt den verheißungsvollen Titel „Eigenverantwortliche Schule und schulische Eva

luation“. Er fällt aber in seinen konkreten Bestimmungen mehr als dürftig aus. Ich denke, dauerhaft ist eine höhere schulische Bildungsqualität nur erreichbar bei größtmöglicher pädagogischer und organisatorischer Eigenverantwortung der Schulen. Das zeigen internationale Vergleichsstudien, aber auch Erfahrungen anderer Bundesländer. Thüringen liegt hier noch sehr weit zurück und registriert das vom Bundesministerium betriebene Entwicklungsvorhaben „eigenverantwortliche Schule“ bislang doch mehr auf dem Papier als in der Praxis. Noch immer sind die Schulen in das enge Korsett eines Schulrechts eingezwängt, das ihnen kaum eigene Gestaltungsräume lässt. Wir wollen den Schulen die Möglichkeit geben, ein eigenes Profil zu entwickeln und individuelle Schulprogramme umzusetzen. Sie sollen ein eigenes Schulbudget erhalten, die Möglichkeit, auch Rechtsgeschäfte abzuschließen. Zudem brauchen die Schulen auch mehr Kompetenzen bei Personalauswahl, bei Personalentwicklung und Personalführung. Größtmögliche Eigenverantwortung bedeutet natürlich auf der anderen Seite auch, dass die von den Schulen erzielte Bildungsqualität regelmäßig evaluiert werden muss. Diese Aufgabe soll künftig wie in anderen Bundesländern auch eine eigenständige Agentur für Bildungsqualität übernehmen. Zurzeit haben wir im ThILLM nur eine halbe Stelle, das ist mehr als lächerlich.

Die gemeinsamen Eckwerte, die das eigenverantwortliche Handeln der Thüringer Schulen flankieren, wollen wir in landesweiten Bildungsstandards festlegen. Zumindest verbal und in Ansätzen teilt ja das Kultusministerium unsere Position. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU, Bildungsverantwortung in Kindergärten und Schulen, heißt es unter Punkt 2.1.3. jedenfalls: Zur Realisierung größtmöglicher Eigenverantwortung brauche man insbesondere ein innovatives, individuelle Gestaltungsräume eröffnendes Schulrecht, eine bedarfsorientierte Lehrerstundenzuweisung, ein funktionierendes Unterstützungssystem, größere Kompetenzen der Schulen bei der Personalauswahl und eine Teilbudgetierung der Personalmittel. Im folgenden Absatz steht: Mit der nächsten Novellierung des Schulgesetzes ist vorgesehen, die Eigenverantwortung der Schulen, die verbindliche Evaluation und die Pflicht zur Rechenschaftslegung gesetzlich zu verankern. Die Antwort der Landesregierung stammt vom 25.04.2007. Zu einer entsprechenden Novellierung des Schulgesetzes ist es aber bis heute nicht gekommen. Wenn man sich den geplanten neuen § 40 b anschaut, soll sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Gesetzlich festgeschrieben wird dort lediglich die ohnehin schon seit Längerem betriebene Teilnahme der Schulen an internen und externen Evaluationen. Zu einer Ausweitung der den Schulen gegebenen Gestaltungsräume kommt es hingegen nicht. Hier wird erneut durch die Landesre

gierung eine Chance vertan.

Meine Damen und Herren, technokratische Prozesserneuerung reicht nicht aus und Pseudoeigenverantwortung schafft keinen Aufbruch, sondern Unmut, Misstrauen und häufig Rückzug. Insbesondere aus diesem letztgenannten Kritikpunkt sehen wir Diskussions- und Änderungsbedarf beim vorgelegten Gesetzentwurf und wir werden in den Ausschüssen dann noch intensiv zu diskutieren haben. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es kurz machen und mich eigentlich auf einen ganz wichtigen, aus meiner Sicht wichtigen Punkt konzentrieren; das ist Frage des ThILLM. Ich halte es für richtig und ganz wichtig, das ThILLM und auch das Thema Eigenverantwortung jetzt in das Schulgesetz hineinzuschreiben, aufgegriffen mit diesem Artikelgesetz. Es ist sicherlich nicht die Zeit, um große Veränderungen am Schulgesetz herbeizuführen, aber mit diesem Artikelgesetz das aufzugreifen, halte ich schon für einen wichtigen und wesentlichen Punkt, denn das ThILLM als ein wesentlicher Bestandteil unserer schulischen Landschaft ist bisher nicht gesetzlich in diesem Maße verankert worden.

Ich will nur einen Punkt auch aufgreifen, der von Herrn Döring bereits genannt wurde. Das ThILLM hat ein Aufgabenspektrum zugewiesen bekommen mit diesem Vorschlag der Landesregierung. Es ist aber durchaus so, dass das ThILLM eine wesentliche Rolle auch schon spielt in dem Prozess der Weiterentwicklung der eigenverantwortlichen Schule und diesen Evaluationsprozessen. Diese Aufgabe ist aus meiner Sicht nicht genügend festgeschrieben und sollte festgeschrieben werden. Wir müssen auch mal darüber reden - wie im Rahmen der Anhörung zu der Großen Anfrage mit anderen Landesinstituten besprochen, welche Rolle -, welche Eigenständigkeit, welche Organisationsstruktur das ThILLM innerhalb der Schulverwaltung, der Schulaufsicht einnimmt. Dort sehe ich Diskussionsbedarf und sehe es so, dass wir dem ThILLM hier durchaus mehr Verantwortung auch zutrauen sollten. Ich sehe auch, dass das ThILLM verbindlich sich fremdevaluieren lassen sollte. Hier haben wir ganz klar die Möglichkeit und da ist das ThILLM für mich auch nichts anderes als jede Schule, deswegen sollten wir es so tun.

Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen. Die Federführung liegt beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, die Mitberatung im Bildungsausschuss. Wir plädieren dafür, ganz schnell eine Anhörung vorzubereiten und in dem Fall, damit es auch zügig vorangeht, in schriftlicher Form. Das Gesetz ist nicht so groß, wir halten das für eine gerechtfertigte Lösung, wenn es so wäre. Danke.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an zwei Ausschüsse beantragt; als Erstes die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Wer für die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung, keine Gegenstimme, damit ist der Gesetzentwurf einstimmig an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit überwiesen.

Es ist beantragt die Überweisung an den Bildungsausschuss. Wer für die Überweisung an den Bildungsausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Bildungsausschuss, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung, keine Gegenstimme, damit einstimmig an den Bildungsausschuss überwiesen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Federführung. Es ist beantragt worden, dass der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit die Federführung übernimmt. Wer für die Federführung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Federführung dieses Ausschusses? Danke. Wer enthält sich der Stimme? 2 Stimmenthaltungen und eine Reihe von Gegenstimmen. Damit ist mit Mehrheit beschlossen, dass der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit die Federführung hat.

Ich beende diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Kirchensteuer- gesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/4470 - ERSTE BERATUNG

Die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache durchzuführen und schlagen eine Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss vor.