Protocol of the Session on September 11, 2008

(Unruhe im Hause)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei aller Erregung denke ich, das Thema „Europa“ sollten wir hier in dieser Runde doch positiv besetzen. Das ist genau das, wo ich meinen Vorrednern Herrn Bergemann und auch Herrn Höhn danke. Das ist genau der Grundton, den wir brauchen, kritische Stimmen, aber auch Zustimmung zu Europa, denn Europa ist doch die größte positive Vision, die wir im friedlichen Miteinander der Völker in Europa haben, und das vermisse ich eigentlich, Herr Kubitzki, bei Ihnen.

Bei aller Kritik, die Opposition immer haben muss, und Sie haben es in Ihrem zweiten Beitrag, das will ich wohl zugeben, ein Stück weit revidiert, aber in Ihrem ersten Beitrag haben Sie nicht dazu beigetragen, eine positive Grundstimmung für Europa mit zu begleiten, und das vermisse ich. Das ist aber unsere Aufgabe, denn jeder weiß doch, dass wir mit dem Vertrag von Lissabon nicht in jedem einzelnen Punkt übereinstimmen, aber wir brauchen Kompromisse. Wenn man die Kompromisse ablehnt,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hast Du jemals erlebt, dass DIE LINKE etwas Po- sitives gesagt hat. Das habe ich nie er- lebt.)

ist man nicht mehr politikfähig. Das kritisiere ich auch an Ihrer Haltung mit dem Antrag beim Bundesverfassungsgericht. Wir brauchen an dieser Stelle einen Kompromiss, auch wenn wir nicht mit jedem Punkt und Komma im Einzelnen übereinstimmen. Dann nur,

und nur dann, können wir Europa voranbringen. Das ist doch das Schizophrene gerade an dem Nein der Iren: Sie kritisieren etwas an der EU, was mit dem Vertrag von Lissabon hätte verbessert werden können. Das ist doch letztlich das, was wir als Politiker - da gebe ich uns allen auch die Verantwortung - den Menschen nahe bringen, der Vertrag von Lissabon hätte uns in Europa sehr viel weiter vorangebracht. Dafür zu streiten lohnt sich und deswegen ist der Gang der LINKEN zum Bundesverfassungsgericht falsch. Ihr Antrag heute steht im klaren Gegensatz zu dem, was Sie eigentlich in Ihrer Praxis ansonsten tun. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache zum Bericht der Landesregierung zu Nummer 1 des CDU-Antrags sowie zu Nummer 2 des CDU-Antrags und zum Alternativantrag DIE LINKE. Ich gehe davon aus, dass durch die Berichterstattung der Landesregierung die Nummer 1 des Antrags der Fraktion der CDU in Drucksache 4/4379 als erledigt gilt. Dagegen erhebt sich auch kein Widerspruch.

So kommen wir jetzt direkt, weil keine Ausschussüberweisung beantragt worden ist, zur Abstimmung zu Nummer 2 des Antrags der Fraktion der CDU. Wer für diese Nummer 2 ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Es gibt keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Da gibt es eine ganze Reihe. Mit einer Mehrheit ist Nummer 2 des Antrags der Fraktion der CDU angenommen.

Damit erübrigt sich die Abstimmung über den Alternativantrag, denn auch für diesen ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, kündige ich an, dass wir nach diesem Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause noch die Wahlen durchführen werden.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 6

Bildungsverantwortung in Thü- ringen auf kommunaler Ebene stärken Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4165 - Es ist mir nicht signalisiert worden, dass die CDUFraktion das Wort zur Begründung nehmen möchte. Demzufolge eröffne ich jetzt die Aussprache und

rufe als Erstes für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Sojka auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, „Bildungsverantwortung in Thüringen auf kommunaler Ebene stärken“ - so heißt der Tagesordnungspunkt und das Anliegen Ihres Antrags. Wenn man die Überschrift nur liest, ist das Anliegen sicher richtig. Der Antrag stammt ja noch aus einer Zeit vor der Sommerpause, gewissermaßen als Ergebnis unserer Fahrt des Bildungsausschusses nach Finnland und ist sicherlich das Ergebnis Ihrer Überlegungen zu dem, was auf dieser Fahrt Ihnen zu Bewusstsein gekommen ist. Ich habe ja schon beim letzten Mal bemerkt, dass das, was wir dort erlebt haben, wahrscheinlich sehr unterschiedlich interpretiert wurde, und demzufolge werde ich mich im Folgenden auch mit Ihrem Antrag auseinandersetzen.

Wie gesagt, Ihre Schlussfolgerungen sind sehr verschieden von unseren, beispielsweise taugt diese Finnlandfahrt nicht als Autoritätsbeweis für Ihre Art der Hortkommunalisierung, da liegen Sie völlig falsch und das werde ich versuchen, Ihnen auch noch deutlich zu machen. Was uns eint, ist sicherlich, dass wir die Schulen entwickeln wollen, aber schon bei dem Ziel sind wir unterschiedlicher Auffassung. Wir wollen endlich die Trennung nach Klasse 4 überwinden, wir wollen länger gemeinsam lernen, darüber muss ich mich hier in diesem Plenum mit Ihnen nicht auseinandersetzen. Unsere Positionen sind ausgetauscht, nächstes Jahr sind Wahlkämpfe. Man wird sehen, wie sich das dann niederschlagen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Laut der Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft geht es schließlich um nicht mehr und nicht weniger als um die Einleitung eines Kulturwandels hin zur selbstständigen Schule. Wir brauchen an allen Schulen einen Paradigmenwechsel hin zu individualisiertem Lernen, also tatsächliches Denken vom Kind aus individuell fördern. Darüber sind wir uns wiederum in allen Fraktionen einig. Was leistet Ihr konkreter Antrag dazu, meine Kollegen von der CDU? Ich zitiere einmal aus dem Antrag, denn wir haben ja eine ganze Menge Gäste, unter ihnen auch Lehrerinnen und Lehrer, die können das dann selbst bewerten. In Ihrem Antrag steht: „Die Landesregierung wird gebeten, mit den Vertretern der Thüringer Kommunen das Gespräch... fortzuführen;... auf freiwilliger Basis“ - bla, bla, bla und so weiter - mit dem Ziel und der Begründung, dass Schulen sich zu Kommunikationszentren im sozialen Nahraum entwickeln sollen, und die Landesregierung soll prüfen, welche Aufgaben stärker auf die schulische und kommunale Ebene übertragen werden können. Also die

Landesregierung soll mit den Vertretern der Kommunen das Gespräch fortführen auf freiwilliger Basis.

Das klingt nicht gerade sehr konkret. Um nicht missverstanden zu werden, kommunale Verantwortung ist auch uns wichtig. Schulen im Sozialraum einer Kommune, weg vom Gängelband des Kultus zu entwickeln - auch das ist uns wichtig - und hin zu konsequenter Eigenverantwortung unter kontrollierbaren Rahmenbedingungen, auch da sind wir uns sicherlich einig. Aber welche Prämissen braucht es, um einen solchen Prozess erfolgreich zu initiieren, und welche Schritte sind dazu notwendig?

Wieder zurück zu unserer Finnlandfahrt, das ist ja der Ausgangspunkt Ihres Antrags. Finnland konkret bedeutet, wir haben dort starke Kommunen mit entsprechenden Größen. Wir haben dort auch kein Herauslösen von Teilen des Schulsystems, sondern wir haben Bildung aus einer Hand. Dort gibt es die Wahrung der organisatorischen Einheit von Bildung und Erziehung und medizinischer Versorgung bis hin zum kostenlosen Schulessen. Denn wenn ein Bauch Hunger hat, kann auch der Kopf nicht denken. An einer Schule arbeiten nicht nur Pädagogen, individuelle Förderung wird ernst genommen. Dies ist gelebte Praxis, es gibt auch keine Sonderschulen. Was mich besonders beeindruckt und begeistert hat, sind die sogenannten Schülerfürsorgeausschüsse, wo Schulen tatsächlich von den Eltern als Beratungszentrum ernst- und angenommen werden, weil sie dort Hilfe bekommen. Da herrscht ein großes Vertrauen. Schülerfürsorgeausschüsse sind etwas, worüber mal tatsächlich nachgedacht werden könnte.

Im Gegensatz dazu - wie sieht es in Thüringen aus? Wir haben denkbar schlechte Voraussetzungen. Zwei Drittel von Kleinstkommunen haben nicht mal eine eigene Verwaltung - Verwaltungsgemeinschaften, Landgemeinden, was da alles so rumschwirrt. Schon die Einführung der Doppik überfordert diese Kommunen. Die Zerschlagung der organisatorischen Einheit durch die bewusste Erzeugung eines Mangels an ausgebildeten und unbefristet eingestellten Erzieherinnen und diesen Versuch noch als Erfolg zu verkaufen - genannt Hortkommunalisierung -, das müssen Sie Ihren Wählern im nächsten Jahr erklären. Falls Ihr bildungspolitischer Sprecher Ihnen die Briefe nicht zeigt, die wir zuhauf über den Bildungsausschuss und auch über eigene Mail-Post bekommen, zitiere ich mal aus einigen dieser Briefe. Am 12.08. schrieb jemand aus Nordhausen: „Mit Entsetzen mussten wir erfahren, dass noch immer nicht geklärt ist, welche Erzieherinnen zu welchem Umfang im nächsten Schuljahr unsere Kinder betreuen. Qualifizierte Erzieherinnen, die von den Kindern als liebevolle Kontaktperson empfunden werden, werden nicht weiterbeschäftigt.“

Aus einem anderen Brief: „Voriges Jahr zeigte sich, dass selbst die sich bewerbenden Erzieher nicht ausreichen, um den Bedarf der Grundschulen abzudecken und in der Arbeit mit den Kindern durch häufigen Erzieherwechsel kein kontinuierliches Arbeiten möglich war. Diese Unsicherheit belastet nicht nur mich, sondern auch die Kinder und Eltern.“

Und noch ein Brief: „Die momentane Unsicherheit über die Weiterführung der Hortgruppe stellt sowohl für mich als auch für die Kinder und Eltern eine enorme Belastung dar. Wie soll man Kindern erklären, dass für Politiker andere Aspekte wichtiger sind als das Wohl der Kinder. Wie soll man erklären, dass einige meinen, ein ständiger Wechsel der Bezugsperson sei für sie genauso gut, wo doch manchen schon die Geborgenheit in der Familie fehlt.“

Das ist der Preis Ihres perfiden Zwanges zur Kommunalisierung.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann Ihnen noch ein paar andere Beispiele nennen. Zehn Tage vor Schuljahresende fehlte die Zuweisung an die Horte. In Erfurt existiert die Aussage vor der Übernahme, alle Horte waren gnadenlos unterbesetzt. Im Ilm-Kreis - 950 Stunden fehlen im Bereich. Die Kollegin sprach, das ist „zum abkotzen“ - sorry, das ist ein Zitat. Im Kreis Gotha waren vor der Sommerpause fünf von zehn Kollegen übrig. Wie der Ferieneinsatz erfolgen sollte, war völlig offen. Das sind konkrete Beispiele vor ihrer Art der Kommunalisierung. So zwingt man natürlich die Kommunen, das, was Sie als Modellversuch verkaufen, gut zu finden.

Ich habe Angst, dass, wenn Sie dann auch merken, dass beispielsweise keine Chemielehrer mehr existieren, weil ja kaum welche ausgebildet werden, Sie dann den Chemieunterricht oder die Chemielehrer kommunalisieren. Der Mangel ist dort nicht erst herzustellen, der existiert bereits.

Was wäre denn nun aus unserer Sicht nötig, um Ihre Überschrift des Antrags mit Leben zu erfüllen? Nutzen Sie den extra neu geschaffenen Posten eines Abteilungsleiters im Kultusministerium mit dem Namen „Verwaltungsmodernisierung, Liegenschaften und Internationale Angelegenheiten“. Die Personalie lässt allerdings hoffen. Er war schon für Erwachsenbildung und für Berufsschulnetzplanung zuständig und mit Schusswaffen kennt er sich schließlich auch aus. Also eine absolut Top-Personalie, um diesen Prozess voranzutreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Aus unserer Sicht gäbe es etwas zu kommunalisieren, das Einzige, was auch ganz schnell ginge: Kom

munalisieren Sie die Schulämter. So, wie sie jetzt sind, sind sie überflüssig. Das sind Statistikämter, die keiner braucht. Nutzen Sie die Erfurter Erfahrung: Entwickeln Sie ein Bildungsamt. Wenn Schulverwaltung und Schulamt verwaltungstechnisch übereinanderliegen, kann man gemeinsam ein neues Amt entwickeln, in dem wirklich auf Qualität in den Schulen geachtet werden kann. Allerdings ist Erfurt ein Thüringer Sonderfall, weil nur dort der Verwaltungsbereich von Schulamt und Schulverwaltungsamt übereinanderliegt. Aber so etwas ließe sich ja ändern, der neue Abteilungsleiter wird schon daran arbeiten, hoffe ich. Kürzen Sie nicht an den Finanzen, trotz sinkender Schülerzahlen. Das hat uns auch die OECD gestern wieder ins Stammbuch geschrieben. Längst sind nicht alle Schule barrierefrei, wie das woanders in Europa längst Standard ist. Stärkere Eigenverantwortung heißt tatsächlich Bildung aus einer Hand und dazu gäbe es viel zu tun. Ihr Antrag - ich habe daraus zitiert - trägt dazu unseres Erachtens nicht bei.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Döring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind.“ So weit Samuel Johnson, im 18. Jahrhundert selbst ein großer Reisender und auch heute noch ein lesenswerter Reiseschriftsteller. Wenn ich Johnsons Maxime an die Reise des Bildungsausschusses nach Finnland und insbesondere an die politische Verarbeitung dieser Reise durch die CDU anlege, dann wird eines klar: Zu einem Abgleichen mit den eigenen ideologischen Vorstellungen mit der Realität und der daraus resultierenden Korrektur nicht mehr haltbarer Positionen hat es bei Ihnen leider nicht gereicht, meine Damen und Herren von der CDU. Stattdessen wurde bereits während der Reise gierig nach jedem kleinen bildungspolitischen Bröckchen geschnappt, das die eigenen Auffassungen zu bestätigen schien und dabei das größere Ganze geflissentlich ignoriert.

Meine Damen und Herren, da wurden Pressemitteilungen in die Welt gesetzt, dass das Beispiel Finnland die Richtigkeit der Familienoffensive beweise oder die Notwendigkeit der Hortkommunalisierung klar belege, ohne auch nur mit einem Wort auf die im Vergleich zu Thüringen völlig unterschiedlichen und vor allem erheblich positiveren bildungs- und familienpolitischen Rahmenbedingungen in Finnland

einzugehen. Ich verweise hier nur einmal auf die Tatsache, dass in Finnland nicht allein der Schulbesuch kostenlos ist, sondern ebenso das Schulessen, der Schülertransport sowie Schulbücher und Unterrichtsmaterialen. Wir könnten uns glücklich schätzen, wenn wir in Thüringen bereits so weit wären.

Meine Damen und Herren, dennoch verkündete das Kultusministerium nach der Reise allen Ernstes im Bildungsausschuss, große Teile der finnischen Bildungspolitik würden schon längst auch in Thüringen praktiziert, und zwar mindestens genauso gut, wenn nicht sogar weit besser. Man fragt sich zwar, warum dann Finnland an der Spitze der PISA-Staaten steht und nicht Thüringen und warum der Kompetenzabstand zwischen den finnischen und den thüringischen Schulen in den bisherigen PISA-Runden jeweils mehr als ein Schuljahr betragen hat, aber aus der Sicht der Landesregierung und der Mehrheitsfraktion sind das derart unangenehme Wahrheiten, offenbar Petitessen, die es bei der Beurteilung der Thüringer Bildungspolitik einfach auszublenden gilt. Meine Damen und Herren, von diesem Geist selektiver Wahrnehmung sind auch die beiden Anträge der CDU geprägt, die die einbringende Fraktion offensichtlich für ihre Quintessenz aus der Finnlandreise hält. Über die erste Vorlage zur Eigenverantwortung und individuellen Förderung haben wir bereits beraten. Daher möchte ich zu dieser Initiative nur so viel sagen: Was den ersten Antrag gekennzeichnet hat, seine Schwammigkeit, sein Operieren mit unklaren Begrifflichkeiten und vagen Zielsetzungen, das findet sich genauso im zweiten.

Worum geht es der CDU, wenn sie dafür eintritt - ich zitiere -, „die Bildungsverantwortung in Thüringen auf kommunaler Ebene zu stärken“? Laut eigenem Antrag vor allem darum, dass die Landesregierung - ich zitiere - „mit den Vertretern der Thüringer Kommunen das Gespräch über stärkere kommunale Bildungsverantwortung mit dem Ziel verbesserter Bildungs- und Erziehungsarbeit und mit höherer Schulqualität konsequent fortführt.“ Das, meine Damen und Herren, ist natürlich herzlich wenig, ein Gespräch konsequent fortzuführen. Sprechen kann man ja bekanntlich über alles. Wichtig ist dabei, zu irgendeinem konkreten Gesprächsabschluss zu kommen. Und wie soll der in diesem Fall aussehen? Ist eine Vereinbarung mit den Kommunen geplant? Welchen Inhalt soll sie haben? Geht es dabei um Modellprojekte oder um eine Festschreibung landesweiter Regelungen? Auf all diese Fragen gibt der CDU-Antrag bezeichnenderweise keine Antwort. Er beauftragt die Landesregierung lediglich, mit den Kommunen weiterhin zu sprechen, und das möglichst konsequent. Ich bin ja bislang immer davon ausgegangen, dass das Kultusministerium seine Gespräche konsequent führt und bei Bedarf auch konsequent fortführt. Daher wundert es mich, dass die

Landesregierung von der CDU eigens zu solch einer Selbstverständlichkeit aufgefordert wird. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Union, haben ja größeren Einblick in das Ministerialgetriebe als unsereins und daher nehme ich Ihnen gern ab, dass die von Ihnen gestellte Regierung normalerweise nicht zu einer stringenten Gesprächsführung in der Lage ist.

Meine Damen und Herren, wie uns der CDU-Antrag in kryptischer Kürze weiter verrät, soll es in dem konsequenten Gespräch insbesondere um die Themen Personaleinsatz, Finanzierung, Vertretung in den Aufsichtsgremien, Bildungsinhalte und Kooperation von Schulen gehen. In diesen Themenfeldern soll die kommunale Seite mehr Verantwortung und Mitbestimmungsrecht erhalten, aber all das natürlich auf freiwilliger Basis unter Einbeziehung der verantwortlichen Schulleitung. Auch darunter kann man sich alles Mögliche und Unmögliche vorstellen. Denn die gewählten Begrifflichkeiten sind nicht sonderlich präzise und auch die Antragsbegründung hilft hier nicht weiter. Dort finden sich lediglich Allgemeinsätze wie: „Die Schulen sollten sich mehr zu einem Kommunikationszentrum im sozialen Nahraum entwickeln.“ Oder: „Nur wenn alle am Erziehungs- und Bildungsprozess beteiligten Partner gut kooperieren, kann ein Optimum an Förderung für jedes einzelne Kind entstehen.“ Das ist ja alles schön und gut, Herr Kollege Emde, aber letzten Endes sind das alles nur Binsenweisheiten.

Was ist Ihr konkretes Ziel? Was heißt „mehr Verantwortung und Mitbestimmungsrecht für die kommunale Seite bei den Schulen“? Wollen Sie nach den Grundschulhorten weitere Teile aus dem Schulsystem herauslösen und an die Kommunen rüberreichen? Ist das der nächste Trick, auch um Personalkosten langfristig auf andere Schultern zu verlagern? Die vage Angabe in Ihrer Vorlage, die Aufsicht über das Schulwesen und die Finanzierungspflicht des Landes sollten bei diesem Vorhaben unangetastet bleiben, beruhigt mich nämlich überhaupt nicht, denn das ist lediglich nur ein Lippenbekenntnis zum Grundsätzlichen und sagt insbesondere nichts über die konkrete Ausgestaltung der Finanzierungspflicht des Landes aus. Wenn Sie also hier weitere Kommunalisierungspläne im Sinne von Einsparung verfolgen, dann haben Sie vom finnischen Schulsystem und seiner historischen Entwicklung nicht allzu viel verstanden. Die weitreichende Verantwortung im Schulbereich in den Kommunen dort nämlich ist nicht im Zuge von Sparmaßnahmen der Zentrale aufoktroyiert worden, die besteht bereits seit Langem. Fast ebenso lange haben die finnischen Schulen als materiell und personell denkbar schlecht ausgestattet gegolten und das hat sich erst geändert, als Staat und Kommunen Ende der 1960erJahre beschlossen haben, in einer gemeinsamen

Kraftanstrengung deutlich mehr als bisher in Bildung zu investieren. Inzwischen liegen die öffentlichen Bildungsausgaben in Finnland seit Jahren kontinuierlich bei weit über 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Von einer solchen materiellen Wertschätzung der Bildung können wir in Deutschland generell und erst recht hier in Thüringen nur träumen.

Meine Damen und Herren, die Thüringer Landesregierung hat den Bildungsbereich in den vergangenen Jahren doch vor allem als finanziellen Steinbruch betrachtet, als einen Etat, den man auch dem Kahlschlag preisgeben kann, um Haushaltslöcher wirklich zu stopfen. 300 Mio. € sind in den Jahren 2001 bis 2007 bei der Bildung gestrichen worden. Das ist etwas ganz anderes als das bewusste und kontinuierliche große finanzielle Engagement des finnischen Staates für Bildung. Nach der ebenfalls von der Landesregierung zu verantwortetenden steten Kürzung beim KFA sind auch die Thüringer Kommunen materiell überhaupt nicht in der Lage, nach finnischem Vorbild und nach finnischem Niveau Schule zu gestalten. Auch diese unangenehme Wahrheit hätten Sie bei einiger Bereitschaft, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, von der Finnlandreise mitnehmen können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich folgendes Fazit ziehen: Der CDU-Antrag ist in seiner Zielsetzung unklar, in seiner Begrifflichkeit unpräzise, in seiner Begründung unzureichend. Wer ihn liest, weiß eigentlich nur, dass die Landesregierung Gespräche mit der Kommune führen soll, und das möglichst konsequent. Worauf das konkret hinauslaufen soll, bleibt jedoch im Dunkeln. Möglich und aus meiner Sicht auch wahrscheinlich ist, dass das Kultusministerium mit dieser Vorlage formell beauftragt werden soll, weitere Kommunalisierungsvorhaben im Schulbereich auf den Weg zu bringen. Mit einer Unbestimmtheit lässt sich der Antrag jedenfalls in nahezu jede beliebige Richtung interpretieren.

Meine Fraktion ist jedoch nicht bereit, freie Fahrt für ein derart vages Vorhaben zu geben. Die SPD wird dem Antrag daher nicht zustimmen. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Emde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, Herrn Döring möchte ich nur sagen, dass ich es nicht gut finde, wenn man allein nur auf den Finnlandbesuch abhebt, und wenn man

Zahlen nennt, soll man sie richtig nennen. Wir haben auch festgestellt, dass die Finnen genauso viel Geld ausgeben pro Schüler, wie wir das in Thüringen tun. In der Tat erzielen sie damit bessere Ergebnisse. Genau um die Frage geht es natürlich auch. Wie werden diese Gelder effizient eingesetzt, so dass wir optimale Bildungsergebnisse erzielen?

Was mich bei beiden Vorrednern ein bisschen enttäuscht hat, ist, dass man zur Sache eigentlich überhaupt nichts sagt. Frau Sojka - sie heißt jetzt wieder „Sojka“, habe ich sofort geschaltet, bei Reimann hatte ich ein längeres Problem - hat wieder den großen Rundumschlag gemacht und alles, was ihr nicht passt, angeprangert, ich spare es mir, darauf einzugehen, zur Sache gar nichts. Herr Döring hat kritisiert, dass wir nicht konkret genug werden. Ich werde Ihnen noch erläutern, warum wir nicht konkret werden und Dinge hier von diesem Pult aus einfach ansagen und dann vielleicht vollziehen.