Protocol of the Session on July 9, 2008

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ich würde gern im Anschluss antworten.

Zweitens noch einmal zusammengefasst: Ich denke, der 18. März gehört in besonderer Weise als Gedenktag, es ist nämlich der Abschluss der friedlichen Revolution. Das ist die erste Revolution, die gelungen ist in Deutschland. Und es waren die ersten freien, gleichen, geheimen und unmittelbaren Wahlen. Es gehört auch dazu, dass wir daran denken, dass am 18. März 1848 ein Höhepunkt der blutigen Revolution - der März-Revolution - war, leider aber

eben nicht erfolgreich.

Die Landesregierung hat bereits gehandelt - auch das will ich sagen - wir haben im Bundesrat einen Plenarantrag dazu gestellt. Hier möchte ich auf einen Vorgang hinweisen, der von Herrn Hahnemann so verklärend dargestellt worden ist. Ich bin ganz dankbar, dass Sie das aufgegriffen haben, Herr Hahnemann, da kann ich mich drauf beziehen. Es war nämlich im Bundesrat die Berliner Landesregierung Rot-Rot, die einen Antrag gestellt hat, den 18. März zum Gedenktag der Demokratie zu erklären. Ich habe schon fast gejubelt und frohlockt, ich dachte: Rot-Rot hat auch so viel Geschichtsbewusstsein. Und als man dann nachgelesen hat, konnte man erkennen, dass es eigentlich überhaupt nicht um den 18. März 1990 ging, es ging im Wesentlichen um den 18. März 1848. Ich habe mich gewundert, ich unterstelle jetzt im Nachhinein, das war bewusst. Ich denke, DIE LINKE wollte und will auch heute nicht, dass der 18. März 1990 im Bewusstsein der Menschen als erster freier Wahltag bestehen bleibt. Ich verstehe das auch; das war der Tag der Niederlage der SED. Das ist ja völlig klar, denn die SED hat eine Abfuhr erteilt bekommen und daran denken zu müssen, ist sicherlich nicht immer ganz so edel. Was mich aber wundert, dass die SPD den Antrag mitmacht. Dass man hier ein Stück weit Geschichtsklitterung mitbetreibt. Das hat mich ehrlich auch ein Stück weit erschüttert,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Wer hat denn das gemacht? Was erzählen Sie da?)

Sie haben das doch mit eingebracht. Die SPD hat diesen Antrag in Berlin mit eingebracht und hat den Hinweis auf 1990 versteckt. Ich habe mich gewundert. Es hätte meines Erachtens die Ostberliner SPD ein Stück weiter protestieren müssen dagegen. Aber im Grunde zeigt das doch Folgendes: Dort, wo die SPD mit den LINKEN zusammengeht, wird die SPD eher untergebuttert. Das war bei der Vereinigung KPD und SPD so. Sie sollten aus diesen historischen Erfahrungen lernen. Sie haben es ja eben erst wieder in Berlin so erlebt.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Was haben wir in Berlin erlebt?)

Sie haben als SPD einen Antrag mitgetragen, der den Verweis auf 1990, den 18. März, nicht in den Mittelpunkt gerückt hat als den Tag unserer Demokratie, unserer demokratischen Erfahrung, Sie haben auf 1848 orientiert. Ich unterstelle nicht, dass das von Ihnen bewusst war, sondern von der Linkspartei, und Sie haben es einfach mitgemacht und toleriert. Das ist mein Vorwurf.

(Beifall CDU)

Herr Matschie, das war doch nicht aus Versehen, der Antrag wurde ja von Berlin wieder zurückgezogen, nachdem Thüringen einen erweiterten Antrag gestellt hat, um 1990 mit aufzunehmen nämlich um diesen Tag zu würdigen. Da wurde der Antrag zurückgenommen, damit dieser Antrag von Thüringen nicht zur Abstimmung kommt. Das ist nicht das letzte Wort. Ich denke, Thüringen wird sich weiter engagieren, so wie es von dem Antrag der CDUFraktion gewünscht und erbeten ist. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende ein positives Ergebnis haben werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Jetzt kommen die Nachfragen. Abgeordnete Pelke, bitte Ihre Frage. Abgeordnete Pelke, SPD:

Herr Minister, gestehen Sie mir zu, dass es, wenn man die Biografie von Menschen nicht ganz korrekt kennt, ein bisschen unverschämt ist, zu unterstellen, man könne das Freiheitsgefühl von Menschen nicht nachvollziehen. Ich habe Ihnen vorhin die politische Häftlingszeit meines Vaters geschildert und gestehen Sie mir zu, wenn man regelmäßig hier die Familie in der ehemaligen DDR besucht, dass man sehr wohl miterlebt, wie Großeltern und Verwandte leben und dass das Freiheitsbedürfnis immer dagewesen ist und im Übrigen auch das Ausreisebedürfnis; sogar von Menschen, die - und das hat es auch in der ehemaligen DDR gegeben - nicht einer Partei angehörten.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Pelke, ich gestehe Ihnen doch zu, dass Sie mindestens ebenso ein Freiheitsbewusstsein in sich tragen und auch im freiheitlich-demokratischen System sich engagieren. Das habe ich doch ausdrücklich gesagt. Aber eines, Frau Pelke,

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Jedes Jahr habe ich es hier erlebt, jedes Jahr.)

wer in der DDR erlebt hat, wie wir ständig betrogen worden sind bei Wahlen, wie peinlich es ist, am Abend der Wahlen 99,9 Prozent zu erleben, wo wir doch alle wussten, wer vielleicht von unseren Bekannten dagegengestimmt hat. Allein ich kannte doch die Zahlen in meinem Bekanntenkreis, die dagegengestimmt haben. Wir wurden betrogen und deshalb, Frau Pelke, wollte ich nur diese kleine An

merkung machen. Wer hier gelebt hat, in dieser DDR, hat diesen 18. März herbeigesehnt und sich gefreut. Ich habe selbst im Demokratischen Aufbruch damals Leute zum Wahllokal gefahren, die waren gehbehindert. Die haben mir gesagt, wir müssen doch wählen gehen, darauf haben wir uns so lange gefreut. Und das war eigentlich nur meine Anmerkung. Und diese Freude lasse ich mir auch nicht von Ihnen erklären und nehmen.

(Beifall CDU)

Abgeordnete Dr. Klaubert, bitte Ihre Nachfrage.

Ja, ich hatte mich dort zu Wort gemeldet, als Sie zu der Frage des gewaltsamen Eingriffs der chinesischen Führung gegen die Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens sprachen und dann danach über die Leipziger Ereignisse. Ich frage Sie nicht nach Ihrer Position zu der chinesischen Politik auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Aber ich möchte Sie danach fragen, ob Sie wissen, unter welchen Bedingungen im Oktober 1989 in Leipzig die Demonstrationen friedlich verlaufen konnten und ob Ihnen die Namen Kurt Masur, BerndLutz Lange und Roland Wötzel noch bekannt sind?

Frau Klaubert, ich bin Leipziger, deswegen kann ich mich sehr gut in die Sache hineinversetzen. Ich kenne auch die Namen, die Sie vorgetragen haben. Ich bin doch ausdrücklich dankbar, dass wir überall Leute hatten, die aufrecht gewesen sind. Aber jetzt ein Bild zu produzieren, die SED hat eigentlich die friedliche Revolution eingeleitet, ist für mich sehr fragwürdig.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt.)

Nein, Sie haben es nicht so gesagt Frau Dr. Klaubert, das gebe ich Ihnen ausdrücklich auch zu Protokoll. Aber es wird doch ständig der Eindruck erweckt, im Grunde waren doch die Blockparteien das Gleiche wie die SED, das ist Ihre Grundmelodie und das ist falsch. Die Macht hatte die SED, das Politbüro hat gesagt, wo es langgeht und das ZK der SED hat die Direktiven ausgegeben. Der Ministerrat musste sich danach richten. Kein Minister konnte in irgendeiner Weise danebentreten, denn er wurde sofort entfernt. Deswegen sage ich noch einmal,

die Blockparteien waren schmückendes Beiwerk, sie haben auch mal eine Resolution mit unterschrieben, aber sie hatten keine Macht in diesem Land. Das gleichzusetzen, das nehme ich Ihnen in der Tat sehr, sehr übel. Im Übrigen muss man eindeutig sagen, in der CDU gibt es heute wesentlich mehr Mitglieder aus der neuen Zeit als bei der SPD zum Beispiel überhaupt Mitglieder bestehen.

(Beifall CDU)

Bei den LINKEN sind sie natürlich aus der alten Zeit. Vielen Dank.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Bitte Abgeordneter Matschie.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir nur wenige Anmerkungen. Nach meinem Eindruck war diese Debatte heute sicher keine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sie war es deshalb nicht, weil hier der Versuch gemacht wird, die Interpretation des anstehenden Wendejubiläums parteipolitisch und parteitaktisch auszunutzen, hier die Oberhand über die Interpretation zu gewinnen. Das kann nicht Ziel in einer solchen Debatte sein, wo es um einen Gedenktag der parlamentarischen Demokratie gehen soll. Deshalb will ich hier noch einmal deutlich sagen: Vielleicht wäre es an der Zeit, mal ein größeres parteienübergreifendes Seminar zur Wendezeit, zur Entwicklung der parlamentarischen Demokratie, und zur Zeit davor zu machen, wo man solche Argumente miteinander auch austauschen kann, dann vielleicht etwas weniger polemisch. Wenn ich das richtig sehe, sitzen in allen Fraktionen Menschen, die sich für die parlamentarische Demokratie stark gemacht haben. Was mich besonders bewegt hat - und deshalb bin ich auch noch einmal nach vorn gegangen - ist, dass hier einige in Zweifel ziehen, dass die SPD, wenn sie diesem Antrag nicht zustimmt, sich nicht voll hinter die parlamentarische Demokratie und das Eintreten für die parlamentarische Demokratie stellt. Ich will all denen, die das haben anklingen lassen, deutlich sagen: Die SPD ist die älteste demokratische Partei in diesem Land, sie hat in ihrer langen Geschichte immer für die Demokratie gekämpft, für die Demokratie eingestanden, auch als es ganz schwierig war. Wir hatten vor Kurzem die Erinnerung an die Rede im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz und es war die SPD-Fraktion, die gegen dieses Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Es waren

auch nach 1945 viele SPD-Mitglieder, die in Gefängnissen gelandet sind, weil sie sich gegen die Zwangsvereinigung gewehrt haben. Ich kann nur aus meiner persönlichen Geschichte sagen, wenn es um den 18. März 1990 geht, ich selbst habe die SPD mit aufgebaut in Thüringen nach ihrer Gründung am 7. Oktober 1989 und ich habe auch am runden Tisch gesessen, der die ersten freien Volkskammerwahlen vorbereitet hat. Trotzdem sage ich Ihnen, ich will nicht, dass wir den 18. März zu einem „Gedenktag der Parlamentarischen Demokratie“ machen. Mein Bestreben ist, dass wir gemeinsam die parlamentarische Demokratie so lebendig halten, dass sie keine Gedenktage braucht.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt worden. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen? Wer enthält sich der Stimme? Bei einer großen Anzahl von Gegenstimmen ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen damit direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/4131. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

(Beifall CDU)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27 und Tagesordnungspunkt 28 in seinen Teilen

Bericht zur Verbesserung der Qualität frühkindlicher und schulischer Bildung Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4135 -

a) Mehr Ganztagsschulen in Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4145 -

b) Weitere Stärkung der Eigen- verantwortung an Thüringer Schulen und Verstärkung der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4143 -

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Möchte die SPD ihren Antrag begründen? Das ist auch nicht der Fall. Die CDU möchte ihren Antrag auch nicht begründen.

Die Landesregierung erstattet keinen Sofortbericht. So eröffne ich jetzt die gemeinsame Aussprache und erteilte das Wort der Abgeordneten Frau Dr. Klaubert.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte in meinem Redebeitrag insbesondere auf den Antrag zur Berichterstattung zur Verbesserung der Qualität frühkindlicher und schulischer Bildung eingehen. Ich schaue mich im Moment etwas verwundert um, weil sich dieses Berichtsersuchen direkt an den neuen Kultusminister gerichtet hat und der ist jetzt weg. Nun kann ich nur hoffen, dass der Staatssekretär diese Worte, die ich ihm zu sagen habe, aufmerksam aufnimmt und dass sie an die Ohren des Kultusministers gelangen, denn meine Kollegin Reimann will dann die Gedanken fortsetzen. Ich glaube, sie hofft auch inständig, dass wir uns mit dem Kultusminister auseinandersetzen können, der ja seit Mai im Amt ist und in den wir ganz große Hoffnungen setzen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Was?)

(Heiterkeit SPD)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Zynisch war das nicht.)

Zynisch war das nicht, aber ironisch - Sie haben recht. Und zwar war der Auslöser unseres Antrags ein Artikel in der „Thüringer Allgemeine“, der war überschrieben mit „Geld in die Hand“. Der Kultusminister war gerade ins Amt gekommen und die Bildungspolitiker waren gerade aus Finnland zurückgekommen. Der Kultusminister erklärte, nachdem er angefragt worden ist, wie denn die politische Zukunft der Schulen und der Kindergärten in Thüringen aussieht, dass er Geld in die Hand nehmen möchte. Insbesondere orientierte er darauf, dass er in den Kindergärten für mehr Geld für Personal sorgen möchte. Dieses „mehr Geld in die Hand nehmen“ hat sich durchaus fortgesetzt. Erst am vergangen Sonntag in einer gemeinsamen Podiumsdiskussion zu den Kulturfragen in Thüringen erklärte der