Protocol of the Session on July 3, 2008

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Lesen muss man’s.)

Ich frage mich, und das mache ich vor dem Hintergrund, dass wir uns schon Gedanken darüber machen, wie Sie an Innenpolitik herangehen, ob Sie sich tatsächlich ernsthaft Gedanken machen, wie wir an Innenpolitik herangehen. Wenn Sie das nämlich täten, Herr Fiedler, dann würde Ihnen auffallen, dass wir zwei grundlegend unterschiedliche und miteinander nicht vereinbare Auffassungen über Innenpolitik haben. Ihre Haltung, und das ist im Prinzip vorhin in Ihren Ausführungen auch deutlich geworden, ist eine herrschaftsdemokratische.

(Unruhe CDU)

Wir - also Sie - sind das Maß aller Dinge. Und ich werde Ihnen nachher an Ihrem eigenen Redebeitrag noch belegen, zu welcher Art von Denken das führt. Wir, meine Damen und Herren, haben eine andere Sicht auf öffentliche und persönliche Sicherheit.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das kann ich mir vorstellen.)

Wenn wir an dieses Problem herangehen, dann haben wir eben nicht die vorhin in meiner Rede beschriebene Position, sondern unsere Position ist grundlegend die: So viel Eingriffsrechte wie nötig und so viel Rechte für die Bürgerinnen und Bürger wie möglich. Das wissen Sie, das ist hinlänglich bekannt. Wir haben eine bürgerrechtliche Orientierung in der Politik zur öffentlichen und persönlichen Sicherheit.

(Unruhe CDU)

Und wir wissen auch, wie Sie darüber denken. Aber sich dann hinzustellen und uns zu sagen, „Sie haben sich nicht weiterentwickelt“, entschuldigen Sie

bitte, in die Richtung, in die Sie möchten, dass wir uns entwickeln, wollen und können wir uns nicht entwickeln und insofern brauchen wir uns dieses Vorwurfs auch nicht anzunehmen. Insofern können wir die von Ihrem Geist getragenen Gesetzentwürfe nicht verbessern. Das geht nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Das käme dem Umstand gleich, dass zwei Personen sich in ein Boot setzen und in unterschiedliche Richtungen rudern.

Und eines, Herr Fiedler, möchte ich Ihnen sagen: Es gibt Argumente, die taugen einfach als Argumente nicht. Ich meine Ihre Anwürfe gegen den Kollegen Kuschel und die Kollegin Leukefeld. Die haben mit unserer Position zu Polizeiaufgaben und zu Geheimdiensten einfach nichts zu tun. Wenn sie damit etwas zu tun hätten, dann könnte ich den Kollegen Kuschel und Leukefeld auch vorwerfen, dass bei Lidl und bei Telekom in einer Art und Weise ausgeforscht und überwacht wird, wie wir sie im Grunde genommen nicht kannten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das teilen wir auch nicht.)

Wie wenig Sie darüber nachdenken, von welcher Position und mit welcher Intention andere Innenpolitik betrachten und betreiben, wird daran deutlich, dass Sie vom Gesetzentwurf der SPD-Fraktion z.B. verlangen, dass sie auf der Grundlage der Gerichtsurteile diese Entwürfe hätten weiterentwickelt haben müssen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das haben wir nicht gemacht.)

Haben Sie sich einfach schon mal mit der Idee vertraut gemacht, dass diese Gesetzentwürfe aus ihrer anderen Anlage heraus dieses überhaupt nicht nötig gehabt haben? Auf diese Idee kommen Sie gar nicht.

Sie machen eine Innenpolitik, es passiert was, also müssen wir mehr Eingriffsrechte für die Behörden haben. Dann passiert wieder was, dann brauchen wir wieder ein paar Häppchen mehr. Das heißt, Sie lösen den Zusammenhang zwischen Ereignissen und den notwendigen Veränderungen im z.B. Polizeiaufgabenrecht oder im Verfassungsschutzrecht einfach auf. Sie erklären ein qualitatives Problem ad hoc zu einem quantitativen. Da läuft unser Denken über Innenpolitik anders. Herr Fiedler, in einem gebe ich Ihnen recht, da zitiere ich Sie: Die Stimmung, dass wir in einem Überwachungsstaat leben, die hat sich nicht bestätigt. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass wir in einem Überwachungsstaat le

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Meinen Sie!)

(Beifall DIE LINKE)

Wie Sie, Herr Fiedler, an Innenpolitik, an Polizeiaufgaben, an Geheimdienste herangehen, hat sich ganz deutlich gezeigt. Sie haben hier gesagt, ich zitiere: „Wir gewähren unbescholtenen Bürgern Menschen- und Freiheitsrechte.“ Ja, Entschuldigung, meine Damen und Herren, wir gewähren Menschen- und Freiheitsrechte auch bescholtenen Bürgern. Das ist der Unterschied.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will auch, sagen wir mal, aus der Landessicht und aus der Zuständigkeitssicht, die wir immer mit betrachten müssen, wenn wir solche Gesetzentwürfe bearbeiten, nur noch ein Argument anführen, warum wir gegen den Gesetzentwurf stimmen werden. Auf das Argument bin ich vorhin in meinem Beitrag nicht eingegangen. Nehmen wir unseren eigenen, landeseigenen Datenschutzbeauftragten. Der hat in der ersten großen Anhörung festgestellt, dass die Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung verfassungsrechtlich bedenklich sind, und kommt zu dem Ergebnis: „Es“ - Zitat - „sollte auf die präventive Telekommunikation zur Verhinderung von Straftaten“ - also um die geht es - „verzichtet werden.“ Nun haben Sie Ihre Änderungsanträge gestellt und haben auch dem Datenschutzbeauftragten Thüringens Ihre Änderungsanträge zugeleitet. Der kommt auch nach Ihren Änderungsanträgen zu dem Ergebnis: „Auch der Änderungsantrag“ - ich füge ein - der CDU-Fraktion „behält in“ Paragraph soundso „die Telekommunikationsüberwachung zur Straftatenverhütung bei und führt sie bei der Wohnraumüberwachung neu ein.“

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist Bundesrecht, aber das verstehen Sie ja nicht.)

Der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz kommt insgesamt bei seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zu dem Ergebnis, dass es „aus meiner Sicht nach wie vor noch Änderungsbedarf an dem Gesetzentwurf gibt“. Also stellen Sie es bitte, Herr Fiedler, nicht so hin, als leite sich die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch unsere Fraktion aus einer völlig weltfremden Sicht auf die Dinge her.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung seitens der Abgeordneten. Herr Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Hahnemann, ich bin noch mal hier vorgekommen, weil Sie natürlich immer ganz geschickt bestimmte Passagen auch aus der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten herausnehmen und die zustimmenden, die in Größenordnungen gekommen sind, einfach weglassen. Das ist genau die Methode, die Sie schon immer angewandt haben. Ich kann Ihnen nur sagen, und das steht hier ja auch den Abgeordneten frei, wir hatten natürlich unsere Änderungsanträge, die wir dort gestellt haben, mit dem Datenschutzbeauftragten besprochen und diskutiert. Das ist selbstverständlich und das ist jeder Fraktion ihr gutes Recht, dass man solche Dinge auch mit dem Datenschutz bespricht und sich mal auseinandersetzt. Sie wissen genauso gut, oder sollten es wissen, dass die Materie nicht so einfach ist und auch Datenschützer verstehen nicht im ersten Ruck alles. Wenn man ihnen es dann auseinandergesetzt und die Querverbindung hergestellt hat, jedenfalls hat weitestgehend der Datenschutzbeauftragte unseren Änderungen zugestimmt.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Fiedler gestatten Sie ein Anfrage?

Nein, Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann. Gibt es weiteren Redebedarf in den Abgeordnetenreihen? Das ist nicht der Fall. Für die Landesregierung Herr Innenminister Scherer bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, in der vergangenen Legislaturperiode trat am 28.06.2002 das Thüringer Gesetz zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts in Kraft. Der heute in zweiter Lesung beratene Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Änderung sicherheits- und verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften soll dieses Sicherheitsgesetz aus dem Jahre 2002 ablösen, das damals unter dem Eindruck der verhee

renden Terroranschläge des 11. September 2001 entstanden ist. Die seither von den Sicherheitsbehörden gesammelten Praxiserfahrungen mit Schwerstkriminalität in Form des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität, die zwischenzeitlichen Änderungen einer Vielzahl sicherheitsrechtlicher Bestimmungen des Bundes, aber auch die aus der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte hervorgegangenen Hinweise gaben der Thüringer Landesregierung Anlass, das Thüringer Sicherheitsrecht auf den neuesten Stand zu bringen. Es entstand das Mantelgesetz vom 20. April 2007, dass die Änderungen von Landesgesetzen, nämlich des Polizeiaufgabengesetzes, des Verfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes zum Gegenstand hat. Im Innenausschuss wurden die neuesten Entwicklungen der Verfassungsrechtsprechung berücksichtigt. Seitdem die Landesregierung das Gesetzeswerk in den Landtag eingebracht hat, ergingen zum Sicherheitsrecht der Polizei nicht weniger als zwölf einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, ein Urteil des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs und ein Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden. Dabei ging es um eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen und Verfahren. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt durch die im Innenausschuss vorgenommenen Änderungen die zu den einzelnen Problemfeldern mittlerweile ergangenen Entscheidungen. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 21. März 2006 kann diese Entscheidungen nicht berücksichtigen. Da dieser Gesetzentwurf sogar ein Jahr früher in den Landtag eingebracht wurde, konnte das Regelwerk z.B. auch nicht mehr die tragenden Gründe aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur präventiv polizeilichen Rasterfahndung nach § 31 Polizeiorganisationsgesetz NRW berücksichtigen. Es sind mittlerweile über 15 Entscheidungen der Verfassungsgerichte ergangen, die hier nicht berücksichtigt werden.

Die letztlich entstandene Dauer der Beratungen führte - und das will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen - nicht zu einem Verlust an Freiheits- und Bürgerrechten, denn das bisher geltende Thüringer Sicherheitsrecht ist in keinem einzigen Punkt verfassungswidrig. Im Jahr 2002 hatte der Thüringer Gesetzgeber die Einschreitschwelle der Polizei im Gegensatz zu anderen Polizeigesetzen bewusst nicht in das Vorfeld einer Gefahr vorverlegt. Polizeiliches Handeln ist bei allen Befugnisnormen stets und immer an eine konkrete Gefahr geknüpft. Zeitnaher Handlungsbedarf des Gesetzesgebers bestand auch nicht nach den drei zuletzt verkündeten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung, zur automatischen Kraftfahrzeugfahndung und zur Vorratsdatenspeicherung, da das geltende Thüringer Sicherheitsrecht keine solchen

Befugnisse enthält. Die Auswertung der Begründungen zu den Urteilen konnte deshalb auch mit der gebotenen Sorgfalt und ohne Hektik erfolgen. Auch hier sei angemerkt, dass das Bundesverfassungsgericht die generelle Zulässigkeit dieser Maßnahmen nicht in Zweifel zieht.

Ich will, weil über die Einzelpunkte jetzt schon von verschiedenen Seiten vieles gesagt ist, nur kursorisch ganz wenig herausgreifen, aber auch das, was natürlich hier als problematisch behandelt worden ist. Für den Gesetzgeber besteht Handlungssicherheit aufgrund der Entscheidung, die Thüringer Polizei erhält künftig die Befugnis zur anlassabhängigen automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenerkennung. Der Regelungsvorschlag hält sich streng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts; die Ermächtigungsgrundlage greift nicht in die Rechte unbescholtener Bürger ein, da der hinreichend bestimmte Datenabgleich mit einer sofortigen Anhaltekontrolle der Polizei verbunden wird. Für alle Verkehrsteilnehmer bedeutet dies, nur ein zur polizeilichen Fahndung ausgeschriebenes Kraftfahrzeug wird im Falle einer automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenerkennung an einer aufgebauten Polizeikontrollstelle angehalten. Alle anderen Verkehrsteilnehmer passieren die Kontrollstelle ohne Rechtseingriff, wie das höchste deutsche Gericht bei dieser Konstellation festgestellt hat. Zugleich wird die Polizeiarbeit dadurch einen Mehrwert erhalten. Durch die Vielzahl der automatisiert abgefragten Kraftfahrzeugkennzeichen ist ein erhöhtes Trefferaufkommen zu erwarten, was kriminaltaktisch gleichzeitig den erwünschten Effekt der Erhöhung der Sicherheit im Schutzbereich der Polizeidirektionen bringen wird. Weitere datenschutzrechtliche Absicherungen geben dem Bürger Gewähr, dass er nicht zum gläsernen Bürger wird. Unverdächtige Kraftfahrzeugkennzeichen werden technisch unverzüglich gelöscht. Die Speicherung von den an der Anlage vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmern ist von Gesetzes wegen untersagt, so dass keinerlei Bewegungsprofile erstellt werden können. Ebenso darf kein flächendeckender Einsatz der Kameras erfolgen.

Ich will noch ein Wort zur datenschutzrechtlichen Absicherung bei der präventiv polizeilichen Telefonüberwachung nach § 34 a und b sagen. Diese informationelle Befugnisnorm erlaubt der Polizei Eingriffe in die Grundrechte des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Grundgesetz und das Recht auf freien Informationszugang sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Grundgesetz. Die Befugnis regelt, welche Daten durch wen zu präventiv polizeilichen Zwecken erhoben werden können oder welche sonstigen Rechtseingriffe zulässig sind. Ich will es kurz ausführen: Unter Mitwirkung eines Diensteanbieters kann die Polizei einen verdeckten Rechtseingriff zur Überwa

chung und Aufzeichnung einer laufenden Telekommunikation und innerhalb eines Telekommunikationsnetzes in Datenspeichern abgelegte Inhalte, E-Mails und über die näheren Umstände der Telekommunikation - das sind die Verkehrsdaten - veranlassen. Ohne Mitwirkung eines Diensteanbieters kann die Polizei mit eigenen technischen Erfassungsanlagen eine Maßnahme zur Überwachung und Aufzeichnung von Audiodaten und die Gerätenummer eines Mobilendfunkgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie die Standortdaten des mobilen Funkendgerätes verdeckt durchführen. Darüber hinaus gibt es eine Befugnis zur Unterbrechung und Verhinderung des Telekommunikationsverkehrs, wenn nämlich Explosionskörper über ein Handy - wie das in Madrid damals geschehen ist - gezündet werden sollen. Das Fernmeldegeheimnis wird durch eine Kombination aus mehreren Tatbestandskomponenten mit Form- und Verfahrensvorschriften geschützt. Eine solche Maßnahme, wie ich sie eben vorgelesen habe, ist eine zulässige Maßnahme nur dann, wenn sie verbunden ist mit einer konkreten Gefahr, wenn es eine zeitliche Nähe für ein besonders schützenswertes Rechtsgut oder eine zu erwartende Straftat gibt und wenn es sich um schwerste Straftaten von Intensivtätern aus bestimmten festgeschriebenen Straftatenkatalogen, von denen vorhin schon die Rede war, handelt, und das ganze unter Beachtung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung der entsprechenden Anordnungsvorbehalte bei Einhaltung von engen Formvorschriften. Die Regelungen werden durch zwingende Verfahrensvorgaben, wie die Benachrichtigungs- und Unterrichtungspflichten nach Beendigung der Maßnahme und entsprechende Löschungsvorgaben, begleitet. Darüber hinaus gibt es eine Abgrenzung zur OnlineDurchsuchung, denn eine Online-Durchsuchungsbefugnis ist im Gesetz nicht vorgesehen. Mit dem vorliegenden Gesetz erfolgt eine Grundrechtsstärkung durch konkretisierende Tatbestandsmerkmale. Die Befugnisse werden allgemein einschränkender und infolgedessen auch grundrechtschonender formuliert, andererseits wird regelungstechnisch die Gefahreneinschreitschwelle erhöht, indem nur besonders schützenswerte Rechtsgüter benannt werden oder zwei aufeinander abgestimmte Straftatenkataloge für schwerste Straftaten in das Gesetz aufgenommen sind.

Thema Berufsgeheimnisträger: Die genießen in Thüringen schon durch die geltende Verbotsregel in § 31 Abs. 3 Satz 3 Polizeiaufgabengesetz einen in meinen Augen sehr guten Schutz, den die meisten anderen Polizeigesetze bis heute noch nicht anbieten können, wenngleich zu diesem Thema immer gern etwas anderes behauptet wird. Ein Blick ins Gesetz verschafft die entsprechende Erkenntnis, dort steht für die geschützten vertrauensbildenden Be

rufe ausdrücklich „Die Datenerhebung mit besonderen Mitteln und die Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung sind unzulässig.“ Das BAG kennt eine weitere Absicherung der Berufsgeheimnisträger auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Satz 3 zur präventiv polizeilichen Wohnraumüberwachung. Mit der Regelung steht den Berufsgeheimnisträgern und deren Berufshelfern eine Schutzbestimmung zur Seite, die der Sächsische Verfassungsgerichtshof selbst so ausformuliert hat. Dies ist ein Urteil, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen immer wieder zitiert. Wer hier behauptet, der Staat übe einen Generalangriff auf die freien Berufe aus, betreibt in meinen Augen schlicht und einfach Panikmache und will Verunsicherung in der Bevölkerung verbreiten. Jeder des Rechts Kundige weiß, dass die Thüringer Beweiserhebungsverbote den Berufsgeheimnisträgern und deren Berufshelfern eine starke Rechtsstellung im Bereich der Gefahrenabwehr geben. Dennoch, wir nehmen die Sorgen der freien und anderen geschützten Berufe, wie sie in der Anhörung zum Ausdruck gekommen sind, ernst und deswegen bauen wir auf diesen Beweiserhebungsverboten im Grundsatz weiter auf und nehmen mit der Neuregelung in § 5 Polizeiaufgabengesetz gleichzeitig auch eine Harmonisierung mit der Strafprozessordnung vor, die, man beachte das auch, erst seit dem 1. Januar dieses Jahres Bestimmungen zum Schutz der vertrauensbildenden Berufe für alle repressiven Maßnahmen aufgenommen hat. Nach unserer Rechtsauffassung muss ein Gleichklang der Rechtsordnung insoweit gelten, unterschiedliche Regelungen müssen dabei vermieden werden.

Noch ein Wort zum Datenschutz, zum weitergehenden Datenschutz. Der Gesetzentwurf beschreitet durch dezidierte Vorgaben in § 34 in den Absätzen 7 bis 12 PAG zwei Wege, um bei informationellen Rechtseingriffen einen nachdrücklichen Rechtsschutz zu gewähren. Beispielhaft sei angeführt, dass Betroffene künftig ein weiter gefasstes Recht auf Benachrichtigung über durchgeführte verdeckte Polizeimaßnahmen haben werden, soweit nicht eine Benachrichtigung durch die Staatsanwaltschaft bereits erfolgt. Ferner sind erhobene Daten zu kennzeichnen, damit der Urheber der Datenerhebung, in der Regel die Polizeibehörde, in diesem Fall bei Weitergabe jederzeit ermittelt werden kann. Des Weiteren werden umfangreiche Anordnungsbegründungen bei einer anzuordnenden Telefonüberwachung oder Wohnraumüberwachung abverlangt, der Richtervorbehalt wird in diesem Bereich weiter ausgebaut.

Noch ein Wort zu den verfassungsschutzrechtlichen Änderungen. Das Sicherheitspaket ändert gleichzeitig auch das Verfassungsschutzgesetz, die datenschutzrechtlichen Probleme stellen sich hier nicht

in gleichem Ausmaße dar, da das Artikel-10-Gesetz nicht im Verantwortungsbereich des Thüringer Gesetzgebers liegt, jedoch betreffen die Änderungen insoweit insbesondere die Auskunftsbefugnisse zur Erfüllung der Beobachtungsaufgaben, die Beobachtung des Extremismus und den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Die SPD-Fraktion zielt mit ihrem Gesetzentwurf auf die Streichung der Aufgabe der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ab. In diesem Punkt vertritt die Landesregierung nach wie vor - und ich möchte hier nur an den Mordanschlag in Duisburg in der Mafia-Szene erinnern - klar eine andere Auffassung als die SPD-Fraktion. Die Begründung für die Streichung trägt nicht, wenn behauptet wird, dass das Trennungsgebot verletzt wird. Das Trennungsgebot bedeutet lediglich, dass die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel und polizeilicher Zwangsbefugnisse nicht in einer Hand zusammengeführt werden dürfen. Dem Verfassungsschutz dürften also insbesondere keine exekutiven, wohl aber informationelle Befugnisse eingeräumt werden. Umgekehrt stimmt die Argumentation. Es besteht gerade ein informationelles Zusammenarbeitsgebot beider Sicherheitsapparate, um dem notwendigen Austausch über spezifische sicherheitsrelevante Informationen nachzukommen.

Weitere Änderungen sind durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz von 2007 bedingt. Das betrifft z.B. die Auskunftsersuchen an Kreditinstitute, Postdienstleister usw. In § 5 werden das formelle Verfahren und die entsprechende parlamentarische Kontrolle mit dem erwähnten Gesetz harmonisiert.

Noch ein Wort zur Beobachtung von Abgeordneten: Auf der Grundlage des § 6 Thüringer Verfassungsschutzgesetz hat der Innenminister im Falle der Beobachtung eines Abgeordneten des Thüringer Landtags durch den Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln die Präsidentin des Thüringer Landtags und den Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission zu unterrichten. Die Regelung setzt eine einvernehmliche Vereinbarung vom Dezember 2005 mit der Parlamentarischen Kontrollkommission um. Damit wird eine größere Transparenz im Umgang erreicht. Im Ländervergleich bestehen gleichgerichtete Vorschriften nur noch in Sachsen und in Sachsen-Anhalt. In den anderen Ländern gibt es keine Kontrollvorschriften dazu.

Die Befugnis zur Wohnraumüberwachung durch den Thüringer Verfassungsschutz wurde aufgehoben. Allerdings gibt es weiterhin eine Ermächtigungsgrundlage zum Einsatz von sogenannten Personenschutzsendern auf der Grundlage des neu formulierten § 7 Abs. 2 Verfassungsschutzgesetz. Sie dient dem Schutz der Quellen und Bediensteten des Verfassungsschutzes, die im Rahmen ihres gesetzlichen

Auftrags unter einer Legende in einem zumeist konspirativ arbeitenden Milieu eingesetzt werden. Jeder, der sich diese Szene vorstellen kann, weiß um die besondere Gefährdung bei einem solchen Einsatz. Wir haben daher die Verantwortung, diese Personen auch angemessen zu schützen.

§ 7 Abs. 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz beschreibt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Einsatz des sogenannten IMSI-Catchers. Dieser ermöglicht es, Geräte- und Kartennummern von Mobiltelefonen zu ermitteln und den Standort des Gerätes zu lokalisieren. So können durch den Netzbetreiber Telefonnummern und Personen zugeordnet werden, was für einen etwaigen Beschränkungsantrag nach dem Artikel 10-Gesetz von Bedeutung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit der Einbringung des Thüringer Gesetzes zur Änderung sicherheits- und verfassungsrechtlicher Vorschriften verfolgt die Landesregierung das Ziel, die entsprechenden Regelungen des Polizeiaufgaben- und Verfassungsschutzgesetzes der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen und gleichzeitig Polizei und Verfassungsschutz mit den notwendigen Befugnisnormen auszustatten, um in Thüringen Sicherheitsgefahren rechtzeitig zu erkennen und abzuwehren. Aufgabe des Staates ist es nicht, die Kriminalität zu beschirmen, sondern den freien Menschen datenschutzgerecht vor Kriminalität zu schützen.

(Beifall CDU)