Protocol of the Session on June 6, 2008

Meine Damen und Herren, ich hoffe, die Probleme, die sich aus dieser Behördenstrukturreform ergeben haben, können in der nächsten Zeit abgestellt werden. Ich hoffe, dass wir wieder funktionstüchtige und effiziente Strukturen erhalten, und ich sage auch ganz deutlich, wenn es dieser Landesregierung nicht gelingt, wird es der nächsten in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern gelingen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Gumprecht zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns im Landtag bereits mehrfach mit dem Thema Funktionalreform beschäftigt. Konkret ging es in der Aktuellen Stunde im Plenum im September vorigen Jahres um das Verfahren der Kommunalisierung von Landesaufgaben. Ich habe damals 16 Aussagen zur Kommunalisierung dieser Landesaufgaben formuliert und mich klar zur Kommunalisierung bekannt. Auf einzelne Punkte werde ich auch heute wieder eingehen.

Meine Damen und Herren, die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts ist mehr denn je von einer modernen und leistungsfähigen Verwaltung abhängig. Darum gilt es grundsätzlich, dass Verwaltungsstrukturen angesichts fortschreitender Entwicklung immer wieder hinterfragt und damit auch auf ihre Funktionalität hin beleuchtet werden müssen.

Zweitens muss die Wirksamkeit einer durchgeführten Reform in einem angemessenen Abstand überprüft werden. Eine Analyse nach wenigen Tagen ist zwar möglich, die Aussagekraft ist jedoch gering. Eine leistungsfähige moderne Verwaltung muss den Anforderungen der Bürger und anderen Akteuren aus unserer Gesellschaft, Wirtschaftsunternehmen oder Sozialverbänden entsprechen. Das ist ihre Funktionalität. Ich sage noch einmal: Eine leistungsfähige Verwaltung für Bürger und Wirtschaft ist unser Ziel. Hier wird klar, was bereits im September vergangenen Jahres gesagt wurde. Im Mittelpunkt unserer Verwaltungsreform steht der Mensch, steht der Bürger und unsere Bürger sollen einen lokalen und kompe

tenten Ansprechpartner für ihre Belange finden, einen Ansprechpartner, der sie berät und der sachgerecht und zeitnah entscheidet.

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land werden in Zukunft kompetente Ansprechpartner in ihrer Nähe antreffen, dazu trägt die Kommunalisierung bei.

Der Freistaat hat in den letzten 18 Jahren bereits mehrere Kommunalisierungsverfahren, ich sage, erfolgreich durchgeführt. Ich erinnere an die Kommunalisierung der Ordnungsbehörden, der Gesundheitsämter, der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen, die Reform bei der Kommunalisierung des Veterinärwesens oder auch die Kommunalisierung der Sozialhilfe.

Vergleiche der Verwaltungsstrukturen einzelner Bundesländer untereinander offenbaren eine große Differenziertheit und Vielfalt. Das zeigt, bei der Umsetzung eines Ziels, eine leistungsfähige bürgernahe Verwaltung herbeizuführen, gibt es viele Wege, denn viele Wege führen nach Rom. Bedeutend bei der Wahl der jeweiligen Struktur ist jedoch die Frage, welche Kriterien wir hierbei anlegen. Diese lassen dann je nach Kriterium den einen oder anderen Weg zu.

Ein Kernpunkt bei der Verwaltungsreform besteht darin, das Verhältnis zwischen Leistung und Wirkung des Verwaltungshandelns auf der einen Seite und dem Mitteleinsatz, das heißt Budgets oder Personalressourcen auf der anderen Seite zu verbessern. Es geht nicht allein um Einsparungseffekte, sondern um Effizienz. Dazu gehören nämlich weitere Schwerpunkte wie Rechtssicherheit, Kunden- und Bürgerorientierung oder auch die Bearbeitungsdauer. Das heißt - und ich darf hier Herrn Prof. Rosenfeld vom IWF Halle zitieren -: „Orts- und Sachnähe bei gleichzeitig straffer Verwaltungsstruktur, die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und die Dauer von Genehmigungen sind wichtige Rahmenbedingungen für unternehmerisches Wirken. Zudem haben Verwaltungsstrukturen in ihrer Organisation auch auf die Kostenbelastung der Unternehmen und der Wirtschaft Einfluss.“ Es heißt weiter: „Von daher sind Funktionalreformen eher als ein Mittel für eine Effizienzsteigerung als für eine Kostensenkung zu sehen, zudem sind Einsparungen erst mit einer zeitlichen Verzögerung möglich.“ Das ist der zentrale Punkt, der nicht im Antrag angesprochen wird, der von Ihnen mit dem Antrag sicherlich auch gern verschwiegen wird, wenn nicht gar völlig verkannt wird.

Eine abschließende Bewertung nach vier Wochen, meine ich, ist illusorisch. Dieses Verlangen, meine Damen und Herren, ist äußerst unsachgemäß. Hier

wird Polemik bemüht, ich denke, wenn klare Argumente fehlen.

Wenn man einen Kostenvergleich anstellen möchte, dann ist dieser echte äquivalente Gesamtkostenvergleich erst nach einem entsprechenden Zeitraum möglich.

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, DIE LINKE: Nach 50 Jahren.)

Wenn Sie gern wollen, also ich habe Vertrauen auf Ihr Lebensalter.

Meine Damen und Herren, uns allen war bereits beim Umsetzungstermin klar, und das bereits vorher, dass der gewählte Weg der doppelten Freiwilligkeit, den die Landesregierung im Interesse der Mitarbeiter, aber auch der Kommunen gewählt hat, zu einem vorübergehenden Kostenmehraufwand im Personal- und im Sachkostenbereich führen wird.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Ma- chen Sie das mal in Unternehmen.)

Wie ich bereits im vergangenen Jahr betont habe, die Reform zeichnet sich eben gerade dadurch aus, dass sie den Menschen im Mittelpunkt behält. Damit ist sie für Menschen der betroffenen Behörden sozialverträglich gestaltet worden. Den in diesem Zusammenhang entstandenen kurzfristigen Kostenmehraufwand zu kritisieren, heißt dann auch, sich gegen eine sozialverträgliche Reform in Thüringen auszusprechen. Das kann, meine Damen und Herren Kollegen, wohl doch nicht Ihr Ernst sein.

Meine Damen und Herren, ich habe mich bei einigen Kreisverwaltungen nach ihren Erfahrungen nach den ersten Wochen erkundigt und kann das vom Minister sehr umfangreich dargestellte Bild bestätigen. Die Mitarbeiterteams setzten sich dabei wie folgt zusammen: Ein Drittel der Mitarbeiter sind ehemalige Landesbedienstete, die restlichen Arbeitsplätze wurden einerseits von Mitarbeitern der jeweiligen Kommune oder auch durch neu eingestellte Mitarbeiter ausgestaltet. Die Beteiligten, mit denen ich sprach, zeigten sich sehr zufrieden mit ihrer neuen Tätigkeit und die Leiter der Behörden sowohl in der kommunalisierten Umweltverwaltung als auch in der Sozialverwaltung bescheinigten mir ebenso eine große Zufriedenheit in der Tätigkeit. Auch wenn die Umstellung oder der Umzug Kraft gekostet haben, es wird optimistisch an die Aufgabe herangegangen.

Im Sozialausschuss unseres Landkreises wurde von einem Kreistagsmitglied ein konkreter Fall benannt. Der betroffene Bürger hatte bereits wenige Tage, nachdem die Kreisverwaltung zuständig war, seinen Bescheid erhalten. Vorher hatte er eineinhalb Jahre

gewartet. Sicherlich ist dies nur ein Beispiel und es verzerrt sicherlich auch das Bild, aber es zeigt dennoch, dass in Zukunft mit verkürzten Bearbeitungszeiten gerechnet wird. Ich denke, das zeigt auch, dass die durchgeführten Schulungen und Vorbereitungen der Mitarbeiter erfolgreich waren.

Meine Damen und Herren, in der Umweltverwaltung war es bisher weit weniger möglich, erste Indizien für einen Vergleich zu sammeln, weil ja die Vorgänge erst neu anlaufen. Die Anzahl der Vorgänge ist hier geringer, womit eine Beurteilung der Bearbeitungsdauer oder der Bearbeitungsqualität zum heutigen Zeitpunkt schier unmöglich ist.

Ich möchte auch noch eingehen auf das Thema „Zuverlässigkeit der Behörden“. Wie ist das Thema „Bereitschaft“ geregelt? Wer eine Kreisverwaltung kennt, weiß, dass es für alle akuten Themen einen Bereitschaftsdienst gibt, der ansprechbar ist, der auch ohne die Kommunalisierung schon immer funktionsfähig war und der auch weiterhin diese Aufgaben wahrnimmt. Heute den Kommunen zu unterstellen, dass dies nicht so wäre, ist schier falsch, es sei denn, es gibt Einzelne, die das nicht in der Weise tun. Den Herren oder Damen kann ich aber nur raten, versuchen Sie, das Thema in Ordnung zu bringen, es liegt nicht an der Kommunalisierung, wenn Sie hier auf bestimmte Situationen nicht vorbereitet sind.

Ich möchte zum Ende noch einmal deutlich herausstellen: Unser Bild von einer modernen Verwaltung unterscheidet sich signifikant von Ihrem Bild, meine Damen und Herren. Ihr Bild wird in den Fragen zu diesem Antrag und wurde auch in mehreren Beratungen in der Enquetekommission deutlich. Der wesentliche Unterschied ist die Frage nach der Rolle der Verwaltung. Wir wollen keinen Zentralismus, sondern wir befürworten das Prinzip der Subsidiarität.

Die Bürger sollen nicht zu weit entfernten Behörden kommen, sondern die jeweilige Aufgabe soll auch unter der Nutzung der IT-Technik so bürgernah wie möglich erledigt werden. Damit erreichen wir eine erhöhte Transparenz der Entscheidungsprozesse. Die einzelnen Entscheidungen sind damit näher am Menschen, sie sind damit auch näher und stärker auf die Bedürfnisse der betroffenen Personen ausgerichtet und können somit effizienter gestaltet werden. Uns sind Mitmenschlichkeit und Miteinander, und das nicht nur im Sozialbereich, wichtig. Bürgernähe und Menschlichkeit lassen sich allerdings schlecht in Zahlen ausdrücken. Wir wollen mit der Verwaltungsreform auch keine Kosten von der Verwaltung auf den Bürger verlagern. Bürgernähe ist für uns keine Floskel, sie hat für uns einen hohen Wert, ja, sie ist uns, meine Damen und Herren, auch materiell viel wert. Letztlich haben wir uns gefragt, wie Mitmenschlichkeit und Effizienz Hand in Hand gehen können. Die

Landesregierung hat dazu Antworten gefunden. Ich schätze ein, die Kommunalisierung der ausgewählten Aufgaben in der Sozialverwaltung und in der Umweltverwaltung ist trotz noch anzutreffender einzelner Probleme ein erfolgreicher Weg. Ich bin zuversichtlich, dass die Ziele der Reform erreicht werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Gumprecht, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Kummer?

Bitte, Herr Kummer

Herr Gumprecht, da Sie ja das Prinzip der Bürgernähe so deutlich beschrieben haben als Ziel dieser Reform, möchte ich Sie mal fragen: Wie oft waren Sie als Bürger, nicht in Ihrer Funktion als Abgeordneter, schon auf einem Staatlichen Umweltamt wegen Problemen, die Sie dort haben, und brauchen wir dort überhaupt Bürgernähe?

Ich kann Ihnen sagen, da in mein Büro eine ganze Menge Bürger kommen, die mich fragen und die bei mir Hilfe suchen, gerade wenn sie Sorgen haben, dann gehe ich mit ihnen in die Behörde. Ich weiß, was für Anliegen dort liegen, ich weiß auch, wie das ordentlich abgearbeitet werden kann, wenn die Mitarbeiter ordentlich herangeführt werden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Auch ins Umweltamt, Herr Gumprecht?)

Auch dort, Herr Dr. Schubert.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Sagen Sie doch einmal einen konkreten Fall.)

Sie wissen, dass ich Einzelfälle erst benennen darf, wenn ich da nachgefragt habe. Hier ist Öffentlichkeit und das sind einzelne Fälle von Bürgeranliegen. Herr Dr. Schubert, Sie wissen doch, welche Fälle es waren, Sie waren doch zum Teil selber mit. Nun reden Sie doch nicht so ein Zeug.

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Baumann zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich mal mit dem Positiven anfangen; ich möchte dem Minister danken, dass er unsere Fragen alle beantwortet hat,

(Beifall CDU)

und ich werde natürlich im Detail jetzt nicht darauf eingehen. Ich glaube, da ist man auch ein Stückchen überfordert, diese Zahlen alle jetzt mitzuschreiben. Wir werden uns in den nächsten Wochen mit Ihren Ausführungen beschäftigen.

Dann bleibt es mir einfach nicht erspart, Herr Gumprecht, etwas zu Ihren Ausführungen zu sagen. Also da stehen einem schon manchmal die Haare zu Berge. Das muss ich Ihnen einfach so sagen. Was Sie hier vorgetragen haben, das zeugt genau von dem, was hier gemacht wurde, nämlich von Konzeptionslosigkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Keiner hat einen Plan gehabt, wie er etwas umsetzen soll, und Sie versuchen das hier zu verteidigen mit einem Beispiel aus einem Versorgungsamt.

(Unruhe DIE LINKE)

Wir reden über 15.000, hat Herr Minister vorhin gesagt, von über 15.000 reden wir und nicht von einem Beispiel. Das haben Sie vielleicht gut vorbereitet. Aber das vielleicht nur zur Einführung.

Ich kann mir es auch nicht ersparen, noch etwas zur Geschichte zu der ganzen Problematik Umwelt- und Versorgungsämter und Behördenstrukturreform in diesem Zusammenhang zu sagen. Gerade weil vorhin vom Herrn Wehner der Einwurf des Geldes kam: Es war im September 2004, als der Ministerpräsident nach einem Milliardenwahlgeschenk für die Wasserbeiträge hier auftrumpfte und eine Regierungserklärung hielt, die eine Behördenstrukturreform ankündigte. Alles schien dann irgendwie nicht mehr so rosig, wie es kurz zuvor bei dem zu Ende gegangenen Wahlkampf war. Es war an der Zeit, die Wahlkampfgeschenke wieder einzusammeln, die Kommunen trotz anderslautender Zusagen doch zu belasten. Es war auch die Zeit, eine sogenannte Behördenstrukturreform zu verkünden, die aber keine wirkliche Reform war, sondern ein buntes Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, welche - so schien

es - bei einem gemütlichen Kaffeeplausch in der Staatskanzlei fern jeglichen Sachverstands ersonnen worden war. Das bestätigt sich. Es wurde heute hier gesagt, wir müssen die Verbände einbeziehen, wir müssen die Betroffenen einbeziehen. Wenn ich mir die Stellungnahmen der Verbände und der Betroffenen ansehe, dann ist von deren Einwände nichts umgesetzt worden. Dieser Eindruck, dass damals etwas auf den Weg gebracht wurde, das in vielen Fällen nicht bis zu Ende gedacht war, hat sich bis heute nicht gelegt. Angesichts der Strukturmaßnahmen, über die wir heute debattieren, hat sich dieser damalige Eindruck noch dramatisch verfestigt. Bis zum November 2004 hatte dann das Finanzministerium Zeit, aus der Idee des Ministerpräsidenten und seines Beraterstabes so etwas Ähnliches wie ein Konzept für eine Behördenstrukturreform zu basteln. Bis März 2005 brauchte man, um wirklich etwas vorzulegen; „Feinkonzept“ hieß das dann. Schon die Zeitverzögerung offenbarte damals, wie schwer es sein musste, den am grünen Tisch entstandenen Plänen einen fachmännischen Deckmantel zu geben. Was im normalen Leben gang und gäbe und in vielen anderen Bundesländern Gemeingut ist, sparte sich die Landesregierung einfach: eine gründliche Analyse der Ausgangsbedingungen und der Aufgaben. Genau das hat sich heute bestätigt, auch in Ihren Ausführungen, Herr Minister, indem Sie sagen, wir sehen mal, was das uns in Zukunft kostet. Wir wissen das alles noch nicht. Wir sind der Auffassung, dass es kostengünstiger wird in Zukunft. Nichts von einem Beleg, wie kostengünstig es wird - „wir sind der Auffassung“, das waren Ihre Worte vorhin gewesen.

Aber auch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung hat gefehlt in diesem Zusammenhang. Von diesem Manko sind die Pläne der Landesregierung bis heute geprägt und das haben Sie auch dargestellt. Wir machen ein bisschen Verwaltungsreform, wissen aber nicht mit welchem Ziel und ob die Situation wirklich verbessert wird. In der Pädagogik nennt man so etwas: Versuch - Irrtum - Lernen.

(Beifall SPD)

Um das Problem zu lösen, werden so lange zulässige Lösungsmöglichkeiten probiert, bis die gewünschte Lösung gefunden ist. Dabei wird oft bewusst auch die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf genommen. Gegen allen Rat wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2008/2009 nun auch die Kommunalisierung von Aufgaben in der Umweltverwaltung und Sozialverwaltung in Angriff genommen und mit der Mehrheitsfraktion durchgepeitscht mit zweifelhaftem Ergebnis. Vieles dringt nicht nach außen; heute haben wir einiges gehört. Die Landesregierung hat ihren Mitarbeitern einen Maulkorb verpasst wie schon im Herbst 2007 den betroffenen Behördenleitern, die