Protocol of the Session on May 9, 2008

Der Anbau und die Verwertung des Maises MON 810 stellt eine Gefahr für die Artenvielfalt allgemein und für viele Kleintiere und Kleinlebewesen im Besonderen dar und gefährdet zudem auch ökologisch wirtschaftende Betriebe, die den Standard gentechnikfrei einhalten müssen, wenn sie ihre Zertifizierung nicht verlieren wollen. Die Maispollen verbreiten sich viel weiter, als bislang immer in Betracht gezogen wurde. Das haben Umweltverbände schon immer gesagt. Geht man von Wind- und Sturmereignissen aus, ist das nicht überraschend, dass die kilometerweit fliegen. Das impliziert für Ökobetriebe und Schutzgebiete ein großes Problem, welches durch die gesetzlich vorgegebenen Abstandsregeln, nämlich 300 m zu ökologischen Betrieben, 150 m zu anderen konventionellen Betrieben, nicht gelöst wird. Die Artenvielfalt und viele Einzelarten sind gefährdet. So deckten Studien auf, dass es toxische Effekte gerade für Bodenlebewesen, z.B. für Regenwürmer, Asseln und Fadenwürmer, geben kann und dass die Gefährdung von Tagfaltern, also unserer „schönen“ Schmetterlinge, trotz wiederholter Untersuchungen nicht ausgeschlossen werden kann. Das Bt-Toxin könnte in die Nahrungskette eingeschleust werden und auch eine Persistenz im Wasser aufweisen. Eine Gesamtanalyse der Auswirkungen auf Nichtzielorganismen weist Auswirkungen von Bt-Mais auf einige Wirbellosen nach, auch wenn sie im Vergleich mit der direkten Insektizidbehandlung, also dem chemischen Mittel, niedriger ausfallen. Aber es ist doch gerade der hohe Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln generell zu kritisieren. Das hat DIE LINKE schon als PDS getan. Wir sollten wirklich mal überlegen und - um mal bildlich zu sprechen - nicht Pest mit Cholera entschuldigen. Wie die aus dem Abbau des Bt-Toxins hervorgehenden Metaboliden, also die Abbauprodukte, wirken, das weiß bisher kein Mensch. Fakt ist, dass auf dem Wissenschaftskonvent im Herbst 2007, der zu einem Verbot von MON 810 in Frankreich führte, übereinstimmend festgestellt wurde, dass 90-Tage-Tests bei Säugetieren, also zum Beispiel Fütterungsversuche, nicht ausreichend sind, weil die Aussagekraft zu gering ist.

Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu den Bienen sagen, auch weil die Imker zusammen mit Greenpeace wieder eine Klage gegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wegen des Maises MON 810 eingereicht haben. Wir haben uns über die Bienen hier schon 2005 unterhalten. Trotzdem ist es so, dass es offenbar immer noch nicht allen bekannt ist: Selbst die Studie, die 2004 in Jena durchgeführt wurde, die umstritten ist und deren Gesamtfazit es ist, dass statistisch kein abgesicherter schädlicher Effekt von Mais MON 810 nachgewiesen werden konnte, zeigt in einem Fütterungsversuch, dass die Bienen, die durch eine Krankheit geschwächt waren, nämlich durch das Mikros

poridium Nosema apis, und den Bt-Mais bekommen haben, statistisch abgesicherte höhere Sterberaten hatten als die Bienen, die zwar genauso durch die Krankheit geschwächt waren, aber konventionelle Pollen zu fressen bekommen haben. Angesichts der Tatsache, dass die Imker und ihre Bienen mit einer ganzen Reihe von Krankheiten und Schädigungen kämpfen müssen, muss man einfach feststellen, dass in so einer Situation der Anbau von Mais MON 810 sozusagen den letzten Sargnagel darstellen kann.

(Heiterkeit im Hause)

Daher haben die Imker und auch Greenpeace, aber vor allem die Imker, meine volle Sympathie. Ich wünsche ihnen und auch Greenpeace, die in dieser Sache den Willen vieler Bürger vertreten, bei ihrer Klage Erfolg.

(Heiterkeit CDU, SPD)

(Beifall DIE LINKE)

Alle meine eben genannten Beispiele belegen, dass es genügend Erkenntnisse gibt, die deutlich erkennbare Gefahren offenlegen und, Herr Gumprecht - ich weiß jetzt gar nicht, wer es gesagt hat -, „Gefahren feststellen“ steht in unserem Antrag. Gefahren feststellen tut man ja nicht nur dadurch, dass man direkt selbst einen wissenschaftlichen Versuch durchführt, sondern Gefahren stellt man auch dadurch fest, dass man die Studien genau prüft und sie in den regionalen Kontext vor Ort stellt. Dieses in den regionalen Kontext zu stellen, in Beziehung mit unserer Region zu bringen, können nur die Landesbehörden. Das kann die Bundesebene schlecht, weil die nicht vor Ort hier in Thüringen sind.

Also wenn es solche erkennbaren Gefahren gibt, wenn so viele Hinweise vorliegen, dann muss man doch etwas gegen diese Gefahren tun. Dazu verpflichtet uns schon unsere Verfassung; ich erinnere an Artikel 31.

Herr Minister Dr. Sklenar, ich muss jetzt die Gelegenheit ergreifen, mal etwas klarzustellen. Sie werfen mir immer Vogel-Strauß-Verhalten vor, weil ich gegen den Anbau transgener Pflanzen bin. Die Fakten zeigen aber, dass jemand, der sich nicht mit dem Problem der Gentechnik auseinandersetzt, selbst wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt. Also geben Sie sich, mein lieber Minister, endlich einen Ruck.

(Unruhe CDU)

Geben Sie sich einen Ruck, schütteln Sie die Tonnen von Sand aus Ihrem Jackett, machen Sie die Augen und Ohren auf, denken Sie mit und überlas

sen Sie nicht alles Monsanto. Gerade wir als Gesetzgeber sind gefragt, hier tätig zu werden. Wir werden ja ganz praktisch immer gefragt, zumindest wurden wir in Schmölln direkt gefragt; wir, das waren in Schmölln Birgit Klaubert und ich. Leider haben sich andere Kollegen hier aus dem Haus auf der proppenvollen Bürgerversammlung nicht blicken lassen. Gerade Sie, Herr Gumprecht, als Vorsitzender des Verbraucherschutzes und Regionalabgeordneter der CDU habe ich besonders vermisst. Auch ein Mitarbeiter von Ihnen hat sich nicht zu erkennen gegeben. Deshalb konnten Sie auch vor Ort nicht gefragt werden. Vielleicht wurde Ihnen ja inzwischen das Wahlkreisbüro eingelaufen, das kann ich nicht beurteilen.

So ist das also mit der repräsentativen Demokratie. Wo ist eigentlich Herr Mohring, der neue Fraktionsvorsitzende?

(Heiterkeit im Hause)

So ist das mit der repräsentativen Demokratie. Wenn die Abgeordneten keine Lust haben, sich den Bürgern zu widmen, dann haben sie eben keine Lust.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Mohring, nach Ihren Aussagen von gestern zur Demokratie sollten Sie jetzt, wo Sie Fraktionsvorsitzender sind, wirklich mit solchen lustlosen Abgeordneten aus Ihren Reihen, die zwar Posten besetzen, aber sonst von potenziellen Wählern nicht besonders tangiert sind, das Gespräch suchen.

(Unruhe CDU)

Das ist ein freundschaftlicher Rat von mir an den neuen Fraktionsvorsitzenden,

(Heiterkeit im Hause)

weil der gestern so für die repräsentative Demokratie gestritten hat und weil seine eigenen Leute ihn da unterlaufen mit ihrem Verhalten.

(Beifall DIE LINKE)

So eine Lustlosigkeit schädigt die repräsentative Demokratie.

Zurück zum Thema. Was kann das Land Thüringen eigenständig tun, ohne an die Bundesregierung heranzutreten oder gar auf EU-Ebene tätig zu werden?

(Unruhe im Hause)

Hier sagen Sie, meine Damen und Herren: Nichts, wir haben keine Möglichkeiten. Auch die SPD hat

das gerade ausgeführt. Auch der Bundestagsabgeordnete der CDU aus der Region hat sich offenbar in Sachunkenntnis zu einer Lobbyistenaussage zugunsten der Grünen Gentechnik hinreißen lassen.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist schon wieder verkehrt.)

Das ist verkehrt? Das können wir ja richtigstellen. Vielleicht habe ich den Bundestagsabgeordneten nicht so ganz verstanden. Aber die Frage ist: Was können wir tun?

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Eine ganze Menge. Wir haben uns damit beschäftigt, meine Gute.)

Sie haben gerade gesagt, rechtlich nichts. Deswegen stellen wir als Fraktion DIE LINKE die Gegenfrage: Wie bewerten Sie den § 26 des Deutschen Gentechnikgesetzes?

Herr Sklenar, wenn Sie meinen, wir können eine ganze Menge tun, dann freue ich mich und ich nehme Sie beim Wort. Unabhängig von dem Antrag, der jetzt gerade vorliegt, nehme ich Sie beim Wort. Der § 26 des deutschen Gentechnikgesetzes gibt den Landesbehörden die Möglichkeit, Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu treffen, bis hin zur Untersagung der Freisetzung. Dass den Ländern die Verantwortung zukommt für solche Maßnahmen der Gefahrenabwehr, ergibt sich auch aus Gerichtsentscheidungen. So hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Braunschweig am 16.07.2007 einen Eilantrag auf Untersagung der Freisetzung als Gefahrenabwehr abgelehnt, weil der Antrag gegen die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gerichtet war, also gegen das Bundesamt, und es verpflichten sollte, die Blüte von bereits ausgesätem Mais zu verhindern. Das Gericht stellte fest, dass bei bereits ausgesätem Mais - ähnliche Situation, wie wir sie gerade jetzt hier haben - die Landesbehörden, konkret die Landesämter für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Anordnungen zur Beseitigung von Verstößen gegen das Gentechnikgesetz nach dessen § 26 zu treffen hat. Das ist doch eine klare Aussage. Die Landeszuständigkeit für diese konkreten Maßnahmen wird auch durch die Gesetzesmaterialien zu den jüngsten Änderungen des Gentechnikgesetzes bestätigt. Ich bitte Sie, dazu die Drucksache 16/6814 des Bundestags nachzulesen.

Meine Fraktion, aber auch unsere Bundestagsfraktion haben eine ausführliche juristische Prüfung der auf der derzeit gültigen Gesetzeslage in Deutschland wie auch in der EU bestehenden Möglichkei

ten der Untersagung des Inverkehrbringens des Maises MON 810 vornehmen lassen und ein Ergebnis war, dass eine vorläufige Untersagung des Inverkehrbringens von GVO aufgrund § 26 Abs. 5 Satz 3 Gentechnikgesetz durchaus Chancen hat, wenn ein Verfahren nach Artikel 23 Schutzklausel in Verbindung mit Artikel 30 Richtlinie 2001/18/EG eingeleitet worden ist, und wir haben ja die eingeleiteten Verfahren. Das hat der Herr Gumprecht, das hat Herr Illert gesagt. Ja, die Landesbehörde kann eine solche Untersagung auch dann anordnen, wenn trotz eingeleitetem EU-Verfahren das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit keine Ruhensanordnung nach § 20 Abs. 2 Gentechnikgesetz gegeben hat. In diesem Fall kommt der Landesbehörde eine eigene Prüfungskompetenz zu, die sie unserer Ansicht nach auch erfüllen könnte.

Alles in allem sind wir davon überzeugt, dass Thüringen, also die Landesregierung, auf geltender Rechtslage genügend Spielraum hat, Punkt II.1 unseres Antrags zu bewerkstelligen.

Zu Punkt II.2 unseres Antrags: Die Thüringer Landesregierung kann sowohl gegenüber der Bundesregierung direkt als auch über eine Bundesratsinitiative sich auf Bundesebene für ein Verbot von MON 810 einsetzen. Bei gutem Willen wäre es möglich, im Bundesrat einen Antrag zu stellen, auch mit anderen Ländern zusammen, mit der Aufforderung an die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, ein Schutzklauselverfahren gemäß Artikel 23 in Gang zu setzen. Frankreich hat den Weg beschritten und hat ihn auch erfolgreich beschritten. Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, das wurde vorher schon gesagt, dass neben Frankreich drei weitere Länder in Europa, ausgesprochene Agrarländer, die wie Ungarn unheimlich viel Mais anbauen, den Anbau von Mais MON 810 verboten haben. Das haben die Regierungen dieser Länder doch nicht aus Jux durchgesetzt gegen massiven Widerstand wie in Frankreich, sondern weil es schwerwiegende Gründe gegen diesen Mais gibt. Weiterhin gibt es für Thüringen - zumindest gegenüber der Bundesregierung, aber auch in EU-Gremien - noch eine andere Maßnahme zur Abwehr der Gefahren durch transgenen Mais MON 810. Auch die Verordnung (EG) 1829/2003 bietet in den Artikeln 22 und 23 Möglichkeiten, bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Zulassung zu ändern oder ganz zu entziehen. In diesem Prozess sind wir ja und deswegen hätte eine Intervention zu diesem Zeitpunkt auch gute Chancen auf Erfolg. Thüringen sollte hierzu wirklich einen Beitrag leisten, um dies zu erreichen. Dass sich langsam auch in Deutschland etwas bewegt gegen die Gefahren von MON 810 beweist zum Beispiel ein ganz aktueller Beschluss des Hessischen Landtags. Dieser Beschluss belegt, dass es durchaus eine zarte Knospe des parlamentarischen Um

denkens gibt. Daran ist DIE LINKE zugegebenermaßen nicht ganz unbeteiligt. Nebenbei gesagt, wenn Einzelne nicht so bockig wären, dann könnte man hier noch viel mehr bewegen. Aber in diesem Beschluss des Hessischen Landtags wird die Hessische Landesregierung aufgefordert, zeitnah einen Aktionsplan vorzulegen, wie die hessische Landwirtschaft von Gentechnik freigehalten werden kann.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist Vogel-Strauß-Politik.)

Ich nehme Sie beim Wort. Das macht deutlich, auch Thüringen, das grüne Herz Deutschlands, kann handeln. Der Thüringer Landesregierung fehlen nicht die politischen und juristischen Handlungsmöglichkeiten gegen MON 810 oder andere Gentechnikprobleme. Kennen Sie eigentlich den Spruch: „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“? Warum wohl „vor Gericht ist man in Gottes Hand“? Weil es bei fast allen Gesetzen Interpretationsmöglichkeiten gibt - deswegen. Nutzt man diese Möglichkeiten nicht, so wie die Landesregierung, dann fehlt allein der politische Wille, Schritte zu unternehmen,

(Beifall DIE LINKE)

die zu einer Wirtschaftsweise führen, die sozial, ökologisch und ökonomisch verträglich ist und die nicht nur auf den schnellen Euro, auf den kurzfristigen Gewinn abzielt. Denn letztendlich läuft doch die Untätigkeit der Landesregierung bei diesem Thema darauf hinaus, dass es allein den Konzernen, dem sogenannten Markt, überlassen wird, wie unsere Wirtschaftsweise aussieht und wie am Ende unsere Kultur und Naturlandschaft aussehen wird. Überall auf der Welt, auch bei uns, kann man zunehmend beobachten, dass mit dieser neoliberalen Haltung der Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen immer weiter verschärft wird. Zu nennen ist hier der Klimawandel, darüber haben wir heute schon gesprochen. Aber um mal vom Großen auf das Kleine und Konkrete vor Ort zu kommen, zu nennen ist hier auch die starke gebietsweise Übernutzung unseres Waldes, ganz konkret jetzt draußen.

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Der Vortrag gehört in jeden Thüringer Haus- halt, das muss man mal sagen.)

Frau Abgeordnete, einen Moment mal bitte. Also wir sind noch in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt 18. Nahezu alle Fraktionen haben noch

ausreichend Redezeit und können ihren Beitrag hier vorn vortragen.

(Unruhe im Hause)

Jetzt ist aber Frau Abgeordnete Dr. ScheringerWright dran, und je unruhiger das wird, umso länger wird sich die Debatte hinziehen.

DIE LINKE ist davon überzeugt, dass wir mit dieser neoliberalen Haltung nicht weiterkommen und dass wir den Raubbau stoppen müssen. Wir brauchen einen sozialökologischen Umbau unserer Wirtschaft und machen dafür auch Vorschläge. Auch der vorgelegte Antrag ist ein Vorschlag zur Verringerung des Raubbaus und zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Ich appelliere an dieses Haus, ich appelliere an die gewählten Vertreter dieses Landes: Nehmen Sie die Fakten zur Kenntnis, hören Sie auf die betroffenen anwohnenden Bürger, hören Sie auf die Naturschutzverbände, hören Sie auch auf die Wissenschaft und stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich habe Ihnen in meinen Ausführungen ausreichend agronomische, naturschutzfachliche, naturwissenschaftliche und rechtliche Argumente und Gründe aufgezeigt, um Sie in die Lage zu versetzen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Nicht zuletzt appelliere ich an Sie, meine Kollegen von der CDU-Fraktion, sich auf Ihr christliches Gewissen zu besinnen und die Schöpfung zu schützen und aus diesem Grund dem Antrag in Gänze oder zumindest in Teilen zuzustimmen. Ich danke Ihnen.