Protocol of the Session on December 9, 2004

(Beifall bei der PDS)

Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe ähnliche Gedanken gehabt, als ich den Antrag gelesen habe, wie mein Kollege Panse. Ich will nicht verhehlen, dass sich mir der Sinn nicht erschließt, warum Sie diese Frage nicht in einem Berichtsersuchen an die Landesregierung gestellt haben. Dann hätten wir darüber ausführlich reden können. Sie haben es ja gemerkt, jede Rede wurde aufgrund der Zeit nach hinten etwas beschnitten. Ich will damit ja nicht sagen, dass das Thema nicht aktuell wäre, dass wir uns nicht darüber unterhalten müssen, wie wir in unserer Gesellschaft mit den Menschen mit Behinderungen umgehen müssen. Die Frage ist mir natürlich genauso wichtig, was wir als Gesetzgeber noch tun müssen und noch tun können, damit wir das Betreuungs- und Unterstützungsniveau der Menschen mit Behinderungen noch weiter verbessern können, und wir haben ein hohes Betreuungsniveau. Wir müssen uns auch darüber unterhalten, das ist zweifelsohne, wie wir die vorhandenen Defizite, die es natürlich noch gibt, ausgleichen können.

Frau Wolf, ich wollte eigentlich nichts sagen, jetzt aber doch, da Sie gesagt haben, mit diesem Witz,

den Sie da mit einer Behinderten und Querschnittsgelähmten machen wollten, "die tun doch nichts". Das ist schon eigentlich eine infame Unterstellung.

(Beifall bei der CDU)

Die meisten Defizite, die wir hier haben, sind Defizite, die uns der reale Sozialismus auf deutschem Boden hinterlassen hat.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie es auch nicht hören wollen, lassen Sie es sich von Frau Leukefeld oder von Herrn Kuschel erklären, denn dieses Erbe, das war in der Tat peinlich.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mich als DDR-Bürger geschämt, als ich meinen Verwandten erklären musste, warum es so war, wie es war, nämlich solche menschenunwürdigen Zustände in einigen Einrichtungen. Frau Künast, wir hatten uns vor kurzem unterhalten, Sie haben mir ja die Zustände geschildert. Es war wahrlich nicht sehr angenehm, zu hören, wie damals mit den Menschen umgegangen worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir nicht gute Fachkräfte gehabt hätten, die diese Zustände dadurch abgemildert haben, dass sie sich diesen betroffenen Menschen zugewandt haben, wären die Zustände noch schlimmer gewesen. Wer diese Fortschritte, die wir seit 15 Jahren gemacht haben - Herr Panse hat darauf hingewiesen nicht wahrnehmen will, dem unterstelle ich einfach, er ist boshaft. Das ist nicht einfach, dass er das nicht sehen will, sondern es ist meines Erachtens nur boshaft.

Ich will dennoch auf Ihre Frage eingehen, Herr Nothnagel, Sie haben konkrete Fragen gestellt. Wir haben auch einige Fakten vorzuweisen. Wir haben im Jahr 2004 mit der Novellierung der Thüringer Bauordnung im Februar dieses Jahres den Begriff der Barrierefreiheit gesetzlich verankert. Das heißt, dass Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen, die jetzt neu gebaut werden, zumindest auf einem Geschoss barrierefrei erreichbar sein müssen.

Zum Zweiten: Wir haben am 1. August 2004 - das wurde hier mehrfach dargestellt - durch die Landesregierung das Amt des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen eingesetzt, und das gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode noch vor Verabschiedung eines Landesgleichstellungsgesetzes. Es ist einfach nicht wahr, was Sie immer wieder sagen, dass er keine Kompetenzen hat.

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, PDS: Das haben Sie auf meine Anfrage gesagt.)

Nein, Herr Kollege Panse hat darauf hingewiesen und ich habe mir die Mühe gemacht, die Geschäftsordnung der Landesregierung mitzubringen. Ich würde gerne daraus zitieren mit der Erlaubnis der Präsidentin: "Der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen beim Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit ist zuständig für die Förderung der gleichwertigen Teilnahme behinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft. Er ist zuständig für Behindertenangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung und die Entwicklung von Maßnahmen, die der Benachteiligung von Behinderten entgegenwirken und der Verbesserung der Situation von Behinderten dienen und er ist zuständig für die Zusammenarbeit mit Organisationen, Gruppen und Initiativen, die Interessen von Behinderten vertreten." Er ist in vielerlei Hinsicht auch beteiligt in der Mitwirkung bei Fragen Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschriften, es geht um Fragen der Gesetzgebung auf Bundesratsebene, aber natürlich auch in Fragen auf der Ebene Europäische Gemeinschaft und des Europarats. Das will ich im Einzelnen nicht vortragen. Sie sehen also, die Kompetenzen sind weit gefächert, und soweit ich die Sache einschätze, hat Herr Dr. Brockhausen seine Aufgaben in diesem Kontext aus meiner Sicht bewundernswert bereits durchgeführt und ich kann ihn nur unterstützen, dies weiterhin in dieser Form durchzuführen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass wir natürlich seit 1990, seit Anfang an, gerade großen Wert auf die Frage der beruflichen Integration schwerbehinderter Menschen gelegt haben, und zwar nicht erst im Jahr 2003 und schon gar nicht erst im Jahr 2004. Ein paar Beispiele dafür: Von den Einnahmen von Arbeitgebern, die ihrer Beschäftigungspflicht für Behinderte in Betrieben nicht nachkommen - diese Quote beträgt zurzeit 5 Prozent; wir erhalten dadurch eine Abgabe - haben wir hier im Bereich der Arbeitsplätze für behindertengerechte Arbeitsplätze gesorgt. Wir haben bestehende Arbeitsverhältnisse gesichert. Die Förderung belief sich auf eine Größenordnung von ca. 12 Mio. *  # kann die Zahl von 2004 noch nicht nennen, weil das Jahr 2004 noch nicht abgeschlossen ist. Im Übrigen, das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat eine Quote von 8,52 Prozent erreicht. Ich sage das mit einer gewissen Freude, weil wir uns dieser Aufgabe auch sehr ernsthaft gestellt haben.

Wir haben im Jahr 2004 weiterhin Werkstätten für behinderte Menschen ausgebaut. Die Zahl der Werkstattbesucher beträgt zurzeit weit über 7.500 Plätze. Die anderen Dinge will ich nur schlaglichtartig

nennen. Wir haben spezielle Förderbereiche an Werkstätten und Wohnheimen. Wir haben eine große Zahl von Wohnheimplätzen geschaffen, wir haben Internate an Förderschulen, wir haben Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen und wir fördern Vereine und Verbände mit Aufgaben der Betreuung von Menschen mit Behinderungen und um auch noch dieses zu nennen - wir haben familienentlastende Dienste, die für allein Stehende, allein Erziehende, aber auch Familien mit behinderten Angehörigen unterstützenden Dienst leisten.

Last, but not least, der Referentenentwurf des Thüringer Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderung ist in der hausinternen Abstimmung. Ich habe bereits Vorabsprachen mit meinen Kollegen geführt, so dass wir noch vor der Sommerpause 2005 im Thüringer Landtag über den Gesetzentwurf der Landesregierung beraten können.

Meine Damen und Herren, abschließend - und das ist etwas, was mir persönlich auch ganz wichtig ist -, ich habe es im Zusammenhang mit dieser Thematik schon oft gesagt, ein noch so gutes Gesetz allein wird es nicht ermöglichen, dass die Barrieren in den Köpfen der Menschen niedergerissen werden. Ich denke, das muss erst mal jeder selbst tun. Jeder Mensch ist dafür verantwortlich. Wichtig ist es, dass wir jeden Menschen - ob behindert oder nicht, das ist gleichermaßen wichtig - in seiner Einzigartigkeit wahrnehmen. Wenn uns das gelingt und wenn wir z.B. auch Rahmenbedingungen schaffen, dass ein behinderter Mensch seine Stärken, seine spezifischen Stärken in diese Gesellschaft einbringen kann - jeder Mensch, ob behindert oder nicht, hat Stärken und hat Schwächen -, wenn wir so an diese Thematik herangehen, dass wir die Stärken der Behinderten in die Rahmenbedingungen einbringen können, dann haben wir in dieser Thematik und für diese Menschen sehr viel getan. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Günther vor. Ich bitte Herrn Abgeordneten Günther das Wort zu ergreifen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, "nichts über uns ohne uns" - ich denke, das war das Motto, unter dem sich die Frauen und Männer im Rahmen des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen befasst haben und auf sich aufmerksam gemacht haben. Sehr vielzählige Veranstaltungen haben auch in unserem Heimatland Thüringen diesem Rechnung getragen und ha

ben aufmerksam gemacht auf die Probleme der Menschen mit Behinderung. Es war also eine gute Initiative. Deswegen sollten wir das heute hier nicht zerreden, auch wenn viele Fragen gestellt worden sind. Das ist verständlich, behindert ist man nicht, behindert wird man. Das ist das Credo der Behinderten. Es sind die Treppen, die Rollstuhlfahrern das Leben schwer machen; es ist die fehlende Verbreitung der Gebärdensprache, was den gehörlosen Menschen das Leben schwer macht. Dann zu sagen, die Landesregierung hat nichts getan, ich denke, das ist falsch.

Herr Minister hat das vorhin sehr einprägsam gesagt. Denken wir doch ganz einfach mal ein paar Jahre zurück. Wie viele Niederflurbusse fahren denn in unserer Region, wie viele Bordsteine sind denn gesenkt worden. Wir beschäftigen uns auch nachträglich noch lange damit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der PDSFraktion, lassen Sie uns doch im Interesse der Schwächsten der Gesellschaft auf die Polemik verzichten. Lassen Sie uns die fiskalischen Zwänge so schmerzfrei wie möglich gestalten und umsetzen. Lassen Sie sich uns mit dem Wenigen, was uns verbleibt, ohne jegliche Schuldzuweisung weiter dafür einsetzen, dass die Behindertenarbeit so weiter fortgeführt werden kann,

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, PDS: Aber vorher erst einmal auf die DDR in platter Art und Weise draufhauen!)

wie wir sie jetzt haben. Wir wollen selbstverständlich auch dem Maßstab oder der Forderung "ambulant vor stationär" Rechnung tragen. Ich denke, da haben wir Einvernehmen zwischen allen Fraktionen. Wir müssen weg von der Wegschließmentalität. Wir wollen den Leuten mehr Selbständigkeitsgefühl geben als bisher. Ich denke, das erreichen wir nur, wenn wir gemeinsam ohne jegliche Polemik das fortführen, was die letzten 15 Jahre erfolgreich praktiziert worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich diesen Tagesordnungspunkt 23 und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf

Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/187

dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/447 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/441 ZWEITE BERATUNG

Die Berichterstattung wird von der Abgeordneten Groß vorgenommen. Ich bitte die Abgeordnete um ihre Berichterstattung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Drucksache 4/187 wurde von der Landesregierung das Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes vorgelegt. Durch Beschluss des Landtags vom 7. Oktober 2004 ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen worden, wobei der Innenausschuss federführend war.

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 2. Sitzung am 7. Oktober 2004, in seiner 4. Sitzung am 2. November 2004, in seiner 6. Sitzung am 1. Dezember 2004 und in seiner 7. Sitzung am 8. Dezember 2004 beraten. In der ersten Beratung am 7. Oktober wurde ein Beschluss zu einer Anhörung gefasst. Die Anhörung fand in der 4. Sitzung am 2. November 2004 in öffentlicher Sitzung statt. Es war eine Anhörung mit sehr großer Öffentlichkeitswirksamkeit, d.h., wir hatten über 200 Gäste, was sicherlich auch ein Novum zu einer Anhörung ist, hier im Hause gehabt, was zeigt, wie wichtig und mit welcher Bedeutung dieser Gesetzentwurf von unseren Bürgern aufgenommen wurde. Am 1. Dezember hat eine ergänzende Anhörung der kommunalen Spitzenverbände stattgefunden zu den Änderungsanträgen. Es lagen Änderungsanträge von der CDU in der Vorlage 4/110 und 4/123 vor, von der PDS in der Vorlage 4/119, von der SPD lag kein Änderungsantrag vor. Diese Anhörung am 1. Dezember musste abgebrochen werden. Der Gemeinde- und Städtebund gab an, dass es Bedenken gäbe wegen der verkürzten Frist, die zur Verfügung gestanden hätte. Dem hat der Ausschuss stattgegeben und die Frist verlängert. Am 8. Dezember 2004 wurde diese Anhörung festgesetzt. Der Ausschuss hat im Übrigen beschlossen, da es vom Thüringer Verfassungsgerichtshof vom 12.10.2004 ein Urteil gibt über die Beteiligung der Spitzenverbände bei Änderungsanträgen zu Gesetzentwürfen, die die Kommunen betreffen. Hier wurde der Wissenschaftliche Dienst gebeten, ein Gutachten zu erstellen. Das Gutachten wird auch interessant sein für weitere Ausschüsse in diesem Hause. Uns wurde vorab zu der Anhörung am 8. Dezember ein Teilauszug vorgelegt, der be

sagt, dass keine ergänzende Anhörung in dem Fall der Änderungsanträge nötig gewesen wäre. Trotzdem ist diese Anhörung am 8. Dezember erfolgt.

Der Haushalts- und Finanzausschuss hat sich mit den Änderungsanträgen am 8. Dezember beschäftigt. Er hat diese beraten und empfiehlt ebenfalls die Annahme der Beschlussempfehlung wie auch der Innenausschuss in Nummer 4/447.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf, in der Anhörung war es mehrfach zu hören, ist bundesweit ein einmaliges Experiment. So hat es Dr. Schwan vom Oberverwaltungsgericht dargelegt und auch Prof. Kirchhof, der Gutachter der Landesregierung, sprach von einem Unikat und von einem Neuland. Ich bitte Sie, zum Wohle der Bürger unseres Landes dieser Beschlussempfehlung zuzustimmen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Wir beginnen mit der Aussprache zu dem Gesetzentwurf. Das Wort hat der Abgeordnete Kuschel, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz kommt zehn Jahre zu spät zehn Jahre, die den Bürgern, den Kommunen und dem Land viel Geld gekostet haben, Geld, was wesentlich sinnvoller hätte für die Gestaltung Thüringens eingesetzt werden können.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Zu DDR-Zeiten war dies noch schlim- mer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben jetzt ein Problem, insbesondere die Landesregierung, denn - Herr Ministerpräsident, was machen Sie denn bei diesem Thema - die Landesregierung kann diesmal nicht die Schuld nach Berlin abdelegieren und kann sagen, Berlin ist Schuld. Nein, für das Scheitern der Kommunalabgabenpolitik in Thüringen sind allein die Landesregierung und die sie tragende Fraktion verantwortlich.

(Beifall bei der PDS)

Die kritiklose Übernahme eines überalterten Kommunalabgabenrechts aus den alten Bundesländern war ein eklatanter Fehler und es hat fast 15 Jahre gedauert, bis dies die CDU eingesehen hat. Die Zerschlagung vernünftiger Strukturen mit den drei WABBetrieben, die bis 1992 bestanden, ein zum Teil

überzogenes Investitionsverhalten der Aufgabenträger, eine kritikwürdige Bürgerbeteiligung, alles das war nicht naturgegeben, sondern zum Teil politisch gewollt und dafür trägt die Landesregierung eine Verantwortung.

(Beifall bei der PDS)

Über ein Jahrzehnt hat sich die CDU neuen Entwicklungen versperrt und damit dem Land und seinen Bürgern keinen Gefallen getan, um nicht die Worte "Schaden zugefügt" zu verwenden. Hier zeigt sich wieder einmal die große Kluft bei der CDU zwischen politischem Anspruch und Verkündigungen einerseits sowie dem politischen Handeln andererseits. Sie verkünden immer wieder, das Land voranbringen zu wollen, aber nicht nur beim Thema "Kommunalabgaben" hat sich gezeigt, dass Sie viel eher blockieren als gestalten. Es gilt zwar das chinesische Sprichwort "Nichts ist so weit wie der Weg vom guten Vorsatz zur Tat", allerdings mangelte es der CDU bis Mai 2004 bereits am guten Vorsatz, demzufolge konnte auch der Weg zu guten Taten lange Zeit nicht in Angriff genommen werden.