Protocol of the Session on January 24, 2008

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Wo haben die das Geld her?)

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Vom Land.)

Ihre Familienoffensive wirkt, sie wirkt auch an der Stelle, dass mittlerweile über 300 Erzieherinnenstellen in Thüringen gestrichen worden sind - und das bei gleicher Kinderzahl. Glauben Sie, dass man auf diese Art und Weise Qualität der frühkindlichen Bildung verbessern kann, wenn man bei gleicher Kinderzahl die Zahl der Erzieherinnen so drastisch reduziert? Ich bin in vielen Kindergärten gewesen in den letzten Monaten. Dort sagen die Erzieherinnen, erstens ist es gut, dass es einen Thüringer Bildungsplan gibt, wir halten das für sinnvoll, wir wollen gern die frühkindliche Bildung verbessern. Aber Thüringer Familienoffensive und Bildungsplan passen nicht zusammen. Sie können uns nicht einerseits die Finanzen zusammenstreichen, die Stellen streichen, den Schlüssel verschlechtern und andererseits erwarten, dass wir mehr dafür leisten. Das kann nicht aufgehen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union.

Sie haben auch noch einmal die Wahlfreiheit angesprochen. Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Haus, der bestreitet, dass Eltern Wahlfreiheit besitzen müssen bei der Frage: Gebe ich mein Kind in

den Kindergarten oder erziehe ich mein Kind zu Hause? Ich habe jedenfalls in diesem Hause noch niemanden gehört, der diese Freiheit von Eltern ernsthaft bestritten hätte. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich, wenn jemand aus pädagogischer Überzeugung sagt, ja, ich will mein Kind zu Hause erziehen, dann ist das doch völlig in Ordnung. Niemand könnte irgendetwas dagegen haben. Aber, Frau Kollegin Lieberknecht, wenn eine Familie, weil sie ein ganz geringes Einkommen hat, plötzlich sagt, oh, ich bekomme 150 € im Monat, wenn ich das Kind nicht in den Kindergarten gebe, und sagt, dann bin ich doch auf das Geld angewiesen, da nehme ich lieber das Geld, dann muss man wirklich Fragezeichnen dahinter machen, denn dann ist das nicht eine pädagogische Entscheidung - ich will mein Kind zu Hause erziehen -, sondern dann ist das eine fiskalische Anreizwirkung, die wir nicht wollen an dieser Stelle und das sage ich noch einmal ganz deutlich.

(Beifall SPD)

Ich sage Ihnen auch, warum wir die nicht wollen. Sie haben gesagt, das ist regional sehr unterschiedlich, wie das Erziehungsgeld in Anspruch genommen wird. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass insbesondere in Kindergärten in sozialen Brennpunkten, wo es viele Eltern gibt, die geringe Einkommen haben, wo es auch viele familiäre Probleme gibt, Kinder im Alter zwischen zwei und drei Jahren nicht mehr in den Kindergärten angemeldet werden. Da sage ich Ihnen, Frau Kollegin, ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.

(Beifall SPD)

Haben Sie sich einmal eine Vorstellung davon gemacht, was Sie solchen Kindern eigentlich antun, die nur aufgrund der Tatsache, dass die Eltern wenig Geld haben, nicht in den Kindergarten gehen können, obwohl sie dort möglicherweise bessere Anregungen für ihre Entwicklung bekommen können als sie das zu Hause bekommen? Haben Sie sich einmal überlegt, was Sie solchen Kindern antun? Deshalb sage ich: Wir müssen solche Gesetze, wenn sie gemacht werden, auch von den problematischen Fällen her denken. Wir können solche Gesetze nicht nur von den Familien her denken, bei denen alles in Ordnung ist, sondern Sie setzen hier eine fatale Anreizwirkung, die Auswirkungen hat auf das Leben vieler Kinder und auf die Chancen dieser Kinder.

(Beifall SPD)

Das ist ja nicht nur die böse Opposition in Thüringen, die Ihnen das klar bestätigt. Es gab im Dezember einen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“, da hat sich der Direktor des Deutschen Jugendinstituts Thomas Rauschenbach dazu geäußert und auch er

sagt, das Thüringer Elterngeld ist alles andere als ein Vorbild und es sichert nicht Wahlfreiheit, sondern es setzt falsche Anreizwirkungen für Familien mit wenig Geld. Wenn Sie sagen, die Koalition hat das Ziel formuliert, dass es ein solches Erziehungsgeld, wie es hier in Thüringen gibt, auch im Bund geben soll, dann kann ich nur sagen; schauen Sie mal in das Gesetz genau rein. Da ist überhaupt kein Ziel formuliert. Da steht drin, dass 2013 über diese Frage neu diskutiert und entschieden werden soll. Das steht in dem Gesetz drin und wir haben auch sehr deutlich klar gemacht als SPD, wir halten diese Art von Elterngeld, die sagt, du bekommst Geld, wenn dein Kind nicht in den Kindergarten geht, für grundfalsch und wir werden uns auch weiter dagegen wenden.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, Sie haben mit Ihrer Familienoffensive Politik gemacht gegen den Willen der meisten Eltern in Thüringen. Sie haben Politik gemacht zulasten vieler Kinder in Thüringen und Sie machen damit eine Politik auf dem Rücken von Erzieherinnen und Erziehern in Thüringen, die Ihre Kürzungen vor Ort oft auszubaden haben. Wir wissen auf der anderen Seite, gute Kindergärten, gute frühkindliche Bildung bietet handfeste Vorteile. Wir wissen das aus der PISA-Studie, dort ist auch der Zusammenhang untersucht worden zwischen Kindergartenbesuch und Bildungserfolg und es ist eindeutig nachzuweisen, wenn Kinder in den Kindergarten gehen, haben sie im Durchschnitt bessere Bildungsleistungen in den späteren Schuljahren. Deshalb macht es Sinn, gute frühkindliche Bildung anzubieten und keine Anreize zu setzen, Kinder nicht in den Kindergarten zu geben.

Aber es gibt auch sehr handfeste wirtschaftliche Vorteile aus guten Investitionen in den Kindergarten. Auch deshalb sage ich Ihnen, das Argument, wir können uns das nicht leisten, lasse ich an dieser Stelle nicht gelten. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat das durchgerechnet und sagt, Investitionen in Kindergärten, in gute frühkindliche Bildung haben eine enorme Rendite für die Volkswirtschaft, nämlich eine Rendite von 13 Prozent. Jede Investition in den Kindergarten hat eine hohe Rendite und ist deshalb eine gute Investition.

(Beifall SPD)

Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Wir wollen, dass diese Landesregierung ihre Familienpolitik korrigiert. Jetzt haben Sie die Chance dazu mit dem Gesetzentwurf, den wir gemeinsam, SPD und LINKE, hier eingebracht haben. Es ist höchste Zeit, dass Sie von Ihrem für die Familien verheerenden Kurs abgehen. Es kommt ja außerdem auch unerwartet noch

Hilfe vom Bund. Thüringen wird in den nächsten Jahren vom Bund noch mal 51 Mio. € zusätzlich für Investitionen in Kindergärten, für Betriebskosten von Kindergärten bekommen. Und wir erwarten, dass dieses Geld auch vollständig für die Verbesserung der Kindergartenstruktur hier in Thüringen eingesetzt wird, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD)

Es wird höchste Zeit, die Familienoffensive grundlegend zu korrigieren, die Kürzungen zurückzunehmen, für bessere frühkindliche Bildung in Thüringen zu sorgen. Ich sage es Ihnen noch mal ganz deutlich: Sparen Sie nicht an den Kindern, spielen Sie nicht länger auf Zeit, korrigieren Sie mit uns gemeinsam Ihr verheerendes familienpolitisches Konzept und sorgen Sie dafür, dass Kinder in Thüringen gute Chancen haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Skibbe zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern, wenn wir sagen, wir waren von Anfang an der Meinung, dass das Familienfördergesetz ein Gesetz von gestern ist. Es ist ein Gesetz, dass die Finanzen in den Mittelpunkt rückt und nicht die Kinder. Bei den erheblich reduzierten Landesmitteln, die die Kommunen, die Träger oder die Eltern ausgleichen, die Erzieherinnen haben schlechtere Arbeitsbedingungen, es wurde bereits benannt, daran kommt keiner hier in Thüringen mehr vorbei.

Frau Lieberknecht, ich möchte auf einige Argumente, die Sie vorhin benannten, einmal eingehen. Sie sprachen davon, dass nirgendwo in Deutschland die soziale Herkunft so wenig entscheidend ist über den Bildungserfolg wie in Thüringen. Dennoch muss ich sagen, dass auch ein Kind mit sozialer Herkunft viermal weniger das Abitur erreicht hier in Thüringen. Wir haben die höchste Anzahl an Förderschülern, wir haben immer noch eine hohe Schulabbrecherquote, auch wenn wir Erfolge letztens erst im Kultusministerium benannt haben. Die Infrastrukturpauschale begründeten Sie als Erfolgsmodell. Ich muss sagen, sie ist teuer erkauft. Sie haben nämlich den Kitas gleichzeitig 70 Mio. € Landeszuschüsse entzogen und da kann ich natürlich aus dem Landessäckel ganz gut 16 Mio. € bringen.

Sie sprachen über elterliche Erziehungskompetenz, die Sie entwickeln wollen. Ich habe mit meinem

Volkshochschulleiter in Greiz gesprochen, der vor Einführung des Familienfördergesetzes Eltern-Väter-Kurse angeboten hatte. Sie erinnern sich sicher, dass Sie im selben Zeitraum, als Sie das Familienfördergesetz eingeführt hatten, auch die Volkshochschulen in ihrer Finanzierung reduziert haben. Die elterlichen Kurse waren eine der ersten, die dort gecancelt wurden. Sie sprachen davon, dass die öffentliche Debatte reduziert wird auf die Debatte, nur öffentliche Erziehung ist gute Erziehung. Dem muss ich erst mal deutlich widersprechen. Es geht mir auch am Thema vorbei, denn öffentliche Erziehung ist in meinen Augen nur in Verbindung mit den Eltern ordentlich zu gewährleisten. Die Eltern müssen mitgenommen werden, denn wenn zehn Stunden - Sie sprachen vorhin davon, dass Kinder zehn Stunden in der Kita zum Beispiel betreut werden -, dann müssen aber immer noch 14 Stunden die Eltern die Kinder betreuen. Ich denke, das kann nur in Zusammenarbeit miteinander gemacht werden und die Wochenenden sind ja dann auch noch da.

Sie sprachen weiter davon, dass Ihnen die 23.000 Unterschriften zu wenig sind für das Zulassungsverfahren. Bei 79.000 Kindern, die in Kitas betreut werden, könnte das so sein. Ich möchte Ihnen hier ein Beispiel aus dem Landkreis Greiz nennen. Hier haben wir 1.600 Unterschriftszettel verteilt und etwa 1.500 sind zurückgekommen. In einigen Kindergärten konnten wir für das Volksbegehren nur zwei oder drei Unterschriftszettel hingeben. Es wären aber viel mehr möglich gewesen, an Unterschriften zu leisten. Die Eltern waren sehr gespannt, auch die Erzieherinnen in den Kindergärten. Sie waren daran interessiert, auch neue Informationen zu bekommen und das reißt bis heute nicht ab.

Ich möchte noch mal Bezug nehmen auf etwas, was mir in den letzten Tagen in die Hand gefallen ist, nämlich das Malbuch vom Generalsekretär der CDU Thüringens mit dem Titel „Paul und Paula“ - Sie erinnern sich sicherlich noch daran. Ich möchte einfach einmal nachvollziehen, wie könnte es Paul und Paula jetzt ergehen. Vielleicht wird Paul heute genau zwei Jahre alt. Er freut sich darauf, in den Kindergarten zu gehen, doch leider kann er erst am 1. März dorthin, weil der Kindergarten, den die Eltern sich für Paul ausgesucht haben, durch die Stichtagsregelung erst am 1. März wieder Kinder aufnimmt. Überlegungen in dieser Richtung gibt es tatsächlich. Ich kann nur sagen, die Stichtagsregelung wäre zum Beispiel eine Sache, die wir befragen müssten, die vielleicht mit einer Regelung von vier Stichtagen vorzuziehen wäre. Die Menschen aus der Praxis - Erzieherinnen - würden diese Regelung vorziehen. Wenn Pauls Eltern Arbeitslosengeld-II-Empfänger sind, werden sie genau überlegen, ob sie ihrem Sohn den Aufenthalt im Kindergarten ermöglichen können, vielleicht auch nur halbtags. Die Erfahrungen zeigen,

dass zunehmend Kinder aus sozialen Brennpunkten später in die Kindertagesstätten kommen. Oft, nicht immer und nicht ausschließlich, benötigen gerade diese Kinder und ihre Eltern mehr Zuwendung, mehr Förderung und mehr Hilfe.

(Beifall DIE LINKE)

Die Angebote müssten natürlich von den Familien auch angenommen werden. Eine Erzieherin, die nur wenige Minuten täglich Zeit hat für dieses Elterngespräch, die sich dabei ihr Vorgehen, den Wortlaut, auch den Tonfall genau überlegen muss, was meinen Sie, wie motiviert so eine Erzieherin ist. Bedenken Sie auch, dieser Erzieherin wurde vielleicht die Wochenarbeitszeit gekürzt. Sie hat inzwischen mehr Kinder in ihrer Gruppe zu betreuen. Ob diese Erzieherin vielleicht auch bereits den Bildungsplan gelesen hat und nun versucht, ihn in ehrenamtlicher Arbeit gemeinsam mit ihren Kolleginnen umzusetzen - was meinen Sie? Aber zurück zu Paul und Paula. Die Familie traf eine Entscheidung und gibt Paul ab März in den Kindergarten. 50 € bleiben für die Familie - soweit okay. Nun stellte man im Kindergarten fest, dass Paulas Wortschatz zu gering ist und sie immer noch Schwierigkeiten beim Sprechen mit einigen Lauten hat. Ein Arzt, der sie untersucht hat, kann das nicht bestätigen, denn Paula gab sich so große Mühe, dass sie alles richtig machte. Doch ihrer Freundin Stefanie, der gelingt das nicht so gut. Sie erhält inzwischen eine Förderung durch eine Logopädin. Die Logopädin kommt jede Woche in den Kindergarten, um mit Stefanie zu üben. Wenn Paulas Eltern wollen, dass die Logopädin auch mit Paula übt, müssen sie nach dem Kindergarten mit dem Bus in die naheliegende Stadt fahren. Im Kindergarten nämlich darf die Logopädin nur mit den Kindern üben, die der Arzt bestätigt hat. Dabei war all das bereits einmal viel einfacher. Eine ganze Anzahl von Kindern genoss im Kindergarten die Frühförderung. Für jedes dieser Kinder wurde ein Entwicklungsplan aufgestellt, es wurden seine Stärken entwickelt und gezielt gefördert. Damals beteiligte sich das Land noch erheblich mehr an den Kosten der Kindertagesstätte, aber jetzt ist die Finanzierung im Ungleichgewicht. Sie erinnern sich sicher noch an das Ausmalbild, das Paul und Paula auf etwa drei gleich großen Geldsäcken sitzend zeigt - Symbolik für Land, Kommunen und Eltern. Heute müssen diese Geldsäcke wohl andere Größenverhältnisse zeigen.

Nun möchte ich Paulas Erzieherin Tante Gabi, die gleichzeitig Leiterin der Einrichtung ist, ins Spiel bringen. Tante Gabi hat nämlich trotz aller Belastungen, trotz häufig kranker Kolleginnen noch immer Träume. Sie träumt davon, dass sie nur wenige Kinder in einer Gruppe zu betreuen hat, sagen wir zehn bei den Drei- bis Sechsjährigen und fünf bei den un

ter Zweijährigen. Sie hat wieder mehr Zeit für ihre Leitungsaufgaben und kann sich Zeit nehmen für Elterngespräche am Nachmittag. Sie kann darauf hinweisen, was die Eltern mit ihren Kindern spielen können und dass Fernsehen und der Gameboy nicht unbedingt bereits ins Kinderzimmer gehören. Vor allem aber sind ihre Kolleginnen und sie wieder wesentlich ausgeglichener und mit Spaß bei ihrer Arbeit. Jedes Jahr hat sie in ihrer Einrichtung mehrere Praktikantinnen, letztens waren sogar zwei Männer dabei. Seitdem für die Erzieherinnenausbildung Abitur notwendig ist und Hochschulausbildung eingeführt wurde, stieg die Akzeptanz des Berufs enorm. Sie hatte übrigens auch genügend Zeit, den Bildungsplan zu lesen und ihn mit ihren Kolleginnen zu diskutieren. Am Wochenende fährt sie mit anderen Leiterinnen zu einer Schulung und kann sich dort intensiv mit ihren Kolleginnen austauschen. An dieser Weiterbildungsveranstaltung, die auch gleichzeitig Erfahrungsaustausch ist, nimmt die Ministerin teil. Aufmerksam hört diese bei den Gesprächen zu und stellt nur wenige Fragen. Sie weiß, wie wichtig Bildung ist und dass es auf den Anfang ankommt. Diejenigen, die mit den Kleinen anfangen, die denjenigen, die am Beginn ihres Lebens stehen, möglichst viele Chancen geben, sind ihre Partner. Eine ihrer ersten Maßnahmen war es auch, dafür zu sorgen, dass Bildung auch im Bereich vor der Schule für Eltern beitragsfrei ist. Sie sorgte mit dafür, dass alle Kinder den Zugang zu Kunst und Kultur erhalten. Ja, ich weiß, Träume werden nur manchmal wahr und Sie werden wieder mit den Finanzen kommen. Aber sind unsere Kinder nicht unsere Zukunft? Welche Investition ist sinnvoller als die in die Zukunft unseres Landes?

(Beifall DIE LINKE)

Ich denke, auch das ist eine Präventionsmaßnahme. Ich möchte heute nur den Bezug zur Aktuellen Stunde herstellen. Es wäre eine Maßnahme auch in Bezug auf Jugendkriminalität. Vor zwei Jahren wurde mit dem Familienfördergesetz ein Zug bestiegen, der unser Land in die falsche Richtung führt. Nun haben Sie, Frau Lieberknecht, signalisiert, dass Ihre Fraktion zum Anhalten bereit ist und Fahrtrichtung und Fahrtziel genau prüft. Möglicherweise geht die Fahrt im selben Zug weiter. Möglicherweise tauschen wir Argumente aus und kommen zu unterschiedlichen Auffassungen. Auf jeden Fall lohnt sich der Halt und die Neubestimmung des Reiseziels. Ich hoffe, dass wir die Thüringerinnen und Thüringer auf diesem Weg mitnehmen werden. Meiner Meinung nach könnte die Federführung auch der Bildungsausschuss übernehmen, aber das ist meine eigene Meinung und ich würde das so beantragen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Federführung beim Bildungsausschuss, Frau Skibbe? Helfen Sie mir noch mal?

(Zuruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Das ist meine persönliche Meinung.)

Das würden Sie jetzt nicht zum Antrag stellen?

(Zuruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Nein.)

Gut. Es liegt seitens der Abgeordneten jetzt noch die Redemeldung von Herrn Panse für die CDU-Fraktion vor. Dann liegt seitens der Abgeordneten keine weitere Redemeldung mehr vor. Ich wollte es nur ansagen. Herr Abgeordneter Panse für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zu dem, was meine Vorredner gesagt haben, erfordert es schon einige Bemerkungen. Insofern, denke ich, werden wir auch heute Abend noch ausreichend die Zeit haben.

Herr Kollege Kubitzki, Sie haben so ein Stückchen die Entstehung des Gesetzes beschrieben. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Wir haben damals ja lange schon über dieses Gesetz miteinander diskutiert, wir haben viele Änderungen auch als CDUFraktion aufgenommen und wenn Sie sich das mal genau anschauen, der ursprüngliche Gesetzentwurf und das, was wir am Ende hier im Thüringer Landtag verabschiedet haben...

(Zwischenruf Abg. Ehrlich-Strathausen, SPD: Aber der größte Teil der Anzuhö- renden hat es abgelehnt.)

Selbstverständlich haben wir damals intensiv miteinander diskutiert, deswegen ist es eben nicht so, wie Sie das sagen, wir haben damals ein Gesetz durchgewunken. Wir haben uns damals Gedanken gemacht und deswegen ist es folgerichtig, dass wir uns auch heute Gedanken darum machen, wie dieses Gesetz wirkt und ob man gegebenenfalls an diesem Gesetz an einzelnen Stellschrauben auch noch mal drehen sollte oder wird. Das hat Christine Lieberknecht vorhin deutlich gemacht, dass wir als CDUFraktion zu dieser Diskussion bereit sind und wir haben uns auch in den vergangenen zwei Jahren jeder dieser Diskussionen gestellt, also insofern stellen Sie das bitte nicht so in den Raum.

Was aber völlig falsch ist, ist die Darstellung, die Sie zum Verfassungsgericht hier abgegeben haben. Es ist nun mal so, Christine Lieberknecht hat das sehr

umfänglich erklärt, warum die Landesregierung in der Situation war, dass sie gegen dieses Volksbegehren geklagt hat. Es war richtig und die Entscheidung des Verfassungsgerichts hat uns recht gegeben. An der Stelle gibt es auch keine Diskussion darum, ob das Verfassungsgericht mit 5 : 4, mit 6 : 3 oder mit einer anderen Mehrheit entschieden hat. Das Verfassungsgericht ist an dieser Stelle nicht nur höchste Autorität, sondern es hat abschließend entschieden. Insofern bitte ich Sie herzlich, das zu berücksichtigen und sicherlich auch wie wir alle uns die Zeit zu nehmen, die 44 Seiten der Urteilsbegründung nachzulesen, da ist das ja umfänglich skizziert. Aber ich sage es Ihnen noch mal, man konnte es eben nicht zulassen, dass wir zunächst ein Volksbegehren mit Hunderttausenden von Unterschriften initiieren und hinterher eine Verfassungswidrigkeit feststellen.

Sie haben das Erziehungsgeld beschrieben, darauf gehe ich nachher sehr umfänglich ein. Sie haben aber auch etwas gesagt, was mich sehr geärgert hat, nämlich die Frage, welche Kinder nun nach Ihrer Auffassung nicht mehr Kindertagesstätten besuchen würden. Ich habe das in den vergangenen Monaten schon ein paar Mal gesagt, es gibt wenige, die man als Kronzeugen hier anrufen kann. Sie haben es immer so mit gefühlten Temperaturen und mit Gesprächen, die Sie mit Kindertagesstättenleiterinnen geführt haben, deutlich gemacht. Ich kann an dieser Stelle nur nach wie vor Ihre ehemalige Kollegin, Frau Thierbach, zitieren, die Stadt Erfurt zitieren, wo jedem einzelnen Fall nachgegangen wurde, wo festgestellt wurde, ganze 23 Kinder von 1.400 Kindern wurden nicht weiter in die Kindertagesstätte gebracht und jedem dieser einzelnen Fälle wurde nachgegangen. In keinem Fall hat sich das bestätigt gefunden, was Sie uns hier skizziert haben. Insofern, ich sage es erneut, fragen Sie bitte Ihre ehemalige Kollegin aus dem Thüringer Landtag, vielleicht skizziert sie das anders.

Das gilt im Übrigen auch für die Kosten. In der Begründung zum Gesetzentwurf schreiben Sie für die Kommunen von so geschätzten 25 Mio. € Mehrkosten netto, summa summarum. Frau Thierbach hat in Erfurt ausgerechnet, allein für die Stadt Erfurt bedeutet das 12 Mio. € mehr kommunale Ausgaben. Sie berechnen für das ganze Land 25 Mio. €, was das kosten könnte. Wenn man weiß, dass in Erfurt 10 Prozent der Kindertagesstättenplätze des Freistaats Thüringen sind, halte ich eine von beiden Zahlen für schlicht falsch. Sie können sich das aussuchen, wer vielleicht an dieser Stelle die Unwahrheit spricht, wer vielleicht die falsche Zahl verwendet. In jedem Fall, sage ich Ihnen, werden wir sicherlich in den Ausschüssen Zeit haben, diese Zahlen miteinander abzugleichen und zu überprüfen. Dann wird sich herausstellen, wer vielleicht mehr Polemik und Angst geschürt hat an dieser Stelle.

Polemik, da bin ich bei Ihnen, Herr Matschie. In dem Gesetzentwurf und auch sonst in der Öffentlichkeit sprechen Sie sich für eine Gebührenfreiheit für das letzte Kindergartenjahr aus. Ihr Mitbewerber um die Spitzenkandidatur im nächsten Jahr ist da ein Stückchen weiter. Er sagt, er ist gleich mal insgesamt dafür, dass Kindertagesstätten gebührenfrei gemacht werden. Sie widersprechen ihm da energisch, aber ich kann Ihnen nur sagen, an der Stelle merken Sie mal sehr anschaulich, wie Populismus funktioniert. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Sie haben Ihre PDS in den eigenen Reihen. Insofern prüfen Sie das, was Sie uns hier versprechen, was Sie uns hier in der Diskussion suggerieren, was Sie hier fordern, sehr genau auf den Gehalt und auf die Umsetzung, vielleicht kommen Sie da auch zu einem anderen Ergebnis. Das gilt im Übrigen auch für das, was Sie uns mit der Betreuungszeit von den zehn Stunden hier suggerieren wollten. Sie müssen den Gesetzentwurf schon nachlesen. Im Gesetzentwurf steht es nicht, dass Sie von zehn Stunden Öffnungszeiten reden. Das könnte man formulieren, das ist in den allermeisten Kindertagesstätten selbstverständlich, dass zehn Stunden und länger geöffnet ist. Sie schreiben aber sehr wohl in Ihrem Gesetzentwurf, und das in § 2, mindestens zehn Stunden Betreuungszeit, nicht Öffnungszeit. An dieser Stelle sagen Sie das dann auch, wenn Sie das wollen. Versuchen Sie es hier nicht zu verniedlichen. Auch Frau ScheringerWright kam mit diesem Argument und sagte, man muss ja die Kinder nicht so lange in die Einrichtung bringen. Das ist wohl richtig, aber dann schreiben Sie in den Gesetzentwurf auch nicht zehn Stunden Betreuungszeit, sondern zehn Stunden Öffnungszeit, wenn Sie das meinen.