Protocol of the Session on November 16, 2007

schen vereint, die für ihre Heimat kämpfen. Sie haben betroffene Landkreise und Kommunen, die diese Leitung ablehnen und dies in unzähligen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht haben. Ich sage Ihnen auch eines: Die werden sich nicht scheuen, juristische Schritte zu gehen. Großbreitenbach hat es getan, wir haben nach der Raumordnung geklagt, auch das ist belächelt worden. Das Oberverwaltungsgericht beschäftigt sich mit diesem Verfahren. Ich kann Ihnen sagen, die Erfolgsaussichten vor Gericht, die ich sehe, die sind gut. Bei diesem Gutachterergebnis und bei diesen gravierenden Verfahrens- und Abwägungsfehlern sehe ich gute Chancen, dass wir hier auch unseren Prozess gewinnen.

Meine Damen und Herren, die notwendige und einzig richtige Konsequenz für uns Landespolitiker kann nur eine klare Ablehnung des Neubaus einer viersystemigen 380-kV-Verbindung durch Thüringen sein.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb beinhaltet der Antrag der LINKEN eine solche politische Willensbekundung durch den Thüringer Landtag und jedes politische Gremium kann eine politische Willenserklärung abgeben. Denn jede andere Entscheidung, die wir hier fällen, lässt unsere Bürger zu Recht an der politischen Verantwortung und an der Entscheidungskompetenz des Landtags zweifeln. Danke, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dr. Schubert, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist heute nicht das erste Mal, dass wir über die geplante 380-kV-Leitung hier im Landtag reden. Ich bin mir ganz sicher, dass das auch nicht das letzte Mal sein wird.

Wir alle wissen, Vattenfall will vom sachsen-anhaltinischen Bad Lauchstädt über Vieselbach und Altenfeld ins bayerische Redwitz eine neue 380kV-Freileitung bauen und dabei auf einer 100 m breiten Trasse mit über 100 m hohen Masten den Thüringer Wald queren. Auf dem ersten Abschnitt zwischen Bad Lauchstädt und Vieselbach wird bereits gebaut. Teile sind fertiggestellt.

Vattenfall hatte bisher immer die Notwendigkeit des Neubaus mit dem massiven Ausbau der Windenergie in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklen

burg-Vorpommern begründet. Vor allem das Entstehen von großen Offshore-Anlagen im Meer vor den Küsten macht nach den bisherigen Aussagen den Bau der Trasse zwingend notwendig. Auch die dena-Netzstudie beschreibt die Notwendigkeit dieser Baumaßnahme. Deshalb haben wir als SPD-Faktion uns in der bisherigen Diskussion im Wesentlichen darauf beschränkt, uns für eine natur- und siedlungsverträgliche Lösung einzusetzen und dabei auch die Möglichkeit von Erdkabeln in sensiblen Bereichen vorzusehen.

(Beifall SPD)

Das war bisher unser Stand. Ich weiß nicht, warum es uns so angekreidet werden soll, wenn neue Erkenntnisse vorliegen, dass man auch seine Meinung weiterentwickeln kann. Das verstehe ich überhaupt gar nicht.

(Beifall SPD)

Wir sind nicht Leute, die von vornherein alles genau wissen und sagen, die Lage ist so und so und das wird immer so bleiben. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, dann werden wir die immer in unser Denken und Handeln einordnen und uns entsprechend positionieren. Das ist doch eine völlig normale Sache in der Politik - oder nicht?

(Beifall SPD)

Mit dem Vorliegen des wissenschaftlichen Gutachtens zur Notwendigkeit der geplanten 380-kVVerbindung von Prof. Jarass und Prof. Obermaier hat sich nämlich aus unserer Sicht die Situation geändert. Man muss an dieser Stelle den Landkreisen, Gemeinden und Bürgerinitiativen danken, dass sie den Weg gegangen sind und das Gutachten in Auftrag gegeben haben.

(Beifall DIE LINKE)

In diesem Gutachten wird aus unserer Sicht nachvollziehbar dargestellt, dass für die Trasse wegen des Ausbaus der Windenergie keine Notwendigkeit besteht und die Trasse gegenüber den Betroffenen und den Stromkunden, die letztendlich alles finanzieren müssen, nicht gerechtfertigt ist. Jedenfalls können die bisher vorgetragenen Gründe die Notwendigkeit der Leitung nicht mehr tragen. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass für Netzinvestitionen folgender Grundsatz gilt: Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau.

In dem Gutachten werden zum einen bisher in der dena-Studie nicht beachtete alternative Maßnahmen für eine Optimierung bzw. den Ausbau der bestehenden Netze schlüssig dargelegt. Diese sind erheblich.

Durch sogenannte Hochtemperaturseile, die bereits in anderen Ländern erprobt und dort Stand der Technik sind, durch ein Netzmonitoring sowie durch den allgemeinen Ausbau der bestehenden Leitung kann offenbar die Übertragungsleistung ohne Leitungsneubau erheblich, um 50 Prozent allgemein und sogar um 100 Prozent für Übertragungsspitzen, gesteigert werden. Zudem hat der Gutachter auch dargelegt, dass zumindest im Hinblick auf den Windenergieausbau eine geringere Übertragungsleistung gebraucht werde, als in der dena-Studie angenommen wurde. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass die geplanten Windenergieanlagen, besonders die Offshore-Anlagen, mit erheblicher Zeitverzögerung errichtet werden. Zum anderen sei nur ein Netzausbau erforderlich und wirtschaftlich zumutbar, bei dem maximal 65 Prozent der gesamten installierten Windgeneratorenleistung aufgenommen werden muss. Vattenfall und auch die dena-Studie sind bisher von einem Wert von 90 Prozent ausgegangen.

Um das mit den 65 Prozent noch einmal zu erklären: Beim Netzausbau von 65 Prozent der installierten Leistung müssten im Mittel weniger als 1 Prozent der erzeugten Windenergie tatsächlich ausgesperrt werden, das heißt, diese würden dann nicht ins Netz abgegeben und übertragen werden können. Ein höherer Ausbaustandard würde höhere Kosten für Netzbetreiber und Stromkunden verursachen, als durch die zusätzlich eingespeiste Windenergie an Nutzen entstünde. Daher kann das bisher von Vattenfall herangezogene Argument, der Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostdeutschland mache den Neubau erforderlich, diese Leitung nicht mehr rechtfertigen. Ob darüber hinaus Gründe bestehen, die eine weitere Erhöhung der Übertragungsleistung rechtfertigen, hat Vattenfall bisher nicht öffentlich zur Diskussion gestellt. Sie war auch nicht Gegenstand des Gutachtens.

Unser Fazit des Gutachtens bleibt: Der Windenergieausbau rechtfertigt nicht diese Trasse durch Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wie nun in Pressemitteilungen Vattenfalls deutlich wird, beharrt der Konzern jedoch auf den Neubau der Trasse. Neue Begründungen hat Vattenfall jedenfalls dafür nicht vorgetragen.

Nun zu den einzelnen vorliegenden Anträgen: Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist zwar vom Anliegen her nachvollziehbar, setzt aber beim Raumordnungsverfahren an der falschen Stelle an. Im Rahmen der Raumordnung ist die Notwendigkeit der Leitung nicht vorrangig zu prüfen. Im Raumordnungsverfahren wird gemäß § 19 Abs. 1 Thüringer Landesplanungsgesetz nur festgestellt, ob die Pla

nung mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmt und wie die Abstimmung der Planung unter dem Gesichtspunkt der Raumordnung erfolgen kann. Es sind also nur raumbedeutsame Auswirkungen zu prüfen und abzuwägen. Die Frage der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit gehört dazu nicht. Die Prüfung der Notwendigkeit der Maßnahme und damit die Notwendigkeit dieser Leitung wird jedoch im anschließenden Planfeststellungsverfahren erfolgen. Unabhängig davon bleibt die von der Linksfraktion beantragte Entschließung zu rechtlichen und technischen Fragen auch von der Verbindlichkeit der Forderung her hinter unserem Sachantrag zurück. Auch wenn der Landtag im Rahmen seiner Entschließung eine bestimmte Rechtsauffassung vertritt, würde das die Landesregierung nicht unmittelbar binden. Wir fordern hingegen die Landesregierung unmittelbar auf, die Aussagen und die Ergebnisse des Gutachtens insbesondere im Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen. Ministerpräsident Althaus hat vorgestern in seiner Presseerklärung erfreulicherweise die Berücksichtigung des Gutachtens ausdrücklich zugesagt, auch wenn er im selben Atemzug wieder die Notwendigkeit der Trasse betont hat. Ich erwarte daher auch von den Kollegen der CDU-Fraktion - zwar hatten Sie gesagt, Sie wollen unserer Sache nicht zustimmen, weil sie selbstverständlich ist - und ich gehe davon aus, dass Sie sich überwinden und zustimmen können. Ich möchte Sie demzufolge darum bitten.

Nun noch etwas zu dem Alternativantrag der CDUFraktion: Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen, denn Ihr Antrag suggeriert, dass das Gutachten inhaltlich nicht schlüssig wäre. Zumindest den Ministerpräsidenten hat das Gutachten offenbar überzeugt, auch wenn er nach wie vor von der Notwendigkeit der Trasse spricht. Nicht einzusehen ist, das hat auch Frau Enders gesagt, dass erneut öffentliche Gelder für ein Gutachten ausgegeben werden,

(Beifall SPD)

wo doch gerade erst das vorliegende Papier im Wesentlichen von der öffentlichen Hand finanziert wurde. Jetzt ist doch wohl Vattenfall am Zug, die Notwendigkeit der Trasse gutachterlich zu begründen und dies auch zu finanzieren.

(Beifall SPD)

Solange hier keine überzeugenden Gründe vorgetragen werden, kann eine Trasse durch Thüringen weder als Freileitung noch als Erdkabel akzeptiert und gebaut werden. Die bisher vorgetragenen Gründe können den Bau jedenfalls nicht rechtfertigen. Im Übrigen, meine Damen und Herren von der CDUFraktion und der Landesregierung, haben Sie sich ja - wie wir auch schon gehört haben - immer gegen

ein Gutachten ausgesprochen und sich dagegen gesperrt. Bisher war Ihre Strategie doch immer gewesen, gleich das ganze Thema mit zu nutzen, um gegen die ungeliebte Windenergie zu Felde zu ziehen nach dem Motto: Die von Rot-Grün verursachten Windkraftanlagen sind nun auch noch daran schuld, dass der Thüringer Wald zerschnitten werden soll. Ehe man jetzt weiter mit Vattenfall - und das geht vor allen Dingen an die Adresse des Ministerpräsidenten - über mögliche Erdverkabelung redet, wofür im Übrigen bis heute keine Aktivitäten zur Schaffung der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen von der Landesregierung vorliegen, sollte man doch erst einmal mit Vattenfall über die generelle Notwendigkeit der Leitung reden und dabei den schon vorhin erwähnten Grundsatz berücksichtigen: Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Es gibt das Gutachten.)

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Wetzel, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Kollegen! Frau Enders, ich will Ihnen nur in Erinnerung rufen, der erste Antrag zu einem Nachweis der Wirtschaftlichkeit war von uns. Dann hier an diesem Pult Drohungen auszustoßen - die weise ich erst mal entschieden zurück. (Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Enders, DIE LINKE: Ich habe doch nicht gedroht.)

So sollten wir auch nicht miteinander umgehen in unserem Land, auch oder gerade als Parlamentarier nicht.

Meine Damen und Herren, wenn ich die Werbung des Deutschen Fernsehens sehe: Kanntet ihr bisher nur Kranichhäcksler, nun kommen die Heringsschredder noch dazu.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: So ein Blödsinn, so ein Schwachsinn.)

Nein, das ist nicht Blödsinn. So viel zu regenerativen Energien, aber wir haben Sie nun mal und wir haben auch ein EEG.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: So viel Dummheit auf einem Haufen.)

Entschuldigung, Herr Abgeordneter. Das waren jetzt drei Versuche und beim dritten Versuch erteile ich Ihnen jetzt einen Ordnungsruf, Abgeordnete Becker.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich betone - das habe ich das letzte Mal schon gesagt - nochmals, dass es nicht die Landesregierung des Freistaats Thüringen ist, die eine Stromtrasse beantragt, sondern dass es die Firma Vattenfall ist, die Antragsteller ist. Sie ist nun mal in unserem Gebiet der Stromnetzbetreiber. Wäre es eine andere Firma, hätte diesen Antrag eine ganz x-beliebig andere Firma der großen Stromnetzbetreiber in deutschen Gebieten letztendlich gestellt. Der Minister hat richtig ausgeführt, dass es europäische Vorrangleitungen und -wege geben wird, die auf einer europäischen Liste aufgelistet sind. Da ist unter anderem diese Trasse auf Platz 23 unter den ersten 25 wichtigen Leitungen vermerkt, die bis zum Jahre 2010 fertigzustellen seien. Ich betone „fertigzustellen seien“. Eines, denke ich, lassen wir uns in Thüringen nicht aufzwingen - Zeit. Ich denke, wir sollten uns Zeit nehmen.

(Beifall CDU)

Wenn ich den Ministerpräsidenten auch gestern in seiner Stellungnahme vor der Presse - und da waren Sie eigentlich mit anwesend, Frau Enders, ich dachte, wir standen sogar nebeneinander - richtig verstanden habe, dann hat er genau diesen Zeitbonus nämlich angemahnt. Wir lassen uns nicht zu irgendetwas Schnellem drängen, sondern wir werden ordentlich und zeitlich genau überlegen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe und Sie ihn eigentlich auch, hat er gesagt, wir sollten alles nutzen, was an neuen Technologien auf dem wissenschaftlichen Markt in den nächsten Jahren überhaupt zu haben sein wird, um ökologisch und ökonomisch sinnvolle Leitungswege für die Zukunft auch in unserem europäischen Verbundnetz zu haben. Er hat auch noch einmal sehr deutlich herausgestellt, dass es doch eigentlich eine große Chance wäre z.B. für eine Thüringer Hochschule, neue Technologien zu erarbeiten und diese weltweit dann letztendlich auch zur Anwendung zu bringen als eine Thüringer Erfindung, zusammen mit Vattenfall finanziert.

Das, denke ich, wären einige wichtige Chancen, die wir in unserem Freistaat haben und die wir auch unseren Menschen kundtun sollten. Ökologisch für

Mensch und Natur, denke ich, und doch Technologien, die in die Zukunft weisen, Technologien, die Anwendung finden, nicht unbedingt „Erdkabel“ heißen, denn ich glaube, Erdkabel - das ist nur meine eigene Auffassung - ist das ökologisch falscheste Modell, weil wir dann vielleicht wieder für die Langlaufpistenläufer Brücken bauen müssen, weil es auf dem Erdkabel eben keinen Schnee mehr geben wird, aber da wird auch kein Gras mehr wachsen. Das müssen wir einfach wissen, wenn wir davon reden. Ich sage noch mal, selbst die Gefahr, dass wir mehr Zeit benötigen und dass es eben 2008, wie es Herr Neldner hier in diesem Raum gesagt hat, nicht sein wird, sondern eben 2010/2011 werden wir uns dieser Sache widmen. Natürlich werden wir auch das Gutachten des Herrn Jarass, sprich der ATW Forschung, mit einbeziehen. Natürlich war es auch eine tolle Leistung Thüringer Kommunalen, die es sich selbst auch als Herausforderung gegeben haben, selbst einmal ein solches Gutachten zu erstellen.

Sie haben vorhin gesagt, Frau Enders, es ist ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten und Sie finden das ganz toll. Dann sind Sie sehr tief eingegangen auf das Gutachten. Auch vom wissenschaftlichen Verständnis her, glaube ich, dass wir alle, wie wir hier sitzen, von der Elektrotechnik einen Teil zwar verstehen, aber, ich glaube, die großen elektrischen Auswirkungen, die letztendlich ein europäisches Verbundnetz bedeuten, nicht richtig einschätzen können. Es wäre auch schön gewesen - und da würde ich Ihrem Ausspruch „wissenschaftlich unabhängig“ auch gern folgen -, wenn Herr Jarass, sprich ATW, durchaus Bundesbehörden, aber vielleicht auch den Antragsteller in ihre Meinung einbezogen hätten, was sie aber doch wohlweislich nicht getan haben.