Protocol of the Session on November 12, 2004

ärztlichen Versorgung der Thüringer Bürger im ambulanten Bereich im Parlament zu geben.

(Beifall bei der PDS)

Danke für die Einreichung. Die Landesregierung hat angekündigt, einen Sofortbericht gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu geben. Ich bitte den Vertreter der Landesregierung, Herrn Dr. Zeh, uns diesen Bericht zu geben.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung erstatte ich zu dem Antrag der Fraktion der PDS folgenden Sofortbericht:

Noch Mitte der 90er-Jahre riet man in Deutschland den Abiturienten davon ab, Medizin zu studieren. Außerdem wurden Forderungen nach strengeren Zulassungsbeschränkungen für das Medizinstudium erhoben, um die zu hohen Bewerberzahlen zu regulieren. Nicht nur die Ärzteschaft selbst sprach von einer Ärzteschwemme. Seitdem ist bundesweit die Zahl der Absolventen in der Medizin kontinuierlich zurückgegangen. Gleichzeitig steigt der Anteil an Absolventen, die sich nach dem Studium nicht für einen Arztberuf entscheiden, sondern in andere Berufsfelder abwandern. Verstärkt wurde dieser Trend durch Meldungen über steigende Arbeitszeitbelastungen der Krankenhausärzte, die schlechter werdende Bezahlung im ambulanten Bereich und den ausufernden täglichen Dokumentationsaufwendungen in Krankenhäusern und Praxen. Ganz offenkundig schreckt das von dem Berufswunsch, Arzt zu werden, immer häufiger ab.

Dies führte dazu, dass in Deutschland immer mehr von einem Ärztemangel die Rede ist, nicht mehr von einer Ärzteschwemme. Auch die jungen Länder, auch Thüringen, sind von dieser Entwicklung nicht verschont geblieben. Die Ärztedichte im Freistaat hat nach der Wiedervereinigung bis heute nie das Niveau der alten Länder erreicht. Die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte bei uns ist ungünstiger. Sie weist historisch bedingt einen so genannten MauerBerg auf - "Mauer" wegen des Mauerbaus im August 1961 -, denn ein erheblicher Anteil unserer Ärzte nahm nach dem Mauerbau, das war so vom Staat gewünscht, ihr Studium auf, nachdem vor 1961 viele Ärzte die DDR verlassen hatten. Diese Ärzte sind heute um die 60 Jahre alt und werden in den nächsten Jahren ihre Praxen aufgeben und in den sicher verdienten Ruhestand gehen. Dies betrifft besonders die Hausärzte. Schließlich ist die Neigung der jungen

Ärzte, nach ihrem Studium und der Facharztausbildung ihren Beruf in den alten Ländern aufzunehmen, anstatt eine der frei stehenden Arztpraxen in Thüringen zu übernehmen, nicht zu übersehen. Dies liegt vor allem daran, dass das Honorar für die ambulante ärztliche Leistung bei uns durchschnittlich immer noch rund 20 Prozent unter dem Honorar in den alten Ländern liegt. Es gab einmal eine Diskussion im Bundestag vor etwa eineinhalb Jahren. Dort wurde eine Zahl genannt, dass die Ärzte in den jungen Ländern ca. 96 Prozent des Tarifs der westdeutschen Gehälter erreichen. Ich muss eindeutig sagen, das trifft nicht zu. Wer im Osten 96 Prozent des Westniveaus bekommen will als Arzt, der muss mindestens 130 Prozent seiner Westkollegen arbeiten. Insofern sind wir ganz sicher der Meinung, dass das Arzthonorar hier ca. 20 Prozent unter dem Honorar in den alten Ländern liegt. Die Folge ist, dass eine wachsende Zahl an frei werdenden Praxen nicht mehr besetzt werden kann. Nach dem Bedarfsplan der ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen entsprechend dem Stand vom 15. Juni 2004 sind 15 der 20 Planungsbereiche offen für eine Niederlassung als Hausarzt. Insgesamt sind 101 Hausarztzulassungen noch möglich. Am meisten offene Hausarztstellen gibt es im Planungsbereich Nordhausen mit 14, im Eichsfeld mit 13, in Erfurt und im UnstrutHainich-Kreis mit jeweils 11 und im Landkreis Altenburger Land mit 8.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, dennoch, die ambulante ärztliche Versorgung in Thüringen ist nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch und nach den in den bundesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen enthaltenen Rahmenvorgaben flächendeckend gesichert. Das bedeutet, dass in noch keinem der 20 Thüringer Planungsbereiche der tatsächliche Versorgungsgrad unter die vorgegebene Quote gesunken ist. Diese Quote entspricht 75 Prozent bei Hausärzten bzw. 50 Prozent bei Fachärzten. Die Quote des Versorgungsgrades wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen in der Bedarfsplanung so festgelegt. Erst bei diesen Grenzwerten wird nach dem Bundesrecht von einer Unterversorgung gesprochen. Aber die Landkarte Thüringens weist zunehmend Stellen, vor allem in ländlich strukturierten Regionen, auf, in denen die ärztliche Versorgung nicht mehr bedarfsgerecht zu werden droht. Das sind die Teile von Planungsbereichen, in denen der tatsächliche Versorgungsgrad sich den beiden genannten Werten deutlich nähert. Die Folge in diesen Gegenden sind längere Wartezeiten bei den vorhandenen Ärzten oder längere Anfahrtswege zum nächsten Arzt. Mittlerweile nimmt auch der Bundesgesetzgeber die Veränderung der ambulanten ärztlichen Versorgung, insbesondere in den jungen Ländern, ernst. Er versucht mit verschiedenen Regelungen im GKV-Modernisierungsgesetz,

die am 1. Januar 2004 in Kraft traten, gegenzusteuern. Unter anderem sind das Regelungen zur schrittweisen Erhöhung der Gesamtvergütung für ambulante ärztliche Leistungen in den jungen Ländern um insgesamt 3,8 Prozent in den Jahren 2004 bis 2006. Mit dieser Regelung, für die sich maßgeblich auch Thüringen im Gesetzgebungsverfahren eingesetzt hat, werden die Arzthonorare auch in Thüringen wenigstens ein Stück weit an das Niveau in den alten Ländern angepasst.

Durch die Zulassung der medizinischen Versorgungszentren, die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung und die Ermächtigung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung bei Unterversorgung hat der Bundesgesetzgeber weitere Maßnahmen geregelt, die die ambulante Versorgung gerade in den jungen Ländern verbessern können. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Zahlung von Sicherungszuschlägen an Vertragsärzte in unterversorgten Gebieten oder Teilen von Gebieten. Durch die Änderungen in § 103 Abs. 4 SGB V wird sichergestellt, dass auch zukünftig frei werdende Hausarztsitze durch andere hausärztlich tätige Ärzte, z.B. Internisten, besetzt werden können, wenn kein Allgemeinmediziner zur Verfügung steht. Eine weitere bundesgesetzliche Neuregelung außerhalb der Gesundheitsreform ist die Abschaffung des Arztes im Praktikum zum 1. Oktober 2004, die so genannten AiPs. Mit der Abschaffung dieser 18-monatigen Phase im Anschluss an das Medizinstudium wird eine weitere Maßnahme getroffen, um die Medizinerausbildung wieder attraktiver zu machen.

In dem vorliegenden Antrag der Fraktion der PDS wird das Thema Versorgungsregresse angesprochen. Nach § 84 Abs. 6 SGB V sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, bezüglich der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung zu Vereinbarungen zu kommen. Das heißt, diese Vereinbarungen liegen in der Zuständigkeit der Selbstverwaltung der vorgenannten Stellen. Eine Einflussnahme der Landesregierung ist nicht möglich, weil hier eine bundesgesetzliche Regelung umzusetzen ist. Deshalb besteht für die Landesregierung keine Möglichkeit einer Bewertung der Prüfungen. Nach § 31 des SGB V hat jeder Versicherte einen Rechtsanspruch auf die Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln. Der Vertragsarzt ist verpflichtet, diese Leistungen natürlich im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu erbringen. Dieser Anspruch kann im Wege eines sozialgerichtlichen Verfahrens letztendlich durchgesetzt werden. Um dem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit auf der einen Seite und Notwendigkeit auf der anderen Seite gerecht zu werden, wird es erforderlich sein, im Rahmen der Weiterentwicklung bzw. einer Grundsatzreform der gesetzlichen Krankenversicherung eine belastbare Lösung zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zurück zur Frage des möglichen Ärztemangels. Zunächst muss, und das ist nicht das erste Mal hier in diesem hohen Hause gesagt worden, nochmals klar gesagt werden, Politik kann nur den notwendigen gesetzlichen Rahmen schaffen. Auf Bundesebene ist das durch die bereits erwähnten Maßnahmen im Gesundheitsmodernisierungsgesetz bereits geschehen. Für die Lösung der regional auftretenden Versorgungsprobleme ist in erster Linie die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen zuständig. Ihr obliegt von Gesetzes wegen die Aufgabe der Sicherstellung der ambulanten Versorgung. So ist sie etwa in der Pflicht, auf Grundlage des GKV-Modernisierungsgesetzes geeignete Anreize zu schaffen für die Niederlassung in schlecht versorgten Regionen. Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen ist sich dieser Aufgabe bewusst. So hat sie in einem Sicherstellungsstatut unter anderem geregelt, dass Zuschläge an niedergelassene und niederlassungswillige Ärzte für ihre Arbeit in Regionen mit einer drohenden Unterversorgung ausgezahlt werden können. Das paritätisch mit Vertretern der niedergelassenen Ärzte und der Landesverbände der Krankenkassen besetzte Gremium muss allerdings noch festlegen, unter welchen Voraussetzungen eine drohende Unterversorgung festgestellt werden kann. Einen wichtigen Beitrag vor Ort können aber auch die Kommunen leisten. Sie können unter anderem niederlassungswilligen Ärzten Praxisräume zu günstigen Konditionen bereitstellen. Auf diese Weise konnte bereits in Einzelfällen erfolgreich der sonst drohende Leerstand einer Hausarztpraxis in Thüringen verhindert werden. Die Landesregierung wird sich auch weiterhin, wie zuletzt in den Verhandlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz, für eine weitere Honorarangleichung im vertragsärztlichen Bereich einsetzen, denn die bereits erwähnte Erhöhung der Gesamtvergütung in den jungen Ländern ist noch nicht ausreichend, um die Bereitschaft der Nachwuchsärzte, nicht in die alten Länder abzuwandern, spürbar zu erhöhen. Außerdem, die Landesregierung hält an der Grundsatzentscheidung, den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu schaffen, fest. Bislang war dies leider durch die unerwartet hohen Steuerausfälle der vergangenen Jahre und die damit verbundene angespannte Haushaltslage entgegen der ursprünglichen Planung noch nicht möglich geworden. Anreize für eine Praxisübernahme in Thüringen bieten auch die bestehenden Wirtschaftsförderprogramme des Landes wie das EAP-Beteiligungsprogramm, das Existenzgründerprogramm oder das Mittelstandsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Verehrte Damen und Herren, eine direkte Einflussnahme auf die Niederlassungsbereitschaft von Ärzten in Thüringen hat auch die Landesregierung nicht. Der Arzt ist ein freier Beruf, das heißt, kein Arzt kann gezwungen werden, eine bestimmte frei werdende

Arztpraxis in Thüringen zu übernehmen. Auch die bundesgesetzlich geregelten Instrumentarien der Kassenärztlichen Vereinigung geben eine solche Zwangsmaßnahme nicht her. Eine gleichmäßige, bedarfsgerechte ambulante Versorgung lässt sich angesichts sinkender Arztzahlen in allen Regionen Thüringens alleine auf dem Versorgungswege nicht herstellen. Sie bleibt eine gemeinsame Aufgabe der Ärzteschaft, der kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen, der Kommunen und des Landes. Aber wahrscheinlich werden wir uns in Zukunft trotz dieser gemeinsamen Bemühungen auf eine sich verändernde Landschaft an Anbietern medizinischer Leistungen in Thüringen einstellen müssen.

Was die ambulante ärztliche Versorgung anbelangt, haben wir in Thüringen und überall sonst in Deutschland eine im europäischen Vergleich immer noch hohe Arztdichte. Bei allem Verständnis für die Sorgen der Bürger um die medizinische Betreuung, wenn ihr Hausarzt in den wohlverdienten Ruhestand gehen will und keine Praxisnachfolge sich finden lässt, werden wir einzelne Veränderungen nicht verhindern können. Dabei ist nochmals zu betonen, dass keine Rede davon sein kann, dass die medizinische Grundversorgung der Thüringer Bürger im ambulanten Bereich nicht mehr gewährleistet ist. Es wird nur mit Sicherheit zukünftig mancherorts etwas schwieriger sein, die gewohnte ärztliche Betreuung zu erhalten. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor. Deshalb gehe ich davon aus, dass von den Fraktionen die Aussprache gewünscht wird. Es gibt keinen Widerspruch dazu. Dann rufe ich auf als Erste die Abgeordnete Frau Taubert von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, das drohende Problem, was heute angesprochen wurde, Mangel an ambulant niedergelassenen Ärzten, vor allen Dingen auch im Bereich der Allgemeinmedizin, aber hin und wieder, das merken wir auch heute, im Bereich von fachmedizinischen Richtungen, das kennen wir seit Jahren. Wir wissen, dass in den nächsten acht bis zehn Jahren rund 25 Prozent der niedergelassenen Ärzte in den Ruhestand gehen werden, und jeder hat die Erfahrung gemacht, dass niedergelassene Ärzte, sei es jetzt Allgemeinmediziner oder sei es auch im fachmedizinischen Bereich, keine Nachfolge für ihre Praxis finden, so sehr sie auch suchen. Wir hatten dazu auch schon mal eine Kleine Anfrage gestellt; meine Kollegin Frau Kühnast hatte das im Jahr 2003

gemacht. Es gibt bereits ausführliches Zahlenmaterial dazu.

Mit dem GMG, also dem Modernisierungsgesetz der GKV - jetzt wollte ich mal GKV aussprechen, weil so viele Leute oben sitzen, aber ich kriegs nicht zusammen -, also mit dem GMG, mit dem Modernisierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung - und das haben wir auch gestern schon besprochen in einer Mündlichen Anfrage - wurden die medizinischen Versorgungszentren ermöglicht. Wir haben mit der Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinien Ärzte aus dem Jahr 2004 ebenso eine Klärung, dass diese medizinischen Versorgungszentren den Vertragsärzten gleichgestellt sind. Das ist ja ausgesprochen wichtig, weil wir an dieser Stelle eine andere Form haben, nicht der niedergelassene Arzt allein praktiziert, sondern es wird praktiziert mit angestellten Ärzten. Grundsätzlich wird damit einer Ärztegruppe die Möglichkeit eröffnet zu praktizieren in Gemeinschaft, aber grundsätzlich können wir natürlich auch sagen, Kommunen hätten die Möglichkeit Ärzte einzustellen, um an dieser Stelle Fehlplätze zu belegen. Nur, man muss es realistisch betrachten, ob das die Aufgabe von Kommune orginär ist, das müssen wir bezweifeln, aber die Möglichkeit zumindest besteht. Herr Dr. Zeh hat ja auch darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser mittlerweile die Möglichkeit eröffnet bekommen haben, ambulant zu praktizieren, in einem gewissen Rahmen sicherlich, also auch nur eingeschränkt. Das wird an mancher Stelle helfen Löcher zu stopfen, aber bei weitem nicht an jeder Stelle.

Die mit dem GMG zur Beurteilung der Versorgungssituation eingesetzte ministerielle Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat u.a. die Aufgabe, Hindernisse im Gesetz, die einer besseren Versorgung im Wege stehen, auch aufzuspüren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. An dieser Stelle die herzliche Bitte an die Landesregierung, dort ihre Ministerialbeamten mit weit reichenden Spielräumen auszurüsten, damit an dieser Stelle auch zeitnah reagiert werden kann.

Für den Auftrag zur Sicherstellung ambulanter medizinischer Leistung zuständig ist, auch das ist bekannt, die Kassenärztliche Vereinigung. Und auch diese kann, denke ich, mehr Möglichkeiten nutzen als sie dies bislang getan hat. Wir wissen auch, dass die KV allein die Probleme nicht lösen kann. Vielmehr bedarf es gemeinsamer Anstrengungen, dem drohenden Ärztemangel vor allem im ländlichen Raum zu begegnen. Wir haben deshalb seit über einer Wahlperiode - ich denke, da sind wir in guter Gemeinschaft - auch die Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin gefordert, denn der Beruf des Allgemeinmediziners ist ja eine ganz spezielle Ausbildung, die breit gefächert ist. Der Allgemeinmediziner kann nicht so einfach durch den Internisten oder den Chirurgen ersetzt werden, weil diese Ausbildung doch

eine höhere Spezialisierung hat. Deswegen sagen wir, es ist dringendst notwendig und es kann unseres Erachtens nicht auf Steuerausfälle geschoben werden, dass dieser Lehrstuhl endlich eingeräumt wird.

(Beifall bei der PDS)

Das Fehlen ambulant tätiger Ärzte führt bereits seit einigen Jahren in mehreren Regionen zu großen Problemen und ich möchte eine Verbindung herstellen, die im Antrag jetzt gar nicht so enthalten ist, nämlich es führt zu Problemen im Rettungsdienst. Durch die Teilnahme am hausärztlichen Notdienst, den die KV ja über ihre Ärzte absichert, sind viele Ärzte nicht mehr bereit oder auch zeitlich nicht mehr in der Lage, am Rettungsdienst teilzunehmen. Auch wenn das vor allen Dingen in Städten nicht so das Problem ist, in einigen Bereichen Thüringens ist dies schon ein Problem und wir hängen beim Rettungsdienst in einzelnen Regionen an einzelnen niedergelassenen Ärzten. Man muss das sehen, das sind Ärzte, ich kenne da auch einige Beispiele, da ist ein Arzt vorhanden, der fährt, so es irgendwo geht, den Rettungsdienst, nachdem sich die Krankenhäuser bzw. andere ausgeklinkt haben, und wenn der mal in den Urlaub geht, dann kommt es schon zu gravierenden Problemen. Auch dieses Thema Rettungsdienst, das ja in Zuständigkeit der kreisfreien Städte und der Landkreise liegt, kann allein von diesen überhaupt nicht gelöst werden.

Die KV für sich hat einen begrenzten Handlungsrahmen und das Innenministerium hat zumindest in der Vergangenheit nicht immer verstanden, worüber wir aus dem kommunalen Bereich an dieser Stelle reden. Es war ein schwerer Prozess, mittlerweile ist da ein Stück weit mehr Aufklärung passiert, aber das reicht in Summe nicht, um die Problematik niedergelassene Ärzte in Verbindung auch mit dem Rettungsdienst zu lösen. Vor diesem Hintergrund ist mein Appell schlicht, dass wir, und da haben wir ja die Möglichkeit im Landtag, uns auch den Rettungsdienst jetzt noch mal vornehmen und dass wir eine noch stärkere Vernetzung, als wir sie in der Vergangenheit hatten, an der Stelle auch zwingend vorschreiben.

Ich möchte ein Stück auch auf den Punkt 3 des Berichtsersuchens eingehen. Es ist schwierig, wir haben zwei Seiten zu beurteilen. Auf der einen Seite haben wir die Leistungsseite, die sich äußert in den Fragen der Ärztebereitstellung, aber auch in der Frage, was für Medikamente und was für ärztliche medizinische Leistung finanziert werden, und wir haben auf der anderen Seite die Finanzierungsfrage. Wir müssen sie natürlich immer in einen Zusammenhang bringen. Zu keiner Zeit, auch nicht vor der Wende - auch das ist, denke ich, eine Mär, die hin und wieder erzählt wird -, war es möglich, umfassend die gesamte Bevölkerung mit den neuesten Methoden zu versorgen.

Ich denke, auch da kann jeder in die Vergangenheit zurückgehen. Es ist die Aufgabe vor allen Dingen der Bundesregierung, wir als Länder müssen aber dazu mittun, diese Balance zu finden zwischen der größtmöglichen Breitenversorgung der Bevölkerung mit aktuellen medizinisch möglichen Untersuchungsmöglichkeiten oder auch Medikamenten und auf der anderen Seite, und da sind wir auch alle betroffen, noch eine erträgliche Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenkasse zu erreichen. Und sie kennen unser Modell der Bürgerversicherung. Ich denke, die sollte aktuell diskutiert werden, auch - denke ich ideologisch wertfrei diskutiert werden, weil es darum geht, für einen bestimmten Zeitraum, ich sage einmal, die nächsten zehn Jahre, abzusichern, dass wir eine gute medizinische Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Ich will zum Abschluss etwas sagen: Natürlich gehört auch dazu, den Arztberuf attraktiver zu machen. Dazu gehört auch, dass man eine Balance findet. Wir hatten in den vergangenen Tagen in der Zeitung die Berichterstattung, wie viel Fehler sich Ärzte zu Schulden kommen lassen hatten. Und es war auch dargestellt, in welchen Formen oder wo das passiert ist. Man darf das nicht überbewerten, aber auch nicht unterbewerten und man muss die Balance finden zwischen einer berechtigten Kritik an einem Fehlverhalten von Ärzten und darf nicht daraus schlussfolgern, dass Ärzte nun nur nach dem Geld gehen auch eine verbreitete Meinung -, sondern man muss diesen Beruf so anerkennen, wie er ist. Nämlich, es sind Menschen, die sich bereit erklärt haben, die auch dazu in der Lage sind, anderen Menschen zu helfen, die sich dazu auch verpflichtet haben. Denen muss man den gebührenden Respekt, denke ich, entgegenbringen. Aber auf der anderen Seite muss man sie sicherlich begleiten, dass ihre Arbeit kritisch auch bedacht wird. Aber man kann nur Menschenmögliches von Menschen verlangen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Fuchs von der PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, das Thema der ärztlichen Versorgung der Thüringer Bürger im ländlichen Raum wird - wie schon erwähnt - nicht zum ersten Mal in diesem Plenum behandelt. Erst im März dieses Jahres hat meine Fraktion eine Mündliche Anfrage zu diesem Thema eingebracht. Aus Ihren damaligen Antworten, Herr Minister Dr. Zeh, und auch aus dem Bericht von heute geht hervor, dass Sie über die zu

nehmenden Versorgungsengpässe durchaus informiert waren und sind. Offensichtlich haben Sie sich aber damals bei der Beantwortung der Fragen, und das klang auch heute in dem Bericht wieder durch, vor allem auf die Aussagen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) gestützt. Danach gab es keine Unterversorgung in Thüringen. Wie Sie sagten, Herr Minister, bezogen auf SGB V stimmt das ja sogar, denn wir wissen ja, da wird die Arztpraxisanzahl pro Kopf der Bevölkerung bestimmt. Aber ich glaube, wir alle müssen Folgendes bewerten: Fachleute, die sich damit beschäftigen, denen ist schon lange bekannt, dass die Definition für Unterversorgung nach den Bedarfsplanungsrichtlinien mehr als umstritten ist. Was Sie, Herr Minister, und auch das WIdO-Institut wohl nicht berücksichtigt haben, ist die Tatsache, dass wissenschaftliche Studien als auch das Bundesministerium selbst bestätigen, dass in den neuen Ländern eine höhere Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate vorliegen. Die so genannten Volkskrankheiten sind hier wesentlich mehr ausgeprägt. Auch andere kostenintensive Krankheitsgruppen wie chronisch-ischämische Herzerkrankung und Diabetes werden in ostdeutschen Allgemeinpraxen häufiger behandelt als in den alten Bundesländern. Tatsache ist, und das kann keine Statistik schönreden, wir haben eine deutlich geringere Arztdichte, eine höhere Erkrankungsrate der Bevölkerung und eine deutlich höhere Anzahl der gesetzlichen Krankenversicherungsfälle und eine stagnierende Vergütungssituation - also mehr Leistung bei weniger Geld. Herr Minister, das haben Sie ja auch deutlich hervorgehoben und auch kritisiert und in Ihrem Bericht benannt. Ich denke, auch wenn es Bundesangelegenheit ist, im Bundesrat sollten wir trotzdem als Länder darauf hinwirken, dass diese 20 Prozent Differenz der Honorare endlich verändert wird. Es gab ja einmal einen Einheitsvertrag, da stand auch immer drin: gleiche Lebensverhältnisse, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ich weiß nicht, wie man das jemandem vermitteln soll, dass die Arbeit eines Arztes, einer Krankenschwester, eines Pflegepersonals hier in Erfurt, Weimar eine völlig andere Produktivität hätte als z.B. in Krankenhäusern in den alten Bundesländern. Ich denke, es wird Zeit, dass das geändert wird.

(Beifall bei der PDS)

Damit aber nicht genug. Einer Quellenangabe des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung nach sind die Ausgaben der Krankenkassen im Osten für ärztliche Behandlungen je Mitglied in den Jahren 1993 bis 2001 von etwa 230  wa 310         West stiegen im gleichen Zeitraum von etwa 390   450 

Meine Damen und Herren, wie ich es eingangs erwähnte, haben wir im Osten, also auch hier in Thü

ringen, eine höhere Morbidität. Diese Tatsache erfordert logischerweise auch eine gesonderte Arzneimitteltherapie. Es ist eine bedrohliche Feststellung, dass die Verordnung und der Regressdruck dazu führen, dass der Bedarf nicht an der tatsächlichen Morbidität gemessen wird, sondern am festgesetzten Arzneimittelausgabenvolumen. So etwas hat nichts, aber auch gar nichts mit der viel gepriesenen Qualität der Versorgung zu tun. Das ist Rationierung pur. Da ist es egal, ob es die Selbstverwaltung hier zu regeln hat oder nicht. Ich denke trotzdem, Sie hatten es gesagt, Herr Minister, Politik hat Rahmenbedingungen zu begleiten. Auch hier, denke ich, muss darüber nachgedacht werden, wie dieser Regressdruck zu verändern ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist davon auszugehen, dass bei gleich bleibender Entwicklung der Arztzahlen in Thüringen einer höheren Erkrankungsund Sterblichkeitsrate eine extrem geringe Versorgungsdichte an Medizinern gegenüberstehen wird. Damit wird in den nächsten Jahren eine deutlich spürbare Unterversorgung eintreten.

Sehr geehrter Herr Minister Zeh, nachdenklich stimmt mich Ihre Äußerung zum Heilberufegesetz. Sie äußerten, dass angesichts des drohenden Arztmangels eben doch der EU-Richtlinie, über die wir gestern diskutiert haben, besondere Bedeutung beizumessen ist. Indirekt bestätigen Sie damit meine Bedenken, dass zukünftig doch auf Kosten anderer Länder der Ärztemangel auszugleichen ist, und das vor allem im ambulanten Bereich. Ihr Vorgänger im Amt hat auf eine Mündliche Anfrage unsererseits zur Tätigkeit ausländischer Ärzte in Thüringen, nachzulesen in Drucksache 3/2566, darauf hingewiesen, dass deren Einsatz - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich - "ausschließlich im stationären Bereich und hier mit steigender Tendenz in Rehabilitationseinrichtungen zur Absicherung der medizinischen Versorgung" erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt, im September 2002, waren 180 ausländische Fachärzte in Thüringen tätig. Mich würde interessieren, Herr Minister, ob Sie wissen, wie viele es heute sind.

Meine Damen und Herren, allein im stationären Bereich sollen in Thüringen gegenwärtig 400 Ärzte fehlen. Dazu kommt, dass in den nächsten fünf Jahren im ambulanten Bereich auch 400 bis 500 Ärzte altersbedingt aufhören werden. Selbst der Deutsche Bundestag hat sich endlich einmal in seiner Drucksache 15/3581 vom 09.07.2004 mit der Sicherung der flächendeckenden ambulanten hausärztlichen Versorgung beschäftigt. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich hier aus dem Antrag: "Es gibt in der hausärztlichen Versorgung auch in den neuen Bundesländern bisher nur wenige Planungsbereiche, die unter der Versorgungsgrenze der Bedarfsplanungsrichtlinie von 75 Prozent liegen. Es gibt aller

dings bereits problematische Versorgungssituationen, z.B. wenn ein aus Altersgründen frei werdender Arztsitz nicht wieder besetzt wird und ein anderer Arzt in zumutbarer Entfernung nicht zur Verfügung steht. Hier zeigt sich, dass die Verhältniszahlen der Bedarfsplanungsrichtlinie nicht in jedem Fall die individuelle Situation vor Ort abzubilden vermögen."

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Minister Zeh, in diesem Zusammenhang halte ich deshalb die Umsetzung des Thüringer Landesentwicklungsplans für wichtig. Hier wird entsprechend der demographischen Entwicklung eine allgemeinärztliche Versorgung gefordert mit einem ausreichend dichten Netz von Ärzten und Fachärzten. Dieses dichte Netz wird als Voraussetzung für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung beschrieben. Ergänzt wird diese Aufgabenstellung mit wichtigen Infrastruktureinrichtungen wie Krankenhäuser, soziale ambulante Dienste und andere Dienstleistungsangebote, die für die Bürger und Bürgerinnen gut erreichbar sein sollen, und zwar mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Eine richtige Aufstellung, Herr Minister Zeh. Aber - und diese Frage muss erlaubt sein - wie weit wird denn die Umsetzung des Thüringer Landesentwicklungsplans diesbezüglich Realität? Herr Minister Dr. Zeh, bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltslage, diese Landesregierung wäre nicht mehr ernst zu nehmen, wenn Sie heute nicht wieder die Bereitschaft der Landesregierung erklärt hätten, dass Sie alles tun, diesen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität einzurichten. Wir jedenfalls, unsere Fraktion, werden Sie immer auf diesen Punkt ansprechen und nachfragen, wann der Zeitpunkt denn ist.

Denn ich möchte Folgendes sagen: Wenn man weiß, dass die Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin insgesamt zehn Jahre dauert und hohe Ansprüche dieser universellen Ausbildung an die Studierenden stellt, dann sind hier gravierende Probleme bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung vorprogrammiert. Wir haben also keine Zeit mehr zu vergeuden, sondern es sollte hier wirklich schnellstens daran gearbeitet werden, wie wir eine Lösung finden, um den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin endlich in Jena an der Friedrich-Schiller-Universität zu errichten. Ein Drittel aller Thüringer Hausärzte - ich erwähnte es bereits - wird in den nächsten Jahren aus Altersgründen ausscheiden. Noch völlig offen ist, wie sich integrierte Versorgung, medizinische Versorgungszentren oder die Einführung der elektronischen Patientenkarte und die damit verbundene Umstellung in den Arztpraxen auswirken werden. Bei Letzterem, nämlich bei den Umstellungen in den Arztpraxen, die dann notwendig sind, geht es auch darum, dass z.B. die Kreditbelastung der Ärzte irgendwo ihre Grenzen hat. Viele ältere Ärzte äußern sich, wenn die Kreditbelastung, denn sie müssen allein für die

Kosteninvestitionen einer Praxis aufkommen, nicht mehr hinnehmbar ist, dann würden sie eher frühzeitiger ihre Praxis schließen und nicht erst warten, bis sie aus Altersgründen dann aufhören.

Liebe Kollegin Taubert, Ihre Hoffnung teile ich eben nicht, weil neue Versorgungsformen, wie sie integrierte Versorgung und medizinische Versorgungszentren darstellen, dass wir diesbezüglich glauben, dass sie den Ärztemangel in Thüringen auffangen könnte. Das wird nicht klappen.

Ich will Ihnen auch noch eine andere Tatsache nennen. Gerade bei den integrierten Versorgungsformen, Sie haben von dem Sicherstellungsauftrag der KV geredet, da sind sie heraus. Und da müssen wir uns überlegen, wer dann den Sicherstellungsauftrag übernimmt. Hier würde ich die Hoffnung nicht so hoch schrauben wie Sie. Was man nicht außen vor lassen sollte, ist, dass wir deren Gründung unterstützen und begleiten sollten.

Sehr geehrte Damen und Herren, leider entsteht der Eindruck in der Öffentlichkeit, dass der Beitrag der Landesregierung überwiegend aus Reden, Versprechungen und Hinausschieben von Lösungen besteht. Das, was bisher getan wurde, reicht in keinem Fall aus. Die Landesregierung ist aufgefordert zu handeln, denn - ich glaube, da sind wir uns alle einig -, Politik hat nicht nur die Aufgabe vorbeugend zu denken, sondern vor allem auch vorbeugend zu handeln.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber eine Gelegenheit nutzen: Frau Kollegin Taubert, mit dem Missbrauch der Ärzte in diesem Zusammenhang, wissen Sie, Missbrauch gibt es in jeder Berufsgruppe und, ich denke, Missbrauchsdebatten, um irgendwelche Gesetze zu verändern, sollte man weglassen.

Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen und allen Ärzten, dem Pflegepersonal und den Arzthelferinnen für ihre aufopferungsvolle Arbeit im Dienst der Gesundheit unserer Bürger zu danken. Ich denke, diesbezüglich sind wir uns alle einig hier in diesem Haus, ohne deren engagierten Einsatz wäre die gute medizinische Versorgung in Thüringen, die wir immer noch haben, nicht denkbar. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Gumprecht.