Protocol of the Session on October 11, 2007

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Das haben sie ihm aufgeschrieben.)

Ja, das ist klar. Bei Frau Kollegin Kaschuba habe ich gemerkt, sie hat registriert, dass ich eben nicht nur hier die Dinge hinstelle, wie wir sie auf den Plakaten haben, und würde dann auf diese Position, die sie gerade dargestellt hat, noch eingehen. Wenn Sie erlauben, mache ich aber noch einmal mit Kollegen Pilger weiter und komme dann, ich signalisiere das, zu Frau Kaschuba.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Kommen Sie mal zur Sache.)

Also, entschuldigen Sie bitte, es war jetzt nur, weil Sie mir unterstellten, dass ich Ihrer Kollegin nicht zuhörte. Ich gebe zum Schluss vielleicht noch Ulrich Blum, Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, also ein Institut in Ost-/Mitteldeutschland: „Ein Mindest

lohn in Deutschland wirkt ab einer Höhe von etwa 5 € schädlich.“ Also, man muss einmal nur im Internet rufen und dann bekommen Sie die ganzen Belege, die das bringen. Ich höre mal mit der Aufzählung auf und möchte gern in Richtung der Frau Kollegin Kaschuba auch deutlich sagen, es gibt eine hochinteressante Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle von Herrn Ragnitz und von Herrn Marcel Thum, das ist das IFO-Institut für Wirtschaftsforschung in der Niederlassung in Halle. Im Übrigen hat die Bild-Zeitung gestern nur den Siebert, glaube ich, so hingebracht, also 700.000 Arbeitsplätze gehen weg. Aber hier in dieser Studie steht: „Lohnerhöhungen haben in der Regel negative Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen. Empirische Schätzungen deuten auf eine“ - jetzt kommt es - „negative Lohnelastizität auf die Arbeitsnachfrage von rund 0,75 hin.“ Das bedeutet, dass bei einer einprozentigen Lohnerhöhung die Beschäftigung um 0,75 Prozent zurückgeht. Das heißt also, je weiter der bisher gezahlte Lohn für eine bestimmte Tätigkeit vom neuen Mindestlohn entfernt ist, desto größer ist die notwendige Lohnerhöhung und deshalb ist der Anteil der verdrängten Jobs stärker. Also, „Mindestlohn 7,50 €“, schreiben die beiden Wissenschaftler, „führt zu einer Reduktion der Beschäftigung im Niedriglohnbereich um 621.000 Personen“, 26,7 Prozent, und das ist, liebe Frau Kollegin, genau der Ansatz, den ich sage. Also, wenn Sie über 600.000 Personen weniger in Arbeit haben, dann haben Sie 621.000 Personen weniger, die Kaufkraft haben, um überhaupt in das Geschäft einzutreten, von dem Frau Kollegin Kaschuba vermutete, das ist jetzt die eierlegende Wollmilchsau. Ich muss den Leuten immer nur melden, mehr Geld geben, dann rennen die los und kaufen mehr ein, dann muss mehr produziert werden und am Ende hat die Frau Finanzministerin mehr Geld. Das funktioniert leider nicht so, wenn Sie Arbeitsplätze vernichten und damit natürlich auch Kaufkraft vernichten.

Herr Abgeordneter Kretschmer, zwei Damen wünschen, Ihnen jetzt Fragen zu stellen. Gestatten Sie die Anfragen von Frau Leukefeld und von Frau Dr. Kaschuba?

Also, ja sagen Sie. Bitte, Frau Abgeordnete Leukefeld als Erste und danach Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba.

Wir wollen ja auch lernen. Herr Abgeordneter Kretschmer: Wie erklären Sie sich es denn aber, dass es praktische Beispiele in europäischen Ländern gibt, beispielsweise in Großbritannien mit einem Mindestlohn von über 8 €, wo nachweislich seit Einführung

400.000 Arbeitsplätze neu geschaffen wurden? Also, ich meine, das ist doch das praktische Beispiel dazu. Wie erklären Sie sich das?

Auch das haben wir, Frau Kollegen Leukefeld, glaube ich, hier schon besprochen. Ich leiste natürlich gern einen Beitrag zu Ihrer Bildung. Ich denke, ich kann mich gut entsinnen, gesagt zu haben, wir haben keine vergleichbaren Verhältnisse in der Frage der Sozialpolitik. Dann müssen Sie den Leuten auch sagen, wir wollen die Bedingungen der Sozialpolitik in England haben und wir haben null Kündigungsschutz. Die Kollegen von der SPD bringen ja - das schaffen wir heute nicht mehr - noch genau so einen spannenden Antrag zur Zeitarbeit. Dort sehen Sie genau dasselbe. Das, was Bedingungen der Zeitarbeit in England sind, sind Dinge, die wir wahrscheinlich hier gar nicht akzeptieren würden. Also, das hat natürlich seinen Preis. Deshalb kann man das nicht miteinander vergleichen. Ich kann nicht aus jedem System mir das Gute herausnehmen und das Schlechte drücke ich weg und ignoriere ich. Das ist die Antwort, die ich eigentlich auch schon mehrmals gegeben habe, insofern sind wir nicht vergleichbar.

Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba bitte.

Herr Kretschmer, ich bleibe bei den Beschäftigung schaffenden oder vernichtenden Effekten, je nachdem, von welcher Sache man spricht oder von welcher Seite man das betrachtet. Ich muss es mit einem kurzen Beispiel verbinden. Mir hat kürzlich eine Friseurmeisterin erzählt, dass ihre Beschäftigten alle mit diesem berühmten ungefähr 450-€-Lohn nach Hause gehen, aber täglich eine bestimmte Summe erwirtschaften müssen. Da sie Aufstockerinnen sind, haben sie sozusagen für sich überhaupt kein Ziel formuliert, mehr Leistung zu erbringen. Die Folge wird sein, dass dieser Laden wieder geschlossen wird. Können Sie das mal in Zusammenhang mit dem Mindestlohn bringen?

Richtig. Ich wollte, als Sie beide anstanden, nicht sagen, ich habe jetzt die Friseurmeisterin auch noch, nicht dass Sie sagen, ich mache hier antifeministische Äußerungen, aber da Sie jetzt die Friseurmeisterin bringen, kann ich meinen Artikel ja vorholen. Ich habe hier Frau Sybille Hahn. Frau Sybille Hahn ist die Obermeisterin der Landesinnung des Thüringer Friseurhandwerks, also unverfänglich, dass ich mir etwas herbeihole. Ich weiß nicht, mit wem Sie ge

sprochen haben. Die sagt, 3,18 € Stundenlohn bekommt eine ausgelernte Friseurin im ersten Berufsjahr. Finden Sie das in Ordnung? Natürlich ist das in Ordnung, sagt sie. Die Summe 3,18 € ist der reine Sockelbetrag ohne Leistungszuschlag, ohne Trinkgeld. Sie sagt dann weiterhin, von den 3,18 € pro Stunde kann keiner leben. Das muss ja auch keiner, ihre Antwort. Mit Leistungszuschlag bekommt jede tüchtige Berufsanfängerin spielend mehr Geld oder sie geht in die Schwarzarbeit. Ja, ich kann es Ihnen nur vorlesen.

In dem Zusammenhang auch noch mal Folgendes: Ich befürchte, Sie hatten mir nicht genau zugehört. Die 2,15 € waren für mich ja nicht der Wunsch, dass die Leute nur 2,15 € bekommen sollen, sondern ich habe gesagt, ab 2,15 € stellt sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer besser als bei einem Mindestlohn von 6,50 €. Das heißt - also jetzt komme ich wieder auf den Friseur zurück -, je mehr dieser Niedriglohnbereich ansteigt, 3,18 €, da steht er allemal besser mit dieser Kombination Bürgergeld.

(Beifall CDU)

Das wollte ich noch mal dazu sagen. Ich glaube, ich habe jetzt zumindest die Fragen, die noch bei der Kollegin Kaschuba offen waren, mit beantwortet. Herrn Kollegen Pilger bitte ich einfach darum, so ein bisschen Rücksicht darauf zu nehmen, was der Vorredner gebracht hat, und nicht nur ausschließlich das abzulesen, was Ihnen Ihre Kollegin oder Ihr Kollege aufgeschrieben hat.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Das hat er sehr wohl gemacht, Herr Kretschmer. Da haben Sie nicht zugehört.)

Seitens der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung Minister Reinholz bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion einen flächendeckenden Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der nicht unterschritten werden darf. Zusätzlich wird die Landesregierung aufgefordert, die Bundesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns zu unterstützen. Außerdem soll bekräftigt werden, dass branchenspezifische Lösungen nach dem Arbeitnehmer-Entsende

gesetz oder dem Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen möglich und erwünscht sind. Der Landtag soll diese Positionen unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung bleibt jedoch bei ihrer Position, dass wir keine Bundesratsinitiative zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ergreifen. Das Thema Mindestlohn haben wir im Übrigen anlässlich der Plenarsitzung am 2. März dieses Jahres zur Großen Anfrage der Linkspartei-Fraktion „Arbeit und Entlohnung in Thüringen“ schon einmal ausführlich debattiert. Ökonomisch betrachten wir einen flächendeckenden einheitlichen Mindestlohn nach wie vor nicht als ein Erfolg versprechendes Instrument. Anders, meine Damen und Herren, sieht es mit einem Mindesteinkommen aus. Wenn der Arbeitslohn eines Arbeitnehmers nicht ausreicht, könnte er aufgestockt werden. An diesem Punkt verweise ich auf die Initiative unseres Ministerpräsidenten Dieter Althaus zum Solidarischen Bürgergeld. Mit derartigen marktgerechten Konstruktionen kann ein geringer Lohn durchaus sinnvoll gestützt werden.

(Beifall CDU)

Aber zum Thema: Eigentlich, meine Damen und Herren, steht in Deutschland fest - und wir sind seit Jahrzehnten auch stolz darauf -, Löhne müssen zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt werden. Die Tarifautonomie ist spezifisches deutsches Recht und sie wird schließlich bei jeder Gelegenheit auch von der SPD und den Gewerkschaften umfangreich eingefordert. Löhne können und sollen nicht vom Staat festgesetzt werden. Auch branchen- und regionalspezifische Gesichtspunkte kann nicht der Staat, sondern können nur autonome Tarifpartner angemessen berücksichtigen, wobei es allerdings die Möglichkeit gibt, branchenbezogene Mindestlöhne in Form des Entsendegesetzes zu berücksichtigen. Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat sich darauf geeinigt, weitere Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen. Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag der Tarifparteien einer Branche bis zum Stichtag 31. März 2008. Erst dann kann ein Gesetzgebungsverfahren zur Aufnahme von Branchen in das Entsendegesetz eingeleitet werden. Eine spätere Aufnahme von Branchen ist dabei jedoch nicht ausgeschlossen. Für Wirtschaftszweige und Regionen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder die Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, soll das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahr 1952 modifiziert werden. Gesetzlich festgelegte Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz gibt es bisher schon im Baugewerbe, im Maler- und Lackierhandwerk, im Dachdeckerhandwerk, im Abbruchgewerbe, seit Juli 2007 im Gebäudereinigerhandwerk und seit diesem

September auch im Elektrohandwerk.

Für die Beschäftigten der Briefdienstleister wird die Aufnahme in das Entsendegesetz vorbereitet, auch wenn es derzeit mehr als umstritten ist. Wir verfügen also bereits über Instrumente, die branchenspezifischen Erfordernissen durchaus Rechnung tragen können. Mit dem Gesetzentwurf zum Mindestlohn geht Rheinland-Pfalz jedoch über diese Option weit hinaus. Es soll ein Mindestlohn als unterste Entgeltgrenze festgelegt werden. Darüber hinaus sind in diesem Entwurf weitere sogenannte branchenspezifische Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz vorgesehen. Begründet wird der Gesetzesantrag aus Rheinland-Pfalz damit, dass 2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigte zu Löhnen, die weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohns betragen, arbeiten. Außerdem sind etwa 560.000 Menschen auf die ergänzende Grundsicherung angewiesen. Nach Meinung führender Wirtschaftsinstitute, und wir haben das hier schon sehr ausführlich von Herrn Kretschmer dargestellt bekommen, würde ein einheitlicher Mindestlohn beispielsweise von 7,50 € einen Verlust von 620.000 Arbeitsplätzen in Deutschland bedeuten. 122.000 wären in den neuen Ländern gefährdet.

Meine Damen und Herren, ich kann auch nicht verstehen, warum Sie sich diesen Argumenten verschließen. Das sind Volkswirtschaftler, die so was sagen,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Weil das nur Theorie ist.)

die davon Ahnung haben. Ja, das Schöne ist natürlich, Herr Matschie, dass Sie Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft studiert haben und deshalb auch so taff sind auf dem Gebiet.

(Beifall CDU)

Selbst bei einem Mindestlohn von 6,50 € wäre mit einem Rückgang der Beschäftigung im Niedriglohnsegment um 27 Prozent zu rechnen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Ich setze auf die praktische Erfahrung.)

Herr Matschie, ich weiß nicht, wo Sie Ihre praktische Betriebserfahrung hinzugewonnen haben, im Controlling-Bereich oder irgendwo in der Geschäftsführung eines Unternehmens.

Ein einheitlicher Mindestlohn würde zudem erheblich die Wiedereingliederungsmaßnahmen von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt erschweren, wenn nicht sogar für immer verhindern. Das müssen Sie dann den Langzeitarbeitslosen auch sagen. Ohne Berufsausbildung verringern sich nämlich auch die Chancen. Das ist oftmals auch ein Grund für Lang

zeitarbeitslosigkeit. Wir haben - und das wissen wir ja alle - immer noch ein Fünftel Abbrecher im Bereich der Ausbildung. Auch ein Vergleich von Mindestlöhnen mit anderen Ländern, den ich nun hier schon x-mal gehört habe, hinkt einfach. Schließlich sind wesentliche Modalitäten des Arbeitsrechts in Europa unterschiedlich geregelt. Steuersätze, Rechtsvorschriften und Sozialabgaben divergieren nämlich ganz erheblich. Sie können hier nicht einfach - und das machen Sie mit schöner Regelmäßigkeit - Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Beifall CDU)

Wer wirklich Mindestlöhne will, der muss auch bereit sein, mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zuzulassen, und der muss übrigens auch eine deutliche Lockerung oder gar Abschaffung des Kündigungsschutzes und eine Infragestellung der Flächentarifverträge in Kauf nehmen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Es gibt auch Länder mit gutem Kündigungs- schutz und Mindestlohn.)

Ja, Herr Matschie, nennen Sie mir mal ein Land, was Mindestlohn zahlt und was Kündigungsschutz hat, Kündigungsschutz in der Größenordnung hat wie wir. Wer nämlich das eine will, Herr Matschie, Mindestlohn, der muss dann auch das andere mögen, nämlich Abschaffen der Teilzeitarbeit und des Kündigungsschutzes. Bloß, das müssen Sie den Leuten draußen auch sagen und ihnen nicht immer irgendwas von Mindestlohn vorgaukeln und sagen, na, Freunde, wir machen alles, wir machen die eierlegende Wollmilchsau. Wir machen sowohl Mindestlohn als auch Kündigungsschutz, als auch Teilzeitarbeit, als auch Tarifflächenverträge. Das geht einfach nicht. Da sind Sie ja wieder so, das sagen Sie den Leuten draußen nicht, darum drücken Sie sich dann vornehm herum.

Die Forderung nach Mindestlöhnen wird ja in der Regel auch mit der Notwendigkeit begründet, ein existenzsicherndes Mindesteinkommen gewährleisten zu wollen. Wer aber aufgrund eines Handicaps oder der schlechten Arbeitsmarktlage - aus welchen Gründen auch immer - nur einen niedrigen Lohn erzielen kann und bedürftig ist, dem gewährt schon heute das Arbeitslosengeld ein Kombi-Einkommen. Diese transfergestützten Einkommen sichern letztendlich den Lebensunterhalt. Mit dem Arbeitslosengeld II gibt es in Deutschland also faktisch schon ein existenzsicherndes Mindesteinkommen. Dieses staatlich gestützte Mindesteinkommen entspräche bei Alleinstehenden - und nun hören Sie gut zu - einem Bruttostundenlohn von rund 5 € und bei einem Verheirateten mit zwei Kindern sogar fast 9,50 €. Dabei sind noch nicht mal die Zuschläge im ersten Jahr nach

Bezug des Arbeitslosengeldes sowie die Freibeträge für ein eigenes zusätzliches Erwerbseinkommen eingerechnet. Vor diesem Hintergrund sehe ich einen Mindestlohn nicht für sinnvoll an, sondern ein eindeutig geregeltes Mindesteinkommen. Es muss nur anders strukturiert sein als indirekt über das ALG II. Wenn der Arbeitslohn nicht ausreicht, dann sollte der Lohn zu einem existenzsichernden Mindesteinkommen auch aufgestockt werden. Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnbereich können dann aber konsequenterweise auch kein ALG II bekommen, sondern sie erhalten eben einen Lohnzuschuss. Ich bin der Meinung, wer Vollzeit arbeitet, der darf nicht wie ein Arbeitsloser behandelt werden. Für eine bestimmte Dauer würde in einem solchen Fall beim Lohnzuschuss auch keine Vermögensanrechnung mehr stattfinden, wie die ja im ALG II erforderlich ist. Seit Mitte des vergangenen Jahres hat sich die wirtschaftliche Lage und auch die arbeitsmarktpolitische Lage in Deutschland und in Thüringen ganz deutlich verbessert. Im September 2007 hatten wir in Thüringen eine Arbeitslosenquote von 12,1 Prozent. Das ist, auch wenn Sie es nicht gern hören, der niedrigste Wert seit 1991. Bei den Langzeitarbeitslosen registrieren wir einen Rückgang zum Vorjahresvergleich um über 18 Prozent. Wir haben über 18 Prozent Langzeitarbeitslose weniger. Bei den Jugendlichen sind es sogar über 20 Prozent. Nur denen müssen Sie dann auch sagen, wir führen Mindestlohn ein und das war es für alle Zeit für euch. Verabschiedet euch bis zur Rente in die Arbeitslosigkeit. Besonders die hochqualifizierten Fachkräfte sind nämlich gefragt. Zur Jahresmitte dieses Jahres hatten wir 50 Prozent weniger arbeitslose Chemiker, Physiker, Techniker etc. Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, meine Damen und Herren, steigt ständig weiter. Ich gehe davon aus, dass der damit verbundene stärkere Wettbewerb um Fachkräfte sich zukünftig auch positiv auf die Entlohnung und die Beschäftigungsstruktur auswirken wird. Wir sehen das auch bei den erfolgreichen Ansiedlungen, Lufthansa, RollsRoyce, bei denen ein Teil der Arbeitnehmer Rückkehrer aus den alten Bundesländern sind und die letztendlich hier ähnlich bezahlt werden wie in den alten Bundesländern und nicht mehr den Stress und den Aufwand haben mit einer zweiten Wohnungsführung in Stuttgart, München oder Frankfurt. Der Weg eines zweigestuften Mindestlohns zunächst flächendeckend und darüber hinaus als erhöhter branchenbezogener Mindestlohn kann uns, meine Damen und Herren, nicht weiterhelfen.

Der vorliegende Antrag der SPD ist aus meiner Sicht deshalb entschieden abzulehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor, so dass ich die Aussprache schließen kann. Ausschussüberweisung des Antrags ist nicht beantragt worden, so dass wir direkt über diesen Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/3317 abstimmen.

Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Es gab mehrfach unterschiedliche Zahlen. Es sind jetzt 39 Jastimmen. Die Gegenstimmen bitte. Das sind 42 Gegenstimmen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Eine Bemerkung mal dazu: Wenn wir zählen, dann zählen wir ordentlich, und zwar so, dass die Zahlen von allen Zählern hier stimmen. Dass dabei sich die Mehrheitsverhältnisse im Saal verändern, will ich überhaupt nicht kommentieren. Aber es war ein Abstimmungsergebnis von 39 : 42, das ist von uns allen hier bekundet. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und damit auch den heutigen Plenarsitzungstag.

E n d e d e r S i t z u n g: 19.09 Uhr