Liebe Kollegen, ich denke, mittlerweile gehört es zum Allgemeinwissen, dass in Deutschland zukünftig die Zahl und der Anteil älterer Menschen stark zunehmen wird. Die demographische Entwicklung und der damit verbundene Wandel der Altersstruktur führen zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten. Gegebenenfalls, und auch davon spricht man, kann es zu markanten Umbrüchen kommen. Dies ergibt nicht nur einen Strukturwandel des Alters, sondern auch einen Bedeutungswandel. In unserer Großen Anfrage sollte eine erste Bestandsaufnahme vorgenommen und im Weiteren daraus resultierende politische und fachliche Forderungen abgeleitet werden. Den Auftakt dafür bildete der Seniorenkongress „Aktiv in Thüringen“, den wir am 31. März 2007 durchgeführt haben. Ich kann hier resümieren und einschätzen, er war ein großer Erfolg und durch die Fachvorträge und Diskussionen konnten wir eine Vielzahl von Anregungen aufnehmen. Einige davon finden sich auch in unserem Alternativantrag wieder.
Mit unserer Forderung, u.a. nach einem seniorenpolitischen Konzept, wollen wir den Versuch unternehmen, in einer zeitlichen Fortsetzung und Entwicklung die Lebenswelten bzw. die Lebenssituationen von Seniorinnen und Senioren in Thüringen zu erfassen sowie die weitere Entwicklung auch der Infrastruktur zu beschreiben.
Ebenso hat der Kongress gezeigt, dass Seniorinnen und Senioren Verantwortung für sich selbst übernehmen, gesundheitsbewusst leben und Herausforderungen als Chance sehen und sich diesen auch stellen. Es war deutlich zu sehen, dass es die Bereitschaft gibt, Verantwortung für die Familie, für die Nachbarschaft, die Gesellschaft zu übernehmen und sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen zu engagieren. Das freut und bestärkt mich in meiner Sichtweise, dass Seniorinnen und Senioren als gewaltiges Potenzial der Gesellschaft zu sehen sind. Die zunehmende Lebenserwartung der Älteren einerseits und die abnehmende Geburtenrate andererseits beeinflussen gesellschaftliche, soziale und vor allem wirtschaftliche Faktoren. Es spricht vieles
dafür, dass die Bevölkerungsgruppe der über 60Jährigen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ca. 30 Prozent der Thüringer Bevölkerung ausmachen wird, dass diese Gruppe an enormer Bedeutung gewinnt. Damit ist sowohl gemeint, dass die Altenbevölkerung in wachsendem Maße sozialstaatliche sowie Kranken- und Pflegeversicherungsleistungen in Anspruch nehmen wird. Damit ist jedoch auch andererseits gemeint, dass die Altenbevölkerung in erheblichem und wachsendem Umfang das stiftet, was man in der Literatur als Sozialkapital bezeichnet.
Unter „Sozialkapital“ versteht man die Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen, gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sein können. Das soziale Kapital generiert sich über Beziehungen zwischen Menschen, die wesentlich durch Organisationen und Vereine, durch familiäre und interfamiliäre Beziehungen, nachbarschaftliche Nähe hergestellt werden. Soziales Kapital bietet für gerade ältere Menschen einen Zugang zu den Ressourcen des sozialen und gesellschaftlichen Lebens, die da sein können Unterstützung, Hilfeleistung anerkennen, Wissen, Finden von Arbeitsplätzen etc. Es produziert und reproduziert sich über Tausch-, Freundschafts-, Bekanntschafts- und Gelegenheitsbeziehungen, über gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten, Besuche und Ähnliches. Soziales Kapital entsteht durch die Bereitschaft der Bürger, sich für das Gemeinleben zu engagieren und miteinander zu kooperieren, durch familiäre und generationsübergreifende Verantwortungsübernahme.
Es benötigt natürlich eine Basis des Vertrauens, auf der sich Kooperation und gegenseitige Unterstützung entwickeln können, um einige Beispiele zu nennen. Die Lebenszufriedenheit, praktische Lebensrealisierung und Lebenswürde eines in Thüringen beheimateten 80-Jährigen resultiert z.B. nicht allein dadurch, dass er Renten-, Kranken- und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen kann, sondern wesentlich dadurch, dass er über soziale Kontakte und Beziehungen verfügt, über die er Unterstützung, Anregung, Lebensfreude, Anerkennung und Vertrauen erschließen kann. Für die Gesellschaft verringert soziales Kapital soziale Kosten in dem Maße, wie Hilfeleistungen und Unterstützung im Rahmen von Beziehungsnetzwerken erbracht werden. Umgekehrt steigen die Kosten für die Unterstützung und Hilfeleistungen für Kranke, Alte, Behinderte in dem Maße, wie in modernen Gesellschaften im Zuge der Individualisierung und steigenden Mobilität Beziehungsnetze wie Nachbarschaften, Freundschaften, Vereinsstrukturen u.ä. nicht mehr greifen.
Damit ist eigentlich der Rahmen einer zukünftigen Seniorenpolitik abgesteckt. Es geht auf landespolitischer Ebene einerseits natürlich um praktische Da
seinsfürsorge, für die nicht nur die Kommunen Verantwortung tragen, sondern für die es auch eine landespolitische Verantwortung gibt - da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht, Kollegin Künast. Das heißt, es geht um die Gewährleistung von Sozialversicherungsleistungen, darüber hinaus um die Förderung von Unterstützung und Selbsthilfepotenzialen, um gravierenden sozialen Notlagen im Alter abzuhelfen, die durch geringe Einkommen, chronische Krankheiten, Einsamkeit, Isolation, Behinderung und geringen Bildungsstatus entstehen können. Andererseits zeichnet eine verantwortungsvolle moderne Seniorenpolitik aus, dass sie einerseits generationsübergreifend ist, dass sie Querschnittsaufgaben für andere Politikbereiche, wie für die Familien, Infrastruktur, Arbeitsmarkt oder Bildungspolitik formuliert, dass sie die Generationen der über 65-Jährigen nicht als eine ausschließlich alimentierte Bevölkerungsgruppe versteht, sondern sich deren Ressourcen und Potenzialen bewusst wird und dass sie die Bildung von Sozialkapital durch und für ältere Menschen erschließt.
Eine solche Politik stellt die Ressourcen und Potenziale von älteren Menschen in den Mittelpunkt, sie fördert das Engagement von Senioren und Seniorinnen sowie deren Anerkennung und Würdigung, schafft Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement sowie gesetzliche Grundlagen für dieses Engagement und unterstützt Vereine und Initiativen, über die dieses soziale Kapital generiert wird und die eine landespolitische Bedeutung haben.
Was bringt uns nun die Große Anfrage der CDUFraktion sowie die Antwort der Thüringer Landesregierung? Ich denke, hier gilt es, zwei wichtige Schwerpunkte zu benennen:
1. Über offene Altenarbeit als legitimes Feld der sozialen Arbeit ist bisher wenig bekannt und ihre Bedeutung wurde lange Zeit unterschätzt. Die Große Anfrage der CDU-Fraktion und die Antworten der Landesregierung führen dazu, dass Seniorenarbeit und die Thüringer Senioren stärker in den Focus der Politik der Landesregierung kommen und dass ihre legitimen Anliegen auf einer politischen Ebene auch wahrgenommen und verhandelt werden, dass der demographische Wandel als Querschnittsaufgabe der Landespolitik wahrgenommen wird und dass letztendlich Seniorenarbeit und Altenhilfe als wichtiges Aufgabenfeld verstanden werden.
2. Die Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion befriedigen natürlich ein wichtiges Informationsbedürfnis gerade unserer älteren Menschen. Sie unterstützen einen notwendigen Paradigmenwechsel, der auf anderen sozialpolitischen Gebieten durchaus bereits vollzogen ist, weg von einer rein alimentierenden hin zu einer aktivie
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hinsichtlich landespolitischer Schwerpunkte im Bereich der Altenarbeit spielt der Bereich Altenhilfe bzw. der der sozialen Seniorenarbeit eine wichtige Rolle. Der Bereich der Altenhilfe bzw. der sozialen Seniorenarbeit ist jedoch weder begrifflich noch als Handlungs- und Arbeitsbereich klar umrissen. Die aktuelle Situation in Thüringen ist durch die Geschichte, durch die rechtlichen und politischen Gegebenheiten derzeit jedoch vor allem durch die politische Diskussion um Gesundheit, Rente und Pflegeversicherung, durch Trägerinteressen, Berufsgruppen, den Betroffenen selbst, mit häufig konkurrierenden Problemen und Handlungsansätzen sowie perspektivische Vorstellungen gekennzeichnet. Soziale Seniorenarbeit versteht sich dabei allerdings nicht nur als Präsentation des individuellen Hilfeangebots für ältere Menschen, sondern ist auch in ihrer gesamtgesellschaftlichen Funktion zu betrachten. Dies heißt allerdings nicht, dass jeder ältere Mensch zwangsläufig als potenzieller Adressat eines sozialen Hilfsangebots gesehen werden muss. Insbesondere die Überlegungen zur demographischen Entwicklung oder zur Abwanderung in Thüringen zeigen, dass hier keinesfalls nur altersspezifische Aspekte wirksam sind.
Werte Kollegen, die zentralen und klassischen Institutionstypen der Altenhilfe waren bisher sehr stark und einseitig auf den Hilfe- und insbesondere auf den Pflegebedarf ausgerichtet. Ein markantes Beispiel hierfür war in Thüringen die in den letzten Jahren vollzogene Sonderinvestitionsförderung nach Artikel 52 Pflegeversicherungsgesetz, welche im Jahr 2005 beendet werden konnte. Im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms konnten 160 stationäre Pflegeeinrichtungen neu gebaut bzw. umgebaut und saniert werden. Das sind ca. 12.000 Heimplätze, die modernen und wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Die Gesamtförderung betrug mehr als 663 Mio. € in den Jahren 1994 bis 2005. Mit der Abfinanzierung des Programms galt es aber auch, den Blick zu öffnen in Richtung der Vernetzung von Angeboten, Leistungen und Diensten, vor allem im ambulanten und niedrigschwelligen Sektor sowie in der Prävention. Hierzu gehören die Öffnung und fachliche Weiterentwicklung, insbesondere der Alten- und Pflegeheime, der Kurzzeit- und Tagespflege und der Sozialstationen oder Hospizdienste genauso wie der ambulanten Hilfen des betreuten Wohnens und Ähnliches. Dies entspricht auch dem in der Altenhilfe gültigen und im SGB XI verankerten Grundsatz „ambulant vor stationär“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Betreuung und Versorgung solange und soweit wie möglich zu Hause zu ermöglichen, ist ein wichtiges
Ziel. Der Freistaat Thüringen verfügt über ein flächendeckendes Netz von 388 ambulanten Pflegeeinrichtungen, die von den Pflegekassen zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen sind. Diese Einrichtungen pflegen und versorgen die Pflegebedürftigen unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft zu Hause in der eigenen Wohnung. Zur Verbesserung der häuslichen Pflege, insbesondere von demenzkranken Menschen, gewähren die Pflegekassen einen zusätzlichen Betreuungsbetrag in Höhe von bis zu 460 € je Kalenderjahr. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel sind zweckgebunden für bestimmte qualitätsgesicherte Betreuungsangebote einzusetzen und sie dienen der Entlastung pflegender Angehöriger.
In der Großen Anfrage in Kapitel 14 haben wir sehr dezidiert zu der pflegerischen und vorpflegerischen Versorgung nachgefragt. Ich möchte es an dieser Stelle nicht verabsäumen, noch einmal zu erwähnen, dass die Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige verbessert werden müssen - gar keine Frage. Es muss geprüft werden, inwieweit pflegende Angehörige für eine bestimmte Zeit einen Anspruch auf Freistellung erhalten können. Wir sind froh, an dieser Stelle in der Antwort auf die Große Anfrage erfahren zu haben, dass die Landesregierung sich insbesondere für die Initiativen zur Einführung einer Pflegezeit, durch die pflegende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf unbezahlte Freistellung von Arbeit bzw. Teilzeitbeschäftigung erhalten sollen, einsetzen wird.
Weiterhin unterstützen wir, dass sich die Landesregierung im Rahmen der Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes für entsprechende gesetzliche Regelungen einsetzen wird, die direkt oder indirekt der gesellschaftlichen Anerkennung von Pflegekräften oder Pflegetätigkeit dienen.
Ein wichtiges Anliegen ist die Sicherstellung der beruflichen Ausbildung und der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Pflege von alten Menschen. Im Freistaat Thüringen wurde sehr deutlich dargestellt, dass die Umsetzung des Altenpflegeausbildungsgesetzes auf Landesebene und die Sicherstellung der Ausbildung ein wichtiges Anliegen darstellte. Mit der durch die Landesregierung angekündigten Aktualisierung der Regelungen im Thüringer Altenpflegegesetz im Hinblick auf die künftigen Anforderungen auch an das Hilfspersonal wird der Qualitätssicherung in der Altenpflege erneut bzw. insbesondere Rechnung getragen.
Liebe Kollegen, wie sich der Einzelne als Kind, als Jugendlicher oder als Erwachsener verhält, beeinflusst auch den individuellen Altersprozess im Seniorenalter. Unmittelbar damit verknüpft sind die jeweiligen Einstellungen und Motivationen zum Lernen
und zur Weiterbildung. Mit dem Anstieg des gesamtgesellschaftlichen Bildungsniveaus in den vergangenen Jahren sind auch die Anforderungen und Möglichkeiten der Aneignung von Bildung gestiegen. Die vergleichsweise bessere Ausbildung, das Bewusstsein und die Motivation zum lebenslangen Lernen beeinflussen inzwischen das dritte Lebensalter in hohem Maße. Die Ausbildung, die Technisierung und Umstrukturierung der Arbeitswelt haben zur Folge, dass inzwischen weniger körperlich stark belastende Tätigkeiten ausgeübt werden müssen. Dadurch gehen natürlich auch die Häufigkeit und die Schwere der daraus resultierenden Erkrankungen und Einschränkungen im Alter zurück. Allerdings ist anzunehmen, dass dabei möglicherweise die psychischen Belastungsfaktoren neuere bzw. andere Erkrankungen bewirken.
Für die sozialen Dienste, aber auch für die Weiterbildungsträger werden Unterstützung, Betreuungs- und Beratungsangebote relevant, die von Hilfen bei somatischen Beeinträchtigungen ergänzt werden können. In diesem Kontext wird Lernen und Weiterbildung zusehends bedeutsam, um nach Beendigung des Erwerbslebens sich in der späteren Lebensphase orientieren zu können und damit sich persönlich auch eine hohe Lebensqualität sichern zu können. So lassen sich Selbständigkeit und Mobilität im Alter unterstützen, was tendenziell einer eventuellen Hilfe oder sogar Pflegebedürftigkeit entgegensteuert. Die Träger im Bereich der Fort- und Weiterbildung sind gefordert, diese Aspekte bei der Konzipierung und Gestaltung ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Der Wandel der Altersstruktur zählt zu den großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Die demographische Entwicklung wird dabei mit dem Verweis auf eine alternde Gesellschaft nur verkürzt beschrieben. Bei den Veränderungen ist nicht nur von einem zunehmenden quantitativen Anteil von älteren Menschen an der Gesamtgesellschaft auszugehen, sondern auch von einer damit verbundenen qualitativen und strukturellen Veränderung. Gleichzeitig haben das Rentenalter und der Ruhestand längst nicht mehr das ihm früher zugeschriebene Merkmal einer Restzeit, die es noch irgendwie zu durchleben gilt; vielmehr ist die Nacherwerbsphase schon seit Jahren zu einer länger währenden Lebensphase mit eigenen Implikationen geworden. Das bewirkt die Entwicklung neuer Biographieverläufe und ermöglicht auch die Entwicklung neuer Beteiligungsformen am Leben der Gesellschaft.
Mit der heute erreichbaren besseren gesundheitlichen Verfassung, dem höheren Qualifikationsniveau und insbesondere der besseren materiellen Absicherung im Vergleich zu früheren Generationen erhalten die Älteren einen neuen Stellenwert. Sie wer
den zu Recht als neue und wachsende Zielgruppe mit eigenem Potenzial und Fähigkeiten anerkannt. Der soziale Nahraum, die Wohnung und die Wohnungsausstattung erlauben Handlungs- und Betätigungsmöglichkeiten, die mit zunehmendem Alter immer wichtiger werden.
Um zu erreichen, dass ältere und alte Menschen möglichst lange selbständig in ihrer vertrauten Umgebung leben können, genügt es nicht, allein die Wohnungsausstattung bzw. die Wohnform entsprechend zu planen. Entscheidend ist auch, in welchem Wohnumfeld die Wohnung liegt bzw. wie die Wohngebietsinfrastruktur in Bezug auf Verkehrserschließung, kulturelle und allgemeine Versorgungsangebote beschaffen ist. Die Wohnform entscheidet wesentlich darüber, wie lange ältere und alte Menschen ihr Leben in den vertrauten vier Wänden selbst bei nachlassenden Kräften selbständig führen können, in welchem Umfang die Unterstützung durch Sozialstationen und andere ambulante Dienste notwendig wird, aber auch darüber, wie wirksam diese Hilfen sein können und wann der Zeitpunkt erreicht ist, in dem eine Übersiedlung in ein Heim unausweichlich wird. Realtypisch sollten Wohnungen innerhalb der normalen Wohnbebauung möglichst in der unmittelbaren Nähe von Orts- oder Stadtzentren liegen, denn prinzipiell ist eine zentrale Ortslage günstig, damit auch für alte, teilweise mobilitätseingeschränkte Menschen Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungseinrichtungen fußläufig erreichbar sind. Nach den Erfahrungen der Wohnungswirtschaft suchen Seniorenhaushalte vornehmlich diese Wohnlagen und überdies wenden sie sich gegen eine zu hohe Konzentration von Alten in Quartieren. Vielmehr wird eine generationsübergreifende Mieterstruktur bevorzugt. Generell ist die Bereitschaft zum Umzug bei Senioren im Unterschied zur jüngeren Generation deutlich geringer.
In Thüringen gibt es ein breites Spektrum kultureller Angebote von und für alte Menschen. Dabei lassen sich regionale Schwerpunkte ausmachen. Die Palette reicht von Theaterspielen, Schreiben, Computerkursen, Herausgeben von Zeitschriften, um nur einmal eine Auswahl zu nennen. Diese derzeitigen Angebote bieten älteren und alten Menschen die Chance, eigene kreative Fähigkeiten freizusetzen und zu entwickeln, für die in der Regel im Erwerbsleben und in der Zeit der Kindererziehung wenig Raum ist. Auch werden diese mehr und mehr als Möglichkeit der selbstbestimmten Kommunikation gesucht und genutzt.
Ein weiteres Betätigungsfeld sind freizeitbezogene Aktivitäten, insbesondere Sport, Spiel und Tanz. Werden körperliche Bewegung und Sport zielgerichtet betrieben, können sie wesentlich die Gesundheit sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit und das sub
jektive Wohlbefinden verbessern. Ältere und alte Menschen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Interessen schon im vorparlamentarischen Raum in den Prozess der Entscheidungsfindung einzubringen, notwendige Änderungen zu begründen und an Lösungen mitzuarbeiten. Dieser Aufgabe können sich in besonderer Weise die Seniorenbeiräte und -vertretungen auf den jeweiligen Entscheidungs- und Realisierungsebenen annehmen, da sie durch ihre Entstehungsweise und ihre Zusammensetzung grundsätzlich parteiunabhängig und verbandsneutral sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich nur noch ein paar kurze Ausführungen zum Stand der Seniorenarbeit machen. Es gibt in Thüringen zahlreiche aktive Seniorenorganisationen, die Zehntausende von Aktionen initiieren und über die Sozialkapital generiert wird. Angesichts des demographischen Wandels und des Nachlassens familiärer Bindungskräfte in den nächsten Jahrzehnten werden starke Organisationen benötigt, die soziale und soziokulturelle Aufgaben wahrnehmen und die solidarische Kontakte zwischen Menschen pflegen. Mit der Großen Anfrage wollten wir auf die Bedeutung, die Inhalte, auf die Lebenssituation von älteren Menschen und auf die strukturellen Gegebenheiten bzw. Rahmenbedingungen aufmerksam machen. Die Große Anfrage beansprucht nicht, eine vollständige Übersicht geben zu können und ist daher eine Bestands- und Momentaufnahme. In unserer Forderung eines seniorenpolitischen Konzepts beabsichtigen wir allerdings, auf die Wünsche, Interessen und Bedürfnisse älterer Generationen hinzuweisen. Dies ist in der Vergangenheit in der Gesellschaft noch zu wenig geschehen. Die Politik für ältere Menschen hat sich zu einer Querschnittsaufgabe entwickelt und muss gemeinsam mit den älteren Menschen auch im intergenerativen Dialog die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie unter Berücksichtigung des demographischen Wandels konkrete und spürbare Wirkungen auf die Gestaltung des Lebensalltags zeigen und zu einer Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten der älteren Generation führen. Weil uns Politik für die immer größer werdende Gruppe von älteren Menschen auch eine Herzensangelegenheit ist, sollten wir im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit das Thema weiterberaten. Deshalb beantrage ich im Namen der CDU-Fraktion die Überweisung aller Anträge an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist bei der Auswertung von Großen Anfragen ja immer so ein beliebtes Spielchen, die einen, die so ein Stückchen sich das an positiven Antworten heraussuchen, die anderen das, was sie sich an negativen Antworten heraussuchen. Das kennen wir hier. Was Sie aber, Frau Kollegin Jung, vorhin hier vorgetragen haben, ging eine ganze Ecke über das hinaus. Wenn Sie hier dem Sozialministerium oder dem Sozialminister vorwerfen, dass wäre ahnungslos und gewissenlos, so sage ich Ihnen, da geben wir den Ball gern zurück, das ist dummdreist, was Sie hier vorwerfen. Es ist nicht so, das Sozialministerium hat sich im Bereich der Seniorenpolitik in den vergangenen Jahren engagiert, es wird sich weiter engagieren. Deswegen werden wir es auch nicht so stehen lassen, wenn Sie das schlechtreden, im Übrigen auch dann nicht, wenn Sie hier vorgehen und meinen, man könnte vielleicht die Reisetätigkeit von Seniorinnen und Senioren in Thüringen darauf verkürzen, dass man über das Reisebüro der Volkssolidarität diskutiert. Das ist sicherlich ein Bestandteil dessen, was an Reisen für Seniorinnen und Senioren in Thüringen organisiert wird, aber beileibe nicht der einzige und beileibe auch nicht der zentrale Gegenstand unserer Großen Anfrage.
Sie haben, Frau Kollegin Jung, zur Pflegesituation gesprochen. Zur Pflegesituation muss ich schon sagen, die Pflegesituation in Thüringen ist quantitativ und qualitativ gut. Das beschreibt auch die Antwort auf die Große Anfrage. Im Übrigen gehen auch wir als CDU-Fraktion mit unserem Antrag auf das ein, was Sie eingefordert haben. Wir wollen nämlich mit unserem Punkt 4 seniorengerechtes Bauen und alternative Wohnkonzepte. Das ist etwas, das wissen Sie; darauf weist der Finger für die Zukunft. Wir greifen das bewusst auf, aber das ändert nichts daran, dass die Pflegesituation in Thüringen qualitativ und quantitativ gut ist. Das gehört auch dazu, dass man das hier anerkennt, denn das ist der Verdienst dessen, was wir in den letzten 17 Jahren in Thüringen auch geschaffen haben. Dazu gehört auch der Bund mit der Pflegereform, der sich jetzt doch auf den Weg begibt. Denn wir werden die zukünftigen Probleme, die sich auch aus dem demographischen Wandel ergeben, nur auf diesem Weg meistern können. Ich glaube, auch da gehört es dazu, dass wir sagen: Es ist gut, dass diese Pflegereform augenscheinlich auch noch in den nächsten zwei Jahren vernünftig auf den Weg kommt.
Frau Kollegin Jung, weil Sie die Interessenvertretung von Senioren angesprochen haben, da kann ich Ihnen das nicht ersparen, Sie dann zu fragen, wie Sie das mit den Interessenvertretungen selber
so halten. Wenn am 23.05. in Gera ein Seniorenbeirat etabliert wird - ich darf aus der Ostthüringer Zeitung zitieren - „als Ziehkind der PDS-Fraktionsvorsitzenden Jung“, gleichzeitig dort aber eine funktionierende Seniorenvertretung zerschlagen wird, dann muss ich Sie schon fragen, wie ernst Sie das meinen mit Ihrer Seniorenvertretung, die Sie hier auf Landesebene so vehement auch einfordern.
Zu Ihnen, Frau Kollegin Künast: Ja, es war förmlich der Ärger herauszuhören aus Ihrer Stellungnahme, der Ärger vor allem dahin gehend, dass die CDUFraktion die Große Anfrage gestellt hat, dass offensichtlich ein Thema dieser Komplexität auch von der CDU-Fraktion hier zur Beratung in den Landtag hineingetragen wurde. Aber wenn Sie sich hier vorn hinstellen und dann das Agieren der Landesregierung umschreiben oder skizzieren oder illustrieren mit dem Verhalten von kleinen trotzigen Jungen, dann muss ich Ihnen sagen, Ihre Rede, mehr aber noch die Rede der Kollegin Jung hat mich mehr so an die Bockigkeit und Uneinsichtigkeit der einen oder anderen Dame in den besten Lebensjahren erinnert, getreu dem Motto: „Früher war aber alles besser“. Es war nicht früher alles besser und wir sind in der Tat gut beraten, wenn wir gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie wir es jetzt besser können. Aber das beinhaltet nicht, dass man sich hier hinstellt und alles das schlechtredet, was momentan Ist-Stand ist.
Zur Anfrage und zu den Anträgen zurück: Mein Kollege Worm hat darauf hingewiesen, Thüringen und auch Deutschland befindet sich in einem Umbruch. Wir haben sinkende Geburtenziffern, ein steigendes Lebensalter und höhere Lebenserwartung. Natürlich muss die demographische Entwicklung diesem Wandel in unserer Gesellschaft auch Rechnung tragen. Wir alle, glaube ich, in unserer Gesellschaft anerkennen das auch. Allerdings muss ich schon darauf hinweisen, in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegt immer das Damoklesschwert, dieses Damoklesschwert für die Risiken unserer Sozialsysteme und vor allem auch diese Probleme, die immer skizziert werden zwischen den Generationen. Wir wollen als CDU-Fraktion mit unserer Großen Anfrage auch einen Paradigmenwechsel des Altersbildes befördern. Wir wollten nämlich erreichen, dass wir weg von dem Defizitmodell hin zu einem Potenzialmodell kommen in der Beurteilung, wenn wir über die Chancen von älteren Menschen in unserer Gesellschaft sprechen. Die demographischen Veränderungen, die ich skizziert habe, müssen selbstverständlich als eine Chance begriffen werden. Wir wissen, dass die ältere Generation sich engagieren will. Wir wissen auch, dass sie ein enormes Potenzial dazu hat. Dazu gehören auch Lebenserfahrung und umfängliches Wissen in der Arbeitswelt. Da geht es dann um die Frage von Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer. Wir als CDU-Fraktion sagen
deutlich, wir wollen die Beschäftigungschancen erhöhen und wir wollen sie nicht perspektivisch durch immer frühere Frühverrentung reduzieren. Der Beschluss der Bundesregierung, da sind wir uns durchaus mit der SPD einig, zur Rente mit 67 weist auch in diese Richtung.
Erfreulich ist dann durchaus auch, das kann man bei der Großen Anfrage herauslesen, dass sich die Beschäftigungssituation älterer Menschen seit 2003 auch in Thüringen wieder verbessert. Zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Sie steigt im Übrigen ebenso, wenn auch auf einem geringeren Niveau, wie die Zahl der über 65-Jährigen, die in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen tätig sind. Hinzu kommt, auch darauf verweist die Antwort auf die Anfrage, ein deutlicher Anstieg der geringfügig Beschäftigten. Das hat auch Ursachen. 44,8 Mio. € hat das Land im Rahmen des Programms „50 Plus“ zur Schaffung dauerhafter Beschäftigungsverhältnisse ausgegeben und auch bei den Existenzgründungen ist die Generation der über 50-Jährigen mit über 10 Prozent vertreten.
Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren, bekräftigt die CDU-Fraktion: Lebenserfahrung, Kompetenz und Wissen sind unverzichtbare Werte für unsere Gesellschaft. Wir werden insgesamt mit den Antworten auf die Große Anfrage sicherlich Schlussfolgerungen ziehen können, die den eingangs beschriebenen Paradigmenwechsel befördern können. Ich muss aber noch zwei Sätze zu den beiden vorliegenden Anträgen sagen. Die Anträge von CDU und SPD weisen eigentlich in die gleiche Richtung. Die SPD will mit ihrem Antrag den Punkt 3 „Thüringer Leitlinien“ auf der Grundlage kommunaler Seniorenpläne entwickelt haben. Die CDU will in ihrem Punkt 2 des Antrags die Entwicklung der 17 Thesen der Landesregierung zur Seniorenpolitik zu einem „seniorenpolitischen Konzept“. Jetzt kann man darüber streiten, was weitergehend ist, aber es weist ja durchaus in die gleiche Richtung. Wir haben als CDU-Fraktion gesagt, wir wollen einen umfänglichen Bericht über die Arbeit des Landesseniorenbeirats und wir wollen alternative Wohnkonzepte für Senioren stärken. Soweit, denke ich, sind wir uns auch hier im Landtag einig. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, in der Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation unterscheiden wir uns dann schon beträchtlich. Die Begründung der SPD bei ihrer Antragsbegründung, es gäbe in Thüringen auf Landesebene keine Konzeption für eine Seniorenarbeit, ist ebenso falsch wie auch die Unterstellung, dass in den vergangenen Jahren bestehende Unterstützungsstrukturen abgebaut wurden. Die Beantwortung der Großen Anfrage ist Beleg dafür, dass dem nicht so ist. Wir wollen - ich denke, da kann ich hoffentlich auch für alle hier im Plenum sprechen - die Seniorenpolitik in Thü
ringen weiterentwickeln, aber dazu ist es, das sage ich deutlich, unangemessen, die Lebenssituation von Seniorinnen und Senioren zuvor schlechtzureden. Dem ist glücklicherweise nicht so.
Die SPD fordert ein Überdenken der bisherigen Förderschwerpunkte im Bereich der Seniorenpolitik und dass Fördermittel effizienter genutzt werden müssen. Diese Forderung ist ebenfalls zu unterstützen. Aber ebenso richtig ist es auch, dass die Unterstützung der örtlichen Seniorenbeiräte, Seniorenvertretungen, Seniorenbüros, Vereine und Clubs im Wesentlichen in die kommunale Zuständigkeit fällt. Insofern, glaube ich, sind wir auch alle gut beraten, in unseren kommunalen Vertretungskörperschaften darauf mit hinzuwirken.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Seniorinnen und Senioren sind ein großes Potenzial für unsere Gesellschaft, deswegen wollen wir, wie eingangs beschrieben, von dem Defizitmodell weg zu einem Potenzialmodell. Ich hoffe, dass wir uns gemeinsam im Ausschuss mit den beiden Anträgen, mit der Großen Anfrage auf diesem Weg weiterbegeben können. Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Panse, für die Bemerkung „dummdreist“ erteile ich Ihnen eine Rüge, weil das nicht zum Sprachgebrauch des Hohen Hauses gehört.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Worm, Sie haben zum Sonderinvestitionsprogramm des Artikels 52 hier ausgeführt. Diese Ausführungen kann ich nicht unkommentiert im Raum stehenlassen. Das Sonderinvestitionsprogramm des Artikels 52 SGB XI war eine Notwendigkeit, denn, lieber Kollege Panse, es ist richtig, früher war nicht alles besser, das wissen wir sehr wohl und das haben wir auch nie behauptet. Was Sie aber vergessen haben in Ihren Ausführungen ist die Finanzierung des Artikels 52. Es wurde zu 80 Prozent aus Bundesmitteln finanziert, zu 10 Prozent aus Landesmitteln und zu 10 Prozent aus kommunalen Mitteln, die das Land den Kommunen über den Kommunalen Finanzausgleich abgezogen hat. Das sollte wohl der Ehrlichkeit halber hier erwähnt werden. Just in