Protocol of the Session on November 11, 2004

nicht zu erkennen ist, dass eine wirtschaftliche Trendwende in der Bundesrepublik einsetzt, weil die Maßnahmen, die notwendig sind zur Reformierung des Staates, nicht ergriffen werden, müssen wir auch davon ausgehen, dass ein noch größerer Teil der Thüringer Bevölkerung Wohngeldanspruch hat, auch außerhalb von Hartz IV. Deshalb ist es notwendig, dass auch Eigenvorsorge im Haushalt getroffen wird und wir nicht verkennen dürfen, dass Wohngeldansprüche von Thüringer Bürgern auch in der Zukunft bestehen werden und bestehen bleiben müssen und deshalb auch im Landeshaushalt entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Deshalb sind wir gar nicht in der Lage - mein Kollege Wehner wird das nachher im nächsten Tagesordnungspunkt noch mal sagen -, um diese Ansprüche von Thüringer Bürgern, worauf sie einen Rechtsanspruch haben, zu befriedigen, auch im eigenen Landeshaushalt entsprechende Wohngeldmittel zur Verfügung zu stellen. Das müssen Sie, so wie die wirtschaftliche Lage derzeit ist, unweigerlich zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, Deutschland reitet weiter in die Schuldenfalle. Statt endlich Staatsfinanzen zu konsolidieren und zu sparen, wird weiter gewurstelt wie bisher. Ausgaben werden nicht zurückgeführt, sondern durch einmalige Privatisierungseinnahmen im Jahr 2005 gedeckt. Neben 15,5 Mrd.   Verkauf von Post- und Telekom-Aktien sollen zusätzlich 5,2 Mrd.  / verkauf der Pensionsverpflichtungen von Post und Telekom erzielt werden. Damit werden fast 10 Prozent der laufenden Ausgaben durch Einmaleinnahmen finanziert, die im nächsten Jahr im Bundeshaushalt nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie die Einnahmelücke im nächsten Jahr geschlossen werden soll, bleibt danach offen und das zeigt auch die schwierigen Rahmenbedingungen für das Haushaltsaufstellungsverfahren in Thüringen für das nächste Jahr. Wir sehen, es ist keine nachhaltige und solide Haushaltspolitik, sondern der verzweifelte Versuch, sich über die Runden zu retten von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr und vor allen Dingen mit Blick auf die Nettoneuverschuldung zulasten der zukünftigen Generationen. Auch die weiteren Einsparmaßnahmen sind Kosmetik. Die Verschiebung des Tags der Deutschen Einheit auf einen Sonntag mit dem geplanten Wachstum von 0,1 Prozent soll 2 Mrd.  heres BIP bringen. Bei einer Steuerquote von 20 Prozent würden damit 400 Mio.   in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen fließen. Angesichts der Deckungslücken, die ich vorhin genannt habe, die die verfehlte Wirtschaftspolitik aufreißt, ist dies aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein und zeigt zudem auch den von mir benannten fehlenden Respekt vor der Geschichte. In anderen Ländern hätte so eine Debatte überhaupt nicht stattgefunden. Und wir meinen, meine Damen und Herren, mit solchen Einnahmeeinmaleffekten lässt sich Haushalt

nicht sanieren. Erforderlich ist vielmehr, dass man Einnahmen und Ausgaben solide bewertet und keine Sprünge macht in den Haushaltsansätzen, die nicht zu verantworten sind. Deshalb brauchen wir, um den Thüringer Haushalt weiter zu gestalten, weil immerhin 60 Prozent unseres Ausgabenvolumens von Bundesgesetzen vorgeschrieben sind, Reformen in der Arbeitsmarktordnung, eine Reform des Steuerrechts und Reformen bei den Sozialsystemen.

Meine Damen und Herren, deshalb sind die Vorschläge vor allen Dingen von der PDS, die zum Entschließungsantrag vorgelegt wurden, eine Erhöhung bzw. Wiederanhebung des Spitzensatzes der Einkommensteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer, nicht solche Vorschläge, die tatsächlich auf Dauer Thüringer Landeshaushalte sanieren können. Mit diesem unendlich geführten Blick auf die Vermögensteuerdebatte, die wir tatsächlich für eine Neiddebatte halten, aber auch für eine investitionshemmende Debatte, erlaube ich mir, Frau Präsidentin, zum Abschluss Ihnen eine Geschichte vorzutragen, die vielleicht auch beschreibt, wie kurz Vermögensteuer greift.

Herr Abgeordneter Mohring, würden Sie vor der Geschichte eine Anfrage der Abgeordneten Taubert beantworten?

Nein - weder davor, noch danach.

(Unruhe bei der PDS)

Frau Taubert, Frau Präsidentin, von mir aus.

Was heißt das jetzt "von mir aus"? Sie würden die Frage dann doch beantworten?

Sie hatten gesagt: "weder davor, noch danach". Jetzt bin ich etwas unsicher. Ich darf also, okay. Danke, Herr Mohring, sonst wäre unser Tischtuch schon zeitig in der Legislatur zerschnitten gewesen. Ich würde gern eine Tellersammlung machen in den Kommunen. Ich spende mein Ronneburger Stadtratsgeld für Dezember für den Landeshaushalt. Aber meine Frage ist: Kennen Sie denn überhaupt die Gemeindehaushaltsverordnung und wissen Sie denn, dass die Gemeinden schon jetzt Pflichtaufgaben nicht mehr wahrnehmen?

In Ronneburg.

Nein, nicht nur in Ronneburg, in ganz Thüringen. Ich kann Ihnen Beispiele nennen.

Sehen Sie, das beschreibt genau die Situation, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen. Wir sind alle in einer Schicksalsgemeinschaft,

(Heiterkeit bei der PDS)

die Thüringer Kommunen, die Landkreise und das Land. Niemand kann sich doch dagegen wehren, dass hier seit drei Jahren wirtschaftliches Wachstum nicht mehr stattfindet in diesem Land, dass die Arbeitslosigkeit hoch ist wie nie zuvor, dass Nettoneuverschuldung in der Bundesrepublik so hoch stattfindet wie nie zuvor seit dem Krieg, dass Ausgangssituationen da sind, die unbeschreiblich sind.

(Beifall bei der CDU)

Dann sagen Sie, wir sollen zur Kenntnis nehmen, dass Thüringer Kommunen ihre Aufgaben nicht finanzieren können. Auch das Land kann seine Aufgaben nicht finanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Das müssen Sie doch wahrnehmen. Da bleibt es natürlich dabei, wenn ich Verantwortung trage im Bund und auch hier im Land, dass ich meiner Verantwortung auch gerecht werde. Wir meinen, dass im Bund der Verantwortung nicht Rechnung getragen wird, dass Reformen ausbleiben, dass Reformen falsch sind, dass sie das Land nicht zukunftsfähig machen, dass keine Einnahmeerwartungen da sind.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Was haben Sie denn alles blockiert?)

Wir haben in diesem Land, seitdem die rotgrüne Bundesregierung regiert, 3,6 Mrd.    ern eingenommen. Das müssen Sie hinnehmen. Das ist ein Drittel des Landeshaushalts.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind nicht mehr in der Lage, alles zu finanzieren und dauernd neue Schulden zu machen, weil auch die junge Generation, Herr Matschie, in der Zukunft noch das Land mitgestalten will. Und der

Weg, dauernd neue Schulden zu machen, ist der falsche Weg. Das müssen Sie hinnehmen.

(Unruhe bei der SPD)

Ich habe es Ihnen sachlich gesagt und aufgezählt, welche Rahmenbedingungen wir vorzufinden haben. Es ist falsch, wenn Sie dauernd so tun und sagen, allein weil die Regierung hier in Thüringen ihre Aufgaben nicht machen würde, sondern wir legen einen Reformhaushalt für 2005 vor. Wäre dann alles geheilt? Nein, es ist nicht geheilt. Es ist nicht geheilt, wenn die PDS ankommt und sagt, wir machen einen Masterplan und legen drei Bezirke wieder vor. Das ist falsch. Das hat sich 40 Jahre nicht bewährt und es wird sich auch in der Zukunft nicht bewähren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch nicht der richtige Weg, wenn Sie sich herstellen und auf die Regierungserklärung von Dieter Althaus als einziges Argument bringen, Sie bieten ihm Gespräche an. Das reicht nicht aus, um das Land nach vorn zu bringen. Das müssen Sie akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Es bleibt bei Ihnen bei Thesen.)

Nein, es bleibt nicht bei Thesen. Wir haben einen Reformhaushalt für 2005 vorbereitet, den wir hinlegen, aber einzig wie Sie die Debatte im Land führen, ist doch Folgendes: Sie stellen sich an die Spitze von Demonstrationen, Sie sagen, wir wollen Standorte nicht gefährden, wir wollen die Mitarbeiter nicht unruhig machen, wir wollen weiter euer Geld ausgeben, wir wollen keine neuen Schulden machen, wir wollen die Vermögensteuer erheben. Ihr habt keine Konzepte für dieses Land.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen wir auch die Verantwortung allein tragen.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Herr Fiedler hat gesagt, die Bürger haben Sie gewählt, dass Sie die Verantwortung wahrnehmen, dann nehmen Sie die auch wahr!)

Genau, deshalb nehmen wir die Verantwortung auch wahr. Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir dieses ganze Haushaltsjahr uns durch Haushaltssperren und haushaltswirtschaftliche Maßnahmen schon durchgekämpft haben. Es bleibt dabei,

wir haben 200 Mio.     sem Jahr eingenommen und die sind halt nicht mehr zu finanzieren, indem man einfach so tut und denkt, man kann mit normalen Mitteln weiter Haushaltspolitik machen. Wir sind an einer Situation angekommen, wo an einer Neugestaltung, an einer neuen Aufgabendefinition für das Land kein Weg vorbeiführt. Und wir werden uns dieser Aufgabe stellen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kuschel zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Stillstand, Ohnmacht, Vogel-Strauß-Methode, das sind die Kriterien, mit denen man diesen vorliegenden Haushalt bewerten kann. Die Landesregierung verfährt nach der Devise, das Land ist symbolisch aus dem zehnten Stock gesprungen, inzwischen ist der freie Fall auf der zweiten Etage angekommen, aber die Landesregierung sagt, es ist immer noch nichts passiert.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie so verfahren, dann ist es kein Wunder, dass Sie in einer Art und Weise hier sowohl mit dem Landtag als auch mit den Landesfinanzen umgehen, nämlich konzeptionslos. Wenn in einer kommunalen Vertretung die Verwaltung mit dem Parlament so umgehen würde wie die Landesregierung hier mit dem Landtag, dann würde die Kommunalaufsicht sagen, klarer Haushaltsverstoß. Ihre Globalen Minderausgaben haben sicherlich eine zeitliche Komponente und ich stimme durchaus zu, dass man zum Jahresbeginn über die Schaffung von Reserven nachdenken kann. Aber wir haben jetzt Oktober und November und da müssten Sie doch wenigstens in der Lage sein, z.B. im Investivbereich dieses Haus in die Lage zu versetzen, zu sagen, welche Investitionen kommen denn in diesem Jahr nicht, welche müssen zeitlich gestreckt werden im nächsten Jahr, welche können insgesamt wegfallen. Wenn Sie uns diese Information nicht geben, ist eben eine Haushaltsdiskussion de facto nicht möglich, sondern dann werden wir zunehmend und dauerhaft nur aneinander vorbeireden. Aber dieses Vorbeireden haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei der PDS)

Bedenklich ist es zudem, Herr Mohring, wenn ich als bekennender Sozialist Sie auf die Keynessche Theorie und

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Popu- list!)

das Kriterium der Nachfrage hinweisen muss. Sie thematisieren immer nur das Kriterium des Angebots. Das geht eben nicht, sondern das größte Problem bei uns ist das Nachfrageproblem und es wird nicht nur durch die privaten Haushalte verursacht, sondern auch durch die kommunalen Investitionen, die sich im freien Fall befinden, wird diese Nachfrageseite nicht ausreichend gestärkt. Das ist eine Ursache auch für die wirtschaftlichen Probleme in Thüringen und in der Bundesrepublik insgesamt. Dass ich Ihnen das immer erklären muss, das sollte Ihnen zumindest zu denken geben.

Ich will auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Immer wieder wird darauf verwiesen, die Ursache für die Krise des Landeshaushalts sind Entscheidungen auf Bundesebene, sind Steuerausfälle usw. Bereits im Ausschuss wurde thematisiert, auch das Land hat dort seine Möglichkeiten insgesamt nicht ausgeschöpft. Es muss doch wenigstens mal darüber debattiert werden können, warum bei der Kfz-Steuer 23 Mio.  #         Fahrzeugbestand nahezu konstant ist. Wenn dann die Ministerin sagt, das liegt an den Vollstreckungsbehörden, die angeblich hier nicht mit ausreichenden Mitteln die Steuerschulden eintreiben, dann ist das ein Argument, das ich nicht nachvollziehen kann. Es geht eben nicht um 100.000, es geht um 23 Mio.   ist eine wahrnehmbare Größe. Da können wir nun nicht auf den Bund blicken und sagen, daran ist jetzt die Bundesregierung auch noch schuld.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Doch, wenn die Leute kein Geld mehr haben und keine Arbeit mehr haben, können sie nicht mal mehr Kfz-Steuer bezahlen.)

Wenn Sie jetzt hier Ihr soziales Gewissen herausstellen, dann wird es aber langsam peinlich. Ich habe den Nerv offenbar getroffen, deshalb Ihre Erregung und das macht mich immer zufrieden. Herr Fiedler hat ja hier das Grundkonzept des Denkens...

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ob Sie nun da sind oder nicht, Sie hören mich ja sowieso, aber verstehen tun Sie mich nicht immer. Herr Fiedler, Sie haben hier ein Grundkonzept der Politik der CDU-Fraktion dargestellt und das soll offenbar auch beim Haushalt gelten, nämlich, alles soll so bleiben, wie es war. Ich kenne das. Vor 15 Jahren wurde in ähnlicher Art und Weise gedacht,