Protocol of the Session on November 11, 2004

Was wird sich nun verändern? Es sind einige rechtliche Änderungen notwendig. Die Erzieherinnen und Erzieher werden langfristig keine Landesbediensteten mehr sein, sie werden schrittweise an die Kommunen überführt und auch zu freien Trägern wechseln können. Dabei sollen sich auch Einsatzmöglichkeiten über den bisherigen Bereich hinaus eröffnen. Die Aufwendungen der Jugendpauschale werden mit denen von Schuljugendarbeit zusammengeführt. Und um so mancher Stimmungsmache zu begegnen - ja, mit Herrn Zeh bin ich da sehr einig -, die Horterziehung ist und bleibt integrativer Bestandteil der Grundschulbildung. Hort und Grundschule bleiben auch künftig zusammen. Grundschule und Träger der Horte stimmen sich unter Einbeziehung der Schulkonferenz auf pädagogische Konzepte miteinander ab. Jede Grundschule wird mit einem Träger kooperieren, wobei uns daran gelegen ist, die räumliche Nähe zwischen Schule und Hort zu erhalten und die Abstimmung und die Kontinuität dieses Abstimmungsprozesses im Bereich von Bildung und Erziehung zu fördern. Grundschule und Träger sollen dabei gleichwertige Partner sein.

Was soll sich organisatorisch ändern? Für die Organisation von Grundschule und Hort werden sich verschiedene Varianten und eine konzeptionelle Vielfalt ergeben. Dies ist das Resultat der Einbindung der Horte in die inhaltlichen Konzeptionen der jeweiligen Träger. Dadurch ergeben sich Formen der Zusammenarbeit, die zu einer neuen Qualität der Arbeit im Hort führen, also das Angebot an Horten soll nicht eingeschränkt, sondern differenzierter gestaltet werden. Unter Verantwortung der Kommunen lassen sich Bildungsangebote ganzheitlich besser koordinieren. Wenn die Entscheidungen vor Ort auf kommunaler Ebene fallen, lässt sich der Elternwille leichter realisieren. Schließlich sitzen ja auch Eltern und Großeltern in den kommunalen Parlamenten. Es geht bei dieser Reform - konkret bei der Übertragung der Verantwortlichkeit für das Hortpersonal auf die Kommunen - nicht um Sparen und Abbau, genauso wie diese Regierungserklärung des Ministerpräsidenten keine Regierungserklärung der Einsparungen war.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Nein, überhaupt nicht.)

Sie hat natürlich Einsparungsnotwendigkeiten benannt, aber auch Gestaltungsräume deutlich gemacht und hier haben wir einen Gestaltungsraum.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Der sah vor einem Jahr aber noch ganz anders aus.)

Die Personalkosten im Übrigen werden der kommunalen Ebene bei der Personalübertragung erstattet. Wir denken auch nicht daran, die Elternbeteiligung an den Hortkosten zu verändern. Es geht hier um ein neues ordnungspolitisches Modell. Die derzeitige Aufgabenverteilung zwischen Familie, Land, Kommune - konkret die TRIAS, Rechte und Pflichten der Eltern, dann Verantwortung des Landes für das Schulwesen und zum Dritten Verantwortung der Kommunen für Betreuung - wird mit dem neuen Modell weiterentwickelt. Das entspricht im Übrigen auch den positiven Erfahrungen mancher unserer Nachbarstaaten. Das wird voll und ganz auch der kritischen Bemerkung im OECD-Länderbericht vom September gerecht, wonach die Rolle der Kommunen als zu schwach im bisherigen System eingeschätzt wird. Wir werden daher die Aufgaben und Interessen staatlicher, kommunaler, privater und freier Träger in einem ausgewogenen Konzept berücksichtigen. Wir werden ein ganzheitliches, ein umfassendes Konzept, ein Gesamtkonzept entwickeln, meine Damen und Herren, von Kinderkrippe, über Kindergarten, Kinderhort, Ganztagsschule in offener und gebundener Form sowie weitere ganztägige Angebote an Schulen und in der Region außerhalb der Schulen. Es sind insbesondere auch Fragen der Jugendbildung und Jugendkultur, hinsichtlich der Jugendpauschale, Jugendarbeit und Schulsozialarbeit zu berücksichtigen. Wir werden auch klare Aussagen zu den Kosten treffen. Das Land wird durch angemessene Zuschüsse für ein qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot Sorge tragen. Es besteht also überhaupt kein Grund zur Panikmache.

(Unruhe bei der SPD)

Es ist eine Chance, eine Herausforderung, Bildungsprozesse in ein ganzheitliches Konzept zu fassen. Im Rahmen des "Konzepts für Bildung und Betreuung von 2 bis 16" werden im Grundschulbereich außerschulische Betreuungsangebote ebenso ermöglicht wie - wenn das gewünscht wird - Ganztagsschulen in gebundener Form.

Was bringt das neue Konzept? Wir werden damit eines erreichen, mehr Vielfalt und mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung, eine größere Bandbreite der Angebote und der Träger. Wir bauen also nicht ab, wir bauen aus. Wir schaffen neue Perspektiven für die Hortbetreuung durch die Einbeziehung freier Träger. Das heißt zugleich weniger Staat, mehr Vielfalt, Stärkung des Elternrechts. Uns geht es darum, bestehende Kooperationen im Sinne einer Erziehungspartnerschaft aller Beteiligten weiter auszubauen. Der jeweilige Bildungs- und Erziehungsauf

trag der Kindertagesstätten, der Schulen und Horte bleibt dabei voll und ganz erhalten. Nutzen wir doch diese Chance dieses gemeinsamen umfassenden Plans. Vergrößen wir die Bandbreite der Angebote und machen wir das gemeinsam. Ich sage noch einmal: Wir setzen dabei auf Konsens.

Wenn Sie den Bericht der Enquetekommission Erziehung und Bildung in Thüringen ansprechen, dann empfehle ich Ihnen einen Blick in die Empfehlung Nummer 1.2.4. Dort ist zu lesen - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: "Des Weiteren sollen Konzepte der kooperativen Gestaltung des Bildungswesens durch schulpädagogisch und sozialpädagogisch ausgewiesenes Personal mehr Aufmerksamkeit erfahren. Es gilt die institutionelle Fremdheit von Schulen und Sozialpädagogik zu überwinden." Genau das tun wir. Wir leiten die richtigen Schritte ein und wollen sie gemeinsam mit Ihnen umsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Bitte schön.

Werte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, das Thema "Kommunalisierung der Horte" eignet sich wie kein anderes für diesen Tagesordnungspunkt "Aktuelle Stunde".

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Danke.)

Glauben Sie denn wirklich, Herr Althaus - leider ist er nicht da, aber ich nehme an, er liest nach - und Herr Goebel, Ihr lapidarer Halbsatz in der Regierungserklärung würde überhört werden und die Thüringer Öffentlichkeit ließe sich wirklich beruhigen und zum gespannten kollektiven Rätselraten bis Januar 2005 vertrösten - getreu dem Motto: Habt Vertrauen, wir machen das schon? Sie selber, Herr Althaus, waren es doch noch als Thüringer Kultusminister, aber auch als Ministerpräsident im Wahlkampf des Frühjahrs, der keine Gelegenheit ausließ, um zu bekräftigen, dass die Thüringer Horte fester Bestandteil der Grundschulen sind.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Die von meinen Oppositionskollegen genannten Argumente kann ich nur bekräftigen. Ich will sie nicht wiederholen. Und auch Sie, Herr Goebel, haben mich heute nicht vom Gegenteil überzeugen können - reine Absichtserklärungen.

Selbst im September begann die verunsichernde Ankündigung mit den Worten: Was sich bewährt hat, werden wir beibehalten. Was werden Sie denn beibehalten? Ihre Informationspolitik, die so aussieht, dass selbst die damit befassten Mitarbeiter im Ministerium durch Ihre Erklärung überrascht worden sind? Noch wenige Tage vor der Regierungserklärung bezifferte einer Ihrer zuständigen Mitarbeiter die Zahl der demnächst einzustellenden Hortnerinnen in einer Dienstberatung mit ca. 300. War das vielleicht ein Versehen - genauso wie die diesjährige erstmalige Einstellung von neuen Hortnerinnen? Mit Sicherheit wahrscheinlich nun auch zum letzten Mal. Überrascht wurden dann - wie immer kurz vor den Ferien auch die Schulämter durch einen Brief des Ministers an jede Hortnerin. Bei den Schulämtern scheint nicht mehr jeder Faxanschluss aktiv zu sein, so dass die Bitte um sofortige Weiterleitung offensichtlich vielerorts versagte - zum Glück für betroffene Hortnerinnen, die erholsame Ferien verbringen konnten bzw. die Mehrarbeit abfeiern mussten. Deren Erschrecken erfolgte dann zum Teil über die Presse. Von langfristiger bildungspolitischer, konzeptioneller Arbeit ist derzeit trotz Enquetebericht Punkt 3.2.3 absolut nichts zu spüren. Ich zitiere: "Die Regionalkonferenzen auf Schulamtsebene haben gezeigt, dass die Kommunikation von am Bildungs- und Erziehungsprozess beteiligten Partnern zu verbessern ist." Sie haben ein Lehrstück dafür geliefert, wie gut Sie den Bericht als ehemaliger Kultusminister verinnerlicht haben.

(Beifall bei der PDS)

Zum Konzept: Das Konzept heißt "Bildung und Erziehung von 2 bis 16 Jahre". Ich habe es wohlwollend gehört, dass Sie jetzt das Wort "Kinderkrippen" in den Mund genommen haben. Ich dachte schon, es hat sich damit erledigt - also offensichtlich nicht. Die angeblich seit September arbeitende Konzeptgruppe am grünen Tisch kurz vor Weihnachten des Alibis wegen durch externen Sachverstand anreichern zu wollen und gleichzeitig Maulkörbe zu verteilen, um vor Januar 2005 nur ja nichts zu verraten, das kann doch nun wirklich nicht der neue Regierungsstil sein.

(Beifall bei der PDS)

Wie oft haben Sie denn diese Arbeitsgruppen tagen lassen? Wie viele haben denn ihre Mitarbeit verweigert? Stellen Sie das doch mal bitte dar. Einige wissen nichts, als dass sie dort mitarbeiten sollen. Sie haben noch nicht einmal eine Zusammenkunft erleben können. Ist nichts zu verraten, weil nichts inhaltlich Substanzielles vorliegt außer den Absichtserklärungen oder weil das Geld, um die Kommunen ab Sommer 2008 auf freiwilliger Basis zu ködern, fehlt?

(Zwischenruf Abg. Hausold, PDS: Das steht fest.)

Oder weil Sie auch für Schuljugendarbeit Elternbeiträge einführen wollen, wie ich Herrn Emde jetzt entnehmen konnte? Herrn Zeh sollte man auch in die Arbeit einbeziehen. Er hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage von uns verneint, dass die beiden Haushaltstitel zusammengeführt werden. Möglicherweise sollte man eine interministerielle Arbeitsgruppe bilden. So etwas ist ja auch geübt in anderen Ministeriumsbereichen.

(Beifall bei der PDS)

Oder wollen Sie gar Ihrem Bremer Kollegen nacheifern, dem Bildungssenator, der in Bremen in zwei Monatsschnellkursen Langzeitarbeitslose in Ein-EuroJobber umbildet, um sie als Erziehungsassistenten in Kindereinrichtungen einzusetzen? 3.000. Das Land der Dichter und Denker handelt sich sogar europäischen Spott ein, denn der Ausbildungsstandard auf europäischem Niveau befindet sich, wie wir wissen, auf Hochschulniveau und ist auch viel differenzierter als in Deutschland.

Herr Emde, Sie haben den Einwurf gebracht: Sollten wir jetzt nicht doch lieber die Ausbildung wieder verbessern, statt zu bedauern, dass die DDR-Hortnerinnen sozusagen "alle" werden oder ist das wirklich wie auf den Plakaten mit den Pfeilen nach oben der neue aufgezeigte Thüringer Weg? Wir denken, wenn Sie denken, von den 7.400 einzusparenden Stellen die 2.000 Hortnerinnen am geräuschärmsten loszuwerden, um das Geld zu sparen, dann sind Sie auf einem ganz gewaltigen Holzweg.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Gumprecht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir diskutieren heute wahrlich ein Thema, das in den letzten Wochen von den Bürgern im Land sehr emotional diskutiert und aufgenommen wurde. In vielen Elternabenden wird es nämlich so angegangen, die Bürger wollen wissen, was wird mit dem Hort und wie geht es weiter. Sie sind verunsichert. Ich denke, diese Fragen, die da an jeden herankommen - in welchen Räumen wird denn in Zukunft der Hort untergebracht werden oder wie sieht der Aufteilungsschlüssel aus -, die kommen nicht von den einzelnen Bürgern. Die wollen nur wissen, wo ist heute Nachmittag oder nächste Woche mein Kind gut untergebracht und wo wird es sinnvoll betreut.

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Unter- schätzen Sie mal die Eltern nicht.)

Ich denke, unsere Eltern wissen es genau.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie wahrlich um sachliche Diskussion bitten.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Es geht um Garantien.)

Kommunalisierung ist heute hier in der Diskussion und Kommunalisierung heißt - und da stehe ich dafür - subsidiär handeln. Das heißt Übertragung von Zuständigkeiten auf die Kommunen oder freie Träger. Ich selbst bin ein Verfechter der Kommunalisierung, weil ich weiß, was die Kommunen leisten können und ich vertraue unseren Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es andere nicht tun, dann tut es mir Leid. Bitte, haben Sie doch mehr Vertrauen in das Handeln und die Verantwortung, die in unseren Kommunen da ist.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das kann doch wohl nicht wahr sein.)

Meine Damen und Herren, es ist nicht eine Frage der Abkopplung, sondern eine Frage der Zusammenführung von Verantwortung, die wir hier im Auge haben. Nur wer weiß, wie kompliziert Splittungen von Verantwortung sind, von Personalhoheit und Sachzuständigkeit vor Ort, kann auch nachvollziehen, dass man genau das im Ziel hat, Zusammenführung von Verantwortung, von Verantwortung für Hort oder beispielsweise auch, wenn es um die Schulträger geht, um Landkreise oder kreisfreie Städte, um die Zusammenführung der Verantwortung auch von Jugendhilfe.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas ansprechen, das hier eine Rolle spielt. Ich selbst war als Mitglied des erweiterten Präsidiums in den Jahren 1996/1997 häufig bei Diskussionen und bei Forderungen dabei, wo Kommunen gesagt haben, bitte gebt uns die Verantwortung auch für den Hort, Zusammenführung ist ein sinnvoller Weg. Ich appelliere heute an meine ehemaligen Kollegen Landräte, sich genau dieser Verantwortung auch wieder zu stellen. Ich denke, diese Aussage gehört heute auch noch dazu. Deshalb bitte nochmals zusammenfassend: Nehmen Sie bitte die Verunsicherung und schüren Sie bitte nicht weiter. Ich denke, unsere Kinder liegen uns am Herzen und dem müssen wir Rechnung tragen. Mein Appell an meine Kollegen:

Übernehmen Sie die Verantwortung!

(Beifall bei der CDU)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde.

Wir kommen zum zweiten Teil

b) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "Mögliche Stagnation beim Stadtumbau Ost in Thüringen durch die Haushaltssperre des Landes" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/267

Es liegt uns eine Wortmeldung der Abgeordneten Sedlacik, PDS-Fraktion, vor. Ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde lautet: "Mögliche Stagnation beim Stadtumbau Ost in Thüringen durch die Haushaltssperre des Landes". Ich behaupte, es gibt sie und werde dies mit konkreten Beispielen untersetzen.

(Beifall bei der PDS)

Beim Stadtumbau Ost handelt es sich um einen ressortübergreifenden Prozess, der die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden, unserer Städte wesentlich prägt. Er hat sozial-, wirtschafts-, regionalentwicklungspolitische Bedeutung und muss daher förderpolitisch Priorität genießen. Deshalb ist es für unsere Fraktion unverständlich, dass die Thüringer Kommunen und die Wohnungswirtschaft seit der Haushaltssperre des Landes allein gelassen werden. Erst heute erfuhren wir ja wieder, dass 2,7 Mio. desmittel sogar nicht abgerufen werden und somit sicherlich verfallen. Die Probleme wachsen also schneller, als der Stadtumbau greift. Der Stadtumbau braucht aber die Dynamik in unserem Land und nicht Stagnation. Zuschüsse für den Rückbau müssen den Akteuren, also vor allem den Wohnungsunternehmen, in ausreichendem Umfang schnell und direkt bereitgestellt werden. Die Handlungsfähigkeit der Wohnungsunternehmen ist aufgrund der fehlenden Ausreichung der Fördermittel eingeschränkt. Ob Sie das so sehen oder nicht, Herr Minister, es ist so. Dass die erforderlichen Abriss- und Aufwertungsmaßnahmen sich in den Städten verzögern, das werden wir sicherlich spüren, denn der Winter steht vor der Tür. Ich möchte die Beispiele benennen.