denn der Gesetzentwurf sieht die Änderung des § 6 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes vor. Herr Gentzel, warum ist das falsch, warum debattieren wir heute darüber?
Zukünftig soll anstelle der seit 1998 im Gesetz befindlichen Aufzählung der einzelnen Polizeidirektionen der vorher bestehende Rechtszustand wieder hergestellt werden. Ohne dass ich Sie an dieser Stelle mit einem rechtshistorischen oder verfassungsrechtlichen Diskurs langweilen möchte, scheint mir doch ein Blick in diese Richtung angezeigt, um die böse Behauptung von einem Ermächtigungsgesetz zu beenden, Herr Gentzel.
Das ursprüngliche Polizeiorganisationsgesetz - aber hören Sie vielleicht bitte einen Moment zu - vom 14. Mai 1991 regelte die grundlegenden Strukturen der Polizeiorganisation. Nach dessen § 6 Abs. 2 gliederte sich die Landespolizei in Direktionen, Inspektionen, Reviere und - soweit erforderlich - in Stationen und Posten. Lediglich die Existenz von Polizeidirektionen überhaupt ohne Festlegung von Zahl, Standort und Bezeichnung war gesetzlich festgelegt. Dies entsprach den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die sich aus dem Verhältnis von Artikel 90 Satz 2 und Artikel 90 Satz 3 der Thüringer Verfassung ergeben. Diese sieht in Artikel 90 Satz 2 vor, dass Aufbau, räumliche Gliederung und Zuständigkeiten aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Dieser sogenannte organisationsrechtliche bzw. institutionelle Gesetzesvorbehalt bezieht sich insbesondere auf die Bildung neuer Behördenarten und -typen, den Instanzenzug der Behörden sowie ihr Über- und Unterordnungsverhältnis. Artikel 90 Satz 3 der Thüringer Verfassung ordnet die Errichtung der staatlichen Behörden im Einzelnen als originäre Aufgabe der Landesregierung zu.
Die Errichtung umfasst die Schaffung konkreter Ämter sowie deren Ausstattung mit personellen und sachlichen Mitteln. Sie umfasst aber nicht nur diese praktische Errichtung im engeren Sinne, sondern auch etwa die Aufhebung, Vergrößerung bzw. Verkleinerung, die Zusammenlegung und Teilung von Behörden, die Bestimmung ihres Sitzes und die Ordnung ihrer inneren Verhältnisse.
Mit der Behördeneinrichtungsanordnung vom 18. Juni 1991 hat die Landesregierung von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und u.a. auch die heute noch bestehenden sieben Polizeidirektionen errichtet. Das zeitlich später erlassene Polizeirechtsänderungsgesetz vom 27. November 1997 ging deshalb von der Existenz der vorhandenen sieben Polizeidirektionen aus. Gemeinsam mit dem Justizministerium sind wir deshalb der Auffassung, dass mit der damals ins Gesetz aufgenommenen Aufzählung der bestehenden Polizeidirektionen die exekutive Entscheidung des Jahres 1991 nur nachgezeichnet worden ist und somit lediglich deklaratorisch war. Mit der Aufhebung dieser Aufzählung der Polizeidirektionen im Gesetz soll deshalb ein Fremdkörper in dem Gesetz gestrichen werden. Die Aufzählung in § 6 Abs. 2 ist wegen des deklaratorischen Charakters ohne eigenen Regelungsgehalt. Weder Standort noch Bezeichnung der nunmehr seit 16 Jahren bestehenden Polizeidirektionen haben sich durch die Einfügung dieser
Norm vor fast 10 Jahren verändert. Durch die Norm allein wird im Übrigen weder eine Bestimmung des Standorts noch des Zuständigkeitsbereichs der aufgezählten Direktionen getroffen. Stattdessen greift die Aufzählung in den Kernbereich der exekutiven Organisationshoheit ein. Deshalb soll diese verfassungsrechtlich problematische Norm im Interesse eines verfassungsadäquaten Gesetzes wieder zurückgeführt werden. Nur so kann auch im Bereich der Polizeistruktur die staatsorganisationsrechtlich vorgesehene, in Artikel 90 unserer Verfassung normierte Kompetenzverteilung in Verwaltungsorganisationsfragen greifen, die beispielsweise bei der Reduzierung der Katasterämter im Jahr 2003 von 34 auf 9 angewendet wurde, ohne dass irgendjemand auf die Idee gekommen wäre - und ohne dass der Herr Gentzel gesagt hätte, Ermächtigungsgesetz -, dass dies nicht in der Kompetenz der Exekutive gelegen hätte. Mit der Festlegung der Existenz von Polizeidirektionen als Behördentyp kommt das Gesetz den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem organisationsrechtlichen Gesetzesvorbehalt nach. Jede weitergehende gesetzliche Festlegung wäre verfassungsrechtlich nicht nur nicht gefordert, sondern als Eingriff in die Kernkompetenz der Exekutive zur Organisation der Verwaltung zu bewerten.
Ich habe mir mal eine Zusammenstellung machen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein paar Beispiele, ich will nicht alles aufzählen: Errichtung des Thüringer Ladesamtes für Statistik, Staatsanzeiger, das war eine Anordnung; Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, Anordnung über die Errichtung und den Sitz des Staatlichen Amts zur Regelung offener Vermögensfragen und Thüringer Verordnung über dessen örtliche Zuständigkeit; 1998, Oberfinanzdirektion, Landesfinanzdirektion, Finanzämter, Anordnung zur Auflösung der Oberfinanzdirektion Erfurt sowie zur Errichtung der Landesfinanzdirektion und Thüringer Verordnung zur Bestimmung der Zuständigkeiten vom 22.12.2005, Errichtungserlass für das Thüringer Landesrechenzentrum; dann haben wir hier das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, Anordnung über die Errichtung und den Sitz, 1996, Landesbetrieb für Arbeitsschutz und Technischen Verbraucherschutz, Anordnung über die Errichtung des Landesbetriebs für Arbeitsschutz etc. Lieber Herr Gentzel, ich glaube, da liegen Sie nicht richtig.
Meine Sehr verehrten Damen und Herren, um noch auf einen weiteren Vorwurf einzugehen: Ja, durch die Neustrukturierung der Thüringer Polizei können und werden Stellen abgebaut werden. Dies war und ist unser erklärtes Ziel, denn wir müssen der demographischen Entwicklung, der Entwicklung des Kriminalitätsaufkommens im Freistaat Thüringen und den Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers nachkommen. Das Entscheidende dabei ist jedoch, dass wir
dieses Ziel erreichen, ohne dass die polizeilichen Basisdienststellen geschwächt werden. Im Gegenteil, durch OPTOPOL gelingt es, durch die Entlastung des Polizeivollzugsdienstes von Verwaltungsaufgaben personelle Einsparungen bei gleichzeitiger Verstärkung der Basisdienststellen zu erzielen.
Hinzu kommen in diesem Zusammenhang folgende Bestandteile der Polizeireform: Zukünftig wird sich die Personalstärke der Thüringer Polizei durch eine belastungsorientierte Berechnung ergeben. Personalzahlen sind keine statische Größe, sondern sie orientieren sich unter anderem am Kriminalitäts- und Unfallaufkommen. Damit wird nicht nur Kriminalität dort wirksam bekämpft und ihr vorgebeugt, wo sie auftritt, um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken, sondern auch eine gerechtere Arbeitsverteilung innerhalb der Polizei erzielt. Auch dem zukünftigen Personalbedarf der Thüringer Polizei wird Rechnung getragen und in der Zukunft weiter Rechnung getragen werden müssen. Die Zahl der einzustellenden und zu übernehmenden Anwärter soll, wie Sie wissen, dabei flexibel nach Bedarf für die jeweiligen Zeitabschnitte festgelegt werden. Nach den Planungen für diese Legislaturperiode beträgt sie für die Jahre 2006 bis 2009 jeweils 120 Anwärter pro Jahr. Das sind 480 Anwärter, die später auch als Beamte des mittleren Dienstes bzw. des gehobenen Dienstes übernommen werden. Im Übrigen haben wir derzeit über 300 Anwärter des gehobenen und mittleren Dienstes in Meiningen in der Ausbildung. Auch diese werden sukzessive der Polizei zur Verfügung stehen und dann dort auch für eine Entlastung für diejenigen sorgen, die altersmäßig in den Ruhestand gehen, die aus dem Polizeidienst ausscheiden müssen. Wir müssen nur sehr aufpassen für die Zukunft. Die Polizeibeamten müssen bereits mit 60 Jahren gehen, nicht erst mit 65 Jahren. Das setzt eine sehr weit vorausschauende - bis 2020 und weiter - Personalplanung voraus und bedeutet, dass wir, der Landtag, Sie, auf unseren Vorschlag dann auch jeweils in den verschiedenen Zeitabschnitten weitere Stellen genehmigen müssen, dann funktioniert das Gesamtkonzept für die Polizei, sowohl OPTOPOL als auch weitere Entwicklungen, die sehr wahrscheinlich kommen werden, weil das in allen anderen Bundesländern auch so geschieht und man das genauso sieht.
Ich hatte schon gesagt, dass sich die Personalstärke der Thüringer Polizei zukünftig durch eine belastungsorientierte Berechnung ergeben wird. Ich hatte gesagt, dass Personalzahlen keine statische Größe sind, sondern sich an der Arbeit orientieren. Eine Orientierung der Polizei an der Polizeistärke, an der Polizeidichte bezogen auf die Bevölkerung ist von den Innenministern seit 1997 erkannt, nicht mehr zugrunde gelegt worden und wird auch nicht zugrunde gelegt, sondern man orientiert sich - und das
Im Projekt OPTOPOL wurden im Übrigen die absehbaren demographischen Entwicklungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt, wie z.B. das Haushaltsgesetz 2006/2007, und in die Bewertungen einbezogen. Aufgrund der erfreuerlicherweise rückläufigen Kriminalitäts- und Verkehrsunfallzahlen ergibt sich ein geringerer Personalbedarf und dadurch die Möglichkeit der Einsparung von Stellen in der Thüringer Polizei, aber eben nicht irgendwie, sondern entsprechend der Arbeitsbelastung. Auch die Identifizierung von kw-Stellen im Innenressort steht im Einklang mit Aufgabenreduzierungen, dem Fortschreiben der belastungsorientierten Personalberechnung und den vorgesehenen strukturellen Anpassungen. Mit den durch OPTOPOL vorgeschlagenen Strukturveränderungen werden die notwendigen Voraussetzungen für die Fortschreibung der belastungsorientierten Personalverteilung erst geschaffen. Das ist der erste Schritt und ein wichtiger Schritt im Rahmen der neuen Sicherheitsarchitektur für das Land Thüringen. Dazu gehört auch das Brand- und Katastrophenschutzgesetz. Dazu gehört auch das Polizeiaufgabengesetz, was wir vorhin beraten haben. Dazu gehört auch das Rettungsdienstgesetz usw. usf. Dieses Projekt OPTOPOL ist ein Baustein. Wenn der Landtag dies nicht macht, dann steckt die Änderung der Polizeiorganisation fest. Mit anderen Worten: OPTOPOL schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Stellenabbau in der Polizei gerade nicht zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage führen wird, sondern dass flexibel in den folgenden Haushaltsjahren durch die Ausbildung und Einstellung von Polizeianwärtern den Personalbedürfnissen der Polizei in vollem Umfang nachgekommen wird. Dies ist Konsens innerhalb der Landesregierung und, ich hoffe, auch innerhalb der Fraktion, das war immer so besprochen, und, ich hoffe, auch darüber hinaus innerhalb der Oppositionsparteien.
Dass die Polizei - dann haben Sie mich wieder einmal falsch verstanden, Herr Gentzel - bestens ausgestattet sein muss, dass Sie personell permanent Zuführung braucht, dass wir Anwärter brauchen.
Ach, Herr Gentzel, erzählen Sie das doch nicht, das stimmt ja nicht. Wenn der Thüringer Polizei nicht geschadet werden soll, dann muss diese Neustrukturierung erfolgen. Dadurch lässt sich nicht nur vermeiden, dass ein Stellenabbau zulasten der polizeilichen Basisdienststellen erfolgt, sondern im Gegenteil erreichen, dass sie trotz Stellenabbau gestärkt werden können und unsere Polizei schlagkräftig und zukunftsfähig bleibt. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, der meint, dass man sich durch die Ablehnung des Gesetzes den Realitäten und den verbindlichen Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers entziehen könnte.
Lassen Sie mich bitte noch etwas klarstellen. Die Vorschläge zur Organisationsoptimierung der Polizei habe nicht ich mir am grünen Tisch ausgedacht. Sie wurden von Polizeiexperten der Thüringer Polizei über viele Monate erarbeitet. Es waren zeitweise 118 Polizeibeamte, die etwas davon verstehen, in dem Projekt tätig. Wir haben uns in anderen Bundesländern kundig gemacht, wie dort die Organisationsänderung umgesetzt wurde, wie sie geplant wurde, wie sie gemacht wurde. Das waren eigentlich alle, das war in Brandenburg, das war in Nordrhein-Westfalen, das war in Bayern, das war in Hessen, und all diese Dinge haben wir sehr genau durchdacht. Eines noch vielleicht zu dem, was man in letzter Zeit so gelegentlich in der Zeitung liest oder auch in dem Blättchen: Die Polizeivertretungen, die Personalvertretungen saßen mit am Tisch, ebenso wie alle Gewerkschaften
mit eingebunden waren. Die Notwendigkeit von Veränderungen steht innerhalb der Polizei außer Frage, nicht zuletzt deshalb, weil der gesamte Prozess durch Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit begleitet war. Mir ist natürlich nicht entgangen, dass nun, nachdem die gemeinsam ohne Widerspruch erarbeiteten Ergebnisse auf dem Tisch liegen, aus Gruppeninteressen oder aus Einzelinteressen heraus von einigen Wenigen versucht wird, die eigene Beteiligung an den erarbeiteten Vorschlägen in ein anderes Licht zu rücken. Wenn ich das eine oder andere lese, dann muss ich sagen, man hat den Eindruck, als wären diejenigen, die das schreiben, niemals dabei gewesen. Ich kann aber garantieren, die Mitarbeiter und ich habe sie gesehen und sie haben das akzeptiert. Dafür sollte man sich aus meiner Sicht
als eigendenkende und handelnde Abgeordnete nicht einspannen lassen. Wer meint, sein Fähnchen nach dem Wind drehen zu müssen - das betrifft jetzt nicht die Abgeordneten des Landtags, sondern diejenigen, die mitgearbeitet haben an OPTOPOL, aber offenbar nun meinen, man hätte sie nicht gesehen oder sie seien nicht geistig anwesend gewesen, das kann ja so sein -, der sollte auch wissen, woher der Wind weht. Wir sollten gerade in dieser wichtigen Phase nicht kurzfristig denken, sondern verantwortungsvoll und zukunftsgerichtet handeln und die Ziele der Polizeireform nicht aus den Augen verlieren. Deshalb möchte ich Ihnen diese noch einmal nennen: Schaffung einer perspektivisch ausgerichteten, bürgerorientierten, leistungsstarken und effizienten Organisation unter Berücksichtigung der sich verändernden Rahmenbedingungen; Erhöhung der polizeilichen Präsenz vor Ort zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung durch die Straffung der Organisationsstrukturen, insbesondere im Stabs- und Verwaltungsbereich; Schaffung einer neuen Sicherheitsarchitektur für Thüringen, die die Erhöhung der Handlungsfähigkeit bei besonderen und herausragenden Landeslagen garantiert; Einsparung von Investitions- und Liegenschaftskosten sowie Personal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der dem Landtag vorgelegte Gesetzentwurf schafft die Möglichkeit, den gesetzlichen Grundstein für die dringend notwendige Neustrukturierung der Polizei in Thüringen zu legen. Mit ihm ist der zukünftige Erfolg der Arbeit der Polizei und damit die innere Sicherheit im Freistaat Thüringen untrennbar verbunden. Denn wenn wir heute nicht die notwendigen Maßnahmen für Veränderungen treffen, können wir in Zukunft nicht erfolgreich bestehen. Mit dem Gesetzentwurf haben wir diese notwendigen Schritte eingeleitet. Nun haben Sie es als Gesetzgeber in der Hand, mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf den Grundstein dafür zu legen, dass die Thüringer Polizei so organisiert wird, wie es die Rahmenbedingungen erfordern, denen sie auch künftig gewachsen sein muss.
Ich möchte Sie deshalb bitten, nutzen Sie Ihre Kompetenz, Verantwortung und Weitsicht, ermöglichen Sie die Umsetzung von notwendigen Maßnahmen. Wer hier weiter immer nur nach dem Prinzip handelt, ich bin der Geist, der stets verneint, der muss sich auch sagen lassen, es ist unsere Polizei, die in nicht allzu ferner Zukunft darunter leiden würde, wenn heute keine verantwortungsvollen Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen werden. Ich jedenfalls möchte eine solche Entwicklung mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, denn das haben unsere Polizei und unsere Bürger nicht verdient. Ich bitte Sie dafür um Unterstützung durch Ihre Zustimmung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf. Vielen Dank für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit.
Ich eröffne jetzt die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf, die unter der besonderen Beobachtung unserer Gastgeber des heutigen Abends steht, des Herrn Intendanten Reiter und des Direktors des Landesfunkhauses. Sie können also gewärtig sein, dass diese Debatte besonders intensiv, auch subjektiv beobachtet wird. Herzlich willkommen die beiden Herren als Einlader für den heutigen Abend.
Für den ersten Redebeitrag hat sich für die Fraktion der Linkspartei.PDS der Abgeordnete Dr. Hahnemann angemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Sie haben sicher recht, Herr Minister, der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, der ja auch überhaupt nicht so lang ist, wie Ihre Vorstellung von OPTOPOL den Eindruck hätte erwecken können, ist natürlich Grundlage alles dessen, was Sie uns so en passant angekündigt haben.
Für vieles von dem sind Sie die Belege natürlich schon seit Langem doch auch teilweise schuldig geblieben. Aber man muss nicht gegen eine Polizeireform sein, wenn man gegen diese Polizeireform ist. Wir gehören nicht zu denen, die im Hinblick auf gute Arbeit - insbesondere die Aufklärungsquote, die hinlänglich bekannte der Thüringer Polizei, aber auch anderes - meinen, alles sei gut und alles müsse also so bleiben, wie es ist. Das führt nie weiter. Aber wenn etwas gut ist, dann sollte man sorgsam damit umgehen und Veränderungen nur dann vornehmen, wenn sicher ist, dass etwas besser wird.
Wer Veränderungen verschläft, wird irgendwann sowieso von der Entwicklung eingeholt und ich hoffe, dass ich dem Herrn Kollegen Fiedler jetzt nicht wieder den Blutdruck verderbe, wenn ich sage, wir wissen ganz gut in dieser Sache Bescheid, wir hier im Osten.
Die Linkspartei.PDS-Fraktion hat mit einem sogenannten Masterplan - und, ich glaube, da lag der Kollege Matschie vorhin ganz genau auf der richtigen Linie in der Deutung des Redebeitrages des Innenministers - ihre Überlegung für eine umfassende Gebiets-, Funktional- und Verwaltungsreform vorgelegt. Wir haben Kriterien benannt, die wir also auch
an Struktur- und Aufgabenveränderungen bei der Thüringer Polizei anlegen müssen; und das ist eben ein Manko von OPTOPOL. Das sollte man in diesem Zusammenhang immer wieder nennen. Wäre das Land Thüringen in der Frage einer solchen Reform nicht so träge, so uneinsichtig und so restaurativ, dann gäbe es eine Chance, eine Polizeistrukturveränderung in komplexe Veränderungen einer umfassenderen Reform einzubinden und tatsächlich Synergien zu erzeugen. Bisher werden diese immer nur behauptet. Eine isolierte Reform lediglich der Polizeistruktur vergibt die Chance, Veränderungen bei diesen Institutionen und notwendige Umstrukturierungen mit einem neuen Zuschnitt von Landkreisen, Gerichtsbezirken und Ähnlichem abzustimmen. Da ist ohnehin der Verdacht, der jeden beschleicht, der sich mit der Sache befasst. Behördenstrukturreformen sind ja schon gemacht worden und auch die Polizeistrukturreform, die macht den Eindruck, als wolle man eine Gebiets-, Funktional- und Verwaltungsreform vorwegnehmen, ohne sie eigentlich zu vollziehen. Viele sagen - das sagen nicht nur wir, sondern auch Leute, die etwas davon verstehen, und es sagen auch Leute aus dem Bereich der Thüringer Polizei -, damit ist eine erhebliche Gefahr verbunden, nämlich die Gefahr, dass am Ende im Zuge einer tatsächlichen umfassenden Strukturreform alles dann doch nicht so ganz passt und fast von vorn begonnen werden muss, erst eine umfassende Reform, dann die einzelnen Folgeveränderungen. Richtig, Sie schütteln mit dem Kopf, Herr Minister, die Schrittfolge scheuen Sie und öffnen damit a) Spekulationen Tür und Tor, warum das geschieht oder eben nicht geschieht und b), glaube ich, geben Sie preis, wie tief verfälschender politischer Wille, mit Wahlorientierung teilweise tief durchsetzt, Politik und Struktur durchdringt.
Herr Minister, auch meine Fraktion ist für die Abschaffung von Mittelbehörden. Das dürfte sich herumgesprochen haben bis ins Ministerium. Also können wir dem Gedanken der Auflösung des Polizeiverwaltungsamts eigentlich folgen. Aber ich gebe zu, wir haben Befürchtungen, dass nämlich die Verlagerung der Verwaltungsarbeit auf die Polizeidirektionen bei der derzeitigen Situation im Thüringer Innenministerium zu erheblichen Problemen und schließlich auch zu Missmut bei den Polizeibeamten führen könnte. Wenn es bisher noch nicht einmal möglich war, in einem langjährigen, quälenden Prozess den Beamten eine einheitliche und verständliche Überstundenabrechnung näherzubringen, welche Probleme werden da noch auf die Polizei zukommen? Vorgänge, die bisher in einer Behörde zusammengefasst waren, werden nun auf mehrere Polizeidirektionen verlagert. Diesen Prozess zu gestalten, würde vom Innenministerium inhaltliche Kompetenz und Führungsqualität verlangen. Die Belege für deren Vorhandensein ist die Institution bisher meist schuldig geblieben.
Unserer generellen Befürwortung einer Reform wie auch der Abschaffung des Polizeiverwaltungsamts stehen jedoch Kritiken, Fragen und Probleme bei OPTOPOL entgegen. Wie demokratisch wird diese Reform eigentlich wirklich vollzogen? Man kann Veränderungen nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg beschließen. Man muss mit Kritik konstruktiv umgehen und man muss die demokratischen Anforderungen beachten. Herr Minister, Ihre Schilderung der Sichtbarkeit oder Nichtsichtbarkeit von Beteiligten oder Nichtbeteiligten an der Arbeit zu OPTOPOL hat das Problem nicht getroffen, war lustig anzuhören, ging aber an der Sache vorbei. Denn so übermäßig demokratisch ist es bei OPTOPOL nicht zugegangen. Weder die Interessenvertretungen der Polizei noch die Polizeibeamten selbst sind in ausreichendem Maße in die Erarbeitung der Reform einbezogen gewesen und vor allem ihre Ablehnung wird ignoriert. Die Ablehnung wird ignoriert! Skeptikern und Kritikern wurde der Mund verboten. Warum war das nötig?
Mancher wurde mit Zwangsversetzung abgestraft. Renitenz in den Reihen der CDU erfrischte zwar Journalisten, aber eine sachliche Debatte wurde damit nicht befördert. Die Augen der Öffentlichkeit richten sich nun inzwischen viel zu sehr auf den parlamentarischen Show-down als auf die Probleme der Polizeireform selbst. Autokratisches Vorgehen wird aber letztlich nur dazu führen, dass Polizeibeamte nicht hinreichend mit Überzeugung und Elan an die Herausforderungen herangehen.
Am deutlichsten zeigt sich der wahre Geist von OPTOPOL an der Tatsache, dass der Landtag sich hinsichtlich der Festlegung der Polizeistandorte selbst entmündigen soll. Bisher und sicherlich nicht ohne Grund hat das Parlament im Polizeiorganisationsgesetz die Anzahl und Orte von Polizeidirektionen bestimmt. Es war, glaube ich, nicht so, Herr Minister, wie Sie vorhin beschrieben haben, dass nur ein Ist-Zustand der Vollständigkeit wegen ins Polizeiaufgabengesetz aufgenommen worden ist.
Mit der heute vorgelegten Änderung soll die Landesregierung zukünftig solche sogenannten Strukturfragen allein entscheiden. Diese Fragen sind aber keine rein technisch administrativen, es sind weitreichende Aspekte zum Beispiel im Zusammenhang mit Planungsregionen, politischen Strukturräumen und fiskalische Entscheidungen damit verbunden, über die am Ende immer ein Parlament zu befinden haben sollte.
Wir kritisieren diese Polizeireform aber auch deswegen, weil sie eine falsche Polizeipolitik zementiert. Schon die letzten Jahre bei der Thüringer Polizei waren gekennzeichnet durch einen massiven Personalabbau und Verschleppung von internen Problemen.
Zum Personalabbau: Ohne dass die Aufgaben und Belastungen geringer geworden wären, wurde der Bestand an tatsächlich diensttuenden Polizeibeamten in den letzten Jahren regelmäßig reduziert. Die Bilanz: eine 6-prozentige Reduzierung der Polizeibeamten in den letzten fünf Jahren.