Im Übrigen koordinieren die Gesundheitsämter ihre Arbeit mit dem Jugend- und Sozialamt. Sie können es objektiv aber nur so, wie die genannten Ämter personell dazu noch in der Lage sind - eine Aussage, die die Landesregierung bereits vor einiger Zeit selbst gemacht hat. Ich denke, genau hier haben wir ein Problem, was die personelle Ausstattung betrifft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen: Um sozialkompensatorische Präventionsmaßnahmen für Kinder und Erwachsene zu planen und Hilfesysteme auf die relevanten Zielgruppen auszurichten, brauchen die Akteure im Gesundheitswesen und im öffentlichen Gesundheitsdienst im Einzelnen gesicherte Erkenntnisse. Wesentliche Instrumente einer sozialkompensatorischen Prävention sind die Schuleingangsuntersuchungen, die zentrale Erfassung und zeitnahe Auswertung der Daten sowie eine regelmäßige alters- und geschlechtsspezifische Gesundheitsberichterstattung mit sozialen Indikatoren. Das Land Brandenburg macht das seit Jahren. Damit bin ich wieder bei der Rolle und Bedeutung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, dessen materielle und personelle Stärkung meine Fraktion nach wie vor fordert.
Bereits in meiner Rede zum Antrag der CDU-Fraktion im Oktober 2005 habe ich darauf hingewiesen, dass Haus- und Kinderärzte zusätzliche Jugendgesundheitsuntersuchungen für sinnvoll halten, da vor allem auch zwischen dem 13. und dem 35. Lebensjahr eine Vorsorgelücke besteht. Hier als Landesregierung tätig zu werden, würde ich für eine sinnvolle Anregung zur Ergänzung der Thüringer Familienoffensive halten und Sie könnten sogar in diesem Falle mit unserer Unterstützung rechnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wir haben in den letzten Wochen und auch heute in der Presse schon wieder gehört, dass es nicht nur Kindesmisshandlung gibt, sondern eben auch Kindestötung. Wir wissen, dass Kinderschutz ein Konglomerat aus verschiedenen Bausteinen ist. Wir wissen, dass es keinen Königsweg gibt und - ich habe das auch dem „Freien Wort“ gesagt - es gibt keinen absoluten Schutz, so eng wir das Netz auch ziehen wollen.
Über zwei Dinge, denke ich, sind wir uns einig: Der Kinderschutz im umfassenden Sinne darf weder beim Land noch bei den Kommunen der Haushaltssanierung zum Opfer fallen. Dort sind keine Standards abzubauen, sondern immer wieder zu überprüfen und zu verbessern. Wir können und wir müssen darüber diskutieren und streiten, welche Angebotsstruktur wir benötigen, wir sollten uns aber darüber einig sein, dass Leistungsabbau und -kürzungen landespolitisch und kommunalpolitisch tabu sein müssen. Ich betone das deshalb, weil ich weiß, welche kurzen Halbwertzeiten die öffentliche Betroffenheit hat, wenn es um die Unterstützung gerade dieser Kinder und ihrer Familien geht. Dies vorangestellt, sollten wir zweitens eine offensichtliche Lücke im Netzwerk für den Kinderschutz schließen. Es handelt sich um die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen, die für alle Kinder zumindest bis zum Schuleintritt gewährleistet sein sollte. Frau Fuchs, die Mütterberatung, ich persönlich habe sie als Mutter sehr geschätzt, in dem Maße und in dem Sinne können wir heute nicht mehr als öffentliche Verwaltung agieren. Es sind uns zum Teil die Hände gebunden, denn wir bekämen, auch wenn wir die Mütterberatungsstellen haben, nicht alle Kinder zu sehen, weil wir die Eltern nicht in die Pflicht nehmen können. Das ist das Problem. Ich denke, wir sind uns da gar nicht uneinig bei der Sache. Ein Zweites ist tatsächlich etwas, was wir in der DDR nicht kannten, was wir in der Bundesrepublik haben, wir haben Finanztöpfe mit hohen Rändern, die teilweise nicht zu überwinden sind, und wir haben zwei unterschiedliche Systeme - wir haben die Krankenversicherung, wir haben den öffentlichen Dienst und genau an der Stelle ist es eben misslich, dass die Topfwand so hoch ist.
Weil wir heute schon darum gestritten haben in einer nicht so besonders freundlichen Art, dass manche etwas abschreiben: Wir haben das Gesetz auch angelehnt. Herr Gumprecht hat schon gesagt, er wird mich dafür nicht verhauen. Wir haben die Idee des Saarlandes aufgegriffen - wie wir finden, eine gute Idee -, wie man versuchen kann, einen kleinen Baustein, in dem Fall zu diesem Teil des Kinderschutzes hinzuzufügen und Missbrauch und Miss
handlungen einzudämmen. Wir wollen das Thema auch nicht parteipolitisch nutzen, ich glaube, das ist der Sache völlig angemessen und wir wollen auch das Rad nicht noch mal erfinden. Wir hätten heute gern einen Gesetzentwurf vorgelegt, also einen Gesetzesänderungsentwurf. Wir haben aber in Thüringen nur eine Verordnung und das „nur“ stelle ich ganz deutlich in Anführungsstriche. Sie hatten darauf verwiesen, dass Sie ein ÖGD-Gesetz bereits schon mal eingebracht haben, Frau Fuchs, und dass Sie das auch wieder tun wollen. Ich persönlich muss es nach meinem heutigen Kenntnisstand - man muss es anschauen - auch wieder ablehnen, auch für die SPD-Fraktion, weil mein Kenntnisstand ist, dass über die gesamten Jahre die Gesundheitsämter in Thüringen ausgesprochen froh waren, dass sie diese sogenannte de-Maizière-Verordnung hatten, weil sie alle gesagt haben, fasst kein ÖGD-Gesetz an, es kann nur für uns schlechter werden. Das ist die Aussage, die ich von meinen Amtsärzten kenne. Das hat nichts mit ideologischen Dingen zu tun, das hat einfach damit zu tun...
Frau Fuchs, ich habe ja nur gesagt, nach meinem derzeitigen Kenntnisstand. Wenn Sie das hineinschreiben, was in der Verordnung steht, gut, dann ist es eben ein Umfirmieren einer Verordnung in ein Gesetz, aber wir schauen. Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich es von vornherein verurteile, sondern nur, dass das mein derzeitiger Kenntnisstand ist. Deswegen haben wir auch kein Gesetz formuliert, weil ich sage, etwas, was alle als gut empfinden und womit alle umgehen können, das muss ich jetzt momentan nicht verändern. Es hat natürlich die Schwierigkeit gegeben, ich konnte keinen Paragraphen ändern, sondern wir sind heute mit der Bitte an das Sozialministerium herangetreten, diese Verordnung unter bestimmten Eckpunkten zu verändern. Das ist ja rechtstechnisch möglich.
1. Es soll eine zentrale Stelle zur Erfassung der Teilnahme aller Kinder an Früherkennungsuntersuchungen geschaffen werden. Nach unserer Auffassung könnte diese zentrale Stelle kostenneutral beim TMSFG eingerichtet werden. Kostenneutral z.B. deshalb, weil im Rahmen der Auflösung des Landessozialamts entsprechendes Fachpersonal vorhanden sein müsste. Um schnell reagieren zu können und die gewonnenen Erfahrungen kurzfristig nutzen zu können, spricht alles dafür, eine derartig zentrale Stelle direkt beim TMSFG anzusiedeln. Aller Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammen und Geburts
helfer, die eine Früherkennungsuntersuchung durchführen, übermitteln dieser zentralen Stelle die erforderlichen Personendaten. Darauf lege ich auch Wert „die erforderlichen“, es müssen ja nicht mehr sein, als unbedingt notwendig. Gleiches gilt für die Meldebehörden, so dass die zentrale Stelle diese Daten miteinander abgleichen kann. Im Rahmen eines abgestuften Verfahrens erfolgt dann eine Information an die Gesundheitsämter, wenn Kinder nicht an den Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben. Abgestuftes Verfahren deshalb, weil während des ersten halben Lebensjahres unverzüglich die Meldung erfolgt und später die Eltern zunächst erinnert werden.
2. Das zuständige Gesundheitsamt bietet dann den gesetzlichen Vertretern des Kindes Beratung sowie eine nachrangige Durchführung der ausstehenden Früherkennungsuntersuchung durch eine Ärztin oder einen Arzt an.
3. Erfolgt trotz dieses Angebots des Gesundheitsamts keine Früherkennungsuntersuchung, so wird das Jugendamt eingeschaltet. Das Jugendamt kann im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten tätig werden und ist aufgrund der dann vorliegenden Informationen in jedem Fall in der Lage, bei einer möglicherweise vorliegenden Gefährdung des Kindes einzugreifen.
Ich weiß, dass die Datenübermittlung in Persönlichkeitsrechte eingreifen kann und dass das kritisch bewertet werden kann. In der Gesetzesbegründung des saarländischen Gesetzentwurfs der CDU heißt es dazu - ich zitiere: „Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, da es kein milderes Mittel gibt, mit dem die Risikoselektion derjenigen Fälle vorgenommen werden kann, in denen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder vor dem Schutz des Gemeinwesens hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Integrität verbergen.“ Dem möchte ich auch nichts hinzufügen. Ich kann Ihnen aufgrund meiner Informationen mitteilen, dass der Datenschutzbeauftragte des Saarlandes zwar Anmerkungen zu dem Gesetz geäußert hat, letztlich aber grünes Licht für das Gesetzesvorhaben gegeben hat. Wir sollten in Thüringen auch so mutig sein und uns mit dem Antrag auseinandersetzen. Wir werden sehen, was unser Datenschutzbeauftragter dazu sagt.
In Ziffer 4 unseres Antrags haben wir schließlich den ausdrücklichen Beratungsauftrag der Gesundheitsämter zur Stärkung des präventiven Kinder- und Jugendschutzes verankert. Wir haben damit eine Forderung der Jugendministerkonferenz vom 24. November 2006 aufgegriffen. Die Jugendministerkonferenz fordert eine wirksame Vernetzung und systematische Zusammenarbeit aller Akteure und benennt ausdrücklich das Gesundheitswesen. Erfah
rungsgemäß ist es klug, Kooperationsverpflichtungen öffentlicher Dienststellen innerhalb aller relevanten Arbeitsbereiche schriftlich zu verankern. Deshalb ist es uns wichtig, diese Schnittstelle der Gesundheitsämter zu allen anderen Akteuren des Kinderschutzes ausdrücklich zu benennen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal betonen: Unser Antrag ist ein wichtiger Bestandteil zur Verbesserung des Kinderschutzes. Wir werden allerdings darüber hinaus noch mehr machen müssen. Ich würde mich freuen, wenn der Sozialausschuss - das ist ja schon signalisiert worden - parteiübergreifend einer mündlichen Anhörung zu diesem Thema zustimmt. Angesichts der aktuellen Debatte und der bevorstehenden Anhörung will ich in diesem Zusammenhang vorsorglich noch auf weitere Sachverhalte verweisen. Zu dem Netzwerk für einen besseren Kinderschutz gehören unserer Meinung nach auch die Frauenhäuser und Beratungsmöglichkeiten für Frauen in Not. Es ist gut, dass auch dies ausdrücklich im Beschluss der vorgenannten Jugendministerkonferenz festgehalten ist. Vielleicht sorgt das für mehr Nachdenklichkeit und Engagement bei deren Förderung in der Landesregierung und in den Kommunen. Bei den Frauenhäusern - lassen Sie mich das anmerken - halte ich es für ganz wichtig, dass wir vom Bett wegkommen und dass wir so viel Geld geben, dass die Beratung der Frauen in Not, die ja zunehmend ein Schwerpunkt der Frauenhäuser ist, auch die Außerhausberatung, weiter so gefördert werden, dass die Frauenhäuser agieren können.
Zweitens - hier werde ich auch nicht müde, dies zu sagen: Ein zentraler Bestand eines funktionierenden Netzwerks sind ausreichende Kindereinrichtungen mit qualifiziertem Personal. Wer dort abbaut, mindert den Kinderschutz.
Drittens: Kinderschutz ist maßgeblich ein kommunalpolitischer Auftrag, das ist unstrittig. Wer also in diesen Zeiten die Gebührenbefreiung von Kindertagesstätten und -einrichtungen in Thüringen ohne finanzielle Kompensation in den Kommunen diskutiert, der möge sich bitte vorher um ausreichenden Kinderschutz und um ausreichende Angebote der erzieherischen Hilfen sorgen.
Unser Bedenken ist, dass die Nichtkompensation kommunaler Mittel in diesem Bereich dazu führt, dass einfach andere präventive Maßnahmen, die die Kinder- und Jugendhilfe momentan leistet, weggedrängt werden. Auch das kann nicht in unser aller Sinn sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, dass wir diesen Antrag weiter im Sozialausschuss beraten. Ich erhoffe mir einfach auch weitere Anregungen. Wir sehen uns da nicht eingeengt auf unsere Vorschläge. Wenn wir weitere gute Vorschläge zu diesem Thema haben von Ihnen oder auch von der CDU-Fraktion, dann, finde ich, sollten wir das einbauen. Denn, wie gesagt, es ist wichtig, dass wir auch hier einen weiteren Baustein im Bereich des Kinderschutzes finden. Ich weiß, dass die Gesundheitsämter ein Stück weit belastet sind. Ich weiß, dass wir das auch nicht Ärzten aufbürden können; die Beratung kann möglicherweise auch anderweitig geregelt werden. Auch da bin ich sehr offen für die Diskussion mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir müssen schauen, dass wir natürlich die Bürokratie an dieser Stelle so gering wie möglich halten. Aber solche Abgleiche mit den Einwohnermeldeämtern sind relativ schnell möglich und man muss einfach schauen, inwieweit man da auch tatsächlich zum Ziel kommt. Man kann es auch in einer Erprobungsphase über einen gewissen Zeitraum machen, dann überprüfen, ob das tatsächlich zielführend ist. Auch da, denke ich, sind wir für alle besseren Vorschläge offen.
Was das ÖGD betrifft, denke ich, habe ich Ihnen geantwortet, Frau Dr. Fuchs. Was die §§ 25 und 26 SGB V betrifft, wir haben uns da an die Sache nur angelehnt. Wenn wir uns hier vielleicht nicht im Zwiegespräch darüber unterhalten sollten, ich bin offen, dass wir uns einfach mal an einem anderen Tag zusammensetzen und darüber noch einmal sprechen, weil ich es für wichtig halte, dass wir an dieser Stelle auch einen Konsens haben. Recht vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kinder ernst nehmen: Jeder von uns weiß, wie sich Kinder auf Kinderfeste freuen, jeder kennt die strahlenden Augen, wenn Kinder glücklich sind. Wir kennen aber auch die Schreckensmomente und Schreckensbilder, wenn Kinder leiden. Alljährlich begehen wir am 20. September den offiziellen Weltkindertag in Deutschland, auch wir Abgeordneten lassen uns an diesem Tag gern bei Kinderfesten, in Kindergärten oder vielfältigen anderen Gelegenheiten sehen und diskutieren über Kinderthemen. Kinder- und Jugendorganisationen nutzen gleichfalls den Tag, um mit Demonstrationen oder Festen oder
Veranstaltungen auf die Lage der Kinder aufmerksam zu machen, aber ich muss feststellen, das reicht nicht aus, wir müssen Kinder ernst nehmen.
Ich denke, das ist die Botschaft, die heute von dem Plenum ausgehen kann. Der Verfassungsauftrag unseres Grundgesetzes besagt, dass die Eltern zuallererst für die Kindererziehung verantwortlich sind. Unsere Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie braucht ein Gerüst gemeinsamer Überzeugungen, Ziele und Normen, ein gemeinsames Verständnis von Pflichten und Rechten. Diese Voraussetzungen, meine Damen und Herren, können nur die Familie, können nur die Eltern schaffen. Dies begründet gleichzeitig aber auch die Verpflichtung und den Auftrag an die Gemeinschaft, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Familie und die Eltern befähigt werden, ihre Funktion zu erfüllen.
Dennoch müssen wir uns der Wirklichkeit stellen. In den letzten Jahren erregten mehrere Meldungen über Vernachlässigungen und schwere Kindesmisshandlungen in der ganzen Bundesrepublik Aufsehen. Daraus resultiert die Frage an uns, wie können wir unsere Kinder besser schützen dort, wo das Elternhaus versagt? Wir sind in Thüringen in unserem Bemühen, unsere Kinder besser zu fördern und zu schützen, nicht allein. Auch in anderen Bundesländern wird für diese Probleme eine Lösung gesucht. Viele Ansätze lassen sich auf Thüringen übertragen oder umgekehrt. Die Bundesregierung arbeitet mit Frau van der Leyen gleichzeitig an einem wirksamen Frühwarnsystem. In den ersten Lebensjahren sind kleine Kinder besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen und Vernachlässigungen zu werden. Da aber die ersten Jahre auch besonders wichtig für die geistige und körperliche Entwicklung der Kinder sind, besteht in doppelter Hinsicht dringender Handlungsbedarf. Ja, wir haben die Pflicht, unsere Kinder ernst zu nehmen.
Nun zur Fragestellung unseres heutigen Antrags: Was kann man tun, wenn die Erziehungsberechtigten die ärztliche Untersuchung nicht wahrnehmen, Hilfsangebote nicht annehmen oder gar selbst ihren Kindern Leid zufügen? Dann treffen unsere Bemühungen ins Leere. Die jüngste Konferenz der Jugendminister im November - Sie waren darauf eingegangen, Frau Taubert - hat sehr umfangreich darüber diskutiert und sich damit beschäftigt. Unser Minister hat im letzten Plenum ein Maßnahmenpaket, das wir heute auch in Drucksache 4/1291 übergeben bekommen haben, einen Maßnahmenkatalog zur Fortentwicklung des Kinderschutzsystems in Thüringen auch schon vorgestellt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung im Dezember zwei Anträge beschlossen, um ein gemeinsames Vorgehen aller Länder zu gewährleisten. Die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland haben sich ebenso posi
tioniert, in deren Pressemeldung heißt es, ich darf zitieren, Frau Präsidentin: „Wirksamer Kinderschutz erfordert ein vernetztes Vorgehen aller Beteiligten, um frühzeitig bestehende Problemlagen zu erkennen und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können.“
Meine Damen und Herren, in den allermeisten Fällen gelingt es durch ein sensibles und entschlossenes Handeln der Verantwortlichen in den Kommunen, eine Vernachlässigung oder eine Misshandlung eines Kindes zu verhindern. Aber jeder Fall, in dem der Schutz der Kinder misslingt oder die Betreuung zu spät kommt, ist ein Fall zu viel.
Wir haben in Thüringen ein sehr dichtes Netz an ärztlicher Betreuung unserer Kinder durch die Gesundheitsämter, das heißt durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Das Netz umfasst eine Pflichtuntersuchung bei der Kindergartenaufnahme. Das Netz beinhaltet jährliche fakultative Untersuchungen während der Kindergartenzeit. Ich kann Ihnen aber sagen, was mir berichtet wurde, dass daran nahezu 100 Prozent aller Kinder teilnehmen. Das Netz der ärztlichen Betreuung schließt ebenso die Schuleingangsuntersuchung, die eine Voraussetzung für die Einschulung ist, aber auch weitere Untersuchungen während der Schulzeit ein. Das Thüringer Schulgesetz ist auch darin vorbildlich, an dem sich die meisten Länder wirklich messen können. Wir haben in diesem Gesetz die gesundheitliche Betreuung klar festgeschrieben.
Parallel zu diesem System werden unsere Kinder aber auch häufig durch die niedergelassenen Ärzte untersucht. Die sogenannten Früherkennungsuntersuchungen sind die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Kassen festgelegten und auch durch die Kassen zu finanzierenden Untersuchungen, die mit den Begriffen „U 1“ bis „U 9“ bezeichnet werden und zuerst der gesundheitlichen Betreuung dienen. Diese sind bisher freiwillig und nicht verpflichtend. Wie kann man nun - und das ist die Fragestellung - diese Früherkennungsuntersuchungen in den Kinderschutz einbeziehen?
Die Bundesländer haben im November in einem Entschließungsantrag und Anträgen, nämlich die Anträge 823 und 898/06, die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für alle Kinder im Alter von einem halben bis fünfeinhalb Jahren, unabhängig von ihrem Versicherungsstatus, zur Rechtspflicht erhoben wird. Darüber hinaus sollen bundeseinheitliche Grundlagen geschaffen werden, durch die die persönlichen Daten der Kinder und der Erziehungsberechtigten sogar länderübergreifend zwischen den zuständigen Melde- und Sozialbehörden ausgetauscht werden können.
Daneben hat der Bundesrat unter Verweis auf frühere Entschließungen nochmals den Willen aller Länder unterstrichen, Früherkennungsuntersuchungen zu nutzen, um das gesundheitliche Kindeswohl früher zu erkennen, das Untersuchungsspektrum um die Merkmale der Kindervernachlässigung, nämlich in den Untersuchungsbereichen U 1 bis U 9, und Gewalt zu erweitern und den Datenaustausch zu ermöglichen, der es den Gesundheits- und Jugendämtern der Länder und Kommunen ermöglicht, bei Eltern, die ihre Kinder nicht bei Frühuntersuchungen vorgestellt haben, nachfassen zu können. Nach Auffassung des Bundesrats sollte dies u.a. auch durch ein verbindliches Einladewesen erreicht werden.
Ich kann noch mal kurz sagen: Zu den Maßnahmen gehört der Beratungsauftrag durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine rechtliche Vorgabe für die Krankenkassen, dass sie das aufnehmen und finanzieren, ein verbindliches Einladewesen, die Erweiterung des Aufgabenspektrums für alle U-Untersuchungen, die Überprüfung von Untersuchungsintervallen und die Nutzung der Informationen über die Nichtteilnahme an Früherkennungsuntersuchungen oder auch die Informationen an andere Bereiche weiterzugeben.
Meine Damen und Herren, ich habe eben dargestellt, dass wir in Thüringen ein sehr dichtes Netz an medizinischer Betreuung für unsere Kinder haben - eine Säule, die durch die Gesundheitsämter der Landkreise sichergestellt wird und dazu eine zweite durch die niedergelassenen Ärzte, wobei es uns nun darum geht, deren Wirksamkeit zu verbessern.
Der uns vorliegende Antrag der SPD zielt ebenso auf eine wirksame Einbeziehung dieser Früherkennungsuntersuchungen in den Kinderschutz ab und greift eine Initiative der CDU im Saarland auf. Der SPD-Antrag fordert die Landesregierung auf, unabhängig von den anderen Bundesländern ein eigenes saarländisch-thüringisches spezifisches Modell aufzubauen. Dabei soll das Land eine Koordinierungsstelle selbst schaffen, weiterhin kommt den Gesundheitsämtern eine zentrale Funktion als Mittler, als Berater, als Koordinator zu. Alle weiteren Bausteine, und ich hatte es versucht, vorhin darzustellen, sind nahezu mit der Bundesratsinitiative identisch.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag verfolgt einen positiven Ansatz, über den Weg muss man diskutieren. Nach meiner persönlichen Meinung hat der Antrag drei Problembereiche. Erstens sollte der Kinderschutz grundsätzlich eine Aufgabe der Jugendhilfe des SGB V bleiben. Eine Einbeziehung der Gesundheitsgesetzgebung und damit der Gesundheitsvorsorge ist sinnvoll. Zweitens, der Antrag stellt eine Insellösung dar. Drittens, ich habe
Sorge, dass hier eine Parallelbürokratie neben der der Kassen aufgebaut wird. Dennoch, meine Damen und Herren, schlagen wir Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wir wollen dies im Rahmen des von uns bereits vorgeschlagenen Anhörungsverfahrens erweitern und entsprechende Fachleute dazu hören.
Meine Damen und Herren, wir wollen Kinder ernst nehmen. Dazu bedarf es mehr Elternkompetenz. Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, kommt in Ihrem Antrag das Wort „Eltern“ nicht ein einziges Mal vor. Haben Sie es vergessen? Auch Sie sind Eltern. Kinderschutz obliegt zuerst den Eltern. Kinderschutz ist aber auch eine Aufgabe der Gemeinschaft, Kinderschutz braucht Zivilcourage aller Bürgerinnen und Bürger. Hinschauen und handeln, so mein Appell, wenn es darum geht, sich um das Wohl unserer Kinder zu sorgen. Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Minister Zeh, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Kinderschutz steht ohne Zweifel beständig auf der Tagesordnung, Frau Taubert, da sind wir ganz Ihrer Meinung. Wir müssen alles Erdenkliche und Mögliche dafür tun, dass das Leben und die Gesundheit unserer Kinder bestmöglich geschützt werden. Die Landesregierung hat bereits im Dezember des letzten Jahres ein neues und umfangreiches Konzept, ein Kinderschutzkonzept, mit ca. 20 Punkten für einen verbesserten Kinderschutz beschlossen. Ich will hier nicht alle Punkte vortragen. Das Konzept liegt Ihnen vor. Ich will nur auf einen Punkt hinweisen, nämlich auf die Kinderschutzkonferenz, sie wird am 21. Februar in Zusammenarbeit mit der Friedrich-SchillerUniversität Jena stattfinden. Es wird eine große Kinderschutzkonferenz geben. Alle Verantwortlichen, die Jugendämter, die Ärzte, Polizisten, Elternvertreter und andere werden zusammenkommen und über Lösungswege im Kinderschutz diskutieren. Zu dieser Veranstaltung lade ich Sie bereits jetzt ganz herzlich ein.
Der Thüringer Landtag hat eine eigene Anhörung zu diesem wichtigen Thema beschlossen und ich plädiere auch hier dafür: Wir sollten diesen Diskus