Protocol of the Session on October 8, 2004

Entscheidend ist für mich, dass es durch die neue Zuordnung in das Sozialministerium zu keiner Kürzung der Haushaltsmittel für die Frauen- und Gleichstellungsaufgaben in unserem Land kommen darf. Auf Einladung des Frauenrats trafen sich im August dieses Jahres die Frauenverbände und Frauenvereine und auch sie wiesen ausdrücklich darauf hin, dass es zu keinen Kürzungen kommen darf.

(Beifall bei der SPD)

Frau Arenhövel gab dort ihr Versprechen, die Förderung zu erhalten. Der in der Regierungserklärung genannte Begriff "schwedisches Modell" bedarf einer Präzisierung. Herr Minister Zeh hat das eben auch schon getan. Sucht man im Internet "schwedisches Modell", so kann man ca. 24.000 Stellen finden, die von Wohlfahrtsstaat über Naturschutz in Lappland, Repressalien gegen EU-Gipfel-Demonstranten, Elternzeit usw. reichen.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Sie müssen auch mit die Kombination "Gender Mainstreaming" eingeben.)

Irgendwann kommt man dann auch endlich zu einem feministischen Magazin und erfährt darin, dass schwedische Gleichstellungspolitik in erster Linie auch Arbeitsmarktpolitik bedeutet.

(Beifall bei der SPD)

Daraus erklärt sich auch die Ansiedlung der Gleichstellungsbeauftragten in Schweden im Wirtschaftsministerium.

Meine Damen und Herren, wir sind verpflichtet und wir wollen Gender Mainstreaming als Aufgabe in allen Bereichen umsetzen. Die Methode, die in Schweden entwickelt wurde und als "schwedisches Modell" bezeichnet wird, beinhaltet die Drei-R-Methode und ist nur ein Bestandteil der Umsetzung von Gender Mainstreaming in Schweden. Wofür steht es? Es bedeutet Repräsentation, Ressourcen und Realität und das bedeutet: Repräsentation gibt den Anteil von Frauen und Männern in allen wichtigen Institutionen und den wesentlichen Entscheidungsgremien wieder, Ressourcen spiegeln die Verteilung der Mittel im umfassenden Sinne wider und Realität bedeutet schließlich die Evaluation im Hinblick darauf, wie

die Geschlechter tatsächlich am gesellschaftlichen Einfluss teilnehmen. Also, sie beinhaltet eine umfassende Analyse, die ein erster Schritt zu einer effektiven Gleichstellungspolitik ist.

Ich begrüße natürlich die ersten Schritte, dass innerhalb der Ministerien Verantwortlichkeiten für die Umsetzung von Gender Mainstreaming geschaffen werden. Bezug nehmend auf die Thüringer Verfassung besteht der Auftrag, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu sichern.

(Beifall bei der SPD)

Nach dem Kommentar zur Thüringer Verfassung ist der Begriff "öffentliches Leben" reichlich unklar. Klar dagegen ist, dass der Verfassungsauftrag leider nicht direkt und unmittelbar auf die Wirtschaft angewendet werden kann. Betrachtet man aber den demographischen Faktor in unserem Land, wird die Wirtschaft nicht umhin kommen, sich dieser Aufgabe auch zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Beispielgebend konnte am 6. Oktober bei der Auszeichnungsveranstaltung der Agenda 21 in Nordhausen der Geschäftsführer der Firma MOTEX aus Hörselgau, Herr Ohnesorge, zukunftsweisende Impulse in seinem Referat geben. Sein Unternehmen stellt ein herausragendes Beispiel für wirklich gelebte Frauen- und Familienpolitik dar.

(Beifall bei der SPD)

Dort gibt es ein Jahresarbeitszeitkontenmodell, das allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ermöglicht, über den Jahreszeitraum ein hohes Maß an Flexibilität zu haben. 69 Prozent in der Unternehmensleitung sind im Übrigen Frauen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei wird ausdrücklich auf familiäre Interessen und Verpflichtungen in der Familie Rücksicht genommen. Wir sollten uns derartige Beispiele zum Vorbild nehmen und die Landesregierung auffordern, ständig bei den Gesprächen mit den Vertretern der Wirtschaft auf eine verbesserte Gleichstellungspolitik in den Betrieben hinzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung wurde der Verbleib von Jugendlichen in Thüringen als eine Hauptaufgabe benannt. Deshalb möchte ich auf einen weiteren Schwerpunkt deutlich hinweisen: Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten wird sich auch daran zu messen haben, ob es gelingt, im Rahmen ihrer Steuerungsmöglichkeiten

auf die Arbeitsmarktpolitik und den Zugang von Mädchen und Jungen zu einer zukunftsorientierten Ausbildung Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Beides, der gleichberechtigte Zugang zu Ausbildung und zur Arbeit für Frauen und Männer, wird ein entscheidender Maßstab für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten und die Arbeit der Landesregierung sein. Da gibt es viel zu tun und das wäre nicht ganz zuletzt maßgeblich Familienpolitik in purer Form. Tatsächlich wäre das eine neue Qualität im Wirken der Thüringer Gleichstellungsbeauftragten und es wäre dann egal, in welchem Ressort die Ansiedlung erfolgt. Sie werden auch hier rasch beweisen können, denn gerade werden wieder tausende junge Frauen mit guten Schulabschlüssen in wenig zukunftsorientierte Berufe oder in Berufsvorbereitungsmaßnahmen abgedrängt. Und die gut qualifizierten jungen Frauen verlassen weiterhin überproportional Thüringen. Wenn Sie tatsächlich für ihren Beruf etwas erreichen wollen und das Fundament für eine spätere Familie liegen wollen, dann bleibt ihnen leider im Moment nichts anderes übrig. Schauen Sie sich den Thüringer Ausbildungspakt an - kein Wort werden Sie zu diesem Problem dort finden,

(Beifall bei der PDS, SPD)

ganz so, als fänden junge Frauen schon jetzt gleichberechtigt ihren Platz. Ich kann nur hoffen, dass es in Zukunft besser wird.

Einen Wunsch zur Zielsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern möchte ich zum Schluss noch geben: Wann werde ich es erleben, dass Männer öfter Kindergärtner und Grundschullehrer werden? Wann werde ich erleben, dass gleiche Arbeit von Frauen und Männern gleich entlohnt wird? Und wann werden wir erleben, wieder mehr Ministerinnen zu haben? Und, und, und.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie sehen, Herr Minister, die SPD-Landtagsfraktion ist durchaus bereit, Ihre Arbeit konstruktiv kritisch zu begleiten, wenn Flagge gezeigt wird, Flagge für eine ernst genommene Gleichstellungspolitik und damit auch Flagge für eine ernst genommene Familienpolitik. Die Gleichstellung für Frauen und Männer muss zuallererst in den Köpfen der Menschen beginnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als nächste Rednerin folgt Abgeordnete Leukefeld, PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, und besonders möchte ich Herrn Dr. Zeh als Frauenminister begrüßen, wie ich jetzt gerade festgestellt habe.

Die Frauen- und Gleichstellungspolitik in Thüringen hat in zwei verschiedene Richtungen entscheidende Veränderungen erfahren.

(Beifall bei der PDS)

Zum einen gab es eine prinzipielle strukturelle Neuorientierung, zum anderen eben doch eine überraschende Personalentscheidung. Zu beiden Punkten möchte ich mich äußern.

Zur ministeriellen Ebene: Es ist schon erstaunlich, meine ich, wie Sie diese Strukturveränderung in eine Aufwertung uminterpretieren. Uns ist bisher in Deutschland eine solche Abwertung durch auch strukturelle Veränderungen nicht bekannt. Synergieeffekte sind sicherlich gut, aber es geht doch um viel mehr. Es geht natürlich um Gender Mainstreaming, es geht um Gleichstellung in allen Bereichen in der Gesellschaft, im öffentlichen Leben.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: So habe ich es gesagt, Frau Leukefeld.)

Genau, wie Sie das gesagt haben, aber diese Strukturentscheidung spricht eben auch eine andere Sprache. Frauen finden sich eben nicht noch mal im Namen des Ministeriums und die Gleichstellungsbeauftragte hat nicht den Rang einer Staatssekretärin. Sie hat keine Chance, an Kabinettssitzungen teilzunehmen und eigene Vorschläge direkt einzubringen. Sie stellen sie auf die gleiche Ebene wie mit dem zahnlosen Tiger des Ausländerbeauftragten.

(Beifall bei der PDS)

Und ich frage mich schon: Ist es möglich, so den verfassungsmäßigen Auftrag umzusetzen? Mir scheint, es handelt sich hier doch eher um eine Alibifunktion. Die Situation in Thüringen sieht doch folgendermaßen aus: Die Probleme im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern erfahren eine ganz neue Zuspitzung. Ich will nur das Schlagwort "Hartz" erwähnen. Zwei Drittel derjenigen, die keine Bezüge mehr erhalten, werden Frauen sein. Und sie werden damit eine für Ostfrauen ungeahnte Form der

Abhängigkeit erreichen. Der Lohnabstand vergrößert sich weiter und die Konsequenz wird sein, dass Frauenarmut rasant zunehmen wird, dass sich die Frauenarbeitslosigkeit verfestigt. Frauen sind jetzt schon die Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen und auch über die Hälfte derjenigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Natürlich ist es richtig, dass wir Gleichstellungsbeauftragte in verschiedenen Bereichen jetzt auch in der Wirtschaft haben, also bei den Industrie- und Handelskammern. Das ist natürlich zu begrüßen. Aber genau bei diesen Problemlagen wäre eine auch ministerielle Aufwertung der Arbeit logisch und zwingend geboten. Sie jedoch haben jetzt das Gegenteil gemacht. Und, wie gesagt, diese Entscheidung hat nicht nur die Opposition kritisiert, sondern zuallererst wurden wir konfrontiert mit dem Protest der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, und zwar mit E-Mails, mit Telefonanrufen und auch mit eigenen Presseerklärungen. Und was wir schon sehr befremdlich finden, dass Sie dem noch den Namen "schwedisches Modell" geben. Wir haben uns, und das ist richtig, in Schweden eine deutlich erfolgreichere Politik angeschaut. Ich würde mich freuen, wenn dieses Modell in Thüringen tatsächlich greift und Thüringer Gleichstellungspolitik entsprechend konzipiert würde. Nur zur Erinnerung: In Schweden sieht es der Regierungschef selbst als eine der Hauptaufgaben seiner Politik an, ungerechte Geschlechterverhältnisse zu bekämpfen. Es gibt eine Ministerin, die stolz darauf ist, dieses Amt bekleiden zu dürfen, eine Ministerin mit den Befugnissen, anderen Ministern und untergeordneten Behörden Vorgaben zu machen. Es gibt einen Ombudsmann, vielleicht sollte der auch Ombudsfrau heißen, der die tatsächliche Gleichstellung in Politik und Wirtschaft überwacht, ja, eben auch in der Privatwirtschaft. Besonders wichtig hieran ist, dass bei Nichteinhaltung der Vorgaben zum Beispiel auch Bußgelder erlassen werden können. Das hat, wie sollte es anders sein, zur Folge, dass die Situation für Frauen, aber auch für Familien geradezu paradiesisch ist im Vergleich zu Deutschland.

Zur Personalfrage: Diese Entscheidung ist für Überraschungen gut, aber wir meinen, vielleicht nicht so wirklich glücklich. Frau Arenhövel hat sich wohl nicht gerade durch kämpferische Gleichstellungspolitik hervorgetan. Aber vielleicht soll das auch so sein.

Meine Damen und Herren, Frauen lassen sich nicht als soziale Randgruppe definieren, für die man nur dann Politik machen muss, wenn man, wie Frau Arenhövel das in einem Interview in der Ostthüringischen Zeitung getan hat, sie als benachteiligt ansieht. Ich gebe zu, das Interview hat nicht nur mich geschockt. Anstatt Gleichstellung zu fördern und der Benachteiligung von Frauen in allen Lebensbereichen entgegenzuwirken, hat Frau Arenhövel dort die Verdrängung von Frauen in schlecht bezahlte Teil

zeitjobs begrüßt. Sie hat sich dort gegen zusätzliche Krippenplätze ausgesprochen und die Kinderfrage zur reinen Privatsache erklärt.

Lassen Sie mich noch etwas genauer auf dieses Interview eingehen, das man in der besagten Zeitung vom 8. September nachlesen kann. Auf die Frage, wie die Tatsache bewertet wird, dass fünfmal so viel Frauen wie Männer Teilzeitstellen inne haben, ist dort nachzulesen, dass das Frau Arenhövel sehr ermutigend fände, ermutigend, weil wir mehr Teilzeitangebote bräuchten, um Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Wir sind auch für eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie und das ist genau eine Arbeitsrichtung auch in der Gleichstellungspolitik, aber wenn man weiß, dass gerade die Teilzeitstellen oder eben Billigjobs wirklich ganz schlecht bezahlt werden und dass das in der Mehrzahl Frauen sind, die davon betroffen sind und das ausüben, dann halte ich das doch für sehr fragwürdig. Dabei scheint es Frau Arenhövel entgangen zu sein, aber vielleicht auch nicht zu interessieren, dass die meisten dieser Stellen schlecht bezahlte Teilzeitstellen sind und die meisten Frauen eben wirklich auch gerne eine Vollzeitstelle hätten, wenn sie denn eine bekommen würden und wenn sie nicht den Großteil der Familienarbeit immer noch machen müssten. Es ist auch eine Frage, dass diese Teilzeitarbeit enorme Auswirkungen auf Rentenansprüche hat und letztendlich auch zu Altersarmut führt und dass wir damit keineswegs einer gleichberechtigten Aufteilung der Familienarbeit näher gekommen sind, da sich, gemessen an ihren zeitlichen Möglichkeiten, nur jeder zwanzigste Mann intensiver an der Kindererziehung und an Hausarbeit beteiligt.

Eine weitere erhellende Aussage ist die Frage, ob sie mit der geringen Anzahl der Kinderkrippen in Thüringen zufrieden sei, und da durften wir lesen, dann müssen diese Frauen sich beraten lassen und qualifizierte Tagespflege organisieren. Es gibt auch hilfsbereite Großeltern und Nachbarn. Prima! Überlegen Sie mal, Kinderbetreuung von hilfsbereiten Nachbarn, das ist vielleicht sehr löblich und auch eine Frage der gegenseitigen Hilfe und sicherlich auch der Eigenverantwortung, aber, ich glaube, der Staat, das Land Thüringen, hat eine Verantwortung Kinderbetreuungsplätze auch für kleine Kinder zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der PDS)

Eine Gleichstellungspolitik, die diesen Namen verdient, muss im Sinne größerer Gerechtigkeit Einfluss nehmen auf den Arbeitsmarkt. Ich möchte mich hier sehr ausdrücklich den Ausführungen von Frau Ehrlich-Strathausen anschließen, denn es geht um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie

muss die Frauen ermutigen, sich für ihre Rechte einzusetzen und sich eben nicht in die Hausfrauenrolle abdrängen zu lassen. Ich denke, die Gleichstellungsbeauftragte muss auch gegen den Strom schwimmen, wenn gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu Lasten von Frauen und Familien nicht verbessert, sondern eher verschlechtert werden. Und dann frage ich mich schon, wie soll das gehen aus der dritten Reihe. Das ist unglaublich schwer.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Schwimmen oder...)

Ich möchte abschließen damit, dass die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen gefördert und gesichert werden soll und dass dies keine utopische Forderung einer linken Opposition ist, sondern ein Auftrag, der in Artikel 3 Abs. 2 der Thüringer Verfassung formuliert ist. Wir werden gespannt sein, wie die Landesregierung diesem Verfassungsauftrag gerecht wird und wir werden das natürlich auch aktiv begleiten. Wir wollen weiter diskutieren und deswegen möchte ich auch den Antrag auf Weiterberatung im Gleichstellungsausschuss stellen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Tasch zu Wort gemeldet.