Protocol of the Session on November 23, 2006

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den zweiten Teil

b) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Politische Kultur im Thü- ringer Landtag im Zusam- menhang mit den Vorkomm- nissen um die Anhörung zur Novelle des Thüringer Hoch- schulgesetzes am 9. Novem- ber 2006“ Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 4/2459 -

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Dr. Klaubert.

In der Reihenfolge war erst Herr Hausold.

Ich kann doch die Reihenfolge festlegen entsprechend. Frau Dr. Klaubert als Vizepräsidentin …

Frau Dr. Klaubert möchte nicht sprechen.

Gar nicht? Hat sie zurückgezogen? Dann Herr Hausold.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ja.)

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, es geht hier zumindest dem Titel nach um politische Kultur im Thüringer Landtag. Da könnte ich es mit dem ehemaligen Justizminister, Herrn Birkmann, halten, der anlässlich eines Antrags meiner Fraktion vor Jahren in ähnlicher Richtung äußerte, dass man - die Landesregierung und die CDU-Fraktion - keine Belehrung benötigt und dann weiter ausführte, da haben Sie genug vor Ihrer eigenen Tür zu kehren und nach manchem Erleben, meine Damen und Herren, möchte ich das eigentlich heute an die CDU-Fraktion zurückgeben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, es liegt durch Herrn Bärwolff - und das ist offensichtlich der Anlass - ein Verstoß gegen die Hausordnung vor, den wir nicht billigen, was wir mit

ihm besprochen haben. Was jetzt jedoch durch den Ältestenrat und die CDU-Mehrheit daraus konstruiert und unterstellt wird, weise ich hier nochmals, wie ich das auch im Ältestenrat getan habe, prinzipiell zurück, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es ist doch einfach absurd, im Ältestenrat beschließen zu lassen, dass die Fraktion Die Linkspartei.PDS Herrn Bärwolff als Schriftführer zurückziehen soll. Einmal davon abgesehen, dass Sie hier in eine Schärfe gehen, die überhaupt nicht angebracht ist, auf welches Recht wollen Sie sich denn berufen mit solch einer vordergründigen politischen Propagandaaktion - und nur so kann ich das werten. Wenn es überhaupt Maßregelungen gegenüber Abgeordneten dieses Hauses, die Schriftführer, geben kann, dann nur im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in diesem Amt, und das liegt hier überhaupt nicht vor, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was Sie vorhaben, verstößt gegen Verfassungs- und Parlamentsrecht. Sie wollen verbriefte Rechte von Abgeordneten einschränken. Dies, meine Damen und Herren, ist nun aus meiner Sicht ausgesprochen kein Beitrag zu politischer Kultur in diesem Hause.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zum Thema „französische Verhältnisse“ muss ich sagen, noch absurder ist es, im Ältestenrat überhaupt Äußerungen von Abgeordneten dieses Hauses auf öffentlichen Veranstaltungen bewerten zu wollen. Das verbietet sich doch aus unserer Sicht von vornherein. Was nun den Begriff „französische Verhältnisse“ angeht, so möchte ich jedwede Unterstellung zurückweisen, dass eine solche Äußerung in dem Sinne ausgelegt wird, als würde hier Gewalt gegen Sachen oder Personen das Wort geredet, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es ist bekannt, dass wir als Partei und unsere Fraktion jegliche Art von Gewalt - wie auch immer - strikt zurückweisen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Richtig ist allerdings, meine Damen und Herren, dass als „französische Verhältnisse“ solche zu verstehen sind, dass da eine Regierung, wie die französische, im Falle vorgesehener Arbeitnehmergesetze nach sehr umfangreichen, von großer gesell

schaftlicher Breite getragenen politischen Protesten ihre Gesetzgebung revidiert hat, weil sie nämlich Interessen von Menschen aufgenommen hat,

(Unruhe bei der CDU)

weil sie Kritik an ihrer Politik wahrgenommen hat. Das wünsche ich mir auch von der Landesregierung und der sie tragenden Fraktion in diesem Hause. Diskutieren Sie, meine Damen und Herren, politisch mit uns und versuchen Sie nicht, mit verfassungs- und parlamentsrechtswidrigen Aktionen Abgeordnete dieses Hauses ihrer Rechte zu berauben.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Und im Übrigen, Frau Präsidentin, ich behalte mir noch eine Prüfung vor. Ich denke, wenn zumindest in einer gewagten Auslegung der Hausordnung Frau Hennig sogar verweigert wird, auf der Tribüne dieses Hauses die weitere Sitzung zu verfolgen, dann zeugt das von einer Kleinkariertheit, die ich hier einfach nicht nachvollziehen kann.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Beleidigung des Parlaments und der Präsidentin.)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krause, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Hausold, Ihre Rede war so charmant wie Ihre rote Mappe, die vermutlich auch schon einige Zeit alt ist.

(Beifall bei der CDU)

Es geht in der Aktuellen Stunde natürlich nicht darum, dass Studenten für das, was sie für ihre Interessen halten, demonstrieren. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes 1989 von uns erkämpftes demokratisches Gut.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es geht auch nicht darum, ob erregte und angeregte Studenten das Wort Bannmeile noch buchstabieren können. Es geht darum, dass ein Abgeordneter des Thüringer Landtags Demonstranten beim Brechen des Hausrechts aktiv unterstützt hat. Nun beruhigen Sie sich doch, Sie sind doch nicht

auf Ihrem Parteitag.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bitte um Ruhe.

Wir reden nicht bloß über politische Legitimität, sondern über Legalität. Man könnte folglich fragen gerade nach den Ereignissen eben, was eigentlich alles mit § 42 des Abgeordnetengesetzes und mit unseren Verhaltensregeln vereinbar sei. Ich möchte allerdings hier nicht formal abwägen. Welcher Schaden durch solche Aktionen entsteht, scheint der Kollege Bärwolff nicht überblicken zu können oder zu wollen. Eine parlamentarische Demokratie ist ein höchst fragiles Gebilde. Sie lebt vom Interessenausgleich zwischen Staat und heterogener Gesellschaft - das ist noch etwas anderes - von der Balance zwischen Option und Bindungen. Sie lebt vor allem von einer bestimmten, nämlich bürgerlichen Kultur der politischen Auseinandersetzung. Die Rede vom Hohen Haus und seiner Würde ist eben keine Floskel. Jeder weiß, dass sich die deutsche Nachkriegsdemokratie in schweren Krisenzeiten noch nicht zu bewähren hatte. Wir sollten uns sehr hüten, mit ihr leichtfertig und unwissend zu spielen oder das oberste Organ demokratischer Willensbildung lächerlich zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist keineswegs nur die Kompetenz, Probleme zu lösen, die über den Erfolg einer Politik, über das Ansehen der Politik überhaupt entscheidet, ebenso der berechenbare Umgang miteinander, das Verfahren, wie Mehrheiten und Minderheiten je akzeptiert werden, stärken oder schwächen eine Demokratie. Unsere politische Kultur ist so wenig ideal wie die menschlich - allzu menschliche Welt, aber sie ist im Grunde und der Form nach zivilisiert oder sollte es wenigstens sein. Niemand verlangt im Ernst von einem jungen Linksparlamentarier, dass er mit den Vokabeln Stil oder Respekt etwas anzufangen vermöge.

(Beifall bei der CDU)

Niemand verlangt, dass alle im Plenum mit gleichen Farben spielen oder die eigenen Karten gar aufdecken mögen, aber dass alle die Spielregeln akzeptieren, das ist das Entscheidende oder uns offenbar Unterscheidende. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland hat sich mit gutem Grund Mechanismen in die Verfassung geschrieben, die sie davor bewahren, irgendwelche Stimmungen hektisch exekutieren, auf jede Befindlichkeit der Straße kurz

schlüssig reagieren zu müssen. Je komplexer die Gesellschaft wird, umso schwieriger werden politische Entscheidungen. Man mag das als Opposition propagandistisch verneinen und einfache Angebote machen - das ist durchaus das Recht derjenigen, die nicht die Verantwortung tragen -, aber es gibt Grenzen. Die sind erreicht, wenn Demonstranten widerrechtlich in den Landtag eingelassen werden, wenn diese Demonstranten auf Abgeordnete gehetzt werden,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist doch totaler Blödsinn!)

wenn Abgeordnete gegenüber Polizisten, denen wir Dank schulden, ein Plädoyer für französische Verhältnisse halten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist nicht nur ein vehementer Beitrag zur Eskalation, das ist eine Form politischer Gegenkultur. Repräsentative Demokratie lebt von einem Volksvertreter, der einen freien Entscheidungsspielraum verantwortlich nutzt, der ein Gefühl für Pflicht hat, der über ein Maß an politischer Klugheit und der über Sinn für das Ganze verfügt. Wer in ein Parlament einzieht, und jetzt wechsele ich gezwungenermaßen vom Imperativ in den Konjunktiv, der sollte würdig und reif sein. Die Verantwortung einer Partei in einer Demokratie mit Verhältniswahlrecht beginnt mithin beim Aufstellen der Wahlliste.

(Beifall bei der CDU)