nun zu behaupten, die Politik könne das doch, wenn man nur könnte wie man wollte? Oder ist es nicht sinnvoller, zu erklären, wo die Grenzen politischer Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich verlaufen und wo Gesellschaft als Summe eigenverantwortlicher Bürgerinnen und Bürger stärker gefragt ist? Das muss dann natürlich auch wahrgenommen werden. Ich denke, die Antwort hängt davon ab, wie der lange Ablösungsprozess vom vormundschaftlichen DDR-Staat insbesondere bei uns beurteilt und wie er vorangetrieben werden soll. Der Thüringen-Monitor ist in diesem Prozess eine politik- und sozialwissenschaftliche Momentaufnahme.
Politik verfehlt ihre Führungsaufgabe, meine ich, wenn sie hier nicht klar eine Richtung aufzeigt. Die Richtung hat Dieter Althaus unmissverständlich klar aufgezeigt. Sie darf sich nicht darauf beschränken, einfach Meinungen, Wünsche, Befindlichkeiten zu registrieren und danach dann Konzepte zu schneidern. Dann sitzt der Karren nämlich wirklich bald im Dreck. Nur aufnehmen, moderieren im Mainstream der Zeit, das genügt nicht, sondern Führung ist schon gefragt - auch gegen den Strom. Das Beispiel der Familienoffensive zeigt das ja auch. Wir haben die Familienoffensive, das Landeserziehungsgeld ja nicht in Gang gesetzt, um möglichst viele Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder in die Kindertagesstätten zu bringen. Das haben Sie behauptet von der Opposition und jetzt wundern Sie sich, wenn es anders ist.
Wir haben immer gesagt, es wird nicht dazu kommen, dass Eltern ihre Kinder zuhauf aus den Einrichtungen abmelden. Aber wir wollen, wenn das eine Minderheit ist, diese Minderheit nicht permanent schlechterstellen, die ihre Kinder zu Hause erzieht. Das ist wirkliche Wahlfreiheit, die wir vom Freiheitsgedanken abhängig machen
Wie wenig das bloße Moderieren funktionieren kann, das zeigt sich schon bei den erhobenen Daten zur Zukunft der Sozialversicherungssysteme. Dass nur wenige länger arbeiten wollen, dann die rentennahen und verrenteten Jahrgänge eher für höhere Beiträge sind, die sie ja dann auch nicht mehr so lange betreffen, und die mittleren und jüngeren Jahrgänge aber lieber Rentenabschläge wollen, das ist alles nicht wirklich überraschend. Nur, wie wollen Sie all dem Rechnung tragen? Hier muss schon Führung in die Hand genommen werden, denn das Hemd ist nun mal den Menschen näher als der Rock, das ist eine ganz normal menschliche Verhaltenseigenschaft.
Eine Politik nach dem „allen Wohl und niemandem Weh“, dass das dann alles als gerecht empfunden würde - eine solche Politik ist eine Illusion. Wir schaden der Demokratie, wenn wir selber immer noch an diesen Illusionen mitstricken, sondern hier, wie gesagt, muss Führung letztlich entscheiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses angesprochene Thema Rente oder Gesundheit ist natürlich keines, was wir hier im Thüringer Landtag lösen können, deswegen will ich mich da auch nicht länger verbreiten. Gleichwohl weiß ich, wir haben immer wieder, auch auf der diesmaligen Tagesordnung Anträge, die suggerieren, als könnte der Thüringer Landtag hier entscheidend Einfluss nehmen; auch hier muss man Illusionen wehren.
Aber Arbeitslosigkeit und Abwanderung, das sind Themen, in der Tat zu Recht, wo wir - natürlich auch abhängig von den Gesamtrahmenbedingungen - uns aber trotzdem in Thüringen verstärkt Gedanken machen müssen und die den Thüringern ja noch mehr auf den Nägeln brennen. Es schmerzt mich besonders, und auch das ist in dem Bericht sehr deutlich geworden, dass vor allem die geistig Beweglichen, die Jungen und gut Ausgebildeten zu den Abwanderungskandidaten und -kandidatinnen gehören - leider oft ja auch weiblich, mehr noch als männlich, mit allen Folgen, die das auch hat. Um es ganz klar zu sagen: Hier geht es um die zukünftige Leistungselite unseres Landes. Sie ist wirtschaftlich unverzichtbar, aber genauso unverzichtbar sozial und kulturell. Eine solide Mittelschicht ist letztlich entscheidend für die Stabilität einer Gesellschaft. Deswegen müssen wir ein Interesse daran haben, Rahmenbedingungen zu haben, wo sich diese wieder stärker verankern kann. In einem Land, in dem es eine Leistungselite gibt, Arbeit das Leben auch gesellschaftlich prägt, haben wir dann viele Probleme, die heute so in dem Thüringen-Monitor aufgezeichnet sind, natürlich wesentlich abgemildert, wenn in einer organisierten bürgerschaftlich geprägten Welt selbstverständlich die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen ohne den Ruf nach dem Staat, weil es eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit ist, Probleme selbst lösen zu wollen.
Wirtschaft und attraktive Arbeitsplätze sind hier der Schlüssel. Die Zielgruppe dafür müssen vor allen Dingen die gut Ausgebildeten und Ambitionierten sein. Sie bringen die Gesellschaft voran und ziehen andere mit. Darauf müssen wir uns auch konzentrieren in politischen Initiativen, die wir auch hier im Thüringer Landtag zu debattieren haben. Es ist ein Problem für Thüringen, aber wir wissen auch, es ist ein Problem für Deutschland insgesamt, denn die Abwanderung betrifft ja nicht nur Thüringen oder die an
deren jungen Länder. Wenn wir allein die Akademiker in den Naturwissenschaften, die Mediziner sehen, ist deutschlandweit ein Aderlass zu verzeichnen, weil Bedingungen deutschlandweit im Moment nicht angetan sind, junge Menschen im Land zu halten.
Doch der Monitor zeichnet zum Glück auch hier einen Silberstreif am Horizont. Die wirtschaftliche Aufhellung, die in dem Bericht gemessen wird, trägt letztlich auch dazu bei, dass von der Bevölkerung allmählich wahrgenommen wird, was sich seit geraumer Zeit, nicht zuletzt auch im Zeichen der Globalisierung, ändert. Auch hier liegt der Schlüssel, den größten Sorgen - Arbeitslosigkeit und Abwanderung - etwas entgegenzusetzen. Mit in diesen Kontext - und ich will damit sagen, zu den Aktiva - gehört auch die Heimatverbundenheit der Thüringerinnen und Thüringer. Herr Ministerpräsident ist schon darauf eingegangen. Es ist erfreulich, dass Thüringen die Identität vieler Menschen prägt. Daran können wir anknüpfen. Auch jene, die sich nicht vorrangig als Thüringer, sondern als Deutsche und Europäer fühlen, denken doch positiv über ihr Land, über Thüringen und wollen dieses Land auch nicht aufgeben. Die Menschen gehen nicht deshalb - das wissen wir alle -, weil sie wollen, sondern weil sie Zwänge sehen, es zu müssen und weil anderenorts Aussichten immer noch besser sind - ein klarer Auftrag, natürlich im Rahmen unserer Möglichkeiten, gegenzusteuern. So ist es letztlich auch ein Wirtschaftsthema, aber nicht nur, sondern die Attraktivität des Landes ist es genauso. Das empfinden die Thüringerinnen und Thüringer auch so und haben das in dem Monitor sehr deutlich gemacht. Für diese Aussage bin ich dankbar. Sie bestätigt eine Politik, mit der wir hier seit 16 Jahren in Kontinuität, in Heimatverbundenheit und zur Stärkung unserer Thüringer Strukturen beigetragen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine große Herausforderung für die Politik, die Dauerhaftigkeit der demokratischen Verfassungsordnung liegt auch in dem Bezugsfeld Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und in der Frage - das ist auch eine zentrale Frage dieses Monitors -, ob die Gesellschaft als gerecht wahrgenommen wird. Hier sind die Dinge nach wie vor schwierig. Die festgestellten Werte bezüglich der Gerechtigkeitsfragen müssen uns zu denken geben. Ich meine schon, wer Demokratie langfristig sichern will, braucht überzeugende Antworten, denn das Gefühl, es gehe ungerecht zu und man bekomme seinen gerechten Anteil nicht, sind letztlich auch Keime, aus denen dann eine Distanz zur Demokratie erwachsen kann. Mangelhafte Bildung, Ebbe in der Kasse, keine Arbeit, kein Vertrauen in die soziale Sicherung bzw. in den Wohlfahrtsstaat kommen dazu. Je größer der Problemdruck empfunden wird und je größer die Betroffenheit ist, desto eher wird nach Systemalternativen gesucht. Nur einer knappen relativen Mehrheit von 48 Prozent ist die Freiheit wichtiger als die
Gleichheit. Drei Viertel gewichten die Sicherheit höher als die Freiheit, wenn zwischen beidem gewählt werden müsste. Im Ergebnis sind nur 17 Prozent im Zweifel immer für die Freiheit und 40 Prozent geben der Gleichheit und der Sicherheit den Vorzug. Man soll, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Sicherheitsbedürfnis nicht leichtfertig als freiheitsfeindlich denunzieren. Ich gestehe, auch hier habe ich selbst - auch nicht zuletzt durch die Befunde der vergangenen Monitore - etwas dazugelernt. Auf dem Weg aus dem vormundschaftlichen Staat durch die Höhen und Tiefen des Transformationsprozesses in eine globalisierte Welt ist das, glaube ich, durchaus nachvollziehbar und verständlich. Ein Minimum an Planbarkeit, an Verlässlichkeit ist erforderlich, um in Freiheit leben zu können. Das trifft insbesondere auch auf Familien in Freiheit zu, wo ein Minimum, wie gesagt, an Planbarkeit, Verlässlichkeit auf jeden Fall gegeben sein muss. Auch Freiheit ist nicht voraussetzungslos, auch das müssen wir feststellen. Dafür müssen wir auch Sorge tragen. Dennoch gilt hier das oben Gesagte ganz besonders. Die Politik kann diesen Befund nicht einfach zur Kenntnis nehmen.
Wenn richtig ist, dass nur ein Mehr an Freiheit und Verantwortung dem Gemeinwesen die erforderliche Dynamik und Leistungsfähigkeit verleiht, dann lautet das Ziel: Der Anteil derer, die im Zweifel für Freiheit stimmen, muss wachsen und über Freiheit und Verantwortung muss aber auch offensiv debattiert werden. Bei allen Projekten, die die Landesregierung bisher auf den Weg gebracht hat, ist dieses immer auch Thema gewesen, das Verhältnis von Freiheit und Verantwortung.
Wo sind die Ansatzpunkte dafür? Ich will drei kurz ansprechen: Der erste ist meiner Ansicht nach - und das wurde von beiden Vorrednern der beiden Oppositionsfraktionen ja auch schon thematisiert, auch in der Kontroverse - schon die Möglichkeit einer allgemeinen Grundabsicherung des soziokulturellen Existenzminimums, sprich solidarisches Bürgergeld. In aller Kontroverse, die bedingungslose Absicherung des soziokulturellen Existenzminimums bedeutet ganz klar einen Zuwachs an Daseinssicherheit. Ich finde es gut, dass mit der Idee von Dieter Althaus, die erst ganz im Kleinen begonnen hat, eine deutschlandweite Debatte bis auf die Titelseiten der großen deutschen Zeitungen, bis zu einem Forum, was auch die Christlich-Demokratische Union Deutschlands für dieses Land veranstalten wird, begonnen hat. Es gibt eine Mobilisierung quer durch alle politischen sonstigen Lager; dass gesagt wird, das ist ein Ansatz. Damit ist schon etwas Gewaltiges erreicht.
ganz klar gesagt, er ist gegen dieses Modell. Aber trotzdem, aufgrund eines Gesprächs gestern, was wir als CDU-Landtagsfraktion mit dem DGB hatten, kommt es dazu, dass am 14. Dezember - und auch für uns offen, es werden auch Kolleginnen und Kollegen von uns da sein - mit einem der Protagonisten dieses Modells, Prof. Opielka, eine intensive Diskussion stattfindet. Das ist doch genau der Prozess, den wir brauchen. Bei so revolutionären Gedanken kann man ja gar nicht erwarten, dass auf einen Schlag 80, 90 Prozent oder auch nur 50 Prozent gleich Ja sagen. Aber dass es beinahe schon 50 Prozent sind in einer so kurzen Zeit, finde ich eine gewaltige Leistung. Es ist auch ein Punkt, wo Menschen sagen: Politik fällt noch etwas ein, es gibt Visionen, es gibt Hoffnungen. Deswegen bin ich auch hier guter Dinge und finde schon, das Bürgergeld ist geeignet, Angst zu nehmen, durch soziale Netze zu rauschen, am Ende Bittsteller zu sein. Auch das trägt nämlich am Ende dazu bei, dass jemand mit der Gesellschaft hadert, sie als ungerecht empfindet, wenn er, wie gesagt, bei allen Absicherungen, die es gibt, diese immer nur als Bittsteller erhalten kann. Auch hier habe ich ja zunächst mal eine Hürde - jemand, der von der Freiheit, der von der Eigenverantwortung kommt - nehmen müssen. Das ist so ein Lernprozess, dass man sagt, diese Gesellschaft ist so reich - 734 Mrd. € Sozialausgaben -, dass sie voraussetzungslos zunächst am Anfang alle auf der Basis eines soziokulturellen Existenzminimums gleichstellen kann. Auf dieser Basis abgesichert ist dann in voller Freiheit jeder seines eigenen Glückes Schmied. Das finde ich einen faszinierenden Gedanken und das kommt auch aus unserer Wertsetzung, die wir als CDU haben mit Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und lässt sich deswegen gut verbinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, den zweiten Hebel sehe ich in der Befähigung zur Freiheit und in Beteiligungsgerechtigkeit. Jeder muss die Chance haben, im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben seinen Platz zu suchen und zu finden. Ich finde, auf dieser Basis ist das auch umso leichter und glaubwürdiger möglich und deswegen - ich sage es noch mal - stellt das Bürgergeld mit all diesen Prädikaten, die es da gibt: Faultierprämie, Stilllegungsprämie - das ist eine Diffamierung, das ist so etwas von kontraproduktiv und hilft überhaupt keinem weiter - Beteiligungsgerechtigkeit dar, die Chance zu haben, seinen Platz zu suchen und zu finden, ohne dass man ständig diesen permanenten Existenzdruck haben muss.
Der Staat hat natürlich auch eine Mitverantwortung dafür, dass dieses gelingt, nicht zuletzt - und auch das ist, denke ich, Konsens in diesem Haus - durch Bildungspolitik. Wir haben die Weichen in diese Rich
tung gestellt, immer wieder. Auch die Bürgerinnen und Bürger finden einen Änderungsbedarf an Thüringer Schulen nicht prioritär. Das ist ein ganz deutlicher Beleg dieses Thüringen-Monitors, dass die Qualität unserer Schulen von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger geschätzt wird, aber dass wir natürlich ständig in einem Prozess sind und weiter verbessern, nicht zuletzt jetzt auch bei unserer Schwerpunktsetzung der frühkindlichen Bildung mit dem „Bildungsplan von 0 bis 10“ mit allen Akzenten, die wir hier gesetzt haben. Zukunft darf nicht an Herkunft gekettet sein, darüber sind wir uns alle einig. Wir können laut sagen, dass der Bildungserfolg, den wir in Thüringen haben, in kaum einem anderen Land so wenig von der sozialen Herkunft abhängt wie in Thüringen. Das ist, denke ich, schon mal ein Befund, den man konstatieren kann in einem Land, wo das deutschlandweit weithin anders ist. Aber in Thüringen haben wir die günstigsten Werte und wir sollten alles tun, das natürlich auch zu halten. Es steht ganz außer Frage, dass nach wie vor viel zu tun bleibt. Bildungspolitik ist deshalb völlig zu Recht eines der großen landespolitischen Themen, an denen wir auch hier im Haus weiter arbeiten. Was geht gemeinsam? Dazu stehen wir gern bereit. Was kontrovers sein muss, das wird am Ende in der Kontroverse natürlich diskutiert. Aber, dass wir das machen, selbst dann, wenn die Bevölkerung hier nicht den größten Handlungsdruck empfindet, ist für uns eine Frage der Verantwortung, die wir haben. Das große Vertrauen in die Thüringer Schulen ist erfreulich und sie sind ja auch gut, wenn man sich das in deutschlandweitem Maßstab anschaut.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der dritte Hebel ist die offene Auseinandersetzung um die Werte - ich nannte sie bereits - Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, die nicht allein die CDU im Zentrum ihrer Programmatik stehen hat, aber eben auch wir, und das von Anfang an. Alle drei Begriffe haben eine große Bedeutungsbreite und müssen ins Verhältnis zueinander gesetzt werden, um politisches Handeln leiten zu können. Wenn selbst 45 Prozent finanziell sehr gut und gut Ausgestatteter meinen, nicht ihren gerechten Anteil zu haben, und Dreiviertel meinen, die Gesellschaft sei nicht gerecht, dann muss man letztlich nach den Maßstäben der Bürgerinnen und Bürger fragen. Einmal ganz abgesehen davon, dass dieser Befund genauso wie die Abwanderung Qualifizierter auch auf Folgendes hindeutet: Es ist bei den gut bezahlten Leistungsträgern nicht mehr viel zu holen, um es auf die weniger gut Bemittelten umzuverteilen, denn dann packen sie endgültig - das ist auch eine Realität - ihre Koffer und sagen Thüringen und Deutschland ade. Für die wirklich Großen - da machen wir uns auch keine Illusionen - der globalisierten Welt gilt das schon ganz und gar. Natürlich, starke
Schultern müssen mehr tragen - das sagen wir. Und die Verantwortung haben und ethische Maßstäbe haben, sind auch bereit, es zu tun. Wo diese Maßstäbe nicht vorhanden sind, wo man nichts mehr von dem Wertgefüge hält, gilt eben auch: Starke haben starke Schultern, aber sie haben eben auch schnelle Beine und schnelle Füße und sind deswegen auch schnell weg. Man muss hier schon eine gute Abwägung, gute Kompromisse finden, immer Eigenanreiz auch mit Gemeinwohlorientiertheit zu verbinden.
Wir haben es offensichtlich in den letzten Jahren versäumt, über Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ausreichend zu diskutieren. Das ganze Themenfeld scheint mir heute nach wie vor deutlich unter den früheren Gleichheitsvorstellungen zu stehen. Deswegen begrüße ich die angestoßene Debatte, der wir uns auch in Thüringen als CDU-Landtagsfraktion im Rahmen unserer Arbeit, auch als CDU Thüringen stellen, dass wir ganz bewusst seit jetzt fast einem Jahr diese Wertediskussion hier für uns und in Verbindung mit dem Thüringenbezug stellen und dass wir beim Parteitag am 2. Dezember auch dieses einbringen und dann wieder ganz aktiv für unsere Regierungspolitik deutlich machen, die wir aber nicht nur in Legislaturperioden denken, sondern langfristig in diesem Land brauchen - bis 2015, bis 2020, Zukunftspaket 2020. Unser Finanzarbeitskreis hat es vorgelegt; man muss breit in den Fraktionen diskutieren und das wird natürlich auch zu Initiativen hier im Thüringer Landtag führen. So verstehen wir Zukunftspolitik für Thüringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem eines wird klargestellt: In einen sinnvollen Zusammenhang lassen sich die Leitwerte nur durch ein Strukturprinzip bringen. Das Strukturprinzip ist das Subsidiaritätsprinzip, ohne dass wir Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit auch nicht denken können. Es kommt mehr denn je darauf an, allen klarzumachen, Freiheit ist nicht die Freiheit von Verantwortung, sondern die Freiheit zur Verantwortung, zur Selbstverantwortung und Solidarität, ist die Hilfe zur Selbsthilfe und die Absicherung elementarer Lebensrisiken, aber nicht die Herstellung einer sozialen Gleichheit durch einen alles regulierenden Staat. Deshalb kommt es darauf an, die einzelnen und die kleineren Einheiten stark und leistungsfähig zu machen. Anders werden wir es nicht schaffen, alle die Kräfte in unserer Gesellschaft zu mobilisieren und den Wohlstand zu erwirtschaften, den wir benötigen, damit alle Bürgerinnen und Bürger ein menschenwürdiges Leben führen können. Der Staat kann nicht alles und wir merken ja die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Absichern, was früher in Ehe, in Familie, in den normalen sozialen Strukturen, in denen Menschen eingebunden waren, selbstverständlich erledigt wurde, das geht nicht. Wenn ich einmal die aktuellen Zahlen sehe, wir streiten hier um jede 10.000, 100.000, 10 Mio. € für Theater und Or
chester. Wie die Prozesskostenhilfe angewachsen ist, und zwar für beide Parteien in Familienstreitigkeiten, dass wir vom Freistaat Thüringen, ich weiß nicht, Herr Justizminister, wie viele Millionen wir ausgeben, nur weil sich Menschen streiten und dies auf Staatskosten, weil wir natürlich den Rechtsanspruch auf anwaltliche Begleitung begleichen müssen. Aber da müssen wir doch einmal überlegen, in welche Verhältnisse wir geraten sind und dass das irgendwo endlich ist. Das Geld ist schlicht nicht mehr da und wir müssen überlegen, zukunftsfähige Strukturen sind das nicht, wenn wir es da einsetzen, aber die Rechtsansprüche sind im Moment so. Das sind Fragen, die wir klären müssen, die wir auch nicht allein im Thüringer Landtag klären müssen, sondern, wo wir deutschlandweit vor Problemen stehen. Wenn wir es für richtig halten, dass wir wirklich wieder stärker kleine, eigenverantwortliche, leistungsfähige Einheiten brauchen, dann müssen wir hier auch die richtigen Signale setzen. Auch da hat unsere Familienoffensive ihren geistigen Hintergrund - ich habe es vorhin schon gesagt -, dass wir dann nicht nur das Signal einseitig, auch wenn 80 Prozent der Thüringer das im Moment so sehen, auf die öffentlichen Strukturen setzen dürfen, sondern eben auch da, wo Familien sich ganz bewusst anders entscheiden, nicht sagen: Ihr seid leider weniger privilegiert. Wir zahlen nur die offiziellen oder öffentlichen Betreuungsstrukturen und dann habt ihr eben Pech gehabt. Gebt euer Kind dahin. Sondern eure Erziehungsleistung ist uns gleich viel wert. Ich sage es noch einmal. Pluralität der Lebensstile, vor allem, wo Eltern-Kind-Beziehungen funktionieren, wo eine innige Einheit gerade in den ersten Lebensjahren für die Gesellschaft unendlich viel wert sein kann, mehr als da, wo Menschen aus Strukturen gerissen werden und letztlich diese Kraft nicht in diesem Maße vorhanden sein kann - das ist für uns wichtig.
Deutlich wird aus dem Monitor auch, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf natürlich alle angeht, dass Unternehmen genau so gefragt sind wie Kommunen und dass wir hier eine Flexibilität ganz bewusst eingebaut haben, die es früher nicht so gab im Hinblick auf Betreuungssituation, Betriebskindergärten, die ermöglicht worden sind oder auch ganz andere Zeiten, an die früher nicht zu denken war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Stabilität der demokratischen Verhältnisse spielt auch das Vertrauen in die Institutionen eine große Rolle. Dass es damit zum einen gerade hinsichtlich der Parteien nicht weit her ist, hatte ich bereits angedeutet und das muss uns natürlich alle umtreiben. Sie werden vielfach als Institutionen wahrgenommen, denen es zwar um Stimmen der Bürger, aber nicht um die Bürger selbst geht. Das geht ganz deutlich aus dem Thürin
gen-Monitor hervor. Die Diskrepanz zwischen politischem Problemdruck und der geringen Lösungskompetenz gehört in diesen Zusammenhang und ebenso das Missverhältnis zwischen der positiven Einschätzung des eigenen politischen Urteilsvermögens und den vermeintlich geringen Einflussmöglichkeiten. Was folgt daraus aber für die politischen Parteien und die Gestaltung politischer Abläufe? Dazu gehört für mich in der Politik zuallererst Ehrlichkeit. Da die Parteien besonders misstrauisch beäugt werden, müssen sie sich in diesem Punkt auch besonders anstrengen. Wer mehr verspricht, als er halten kann, der schadet der Demokratie. Hier haben sich alle Parteien letztlich kritisch zu hinterfragen. Wir dürfen den Menschen nicht vorgaukeln, der Staat könne alle Probleme lösen. Meine Partei ist leidgeprüft aus einem Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr, als wir mit der Mehrwertsteuererhöhung in diesen Wahlkampf gegangen sind. Es hat uns fast die Kanzlerschaft gekostet. Aber wir haben sie nun; wir haben jetzt ein Jahr Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man stelle sich vor, wir hätten die Mehrwertsteuererhöhung nicht angekündigt, was das dann für die politische Kultur bedeutet hätte. Nun scheint das Konzept ja nahezu aufzugehen, dass durch die wirtschaftliche Entwicklung, durch die in Gang gesetzten Impulse, diese Mehrwertsteuererhöhung im Grunde ihren Schrecken verloren hat. Auf der anderen Seite sollten die Parteien umso klarer sagen, was sie wollen. Wenn sich der Eindruck festsetzt, sie seien Organisationen, die den Kampf um Mehrheiten als Selbstzweck betreiben und nicht um klarer Ziele willen, dann werden sie weiter an Kredit verlieren. Deshalb sind ein klares Profil und klare politische Grundsätze wichtiger als alle Versuche, alle denkbaren gesellschaftlichen Gruppen für sich zu gewinnen und jedes letzte Milieu noch abzugrasen. Nicht alle sind für alle Parteien erreichbar, deswegen haben wir ja auch die verschiedenen Parteien und dann ist es gut, wenn in der Kontroverse auch die verschiedenen Lösungswege und Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden. Die Parteien sollten auch nicht den Eindruck erwecken, als seien sie nur Dienstleister in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, sondern bewusst motivieren, besonders bewusst auch Bürger nach wie vor mit in Verantwortung nehmen. Selbstverständlich muss Politik zielführend sein, muss Probleme lösen können, aber wir müssen auch immer wieder für Demokratie werben, dass Demokratie ein komplizierter Prozess ist und entsprechende Verfahren und Meinungsbildungsprozesse abzuwarten sind. Diese Gratwanderung müssen wir immer gehen und ich sage auch im Blick auf die direkte Demokratie, auf die Mitwirkungsmöglichkeiten: Da haben wir nicht zuletzt auch durch unsere kleinteilige Struktur im Land eine Breite an Mitwirkungsmöglichkeiten geschaffen, die - würden nur im Ansatz die Vorstellungen der Oppositionsfraktionen - bei der PDS ganz deutlich, bei der SPD etwas abgeschwächter - Wirklichkeit werden - deut
lich geringer wären. Das will ich nur einmal an den ehrenamtlichen Kreistagsmitgliedern in Thüringen deutlich machen. Wir haben 1.040 an der Zahl, in den Vertretungskörperschaften auf dieser Ebene. Hätten wir beispielsweise nur noch 4 Großkreise mit nur noch vielleicht 370 Kreistagsmitgliedern, zerstörten wir ein Element gelebter Demokratie.
Es gibt ja noch Kommunen, die kommunale Ebene, wo wir auch sehr dankbar sind für alle Mandatsträger, die da sind, und wo wir auch nach Lösungen suchen - die Enquetekommission arbeitet ja - wie Effizienz aber auch mit identitätsfähigen Räumen verbunden und dieses ehrenamtliche Engagement von Ortschaftsräten, von Gemeinderäten eben nicht eingedampft wird, sondern weiter in die Verantwortung genommen werden kann. Denn dort wird vieles erledigt in einem guten und auch in einem dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Sinne, da ist Demokratie erlebbar vor Ort und deswegen wollen wir dies auch weiterhin so halten.
Ich möchte auch anknüpfen an das Thema des Extremismus. Das war der ursprüngliche Ausgangspunkt ganz am Beginn unserer Monitore und auch hier haben wir ja entscheidende Befunde, die es lohnen, gewürdigt zu werden. Ich will nicht alles wiederholen, was dazu schon gesagt worden ist. Aber der Monitor mit all seinen Ausdifferenzierungen im Einzelnen bestätigt doch, dass der Ansatz unseres gemeinsamen Antrags, den wir hier nach hartem Ringen - und ich finde, es war ein Ringen, das sich gelohnt hat, auch mit Blick auf die intensiven Diskussionen, die wir miteinander geführt haben und die zu einem Ergebnis gekommen sind, die letztlich durch diesen Thüringen-Monitor auch bestätigt werden, wenn es damals in unserem gemeinsamen Antrag in der Begründung hieß: „Politischer Extremismus äußert sich im Kern in der Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu der die Unverletzlichkeit der in den Menschenrechten konkretisierten Menschenwürde untrennbar gehört. Politischer Extremismus kann in weltanschaulich vielfältigen und sogenannten rechten, linken oder religiös-fundamentalistischen Auffassungen wurzeln.“ Der Gradmesser ist eben immer die Frage: Wie hältst du es mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Und dass uns hier als Schlüssel gegeben worden ist mit dem Thüringen-Monitor, einmal in der Demokratie-Dik
tatur-Typologie zu denken und diese Kategorisierung auch zu sehen im Blick auf Zufriedene und Unzufriedene, Nicht- und Antidemokraten, denke ich, ermöglicht uns auch ein genaueres Hinsehen. Die Hinweise der Monitorautoren, dass die sozioökonomischen Variablen und Gerechtigkeitswahrnehmungen entscheidend über Demokratiezufriedenheit oder eben -unzufriedenheit beitragen, ist eine Frage, wo wir ganz klar auch die Wertorientierung sehen müssen und wo auch klar ist, dass wir unsere Wertorientierung im Sinne der demokratischen Grundordnung immer wieder deutlich einbringen müssen und offensiv vertreten müssen, was wir freilich bei einem harten Kern der weltanschaulich so oder so gefestigten politischen Extremisten wahrscheinlich kaum bewegen können. Deswegen muss hier auch mit aller Kraft, die wir haben, vorgegangen werden, denn da wird eine schlechtere oder bessere Politik letztlich wenig ausrichten, da sitzen die Verhaltensweisen und auch das geistige Rüstzeug dieser Extremisten tiefer.
Deutlicher als in den vorausgegangenen Monitoren wird in diesem Jahr, dass es Extremismus in den beiden politischen Extremen Rechts wie Links gibt und dass bei aller Verschiedenheit letztlich beide mehr Schnittmengen haben als ihnen wohl jeweils lieb ist. Das hat natürlich etwas zu tun mit Prägungen, mit Prägungen auch, die in dem Autoritarismus liegen, mit Diktaturerfahrung. Ich verweise hier nur darauf, dass es Ende der DDR-Zeit 1988 eine interessante Studie gegeben hat von neonazistischen Tendenzen unter Jugendlichen in der DDR damals, Rudi Pahnke, Kammer evangelischer Jugend beim Bund der evangelischen Kirchen, wo man das jetzt nach fast 20 Jahren noch mal, denke ich, sehr gut nachvollziehen kann. Interessanterweise kommt ja auch die Ebert-Stiftung in ihrer Studie zum Rechtsextremismus zu der Aussage: „Interessanterweise ist auch der Zusammenhang des Rechtsextremismus zur Links- und Rechtsselbsteinschätzung nicht sehr deutlich ausgeprägt. So muss eine Selbsteinschätzung, politisch eher links zu stehen, nicht mit niedrigeren Werten im Rechtsextremismusfragebogen einhergehen.“
Ich denke, wir haben hier vieles, was wir weiter analysieren müssen, was auch in künftigen Monitoren vielleicht noch differenzierter herauszuarbeiten wäre. Zielführend muss für uns natürlich sein, dass wir als Landtag hier ein entsprechendes Zeichen setzen, auch mit dem, was wir weiter im Blick auf das Feld der Extremismusbekämpfung tun. Ich möchte ausdrücklich der Landesregierung danken, dass die vielen Einzelpunkte, die wir hier gemeinsam verabschiedet haben, schon zu guter Umsetzung gekommen sind. Das betrifft die Satzungs- und Vertragsempfehlungen, beispielsweise Handreichungen, für die verschiedenen Vereine, da wo es gewünscht wird, Fortbildung von Beratungslehrern, Vereinbarung
zwischen dem Landessportbund und der Landesstelle für Gewaltprävention, die Fortbildung von Beratungslehrern nannte ich und auch die Diskussion über den Verfassungsschutzbericht und politisch motivierte Kriminalität gemeinsam mit dem, was die Landesregierung uns ja auch als erste Bilanz schon im September vorgelegt hat. Das sind alles Zeichen, wo ich sage, der Thüringer Landtag hat Weichenstellungen betrieben, die sich sehen lassen können, die auf einem klaren Fundament beruhen. Die Diskussion über den heutigen Monitor, die ich auch nur als Auftakt sehe zur weiteren Auseinandersetzung, die selbstverständlich notwendig ist und sicher auch ihren Beitrag leistet. In diesem Sinne noch einmal Dank den Autoren des Monitors und Dank an alle, die sich natürlich weiter damit auf dieser soliden Grundlage befassen werden. Meine Fraktion steht dazu, und auch wir werden unseren Beitrag weiter leisten. Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur für mich gehört der Thüringen-Monitor seit Jahren zu den wichtigsten und wertvollsten Dokumenten, die wir im Laufe eines politischen Jahres vorgelegt bekommen. Er ist für uns so ein Stückchen Seismograph für das politische Denken in Thüringen, ermöglicht uns wichtige Rückschlüsse und gibt uns insbesondere Handlungsempfehlungen. Besonders wertvoll an ihm ist die Kontinuität. Wir bekommen nicht nur wichtige Daten über das Denken der Thüringer, sondern wir wissen und wir sehen auch, wie sich solche Daten entwickeln. Frau Lieberknecht, ich hatte bei Ihrer Rede so ein bisschen das Gefühl, Sie wollten mal ein Lob dafür haben, das Lob an der Stelle bekommen Sie gerne von uns.
Insbesondere beschäftigt sich der Thüringen-Monitor jedes Jahr wieder mit der Frage: Wie denken die Thüringer über das demokratische System? Es wird Sie sicherlich nicht wundern, dass ich mich hier vorne noch mal mit der Frage des Rechtsextremismus etwas tiefer beschäftigen will.
Meine Damen und Herren, der Thüringen-Monitor 2006 dokumentiert, und zwar im Durchschnitt der zehn wesentlichsten Aussagen zum Rechtsextremismus, eine vorsichtige erfreuliche Tendenz. Es gibt - so steht es auch im Thüringen-Monitor - einen Rückgang der rechtsextremistischen Orientierung in Thüringen, ein Rückgang, aber leider auf hohem Ni