Protocol of the Session on October 20, 2006

Kollegin Lieberknecht, sozusagen uns die Kulturräume mit Bezirksstrukturen zu unterstellen, das halte ich für hanebüchend. Natürlich muss man, wenn man sich die Kulturräume anschaut, genau überlegen, wie sind die Traditionsräume, wie sind die Kulturwege, und da muss man dann ganz konkret sich auf Kulturräume mit den Regionen verständigen. Das, denke ich, ist lösbar im Dialog mit den Kommunen und wir sollten nicht von vornherein das Ganze kleinreden.

Insofern sage ich eindeutig: Beides kann für das Kulturland Thüringen nur ein Gewinn sein und ich bitte um Unterstützung. Wenn Sie sagen, Kollegin Lieberknecht, dass unsere Anträge zu 13 b bis d ein Armutszeugnis sind, dann sage ich: Ein Armutszeugnis ist die 10-Mio.-€-Kürzung, die Sie sozusagen festschreiben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Ein Armutszeugnis ist, dass Sie 10 Mio. € an Kultur wegschneiden und damit billigend in Kauf nehmen, dass drei Theaterstandorte und ein Orchesterstandort definitiv den Bach runtergehen. Das ist für mich ein Armutszeugnis und insofern erwarte ich schon von den regionalen Abgeordneten, dass sie nicht bloß Lippenbekenntnisse beschreiben, sondern, dass sie sich ganz konkret einsetzen für ihre Theater und Orchester. Wenn es bei diesen Kürzungen bleibt, dann bedeutet das das Ende dieser Theater und Orchester und das wissen Sie ganz genau. Insofern erwarte ich, dass Sie sich definitiv auch für die Finanzierung einsetzen. Insofern, denke ich, sind unsere Anträge ein deutliches Signal, Ihnen die Chance zu geben, sich hier wirklich einzubringen.

Ich bin überzeugt, dass die Landesregierung über die Dinge intensiv nachdenken wird. Sie wird es müssen. Die Bürger im Land erwarten das von Ihnen, die Bürger im Land haben auch gesagt, dass sie damit nicht einverstanden sind, mehr als deutlich. Sie werden sich diesen Diskussionen, Herr Minister und auch Herr Ministerpräsident Althaus, nicht entziehen können und wir werden die Bürger dabei unterstützen, dass Thüringen wirklich das Land der Kultur bleibt. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Als nächste Rednerin folgt Abgeordnete Dr. Klaubert, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kollegin Lieberknecht, die leider jetzt nicht hier ist. Ich musste schon tief durchatmen, als

bei der Bewertung der Anträge die Parole herausgegeben wurde: „Es lebe der Populismus.“ Populismus ist also, wenn zwei Oppositionsfraktionen fordern, dass die Theater, die derzeit zur Disposition stehen, erhalten werden. Das nennt man hier Populismus. Das heißt, man will sich nicht bekennen und bescheinigt denjenigen, die die Anträge dazu verfasst haben - jetzt muss ich nachlesen -, ein „intellektuelles Armutszeugnis“. Ich finde das ein ziemlich starkes Stück und wollte eigentlich gelassener und in sauberer Argumentation auf die Anträge eingehen, weil sich der Antrag 13 a von den folgenden zwar unterscheidet, aber doch mit diesen zusammenhängt. Ich frage mich inzwischen schon, welch eigenartiges Bild nicht nur die Landesregierung, sondern offensichtlich auch die regierungstragende Fraktion von der öffentlichen Verantwortung für Kultur im Freistaat hat.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sie dürften, wie alle an dem Thema Interessierten, wissen, dass in den letzten zehn Jahren im Bereich der Kulturfinanzierung aus der Landeshand 25 Prozent gestrichen worden sind, und Sie wissen auch, wie es um die Finanzkraft der Kommunen steht. Kollege Döring verwies eben darauf, dass wir natürlich ein Problem bei den Museen, bei den Bibliotheken, bei den Musikschulen, bei den Jugend- und soziokulturellen Zentren und eben auch bei den Theatern und Orchestern haben. Ich frage mich auch - übrigens auch vor dem Hintergrund der Gesamtpolitik, die dieses Land leitet -, was Kultur für die Zukunft überhaupt bedeutet. Es wird immer wieder gepriesen, welch reiche Kulturlandschaft wir haben, aber ich vermute, längst ist dem einen oder anderen Entscheidungsträger das nicht zur Lust, sondern zur Last geworden und so verhalten sie sich auch.

Aber lassen Sie mich zunächst zum Antrag Teil 13 a kommen, zum Antrag der SPD-Fraktion zur Einführung der Kulturraumfinanzierung im Freistaat Thüringen. Ich möchte für meine Fraktion feststellen, dass das nicht das Dilemma der nur zur Disposition stehenden Thüringer Theater und Orchester auflösen kann. Die Debatte über ein solches Kulturraumgesetz bedarf tatsächlich auch des Nachschauens und des Nachrechnens verschiedener Positionen sowohl des Landeshaushalts als auch der Kommunalhaushalte. Ich gehe mit der Fraktionsvorsitzenden der CDU sogar einher, diesen Antrag im Ausschuss zu behandeln, denn die Schwierigkeiten, die sich hinter der Umstellung der Kulturfinanzierung im Freistaat Thüringen auf die sächsische Kulturraumfinanzierung ergeben, müssen sehr gründlich beredet werden. Es ist ja bereits gesagt worden, dass zu Zeiten der Großen Koalition diese derzeitige Art der Kulturfinanzierung eingeführt worden ist. Ich weiß nicht, Frau Lieberknecht, ob Sie in dem Protokoll,

welches Sie vorhin zitierten, auch nachgelesen haben, was wir damals gesagt haben. Wir haben nämlich zum damaligen Zeitpunkt als PDS-Fraktion, wir waren etwas kleiner noch, aber wir haben auf ein Kulturraumgesetz für Thüringen gedrungen. Das ist natürlich erst einmal grundhaft abgelehnt worden. Wir waren damals die kleine Oppositionsfraktion, die einer Großen Koalition gegenüberstand, die zwei Drittel der Stimmen hatte. Das heißt, wir waren eigentlich von Anfang an auf verlorenem Posten mit jedem unserer Vorschläge. Aber wir haben uns natürlich mit unseren sächsischen Kollegen beraten und diese sind damals den Weg der Kulturraumfinanzierung gegangen, den wir heute positiv bewerten in wenigstens zwei Dingen; zum einen in der Festschreibung der Kultur als Pflichtaufgabe. Die verfassungsmäßigen Bedenken sind uns bekannt und wir wissen auch, dass mit diesen verfassungsmäßigen Bedenken immer wieder umgegangen werden muss und dass man die Möglichkeit der Befristung des Gesetzes in Sachsen wählte. Aber wir wissen auch, dass unsere Fraktion im Sächsischen Landtag der Fortführung dieses Gesetzes nicht nur zugestimmt hat, sondern auch für die Unbefristung dieses Gesetzes geworben hat, weil es offensichtlich vor den Hintergründen der sächsisch gewachsenen Kulturlandschaft und der Kulturfinanzierung Sinn macht, so zu verfahren. Und darüber nachzudenken, halte ich für richtig und wir sollten es im Ausschuss tun und gegebenenfalls eine Möglichkeit überlegen, wie wir in einem gemeinsamen Anhörungsverfahren mit den sächsischen Kollegen sowohl die Vorteile als auch die Nachteile dieser „Pflichtigkeit“ von Kulturaufgaben beraten können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zum Zweiten möchte ich aber feststellen, dass auch in Sachsen der „Topf gedeckelt“ ist. Das heißt, auch in Sachsen finden in den Kulturräumen die Auseinandersetzungskämpfe zwischen den Stärkeren und den Schwächeren statt. Auch in Sachsen ist es natürlich so, dass das Land eine ganze Reihe von Aufgaben ohne die Zuweisung von Finanzen auf die Kommunen zuordnet. Und auch in Sachsen ist es natürlich so, dass man sich um das immer weniger werdende Geld in den öffentlichen Kassen trefflich streiten kann.

Dieses Problem müssen wir natürlich in Thüringen beraten. Die SPD-Fraktion hat nun vorgeschlagen, all die Kulturtöpfe des Landeshaushalts zu bündeln und das als den adäquaten Landesanteil für die Finanzierung eines solchen Kulturraumgesetzes zur Verfügung zu stellen. Darüber kann man durchaus nachdenken, aber ich kann mir vorstellen, dass man da noch weitere Beratungen braucht.

Nun komme ich wieder auf das uns vorhin vorgeworfene „intellektuelle Armutszeugnis“ zurück. In dem Zusammenhang erklärt also Frau Lieberknecht, bevor die SPD-Fraktion - denn den ersten Antrag hat ausschließlich die SPD-Fraktion verfasst - bevor dieser Antrag eingereicht worden ist, hätte sie schon ein Gutachten an die Landtagsverwaltung in Auftrag gegeben, wie ein solches Kulturraumgesetz für Thüringen zu schaffen ist. Nun frage ich: Ist das nun richtig, sich auf diesen Weg zu begeben oder ist es falsch? Ich kann für meine Fraktion sagen, wir würden uns mit auf diesen Weg begeben. Wir erinnern noch einmal daran, dass wir auf diesem Weg schon einmal waren und damals hätte dieser Weg auch zielvoll zu Ende gegangen werden können. Herr Minister Schuchardt wollte das nicht. Ich bekenne auch, dass wir eine längere Zeit brauchen als bis zum Jahresende des Jahres 2006. Dazu müssen wir uns schon Zeit nehmen.

Die Finanzierungssituation der Thüringer Kulturlandschaft ist ja auch dadurch besonders schlecht geworden - ich glaube, es ist in einem der beiden Vorreden auch genannt worden -, dass wir dieses Budget aus dem Kommunalen Finanzausgleich, welches Kommunen mit besonderer kultureller Belastung noch einmal Unterstützung gab - ich glaube, zuletzt waren 3,5 Mio. € in diesem Topf - mit dem Haushalt 2005 ersatzlos gestrichen haben. Ersatzlos wurden diese 3,5 Mio. € gestrichen, obwohl wir damals in den Haushaltsverhandlungen nachfragten, inwiefern sie ausgeschöpft wurden. Und sie sind immer ausgeschöpft worden, und zwar nicht nach Gutdünken oder nach den schönen blauen, grünen oder braunen Augen des einen oder anderen Bürgermeisters, sondern nach einer errechneten Kulturquote, die in den Kommunen aufgebracht werden musste. Ich erinnere auch daran, dass in der Situation der Museen gerade in den Haushaltsverhandlungen auch die CDU-Fraktion nachbessern musste und ich erinnere auch daran, dass wir das Projektmanagerprogramm inzwischen auf einem Niveau haben, wo man von Projekt- und Managertum eigentlich überhaupt nicht mehr sprechen kann. Das heißt, wir haben mehrere Probleme in der Kulturfinanzierung und nun bekommen wir es massiv damit zu tun, dass an vier oder eigentlich fünf Standorten die Theater und Orchester vor dem Kahlschlag stehen. Ich betrachte es als recht ungehörig, hier zu formulieren, dass das lauter Populismus sei, wenn sich landauf, landab der Widerstand regt, wenn Unterschriften gesammelt werden und wenn gesagt wird, die sollen lieber alle 100 € in die Hand nehmen und die Kultur mitfinanzieren. Vielleicht kann man am Ende auch noch darüber reden, wenn angezweifelt wird, ob denn alle die Protestierer tatsächlich auch ins Theater gehen. Ich halte es auch für Populismus, ein Bild zu zeichnen: Wir lassen uns alle mit unserem Stadtratsbeschluss hierherstellen

und sagen, ich bin für das Theater. Das wäre der blanke Populismus, wenn man sich nicht danach für den Antrag „Erhaltet das Eisenacher, erhaltet das Nordhäuser/Sondershäuser, erhaltet das Saalfeld/Rudolstädter Theater oder erhaltet die Philharmonie Gotha-Suhl“ entscheidet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Also man möchte schon ein bisschen unterscheiden zwischen dem, was man öffentlich aussagt, vielleicht in seiner Regionalpresse und hier am Pult und wie man tatsächlich dann seine eigene Stimme abgibt. Vor dem Hintergrund muss ich natürlich sagen - und da gestehe ich auch, das haben wir miteinander besprochen -, dienen diese Anträge dazu, jedem, der hier sprechen möchte, die Bühne zu geben und zu seinem Theater und zu seinem Orchester zu sprechen. Ja, das soll er tun, aber er soll auch abstimmen darüber, ob sein Theater oder sein Orchester zur Disposition steht. Ich hoffe, Sie wissen alle, ähnlich wie wir, dass wir erst mal ein Orchester haben, nämlich Gotha-Suhl, welches komplett zur Disposition steht. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass die Suhler Philharmoniker schon einmal in den Hungerstreik getreten waren, und ich möchte auch, dass genau zu diesem Thema die Abgeordneten dieser Region ihr eigenes Wort ergreifen. Ich glaube, meine Kollegin wird es tun. Ich verweise auch darauf, dass in der Region Nordthüringen mit der schon vor langer Zeit vorgenommenen Fusion des Loh-Orchesters mit dem Theater Nordhausen durch den Kürzungsvorschlag, den die Landesregierung macht, kein Mehrspartentheater zu machen ist. Und wenn Sie im Land sich ein bisschen bewegt haben - und ich unterstelle Ihnen immer noch, dass Sie sich anschauen, worüber Sie entscheiden -, dann werden Sie wissen, dass alle Kooperationen wie die weit auseinanderliegenden Theater Rudolstadt/Saalfeld und Nordhausen/Sondershausen mit Ihrem finanziellen Federstrich völlig zu Ende sind. Die brauchen sich gar nicht mehr bemühen. Und dann frage ich auch: Ist das Populismus, dass aus der Fachhochschule Nordhausen eine Studie kommt, in der die Attraktivität dieser Nordhäuser/Sondershäuser Region auch mit der Strahlkraft eines Theaters in Verbindung gebracht wird? Das ist alles offensichtlich reiner Populismus oder ein intellektuelles Armutszeugnis.

Mir tut das schon sehr weh, wenn mit diesem Thema derartig platt umgegangen wird und wenn ich dann noch höre, dass die 10 Mio. € Kürzungen... Oder ich sage es einmal anders: Wir wissen eigentlich, dass die 10 Mio. € Kürzungen den Landeshaushalt nicht retten. Aber wenn dann gesagt wird, mit 60 Mio. € wäre die Situation auch nicht anders, dann frage ich mich: Welcher Argumentationskette folgt denn diese Aussage? Natürlich wäre die Situation mit 60 Mio. € anders und natürlich wissen alle, die sich ein

bisschen mit diesem Thema befassen, dass diese 60 Mio. € seit Jahren auch der Deckel auf dem Finanztopf sind und dass seit Jahren die Thüringer Theater und Orchester unter diesem die Einsparpotenziale dafür bringen müssen, dass es natürlich dort erhöhte Betriebskosten und Tarifsteigerungen und im nächsten Jahr 19 Prozent Mehrwertsteuer gibt. Die müssen aus der Kraft der Häuser auch erarbeitet werden und die 60 Mio. € sind letzten Endes auch akzeptiert worden. Jedenfalls ist das mein Kenntnisstand, weil ich mich gewagt habe, mit den Intendanten der Häuser auch im Vorfeld der gesamten Diskussion einmal ein Gespräch zu führen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Man kann natürlich Folgendes machen: Man holt die Träger einzeln an den Tisch, dann macht man die Tür zu und dann sagt man: Du bekommst so viel, du bekommst so viel und wenn du schön artig bist, gibt es noch einen Schnaps obendrauf und dann kommt vielleicht eine Summe raus, mit der du dich in der Zukunft ab 2009 bewegen kannst. Warum - und jetzt sage ich auch, das ist auch glatter Populismus - war dieses Haus in seiner Mehrheit niemals bereit, öffentlich über das Landeskulturkonzept zu diskutieren? In dem Landeskulturkonzept ist eine Passage marginaler Art zur Zukunft der Theater und Orchester. Übrigens im Landeskulturkonzept findet sich auch die Ablehnung der Kulturraumfinanzierung. Das muss man auch dazu sagen. Wir haben mehrfach die Anträge gestellt: Lasst uns diese Diskussion vor dem Leitbild einer Thüringer Kulturidee gemeinsam führen. Es ist immer abgelehnt worden. Niemals gab es dafür die Zustimmung der Mehrheitsfraktion, mit uns diese Diskussion zu führen oder gar eine Anhörung der Kulturschaffenden sowie Liebhaber und Förderer aus den verschiedenen Bereichen miteinander zu beschließen. Das ist übrigens im politischen Sinn kulturlos.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Einen nächsten Gedanken möchte ich noch nennen, der nur indirekt mit den „totgestrichenen“ Theatern zu tun hat. Wir erleben derzeit eine Debatte, die ich so für mich - obwohl das Wort ein schlimmes Wort ist - als „Prekariatsdebatte“ empfinde. Nicht na, na, na. Der Begriff stammt nicht von mir. Der Begriff entstammt einer Studie der Frichrich-Ebert-Stiftung, die in den letzten Tagen durchaus sehr viele Gemüter bewegt hat. 8 Prozent der Deutschen und 20 Prozent der Ostdeutschen leben also in permanenter Armut. Nicht „nur“ in sozialer Armut, sondern in Bildungsarmut, in Kulturarmut, in dem Verlust ihrer Zukunftschancen und Visionen. In dieser Debatte hat sich interessanterweise und übrigens auch nicht unerwarteterweise Heiner Geißler zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ich dachte, …)

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Ich versuche immer gegen den Strom des „intellektuellen Armutszeugnisses“ zu schwimmen, aber es gelingt mir nicht. Es wird mir immer wieder mit platten Argumentationen irgendetwas Unsinniges entgegengeworfen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Heiner Geißler formuliert in einem Interview vom „schleichenden Verfall unserer Gesellschaft und der neuen Armut als Folge der Politik“. Als Folge der Politik! Das heißt, Politik kann sich also jetzt nicht einfach zurücknehmen und sagen, die Verhältnisse sind halt so und wir folgen dem Sachzwang und können nicht anders entscheiden, sondern Politik in Deutschland hat ein „Prekariat“ hervorgebracht. Heiner Geißler spricht von der „Durchökonomisierung aller Verhältnisse“. Nun frage ich mich, stimmt dann Politik noch mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes überein, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist? Oder ist spätestens jetzt, wenn man das erkennt, der Punkt gekommen, wo man an jeder Stelle nachsehen muss, welche Folgen das eigene politische Entscheiden hat?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Müssten wir dann nicht darüber nachdenken, ob jede kulturelle Einrichtung in Thüringen wenigstens für Kinder und Jugendliche kostenlos zugänglich ist?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Würde sich dann die Frage, was man an Geld in das Theater steckt, nicht ganz anders stellen, weil man den Bildungsauftrag für alle unabhängig davon, was ihre Eltern im Geldbeutel haben oder nicht, akzeptiert? Müssen wir vor diesem Hintergrund, Herr Abgeordneter Dr. Krause, von einer Legitimationskrise der Theater oder vielleicht besser von einer Legitimationskrise der Kulturpolitik oder der gesamten Politik sprechen?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Oder wenn man nicht über diesen Bildungsauftrag sprechen möchte, weil der eher auf die linke Seite verortet würde - es würde uns übrigens sehr froh machen, wenn er bei uns so deutlich verortet ist -, müsste man nicht über die Theater und Orchester Thüringens aus der Sicht des im Moment nicht vorhandenen Wirtschaftsministeriums sprechen? Wie soll denn Kulturtourismus in Thüringen, der unterrepräsentiert ist, künftig noch in Nordhausen oder

Sondershausen stattfinden? Was soll denn die Landesmusikakademie in Sondershausen tun, wenn es kein Loh-Orchester mehr gibt? Wie sollen denn die Tourismusexperten in dieser Nordthüringer Region mit der sachsen-anhaltinischen und der niedersächsischen Region vielleicht einmal in Verhandlung kommen, wie man in diese Region auch Leute hineinholt? Oder was sollen die in Saalfeld/Rudolstadt tun oder eben in Eisenach? Nun, Herr Köckert, Sie deuten sicher an, dass Sie ja den Vorschlag gemacht haben im Zusammengehen mit der Meininger Kulturstiftung. Jedenfalls hatten Sie sich in der letzten Plenarsitzung dazu ausgesprochen. Aber haben nicht wir die Verantwortung, die wichtigen Standorte der Theater und Orchester, die wir über Jahrhunderte hinweg und über alle Zeiten gebracht haben, mit unserem Handeln, also auch mit der Ausfinanzierung in der bisher genannten Höhe fortbestehen zu lassen? Da gehe ich jetzt noch einmal auf die Anträge ein. Da nützt es nichts, die weiteren vier Anträge im Ausschuss zu versenken. Da kann man hinter den verschlossenen Türen noch ein bisschen darüber sprechen. Wir haben Ihnen nicht zugemutet, eine genaue Summe abstimmen zu müssen, das haben wir auch sehr genau überlegt. Wir haben Ihnen gesagt, in etwa der gleichen Höhe sollen die Theater, die jetzt zur Disposition stehen, ab 2009 wieder gefördert werden. Wir haben der Landesregierung den Auftrag zugeordnet, den sie auch hat, nämlich dann die Finanzierungsverträge abzuschließen. Das ist keine Überforderung Ihres Mandats in diesem Hause. Das hat noch nicht einmal etwas mit Ihrer Aufgabe als Haushaltsgesetzgeber zu tun. Aber wenn Sie diese Chance nicht nutzen, dann brauchen Sie auch nicht mit Krokodilstränen dem Haushalt, dem dann die Finanzierungsbedingungen ab 2009 folgen, weinend hinterherzuwinken und zu sagen, es ist halt alles zu spät und wenn wir eher gekonnt hätten, dann hätten wir es schon getan.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wir eröffnen Ihnen eine Chance und Sie sollten froh sein, dass die beiden Oppositionsfraktionen an diese Chance für Sie gedacht haben. Sie hätten auch selber darauf kommen können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krause, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum Kulturraumkonzept ist alles gesagt. Wir werden es im Ausschuss unverkrampft diskutieren. Aber, Kol

lege Döring, es wäre schön, wenn Sie uns über die konkrete Ausgestaltung nicht ganz im Unklaren lassen würden. Das würde der Diskussion mehr Fundament geben.

Nun zu den Anträgen der Linkspartei.PDS und der allgemeinen Diskussion über die geplante Landeskürzung. Frau Kollegin Klaubert, ich werde das auch ganz unpolemisch machen, aber eine Bemerkung kann ich mir nicht -

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Es gibt keine Anträge nur der PDS.)

eine Anmerkung kann ich mir nicht ersparen. So, wie Sie sich für die spätbürgerliche Repräsentationskultur raushängen, der Brecht würde sich nach fünfzig Jahren im Grabe umdrehen. Da ist kulturkritisch offenbar bei Ihnen überhaupt nichts mehr da.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, Die Linkspartei.PDS: Das müssen wir ein- mal an anderer Stelle klären.)

Das werden wir auch machen, das werden wir auch hier nicht können. Dass die Diskussion über die geplanten Landeskürzungen wenig sachlich und wenig grundsätzlich geführt wird, ist leider unverkennbar. Was ich mit fehlender Sachlichkeit meine, ist etwa dies: Nehmen wir an, das Land würde ab 2009 den Status quo der Theaterfinanzierung sichern, also nicht um 10 Mio. € kürzen, dann fehlen etwa - ich wähle ein mir naheliegendes Beispiel - im Deutschen Nationaltheater Weimar trotzdem allein wegen der Tarifanpassung und Tarifsteigerung 2,5 Mio. €. An anderer Stelle sieht es im Prinzip nicht anders aus. Selbst bei ausbleibenden Landeskürzungen, worauf wir als Kulturpolitiker und viele Wahlkreisabgeordnete hoffen und für die wir uns - natürlich immer mit Blick auf den Landeshaushalt, von dem hier bisher kaum die Rede war - einsetzen wollen, kommen wir um Strukturveränderungen, um Einschnitte nicht herum. Alles andere wäre Augenwischerei. Nun stört mich an dem vorgelegten Finanzplan des Kultusministeriums auch manches, nicht nur die Kürzungen, sondern auch, dass der Finanzplan eine inhaltliche Struktur impliziert, ohne sie explizit zu Ende zu führen. Ich verstehe nicht jede dieser mit Rücksicht auf die Trägerschaft eher angedeuteten inhaltlichen Vorgaben. Aber dass das Kultusministerium den Ansatz wählt, auf Strukturveränderungen abzuheben und nicht den Rasenmäher wählt, das ist aus meiner Sicht lobenswert und überfällig, und zwar seit 16 Jahren, sonst hätten wir jetzt nicht auf 45 Kilometer ein A- und zwei B-Orchester und nicht zwei Opernhäuser in 22 Kilometern Entfernung. Wobei wir ja wenigstens noch mit der Staatskapelle überregional punkten. Sonst spielt die hochsubventionierte Thüringer Kultur

jenseits der Landesgrenzen eine höchstens unauffällige Rolle. Und dieses beinahe selbstverständliche Absehen von Qualität ist das, was mich eigentlich pessimistisch stimmt. Wir werden, so fürchte ich, nach dem Streit 2009 wahrscheinlich irgendwie so weitermachen, uns provinziell hochreden und -schreiben und akzeptieren, dass wir uns selbst genug sind. So werden wir nach und nach die Kriterien einbüßen, es sei denn wir besuchen das Burgtheater oder die Semperoper, und werden uns politisch gut dabei fühlen, im eigenen Theater, das man in Hausschuhen erreicht, etwas Nettes, Gutgemeintes zu sehen oder zu hören als besser ein paar Kilometer weiterzufahren, um große Kunst zu erleben oder was davon übrig ist - dann eben kein Bruckner, Mahler oder Wagner mehr oder in kleiner thüringischer Besetzung. Rechtfertigt das Theater als traditioneller Gesellungsort des Bürgertums, als kommunaler Ort diese Entwicklung? Ein Kulturraumkonzept würde aus meiner Sicht die Entwicklung der Nivellierung sogar verstärken, aber das hängt vielleicht von der Ausgestaltung ab. Jeder weiß, ob er es zugibt oder nicht, dass wir angesichts der Kosten, die Theaterqualität nun einmal fordert und die weder Kommunen noch Land aufzubringen in der Lage sein werden, um Strukturveränderungen nicht herumkommen - ob mit 50 oder 60 oder 70 Mio. € Landeszuschuss. Einige Thüringer Theater haben in den letzten Jahren Einsparungen über Haustarifverträge realisiert. Probleme wurden damit verschoben. Die Moratorien enden 2009. Bei einem Anteil der Personalkosten an den Theaterausgaben von 83 Prozent sowie durchschnittlichen jährlichen Personalkosten von 45.000 € pro Hochkulturbeschäftigten mit tariflich steigender Tendenz sind Veränderungen unumgänglich. Oder wir frieren wieder alles ein in Hausverträgen? Wir werden dann bald keine teuren Spitzenkünstler als Ensemblemitglieder mehr bekommen, nirgends in Thüringen. Einkommensrückstände werden perspektivisch notwendigerweise zu Qualitätsabstrichen führen. Aber vielleicht fällt das auch bald keinem mehr auf. Die Fläche und die dreigeteilte Mitte jedenfalls wären vorerst gesichert. Und das wäre auch eine Option. Sicher überstehen wir damit alle noch eine Legislatur. Wir führen hier und jetzt, ich bin mir da nicht sicher, eine kulturpolitische und keine arbeitsmarktpolitische oder tourismusstrategische Diskussion. Die Argumentation war da bisher nicht sehr eindeutig. Auch Kulturwirtschaftspolitik ist nicht identisch mit Kulturpolitik. Also dürfte man hier über ästhetische und gesellschaftliche Relevanz des Theaters, über den Sinn spätbürgerlicher Repräsentationskultur reden, aber das hieße, über die Sache reden. Und wer wagt eine solche Diskussion? Das Feuilleton bisher nicht, der Ausschuss vielleicht, vielleicht auch ein paar arme Sport- und Sozialvereine oder die freie Kulturszene. Also akzeptieren wir halbleere Theater wegen der Jobs und der Sekundäreffekte, schnell abgesetzte Inszenie