Protocol of the Session on October 20, 2006

Egal, letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie den Zuschnitt vornehmen wollen. Sofern die Zahl der von Ihnen angestrebten Kulturräume kleiner als 23 ist, heißt das, dass Sie per Landesgesetz die betroffenen Landkreise oder kreisfreien Städte in einen kommunalen Pflichtzweckverband - das klingt dann alles andere als kulturpolitisch, aber es

ist rechtliche Konstruktion - hineinzwingen, von dem keineswegs sicher ist, ob wirklich alle der betroffenen Kommunen damit einverstanden sein werden. Ich sage im Voraus, auch das gibt ein Hauen und Stechen. Ich könnte sofort eine Reihe nennen, die damit nicht einverstanden sein würden.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir die kommunale Selbstverwaltung also ernst nehmen und wenn wir die Kulturpflege als kommunale Aufgabe ernst nehmen, dann liegen verfassungsrechtlich die Probleme auf der Hand. Verfassungsrechtliche Probleme, die in Sachsen mit einer wiederholt beschlossenen Befristung zunächst beruhigt werden konnten und die durch den inzwischen über zwölfjährigen Umgang vielleicht auch dauerhaft miteinander überwunden werden können, aber eben nicht aus dem Stand und nicht gegen den Willen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften. Wer gibt uns die Gewissheit, dass zwischen dem Eichsfeld und Sonneberg auch bei uns bei völlig anderen gewachsenen Strukturen die Gebietskörperschaften sich einer Kulturumlage unterwerfen wollen, deren Verwendung sich letztlich ihrer Entscheidung entzieht.

In Sachsen konnte die Finanzierung der besonders kostenintensiven Einrichtungen, ohne einzelne Räume über ein verträgliches Maß hinaus zu belasten, nicht zuletzt dadurch gewährleistet werden, dass dort in vielen Bereichen, in denen wir in Thüringen bislang gemeinsam und sehr bewusst auf Landesträgerschaft verzichtet haben, dass dort das Land, also sprich der Freistaat Sachsen, die Trägerschaft übernommen hat. Sachsen hat staatliche Museen, staatliche Bühnen und Orchester. Dass das dann wirklich zu einer Vermehrung des zur Verfügung stehenden Geldes führen würde, kann ich zumindest im Moment auch nicht erkennen.

Anlass, meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, Ihres Antrags ist ja erklärtermaßen die Fortführung der Landesförderung für Theater und Orchester in unveränderter Höhe - so ist es den Anträgen zu entnehmen. Wie erklären Sie aber dann, dass in Sachsen zwar eine Kulturquote im Landeshaushalt von 2,1 Prozent erreicht wird, deutlich höher als in Thüringen, Thüringen mit 1,3 in deutlichem Abstand, aber immer noch mit Bayern auf Platz 2 und trotz dieser hohen Kulturquote sind die Landeszuschüsse pro Theater, pro Einwohner in Sachsen aber dann doch wieder nur halb so hoch wie bei uns. In Sachsen 15,47 € gegenüber fast dem Doppelten 28,77 € in Thüringen. Als Einstieg in die Kürzung wollen Sie ja das Kulturraumkonzept wohl nicht verstanden wissen, aber genau diese Gefahr ist eben nicht ausgeschlossen, wenn man ungeprüft überträgt, und deswegen meine ich, sind wir einfach

zu einer Überprüfung verpflichtet.

Der Vergleich der genannten Zahlen zeigt jedoch mehr als alles andere, woran die Kulturpolitik in diesem Land, in unserem Freistaat Thüringen zu tragen hat. Weit mehr als jeden zweiten Euro aus dem Kulturhaushalt geben wir für Theater und Orchester aus. Das ist sattsam bekannt; wir haben oft genug darüber gesprochen. Eine solche Situation können sich ja Theaterliebhaber in ihrem kulturvollen Privathaushalt gern leisten, aber ein Freistaat mit einer Gesamtverantwortung, in einer Breite des kulturellen Erbes, wie wir es haben, einschließlich neuer Impulse, die wir ja auch ständig wieder aufnehmen, kann das nicht, und Kulturräume helfen jedenfalls zur Behebung dieses Problems wohl kaum.

Das alles muss also bei einer gewissenhaften Debatte Berücksichtigung finden. Eine solche Debatte ist notwendig und wir wollen sie führen, aber auf guter auch wissenschaftlich fundiert begründeter Basis. Wir haben dabei in keiner Weise die Absicht, als Fraktion ungeprüft und widerspruchslos auch mit dem umzugehen, was uns dann zu gegebener Zeit auch vonseiten der Landesregierung vorgelegt wird. Das sage ich ganz ausdrücklich. Aber, dass Sie nun von der Opposition, sowohl SPD wie Linkspartei.PDS, ein um das andere Mal lange vor Abschluss dieser Gespräche die Ergebnisse derselben vorwegnehmen, um sie hier praktisch so zum Abschuss freizugeben, das ist schlicht unredlich und das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Und letztlich ist es gerade bei diesem Thema ein intellektuelles Armutszeugnis. Wir werden diese Debatte um das künftige Finanzierungskonzept also führen, aber um der Sache willen und nicht um vordergründiger Spielchen willen. Die Bühnen des Landes haben im Parlament als Bühne des Souveräns eine andere und ernsthaftere Behandlung verdient und Ihr Spiel ist einfach zu billig und Sie haben doch nicht ernsthaft geglaubt, dass wir das mitmachen. Ich habe das ja auch gemerkt im Gespräch mit Journalisten, mit Medien. Die haben wirklich geglaubt, wir würden heute abstimmen und es käme zu einer Vorführung von CDU-Landtagsabgeordneten. Also, wer das glaubt, kann ich wirklich nur sagen, das ist mehr als naiv.

(Beifall bei der CDU)

Gemeinsam haben die Oppositionsfraktionen also gleich vierfach den überaus phantasievollen Antrag gestellt, die Landesförderung für die einzelnen Theater und Orchester in Nordhausen, Sondershausen, Rudolstadt, Saalfeld, Eisenach und Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl - so wörtlich - ab 2009 etwa

in der derzeitigen Höhe fortzuführen. Allein wenn ich Nordthüringen sehe, in Nordhausen/Sondershausen haben wir zwei Minister, vier Landtagsabgeordnete, was meinen Sie, was das für eine Lobby ist.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Schön wäre es!)

Aber die alle wissen auch, durch den blanken Status quo ist ja nichts zu retten und genauso klar ist - Evi Groß in Gotha, selbstverständlich,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Schön wäre es, wenn es so wäre.)

Wolfgang Wehner, in Suhl, ich könnte die Orte alle einzeln aufzählen, da können auch die Abgeordneten einzeln vorkommen, je nachdem, aber das wird dann auch langweilig mit der Zeit.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die Stunde der Wahrheit kommt, Frau Lie- berknecht, Sie können sich nicht dran vorbeimogeln.)

Wir wissen auch, und das ist alte Regel hier, wir werden den Haushalt dann beschließen, wenn er dran ist. Das geht auch, denn ein bisschen Ordnung muss schließlich auch sein. Im Übrigen gab es mal eine Zeit und etliche waren damals ja schon dabei, da wurde hier - noch im alten Plenarsaal war das - von einer „finanzierten Bedenkzeit“ gesprochen. Darüber gab es Einigkeit. Aber genauso klar war, diese finanzierte Bedenkzeit ist eben kein Dauerzustand. Kein Mensch hat damals überhaupt an einen Zeithorizont bis 2008 gedacht oder damit gerechnet. Es ist schon interessant, wie damals die Debatten liefen, auch in der Großen Koalition, Kulturminister Gerd Schuchardt in voller Rückendeckung, auch durch Bernhard Vogel, ich nehme uns da beide rein, ich will überhaupt keine einseitigen Verschiebungen - am 23. Februar 1996 wurde zu den Theaterfinanzen, wie gesagt, im festen Schulterschluss gesagt: „Das Land kann und wird seinen Finanzierungsanteil nicht erhöhen. Der begrenzte Handlungsspielraum künftiger Landeshaushalte ist bekannt und macht auch um die Theaterfinanzierung keinen Bogen.“ Und der damalige Kulturminister beklagte, dass das Land „mit ca. 50 DM pro Einwohner mehr als das Doppelte zur Theaterfinanzierung“ beiträgt „als die Länder im Bundesdurchschnitt“. Und interessant ist, an dieser Stelle vermerkt das Protokoll: Beifall von CDU und SPD. Davon sind Sie heute allerdings weit entfernt; Sie waren damals der Realität schon einmal wesentlich näher.

(Beifall bei der CDU)

Ich stelle fest, dass dieser Beitrag seither ja gestiegen ist,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Da- mals ging es darum, die Gelder stabil zu halten, und genauso ist es heute.)

nicht nur konstant geblieben, sondern gestiegen ist. Am 22. Mai 1997 hieß es dann: „Die Landesregierung kann und will dieses enorm hohe Fördervolumen, insbesondere auch mit Blick auf diese vielen anderen Politikfelder und auch zur Wahrung einer ausgewogenen Struktur innerhalb der Kulturförderung, nicht erhöhen.“ So weit das Zitat von damals. Vielleicht ist es erlaubt, daran zu erinnern, wie groß zum Zeitpunkt dieser Aussage der Anteil der Theaterfinanzierung am Kulturhaushalt war. Er lag bei 46 Prozent. Jeder weiß, er beträgt heute 53 Prozent. Das ist die Entwicklung und eine Entwicklung, die zum Handeln zwingt. Woher soll man das nehmen? Wie soll man das auf Dauer hinnehmen? In der gleichen Rede war dann noch die Rede von bevorstehenden Tarifangleichungen, von denen wir wissen, dass sie bis heute bekanntlich nicht abgeschlossen sind. Der damalige Kulturminister führte völlig richtig weiter aus: „Dies, meine Damen und Herren, ist ein zentrales Problem der Theater- und Orchesterfinanzierung und dieses lässt sich nicht durch lineare Kürzungen kompensieren, sondern erfordert sachgerechte strukturelle Einschnitte.“ Auch wenn wir wissen, was aus dieser Aussage geworden ist - auch die SPD hat damals immerhin die Fähigkeit zur Einsicht in Notwendigkeiten gehabt, heute sieht das offenbar anders aus. Wer glaubt, heute Theater in voller Breite des Landes in gleichbleibender Qualität des Angebots aufrechterhalten zu können, ohne sich auf die von Schuchardt vor zehn Jahren geforderten sachgerechten strukturellen Einschnitte einzulassen und dann zu handeln, der täuscht sich selbst und täuscht auch die Menschen im Land. Das führt nicht weiter und deswegen hat es auch keinen Zweck, sich an diesem Spiel aus lauter Populismusgründen zu beteiligen. Daran würde es im Übrigen auch nichts ändern und diese Einsicht setzt sich ja auch durch, wenn wir gleichbleibende Landesförderung bei 60 Mio. € hätten. Das würde keinen Deut ändern, denn auch da kämen wir in der Struktur, in der wir sind, auf Dauer nicht weiter.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Des- halb wollen wir das Kulturraumkonzept.)

Ich habe Ihnen ja schon erklärt, wo die Schwierigkeiten und die Risiken liegen, die am Ende vielleicht sogar bei einer Minderförderung rauskommen. Wahrscheinlich wollen Sie deswegen mal vorab festschreiben.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Sie sollen nicht sagen, was nicht geht; Sie sollen sagen, was geht.)

Das ist der Grund, warum ich wenig Verständnis habe, wie die Debatte hier im Raum geführt wird.

Aber die Notwendigkeit des Handelns, die Notwendigkeit des Verhandelns mit den Trägern der Bühnen im Lande steht für mich völlig außer Frage, ganz genauso, wie das bei der letzten Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Land und den Trägern vereinbart worden ist, und abgesehen vielleicht von Ihnen, Herr Döring, oder Ihrer Fraktion wussten das damals an sich alle: Die Regelung bis 2008 wird nicht die Regelung ab 2009 sein können. Diese Illusion hatte jedenfalls damals bei Abschuss der Verträge niemand gehabt. Schon bei den letzten Unterschriften stand vertraglich fest, dass zwischen der Landesregierung und den Kommunen vor Ende des Jahres 2006 über eine Nachfolgevereinbarung verhandelt werden müsse. Deswegen, sage ich, lassen Sie uns die nötigen Debatten angemessen führen, lassen Sie uns die Verhandlungen der Landesregierung mit den Trägern beobachten, begleiten, wo auch immer das möglich und angemessen ist, aber die vor Jahren für dieses Jahr 2006 vereinbarten Verhandlungen müssen eben jetzt von der Landesregierung geführt werden. Das können wir der Landesregierung nicht ersparen und das geschieht auch. Deswegen gilt es für uns in Respekt vor der Verantwortung, die die Landesregierung hat, und auch bei allem eigenen Selbstbewusstsein, das auch nun mal als Haushaltsgesetzgeber auszuhalten. Wir kommen dann schon noch dran, aber alles zu seiner Zeit.

In diesem Zusammenhang verdienen dann auch die vorgelegten Anträge eine angemessene Behandlung in den zuständigen Ausschüssen des Landtags. Ich hoffe sehr, dass bis zu einer Befassung auch das entsprechende Gutachten der Landtagsverwaltung vorliegt und es eine noch verbreiterte Diskussionsbasis schafft. Deswegen beantrage ich für meine Fraktion die Überweisung sämtlicher vorliegender Anträge federführend an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien, begleitend an den Haushalts- und Finanzausschuss. Den Antrag zur Kulturraumfinanzierung in Drucksache 4/2355 bitten wir zusätzlich wegen seiner weitreichenden kommunalpolitischen und verfassungs- und kommunalrechtlichen Implikation an den Innenausschuss zu überweisen.

Seien Sie gewiss, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Kulturland Thüringen wird nicht untergehen, da bin ich mir ganz sicher. Es war nie so bunt, so vielfältig, so schön, so reich, wie das heute ist. Wir wissen auch, wer in diesem Land über 16 Jahre die Verantwortung hatte; ich garantiere, das wird auch so bleiben. Verlassen Sie sich darauf, unser Thü

ringen wird das Kulturland in der Mitte Deutschlands sein.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner folgt Abgeordneter Döring, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „der Kopf des Menschen ist rund, damit das Denken bei Bedarf die Richtung ändern kann“. Dieser schöne Satz passt gut zur Situation, in der wir uns mit der Kulturfinanzierung in Thüringen derzeit befinden. Auf der einen Seite sind die kommunalen Kulturträger materiell immer weniger in der Lage, ihren Anteil an der Finanzierung der Kulturpflege aus eigener Kraft zu stemmen, andererseits ist auch klar, dass die Landesmittel im Kulturbereich angesichts der Haushaltslage nicht beliebig zu erhöhen sind. Damit will ich selbstverständlich keiner weiteren Reduzierung der Landesförderung das Wort reden, aber wir müssen uns nun einmal der Tatsache stellen, dass das Land die Schwierigkeiten bei der kommunalen Kulturfinanzierung auf absehbare Zeit nicht völlig kompensieren kann. Die Haushaltsschieflage der kommunalen und der Landesebene hat zusammen mit dem fehlenden Willen der Landesregierung, die eigenen Kulturausgaben dennoch stabil zu halten, in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich die Finanzierungslücke bei der kommunalen Kulturpflege zusehends vergrößert hat. Sträflich unterfinanziert sind inzwischen insbesondere Thüringer Museen, die Bibliotheken, die Musik- und Jugendkunstschulen sowie der Denkmalschutz. Wir haben das in den Haushaltsberatungen immer wieder thematisiert. Wenn die Einsparpläne der Landesregierung Realität werden, können wir uns demnächst von unserer traditionsreichen Theater- und Orchesterlandschaft verabschieden, denn die kommunalen Träger sind nicht in der Lage, die angedrohten Mittelkürzungen bei der Landesförderung aus eigener Kraft materiell abzufangen, und das wissen Sie genau.

Meine Damen und Herren, was können wir in dieser vertrackten Situation tun? Folgt man der Logik des Kultusministeriums, dann befinden wir uns insbesondere bei der Theater- und Orchesterfinanzierung zwar in einer Sackgasse und rasen mit Tempo 130 auf eine Wand zu, aber eine Alternative dazu gibt es nun einmal nicht, weshalb wir vor dem nahenden Ende nur die Augen verschließen und unser Seelenheil dem lieben Gott anvertrauen können. Wir halten einen derartigen Fatalismus hingegen nicht für eine zielführende Kulturpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Unter der kulturpolitischen Steuerfunktion des Landes stellen wir uns wahrlich etwas anderes vor. Unsere Antwort lautet daher: Es gibt sehr wohl eine Alternative zum bisherigen ungenügenden System der Kulturförderung und die heißt Kulturraumfinanzierung. Deshalb lassen Sie uns in der Sackgasse anhalten, wenden und uns diesen Ausweg wirklich genauer anschauen. Lassen Sie uns die bisherige Richtung unseres Denkens ändern. Das ist, denke ich, allemal besser, als die Thüringer Kultur wider besseres Wissen, Herr Minister, an die Wand zu fahren. Wie man einen gangbaren Weg aus der Sackgasse finden kann, das hat uns das Nachbarland Sachsen wirklich vorgemacht. Der Freistaat war bereits Anfang der 90er-Jahre in einer ganz ähnlichen Situation wie wir heute. Schon damals zeichnete sich in Sachsen ab, dass die kommunalen Kulturträger immer größere Probleme bei der Finanzierung der Kulturpflege bekommen würden und dass die Kompensationsfunktion des Landes an dieser Stelle angesichts absehbarer eigener Haushaltsschwierigkeiten auf Dauer nicht greifen würde. Konkreter Auslöser eines Umsteuerns in der Kulturfinanzierung war dann 1992 - man höre und staune - die Frage der künftigen Theater- und Orchesterförderung. Sachsen berief damals die sogenannte Naumann-Kommission, die dann in den folgenden Monaten die Grundzüge der Kulturraumfinanzierung in enger Abstimmung mit den Kommunen erarbeitete. In Gesetzesform gebracht wurde dieses Konzept im Dezember 1993 vom Sächsischen Landtag ohne Gegenstimmen verabschiedet. Seitdem ist das Sächsische Kulturraumgesetz in Kraft. Seine ursprüngliche Geltungsdauer ist vom Landtag nach positiver Evaluierung bis 2007 verlängert worden. Es gibt ferner eine Reihe wissenschaftlicher Studien, die dieses Gesetz als kulturpolitisch vorbildlich bewerten. Wie es im Moment aussieht, wird es aufgrund der umfassend positiven Erfahrungen mit der Kulturraumfinanzierung eine erneute Verlängerung bis 2011 oder gar eine Verstetigung des Gesetzeswerks geben. Kurz und gut, wir haben es bei der Kulturraumfinanzierung mit einem in Sachsen seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich erprobten und allseits geschätzten Konzept zu tun. Wir haben es also zu tun mit einer Tatsache, die nachweislich funktioniert und was insbesondere zur Zufriedenheit sowohl der Kommunen als auch des Landes funktioniert.

Worum geht es bei der Kulturraumfinanzierung konkret? Zum einen wird in diesem Konzept die Kulturpflege zur Pflichtaufgabe, zur Pflichtaufgabe der Gemeinden und Landkreise erhoben und damit genießt die Erfüllung kultureller Aufgaben haushaltsrechtlich den gleichen Rang wie andere Bereiche der kommunalen Daseinvorsorge.

Zweitens werden regionale Kulturlasten-Zweckverbände, die so genannten Kulturräume, gebildet, deren jeweilige Geltungsbereiche über Gemeinden und Kreisgrenzen hinaus reichen und sich an den traditionell gewachsenen Kulturlandschaften orientieren. In Sachsen, Frau Lieberknecht hat es gesagt, existieren derzeit 11 Kulturräume, acht von ihnen sind im ländlichen Raum angesiedelt. Sie umfassen jeweils mehrere Landkreise und teilweise auch kreisfreie Städte. Die drei anderen urbanen Kulturäume werden von Leipzig, Dresden und Chemnitz als den drei größten kreisfreien Städten gebildet.

Natürlich besteht bei den Kulturräumen eine Pflichtmitgliedschaft, denn nur so ist gewährleistet, dass tatsächlich jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt solidarisch an diesen Zweckverbänden mitwirkt.

Aufgabe der Kulturräume ist es, die örtlichen Kulturträger zu unterstützen, wenn es um kulturelle Belange von regionaler Bedeutung geht. Dabei meint Unterstützung insbesondere Finanzierungshilfe und Koordinierungsleistungen. Ziel einer derartigen regionalen Solidaritäts- und Kooperationsverpflichtung ist es, die materiellen Belastungen, die auf den kommunalen Trägern der Kulturpflege ruhen, auf weitere Schultern zu verteilen, indem auch das nutznießende Umland von Kultureinrichtungen und Kulturprojekten in deren Realisierung bzw. deren Unterhaltung finanziell angemessen mit einbezogen wird. Ähnlich wie bei anderen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge, ich denke hier nur an die Komplexe Wasser/Abwasser oder Müll, gelingt es auf diese Weise am besten, das ständige Missverhältnis zwischen einem großen Kreis von Nutzern und einem kleinen Kreis von Trägern kommunaler Kultur auszugleichen. Dementsprechend sind die Kulturräume dann auch zur Erhebung einer Kulturumlage bei ihren Mitgliedern berechtigt.

Meine Damen und Herren, bisher war in meinen Ausführungen viel von kommunalen Pflichten die Rede, von der Definition der Kulturpflege als künftiger Pflichtaufgabe, von der Schaffung von Kulturräumen als Pflichtzweckverbänden und von einer regionalen Mitfinanzierungspflicht in Form einer Kulturumlage. Manch einer, der das hört, fragt sich sicherlich, was denn die Kommunen auf der anderen Seite als Gewinn der Kulturraumfinanzierung für sich verbuchen können. Dabei ist zweierlei zu benennen: Zum einen steht den kommunalen Verpflichtungen bei diesem Konzept die gesetzliche Festschreibung einer Mindestförderung des Landes für die Kulturpflege korrespondierend gegenüber. Das heißt, dass die kommunale Seite hier langfristige Planungssicherheit gewinnt, dass sie weiß, mit welchen konkreten Summen sie bei Landesmitteln in absehbarer Zeit rechnen kann, natürlich auch, dass sich das Land nicht länger aus seiner finanziellen Verantwor

tung für die Kultur vor Ort stehlen kann. Das ist für die Kommunen ein sicherlich wichtiger Pluspunkt der Kulturraumfinanzierung. Das andere nicht zu unterschätzende Positivum besteht darin, dass der Kulturraum seine Angelegenheiten in eigener Verantwortung wahrnimmt. Die konkrete Förderentscheidung wird damit nicht länger in den Büros des zuständigen Fachministeriums getroffen, sondern in und von den betroffenen Regionen selbst. Diesen positiven Aspekt hat vor Kurzem ein Vertreter eines sächsischen Kulturraums sehr treffend wie folgt umschrieben. Ich zitiere: „Das ist ja das Schöne, dass die Kulturräume ihre eigenen regionalen Förderschwerpunkte festlegen und nicht das Land.“ Nicht das Land legt fest, was die Region macht, sondern die Region legt fest, was sie selber macht. Diese beiden Pluspunkte, die verbindliche Festschreibung der Landeskulturförderung und die Kompetenzverlagerung in die Regionen, waren auch die Hauptursache, warum die sächsischen Kommunen sich 1992/1993 zur Umstellung auf eine Kulturraumfinanzierung bereitgefunden haben. Bis heute sind es diese beiden positiven Aspekte, die von der kommunalen Seite in Sachsen immer wieder als Grund dafür angeführt werden, warum es dort auch künftig bei der Kulturraumfinanzierung bleiben soll.

Meine Damen und Herren, was Sachsen kann, können wir auch. Auch Thüringen kann den Weg zur Kulturraumfinanzierung einschlagen. Wir haben eine ähnliche Ausgangslage wie die Sachsen vor der Verabschiedung des Kulturraumgesetzes: eine traditionsreiche, vielfältige und gerade dadurch unbedingt erhaltenswerte Kulturlandschaft, zunehmende Schwierigkeiten der kommunalen Kulturträger bei der Bewältigung der ihnen gestellten Aufgaben und nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten des Landes, hier langfristig kompensierend zu wirken. Sogar der konkrete Anlass, der uns dieses Dilemma mehr als deutlich vor Augen führt, ist identisch: der drohende Kahlschlag bei den Theater- und Orchesterstandorten. Was hält uns also davon ab, ein Konzept zu realisieren, das in einem Nachbarland bereits seit über einem Jahrzehnt erfolgreich in der Praxis wirklich funktioniert?

Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag fordern wir deshalb die Landesregierung auf, auch im Freistaat die Weichen für eine Kulturraumfinanzierung zu stellen und diesem Hause bis Ende des Jahres den Entwurf eines Thüringer Kulturraumgesetzes vorzulegen. Im Antrag haben wir zudem konkrete Eckpunkte eines solchen Gesetzentwurfs benannt, die sich allesamt an den in Sachsen erprobten Regelungen orientieren. Zudem haben wir als Mindestförderung des Landes für die kommunale Kulturpflege eine ganz konkrete Summe, nämlich 88 Mio. € jährlich, benannt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den bisherigen Aufwendungen des

Freistaats für Kulturaktivitäten von kommunaler und regionaler Bedeutung, wobei institutionelle Förderung und Projektförderung gleichermaßen berücksichtigt sind sowie einen zusätzlichen Ausgleich besonderer kommunaler Belastungen im kulturellen Bereich, den Sie ja schon vor einiger Zeit im Haushalt gestrichen haben. Wenn man diese Teilbeträge im Landeshaushalt aufaddiert, kommt man auf die genannten 88 Mio. €. Das ist eine ganz solide errechnete Zahl und keine Oppositionsphantasie.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einem anderen möglichen Einwand begegnen. In den Medien ist seit einigen Wochen behauptet worden, der Übergang zur Kulturraumfinanzierung würde in Thüringen nur mit einer unnötigen Aufblähung der Kommunalbürokratie einhergehen. Der Blick auf Sachsen zeigt, dass dies mitnichten der Fall sein wird. Dr. Matthias Rößler, bis 2004 Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, ist in diesem Zusammenhang schon vor Jahren zu folgender Einschätzung gekommen. Ich zitiere: „Für die Geschäftsführung hat jeder Kulturraum ein Kultursekretariat eingerichtet, meist innerhalb bestehender Kulturverwaltungen. Sofern organisatorisch selbständige Sekretariate gebildet wurden, geschah dies ohne zusätzliche Personalstellen. Ein zusätzlicher Personalaufwand entsteht durch die Kulturraumfinanzierung im kommunalen Bereich also nicht.“ Und das ist auch in jüngeren wissenschaftlichen Studien zur Situation der Kulturräume in Sachsen mehrfach belegt worden.

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt möchte ich noch ein weiteres Gegenargument entkräften, und zwar warum denn die SPD-Fraktion nicht gleich einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hat. Wer die Situation kennt, weiß genau, dass wir uns sehr wohl immer wieder ganz schnell ausgeprägten Abwehrreflexen der Mehrheitsfraktion gegenübergestellt sehen, wenn wir eigene Anträge und Gesetze einbringen. Wir wollen diesem wichtigen kulturpolitischen Thema wirklich ein vernünftiges Konzept in der parlamentarischen Diskussion folgen lassen und wir wollen deshalb auch ganz konkret die Ausgestaltung mit dem zuständigen Fachministerium beraten und hoffen auch, dass das Fachministerium hier eine konkrete Ausgestaltung auch vornimmt. Meine Fraktion ist sich sicher, dass die Einführung der Kulturraumfinanzierung nicht allein den Thüringer Theatern und Orchestern langfristig Zukunftschancen eröffnet, ich denke, das betrifft auch die in ihrer Existenz bedrohten Standorte Nordhausen, Rudolstadt und Gotha, die sind ja hier benannt worden. Es geht aber auch, denke ich, um die Museen, um die Bibliotheken, um die Musik- und Jugendkunstschulen, die auch davon erheblich profitieren würden.

Kollegin Lieberknecht, sozusagen uns die Kulturräume mit Bezirksstrukturen zu unterstellen, das halte ich für hanebüchend. Natürlich muss man, wenn man sich die Kulturräume anschaut, genau überlegen, wie sind die Traditionsräume, wie sind die Kulturwege, und da muss man dann ganz konkret sich auf Kulturräume mit den Regionen verständigen. Das, denke ich, ist lösbar im Dialog mit den Kommunen und wir sollten nicht von vornherein das Ganze kleinreden.