Protocol of the Session on September 29, 2006

Es ist doch viel wichtiger, dass hochwertige Kultur angeboten wird, als dass unbedingt jeder Schauspieler abends am Stammtisch wiedergetroffen wird. Bei dem, was jetzt droht, bei weiter ansteigenden Tarifen und der mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes und der Kommunen, wird peu à peu immer eine Orchesterstelle nach der anderen gestrichen. Damit sinkt nicht automatisch die Qualität der Orchester, aber ihre Möglichkeit, noch die volle Orchesterliteratur zu spielen, nimmt dramatisch ab und damit kommt es zu einer kulturellen Verflachung. Das ist schon die Entwicklung der letzten Jahre und das muss man einfach sehen. Es scheint unausweichlich zu sein. Das ist kultureller Verlust und niemand hat bisher eine Antwort darauf geben können, es sei denn, zu sagen, Leute, setzt auf Qualität, wenn wir bei der Mehrheit der Bevölkerung diese Ausgaben in dieser Höhe überhaupt noch rechtfertigen wollen. Es ist ganz, ganz viel Geld, was da in die Hand genommen wird.

Die Zuschauerzahlen des letzten Jahres sind erneut gesunken in Gesamtthüringen. Ich nehme jetzt nur die Komplettzahl. Durchschnittlich wird jetzt jede Karte, jeder Platz im Theater mit 130 € mittlerweile aus den Kassen des Landes und der Kommune bezuschusst. Im speziellen Falle Erfurt mit dem hohen Anteil an Musiktheater liegt dieser Anteil mittlerweile bei 180 €. Das ist nur noch zu rechtfertigen, wenn da exorbitant gute Kultur geboten wird. Mit ständig schrumpfenden Orchestern, die dann die Größe eines Kammerorchesters annehmen, ist das

irgendwann nicht mehr zu leisten. Deshalb muss man sich eines Tages entscheiden - und wir stehen unmittelbar vor den Entscheidungen, die aber explizit von den Trägern getroffen werden müssen. Träger, sind ausschließlich die Kommunen, nicht das Land, stehen vor dieser Entscheidung: Kommen wir punktuell noch zu eigenen Produktionen, bieten der Bevölkerung aber weiterhin das volle Spektrum an in bester Qualität oder sehen wir zu, wie man dann versucht, mit Ein-, Zwei-Mann-Ensembles Schauspiel zu machen und mit 20, 25 Musikern noch große Musikliteratur zu spielen? Ich halte beides für äußerst schwierig, insbesondere was die Akzeptanz in der Bevölkerung angeht. Und hier ist das Dilemma. Es hat noch niemand glaubwürdig auflösen können, auch Sie nicht mit Ihren vollmundigen Ankündigungen: „Jetzt müssen sich endlich alle beteiligen“. Herr Döring, haben Sie denn noch nicht gemerkt, dass in Thüringen alle Kommunen an der Finanzierung unserer Theater- und Orchesterlandschaft beteiligt sind, nämlich durch die Systematik, dass die Zuschüsse aus dem Einzelplan 17 kommen, und zwar als Vorwegabzug schon dort abgehen?

(Beifall bei der CDU)

Das mag vielleicht der eine oder andere nicht so gerne hören, aber es sind bereits alle beteiligt. Wenn Sie den Oberbürgermeister von Gotha - ich glaube, er trägt Ihre Parteifarben - dazu bringen, sich an der Finanzierung in Erfurt zu beteiligen, dann herzlich willkommen, aber es passiert regelmäßig nicht.

(Unruhe bei der SPD)

Der Apoldaer beteiligt sich auch nicht in Weimar, was durchaus denkbar wäre, da passiert derzeit nichts. Deshalb wird es zwangsweise über den Landesgesetzgeber gemacht, der Zuschuss des Landeshaushalts kommt aus dem Topf, der für die Kommunen vorgesehen ist. Fragen Sie mal bitte Ihre Finanzpolitiker in der Fraktion, wenn Sie mir nicht glauben, die werden Ihnen das hoffentlich so bestätigen, ich gehe jedenfalls davon aus.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns unserem Kultusminister Glück wünschen, dass es ihm gelingt, die Träger zu zukunftsfähigen Lösungen zu bringen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist ja eine Frechheit.)

(Unruhe bei der SPD)

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Es ist nicht Sache des Parlaments, darüber zu entscheiden, weil wir den Kommunen keine Vorgaben

zu machen haben. Aber der Schritt, irgendwann zu erklären, lasst uns besser das Haus fremd bespielen und wir bieten weiterhin beste Kultur an, als dass mit schrumpfenden Ensembles ein Notprogramm gemacht wird, der scheint an der einen oder anderen Stelle unausweichlich. Er bedeutet nicht Verlust von Kultur, er bedeutet sehr wohl Verlust von Arbeitsplätzen in der Kultur, das erkennen wir an.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das ist doch nicht wahr.)

Aber ich stelle die Alternative auf, was ist für die Kultur wichtiger. Wir entscheiden uns für das hochqualitative und vollwertige Angebot.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Abgeordnete Dr. Klaubert, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich dachte, dass der Kultusminister die vor ihm liegenden Zettel noch vor mir vorträgt, aber ich habe eigentlich darauf gewartet, dass die Landesregierung einen Bericht gibt.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Da kannst Du aber lange warten.)

Um das allen noch mal zu sagen, die SPD hat einen Antrag gestellt, ich darf den zitieren, diesen Antrag: „Die Landesregierung wird aufgefordert, im Landtag über die eigenen Zielsetzungen,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die ha- ben doch keine.)

den erreichten Stand und das geplante weitere Vorgehen bei den Verhandlungen mit den Trägern der Thüringer Theater und Orchester über deren Finanzierung ab 2009 zu berichten.“ Das ist der Gegenstand, zu dem wir jetzt beraten. Bis jetzt hat unser Fraktionsvorsitzender etwas Entscheidendes zur kulturpolitischen Debatte in diesem Land gesagt und ich kann in vielen Dingen dem SPD-Kulturpolitiker Döring zustimmen.

(Unruhe bei der CDU)

Dann entnehme ich dem Beitrag von Herrn Schwäblein erst mal, dass das mit dem Einigungsvertrag nicht mehr so richtig gilt und wir als Fraktion der Linkspartei.PDS den schon gar nicht einklagen dürften, denn wir haben ja damals diesem Einigungs

vertrag nicht zugestimmt.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, Links- partei.PDS: Du hast Heiko Gentzel ver- gessen.)

Ich möchte dazu eines anmerken: Es kann schon vorkommen, dass wir verschiedenen Verträgen und Abmachungen nicht zustimmen. Wir sind aber durchaus in der Lage, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren und Verfassungen, Grundgesetz und Einigungsvertrag einzuhalten. Ich wünsche mir das von denen, die zugestimmt haben, auch.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich gebe dem Herrn Schwäblein aber an einer weiteren Stelle Recht. Wir sollten wirklich nicht so weitermachen wie bisher. Nun könnte man verschiedene Dinge aufnehmen, wie man nicht so weitermachen sollte wie bisher. Herr Gentzel hat vorhin gesagt, da kann man nicht eigentümliche Ministerposten erfinden, wenn man ein neues Kabinett bildet. Da könnte man - wir haben uns einmal darüber unterhalten - die Zahl der Ministerien in der Verfassung festschreiben, weil unsere Bevölkerung kleiner wird. Wir könnten eine Verwaltungsebene in diesem Land komplett einsparen und eine zweistufige Verwaltung gestalten. Wir könnten auf Prestigeobjekte verzichten,

(Beifall bei der SPD)

die in diesem Land immer noch in den einzelnen Wahlkreisen auch zur Untermauerung des Wählerpotenzials für die regierungstragende Fraktion dienen. Wir könnten natürlich auch ein kreatives Leitbild für Thüringen entwickeln und dann müssten wir einmal darüber

(Unruhe bei der CDU)

hinwegsehen, dass wir ständig über angebliche Sparvorschläge sprechen. Wir sprechen nicht über Sparvorschläge. Wir sprechen im schlechtesten Sinn des Wortes über Streichkonzerte.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn wenn man spart, spart man etwas für die Zukunft, eröffnet man sich Potenziale. Mit dem ständigen drohenden Schwert, dass diese Bevölkerung kleiner, älter, wahrscheinlich auch dümmer wird, sparen wir uns zu Tode oder streichen wir uns zu Tode. Das erinnert mich verdammt noch mal an die Endzeit der DDR und ich will einfach nicht mehr widerspruchslos hinnehmen, dass regierende Politik sich derart geriert.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch auf Herrn Schwäblein bezogen: Ich glaube, jeder, der mit Kulturfinanzierung in diesem Haus befasst ist, weiß, dass die 60 Mio. € zur Unterstützung der Theater und Orchester Thüringen im Einzelplan 17 etaisiert sind. Das weiß jeder. Aber wir haben meines Erachtens den Haushaltsplan für das Jahr 2009 noch nicht beraten oder ich habe etwas verpasst. Aber dort werden ja wohl 50 Mio. € drinstehen oder 40 Mio. €. Das heißt, wir brauchen uns darüber gar nicht mehr auszutauschen. Die Regierung handelt und hat dieses Potenzial schon für diesen Haushalt 2009 festgeklopft.

Jetzt sagt der Minister: „Sie beschließen den Haushalt.“ Das ist wirklich ein Ding. Wir sind in den Finanzierungsverhandlungen für die Zeit nach 2008. Im Sommer des Jahres verkünden Sie eine Modellrechnung. Ich gehe nicht noch einmal darauf ein, unter welchen Bedingungen diese Modellrechnung verkündet worden ist. Also, der Ausschuss saß zusammen, der Ausschuss bekam keine Information mit dem Verweis auf eine Pressekonferenz. In der Pressekonferenz mussten dann die Mitarbeiter und Abgeordneten erst einmal entfernt werden, damit am nächsten Tag diese Pressekonferenz unkommentiert in der Zeitung stand. So kann ich das jetzt erst einmal nur interpretieren. Diese Modellrechnung geht davon aus, 50 Mio. € - mehr gibt es nicht für die Theater und Orchester ab dem Jahr 2009.

Weil Herr Döring vorhin auf die Frage des Theaters auch sehr bildhaft eingegangen ist - ich will jetzt nicht riskieren, dass ich den gleichen Ordnungsruf bekomme -, gehe ich einmal auf die Ableitung des Begriffs „Theater“ ein. Er kommt aus dem Griechischen, das wissen Sie sicher - „theaomai“ - und er bedeutet: Beschauen, bewundern, etwas mit Interesse bewundernd, staunend oder verwundert betrachten. Also staunen kann man.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Wie gut, dass es diese letzte Bedeutung auch gibt.)

Herr Köckert, ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden, entschuldigen Sie, sonst würde ich darauf eingehen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das war aber Glück.)

Staunen kann man schon, was hier alles passiert. Wir hören sehr oft, dass die Regierung sich in verschiedenen Entäußerungen als die Regierung eines Landes mit reicher Kultur bezeichnet. Die letzte Rede eines Mitglieds der Regierung habe ich dazu am gestrigen Abend gehört. Das war zum parlamentarischen Abend der Denkmalpflege. Ich weiß nicht, ob für alle Denkmalschützer diese Rede und die Ankündigungen dessen, was die Denkmalpflege zum Beispiel

als Teil der Kulturpolitik Thüringens mit innovativem Potenzial für Wirtschaft und Zukunft des Landes bedeutet, sich in ihrer praktischen Wirklichkeit immer so umsetzen lassen. Mir haben sie jedenfalls gesagt, sie hätten an der einen oder anderen Stelle schon ganz gern erwidert.

Aber bleiben wir bei diesem Bereich der Theater und Orchester, welcher eigentlich im Moment nur ein einziges Potenzial herausgreift und an diesem wiederum deutlich macht, was mit der Kulturpolitik in Thüringen eigentlich passiert. Sie sehen ja, landauf, landab formiert sich der Widerstand und ich bin es eigentlich leid, dass über diesen Widerstand zum Teil so abfällig gesprochen wird.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Eben ist erst wieder gesagt worden: Da sollen die doch alle ein Theaterabonnement kaufen.)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ja, du aber auch.)

(Heiterkeit bei der SPD)

Die wären doch gar nicht so richtig organisiert, und wenn es solche Einschnitte gäbe, da müssten doch noch sehr viel mehr da sein, und sind denn die fast 80.000 Unterschriften tatsächlich im Einzelnen nachprüfbar und hat da nicht der eine oder andere vielleicht etwas unterschrieben, was er gar nicht so genau wusste. Ich denke, dass dieser Widerstand sich aus den unterschiedlichen Ecken des Landes zusammenfindet und dass man im Moment noch miteinander solidarisch ist um den Erhalt dieser Kulturlandschaft. Das ist eigentlich etwas, worauf wir alle hier stolz sein sollten, denn was wir hier erzielen und entscheiden, das ist die eine Sache; was die im Land befinden, die von kulturellen Streichorgien betroffen sind, das ist die andere Seite, und wenn sie sich zur Wehr setzen, dann finde ich das gut. Herr Schwäblein will eine Frage stellen?

Frau Abgeordnete, ich wollte das jetzt fragen, aber Ihren Gedanken eben nicht unterbrechen. Deswegen jetzt die Frage und sie ist zugelassen. Abgeordneter Schwäblein, bitte.