wo die Einzelfälle angeschaut werden können, damit man hier die Einzelfälle bespricht. Und jeder Fall ist anders gestaltet und ich bitte und danke der Landesregierung zu dem Angebot, die Gewohnten mögen es wahrnehmen, damit man diese Kuh vom Eis bringt.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann bitte ich Herrn Minister Gasser an das Rednerpult.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, bevor ich Einzelausführungen mache zu der Rechtslage, möchte ich zunächst einmal, Herr Kuschel, scharf zurückweisen, was Sie gesagt haben, der MP täusche die Öffentlichkeit. Das ist eine Frechheit und stimmt auch nicht.
Als Zweites weise ich scharf zurück, dass Sie gesagt haben, die Landesregierung will, dass Bürger 15 Jahre rückwirkend Beiträge zahlen. Das ist auch falsch. Das Dritte ist: Was wollen Sie denn eigentlich? Herr Hauboldt hat gesagt, die Beiträge müssen ab
Herr Kuschel sagt genau das Gegenteil und hat gesagt, wir fordern keine Rückzahlung, keine Abschaffung von Beiträgen, sondern die Gemeinden sollen selbst entscheiden. Also stimmen Sie sich doch bitte erst mal intern ab, wie der Standpunkt der Linkspartei.PDS ist.
Frau Taubert, ich kann Ihnen auch, ebenso wie Herr Fiedler, weitgehend zustimmen. Ich möchte einen Schritt vielleicht noch mal zurückgehen, wie das Problem entstanden ist. Die gegenwärtige Diskussion über den Erlass von Straßenausbaubeitragssatzungen, das ist uns auch bekannt, wird besonders in den betroffenen Gemeinden mit starken Emotionen geführt und es sind eine Reihe von Leuten, die dies auch schüren, die hier ihre Hetztiraden erneut loslassen. Ich habe Verständnis für die Sorgen der Bürger, verstehe die Bürgermeister und die Gemeinderäte, die bisher keine Satzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen erlassen haben, wenn sie sich um das Wohl ihrer Bürger sorgen. Ich verstehe auch, wenn sie das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2005 kritisch hinterfragen, das die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für vermutlich alle Thüringer Gemeinden unausweichlich macht, wenn sie Maßnahmen durchgeführt haben. Ich habe allerdings gar kein Verständnis dafür, wenn die Fraktion der Linkspartei.PDS diese Sorgen nutzen will, um daraus politisches Kapital zu schlagen.
Ich habe natürlich in der vergangenen Woche und in den vergangenen Tagen auch gehört, dass es eine Reihe von Bürgermeistern gibt, die Satzungen erlassen haben und Beiträge gezogen haben, die sagen, wir sind damals auch verhöhnt und verspottet worden von anderen, die es nicht gemacht haben. Ja, wir fühlten uns damals auch schon etwas merkwürdig, wir mussten den Ärger auf uns nehmen in den jeweiligen Kommunen und die anderen haben darüber gelacht. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das ist nun mal da, das können wir nicht ändern. Die Richter haben in der mündlichen Verhandlung, wie ich hörte, mehrmals versucht, die Benshausener dazu zu bringen, dass sie ihre Klage zurücknehmen. Das haben sie nicht gemacht. Also ist dieses Urteil ergangen und jetzt müssen wir gemeinsam sehen, wie wir die Probleme, die daraus und aus dem früheren Verhalten entstanden sind - nicht nur durch das Urteil, das möchte ich auch mal eindeutig hier sagen -, lösen. Denken Sie bitte auch daran, dass
nach der Wiedervereinigung ein dringender Bedarf bestand, die Infrastruktur in den neuen Ländern möglichst rasch auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Dies war ein wichtiger erster Schritt zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland und es wurden für den Ausbau der Infrastruktur damals erhebliche Fördermittel von Bund, Ländern und der Europäischen Union zur Verfügung gestellt. Damit wurden auch - „auch“ sage ich - zahlreiche Straßenausbaumaßnahmen zunächst finanziert. Das muss man sich natürlich auch anschauen, wie das damals geschehen ist und wer das bezahlt hat. Unbeschadet dessen hat der Landtag im August 1991 das Thüringer Kommunalabgabengesetz in Kraft gesetzt. Damit galt für alle Thüringer Kommunen die Regelung, dass für Straßenausbaumaßnahmen Beiträge erhoben werden sollen. Dieser Verpflichtung ist in den Folgejahren auch die ganz überwiegende Zahl der Städte und Gemeinden, die Ausbaumaßnahmen vorgenommen haben, nachgekommen. Das Urteil lässt nur einen geringen Spielraum. Es spricht von atypischen Situationen. Das muss man sich natürlich anschauen und muss es ausloten.
Zu Ihrer Information: Ca. 645 Städte und Gemeinden hatten bis Dezember 2005 entsprechende Satzungen über die Erhebung einmaliger Beiträge erlassen. Weitere 60 Gemeinden hatten Satzungen über die Erhebung wiederkehrender Beiträge erlassen. Ca. 130 Gemeinden waren gänzlich ohne Satzung, obwohl sie beitragsfähige Maßnahmen durchgeführt haben. Ca. 160 Gemeinden hatten keine beitragsfähigen Maßnahmen durchgeführt. Diese Zahlen geben den gegenwärtigen Erkenntnisstand wieder. Sie wissen auch, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Thüringer Kommunalabgabengesetzes 1991 noch die von der Volkskammer verabschiedete Kommunalordnung galt. Dieses Gesetz sah noch keinen ausdrücklichen Vorrang der Erhebung besonderer Entgelte - das sind hier die Straßenausbaubeiträge - vor der Erhebung von Steuern vor. Ungeachtet dessen hat das Innenministerium bereits im Mai 1992 die Kommunen darauf hingewiesen, dass sie ihre Einnahmemöglichkeiten durch den Erlass von Satzungen und die Erhebung von Abgaben und dabei insbesondere auch Entgelte für ihre Leistungen geltend zu machen haben; damit hier keine Mär entsteht. Bereits in diesem Rundschreiben wurden damals die Straßenausbaubeiträge exemplarisch genannt. Im Juli 1992 hat der Landtag dann die vorläufige Kommunalordnung beschlossen, mit der gesetzlich ausdrücklich festgelegt wurde, dass die Kommunen nach den sogenannten Einnahmebeschaffungsgrundsätzen ihre Einnahmen grundsätzlich vorrangig aus besonderen Entgelten und erst in zweiter Linie aus Steuern erzielen müssen. Die genannte Regelung im Kommunalabgabengesetz blieb bestehen. Das Wort „sollen“ im Thüringer Kommunalabgabengesetz ließ insbesondere aus der Sicht vieler
kommunaler Verantwortlicher Interpretationsspielraum. Viele Bürgermeister und Gemeinderäte der ersten Stunde waren der Auffassung, dass eine einigermaßen solide Haushaltslage der Kommunen ein Absehen von der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen rechtfertigen könne. Und auch für dies habe ich Verständnis, dass nämlich die Verantwortlichen diese Vorschrift so interpretiert haben.
Wir müssen nun mal sehen, dass wir in dem Bereich der Kommunen hier helfend eingreifen. Das heißt, das Land wird kein Gesetz machen - und das hat der Ministerpräsident gesagt -, in dem die Beiträge abgeschafft werden, und es wird auch keine Situation geben, Herr Kuschel, wie wir sie bei Wasser und Abwasser hatten. Die Kommunen sind verpflichtet, hier selbst zunächst einmal die Tatsachen zu klären, die tatsächliche Situation, und wir werden Unterstützung leisten für die Feststellung. Es wird ein Beratungsstab, kein Beraterstab, sondern ein Beratungsstab bei dem Landesverwaltungsamt unter Leitung des Präsidenten gebildet werden. Wir werden auch personelle Unterstützung gewähren und das Ministerium wird selbst ebenfalls hier tätig werden und zunächst einmal die tatsächliche Situation feststellen. Wir werden das nicht unter Zeitdruck machen, sondern wir werden sehr sorgfältig ermitteln und werden die verschiedenen Fallkonstellationen zunächst einmal feststellen. Wenn wir diese Fallkonstellationen haben, und das wird sehr unterschiedlich sein, werden wir uns diese anschauen und abprüfen anhand der bestehenden Rechtslage, wo es erforderlich ist und welche Lösung erforderlich ist, dass die Satzungssituation entsprechend angepasst wird seitens der kommunalen Ebene, und wo dies nicht möglich ist. Es wird nicht überall möglich sein, das ist meine Voraussage. Aber unser Ziel ist es, die Gemeinden intensiv zu unterstützen, dass sie bis zum Jahre 2007 das für die Beitragserhebung notwendige Satzungsrecht schaffen und dass dieses Satzungsrecht entsprechend dann auch flexibel ist und den örtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt. Ich sehe hier keine Alternative aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts. Ich denke, dass wir aber mit dem entsprechenden Arbeitseinsatz und mit sorgfältiger Arbeit hier in den allermeisten Fällen zu einer Lösung kommen werden. Wir werden das nicht formaljuristisch abarbeiten, sondern wir schauen uns die Problematik sehr genau an und die Sorgen und Nöte vor Ort werden ernst genommen. Das vielleicht zu Ihrer Information, wie die Vorgehensweise des Innenministeriums und der Landesregierung vorgesehen ist.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde und rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf
Thüringer Informationsfrei- heitsgesetz (ThürIFG) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2284 - ERSTE BERATUNG
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zur Begründung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion für ein Informationsfreiheitsgesetz das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle zitieren - Frau Präsidentin, Sie gestatten. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil festgestellt oder geschrieben: „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die es erlaubt zu verfolgen, was geschieht, ist nicht möglich.“ Wenn das so ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und wir wissen, die Demokratie ist zwar, gottlob, bei uns in Deutschland ein stabiles Gebilde, aber es muss gepflegt werden und hin und wieder muss es auch verteidigt werden. Demokratie, wenn ich sie verteidigen will, muss ich von ihr überzeugt sein. Diese Überzeugung entsteht, wenn ich sie akzeptiere. Diese Akzeptanz, meine Damen und Herren, wird ganz entscheidend geprägt von der Transparenz der Entscheidungen innerhalb dieser Demokratie. Das heißt also, Transparenz ist hier das große Stichwort - Transparenz und Teilhabe der Bürger am demokratischen Geschehen. Deshalb haben wir uns entschlossen, nach nunmehr fünfjähriger Unterbrechung - am 18. Oktober 2001 hat die damalige Fraktion der SPD einen Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit eingebracht - dieses Gesetz erneut hier in den Thüringer Landtag einzubringen. Ich denke, dass wir im Verlauf der Debatte, von der ich mir wünsche, dass sie von größtmöglicher Sachlichkeit geprägt ist, noch zu den einzelnen von uns vorgeschlagenen Regelungen kommen werden. Danke schön.
Sie haben die Begründung gehört und ich eröffne hiermit die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Hahnemann, Die Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auf dem Weg hin zu mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz geht der Gesetzentwurf zu einem Thüringer Informationsfreiheitsgesetz, den die SPD-Fraktion eingereicht hat, durchaus in die richtige Richtung. Es wäre tatsächlich ein großer Fortschritt für die Demokratie in Thüringen, wenn die Mehrheit dieses Hauses sich den Argumenten nicht verschließen würde. Ob Verschärfungen bei Hartz IV, ob Autobahnmaut, ob Antiterrordatei, die Bürgerinnen und Bürger werden immer gläserner und der Datenschutz wird immer löchriger.
Das, Herr Fiedler, verträgt auf lange Sicht die Demokratie nicht. Dieser Trend muss aufgehalten, dieser Trend muss umgekehrt werden.
Gläserne Rathäuser und selbstbestimmte Bürger - von diesem Leitbild lässt sich die Linkspartei leiten. Das Informationsfreiheitsgesetz, das wir beraten, könnte dafür ein Baustein sein. Wir unterstützen daher auch diese Bemühungen um ein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Monopolisierung von Informationen aus Sach- oder Rechtsgründen ungeeignet ist und zunehmend hinsichtlich einer offenen Gesellschaft schadet. Der individuelle Zugang zu behördlichen Informationen wurde bisher lediglich im Rahmen von verfahrensmäßigem Rechtsschutz gewährt. Aber das greift unseres Erachtens viel zu kurz. Wir plädieren für ein subjektives Recht auf Akteneinsicht zur Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts des Menschen und zur Beförderung von Transparenz, Kontrolle und Demokratisierung der Verwaltung. In der Konsequenz müsste es um die Aufnahme eines Grundrechts auf Informationsfreiheit in die Verfassung gehen, so wie es die Datenschutzbeauftragten gefordert haben. Auf diesem Weg zu einem Grundrecht auf Information sind Landesgesetze zur Informationsfreiheit wichtige Zwischenschritte. Gerade Thüringen sollte diesen Weg konsequent gehen. Gerade die Thüringer Landesverfassung hat mit Artikel 6 im Vergleich zu anderen Bundesländern schon sehr detaillierte Bestimmungen zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese Regelungen könnten zu einem Grundrecht auf Informationsfreiheit ausgebaut werden.
Mit einem Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene könnte auch den Wünschen der Bevölkerung nach mehr demokratischen Beteiligungsrechten entsprochen werden. Elemente einer lebendigen De
mokratie würden gestärkt, Bürgerinnen und Bürger könnten sich kritisch mit dem Handeln des Staates auseinandersetzen und versuchen, auf dieses Handeln Einfluss zu erlangen. Wer dahinter, Herr Fiedler, eine Schwächung der Demokratie befürchtet, der hat sie nicht verstanden.
Nun weiß ich, dass in Thüringen Demokratievorstellungen hin und wieder ziemlich schwach entwickelt sind, auch in diesem Hause. Ein Beispiel konnten wir vorhin bekommen. Bei der Eröffnung einer Ausstellung mit einem zutiefst demokratischen Thema hatte doch tatsächlich jemand Türen und Fenster geöffnet, so dass man die mit Trillerpfeifen und Buhrufen protestierenden Künstlerinnen und Künstler im Raum hören konnte. Statt die Stimme des Volkes bei dieser Gelegenheit zu ertragen, hat man die Türen und Fenster geschlossen.
Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die Vermeidung oder Aufdeckung von Korruption in der Verwaltung. Ein Problem, dem sich die Politik offener und vorbehaltloser zuwenden sollte. Schließlich tragen Berichte über derartige Vorfälle doch wesentlich dazu bei, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen und am Ende in die Demokratie selbst mehr und mehr schwindet.
Meine Damen und Herren, ich möchte an einigen Punkten unsere Vorstellungen zu einem Informationsfreiheitsgesetz umreißen und damit auch einige Kritikpunkte gegenüber dem vorgelegten Gesetzentwurf darstellen. Wir können diese Punkte hoffentlich, da bin ich weiterhin trotz aller gegenteiligen Erfahrung optimistisch, im zuständigen Ausschuss beraten. In Anbetracht des Genannten gibt es noch grundlegende weitergehende Vorstellungen, die sich so im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht wiederfinden. Wir arbeiten seit einiger Zeit an einem eigenen Vorschlag für ein Informationsfreiheitsgesetz, den wir zum gegebenen Zeitpunkt dem Parlament unterbreiten werden.
„Wissen ist Macht“ - eine alte Erkenntnis. In Deutschland gibt es die unselige Tradition, dass Behörden ihr Wissen immer als Herrschaftswissen gegenüber dem Bürger und auch vor dem Bürger schützen. In einer lebendigen Demokratie müssen Bürgerinnen und Bürger aber auf dieses staatliche Wissen Zugriff haben. Wenn man den mündigen, an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen beteiligten Bürger will, dann muss es dieser Bürger auch sein können. Das heißt, er muss ausgestattet sein mit In
formationen, schon um seiner selbst willen. Ansonsten fallen wir zurück in frühere Verhältnisse, z.B. die der DDR-Zeiten. Wir würden zurückkehren zum Prinzip: Wir alle haben grenzenloses Vertrauen. Zudem dient ein Informationsfreiheitsgesetz auch der öffentlichen Kontrolle staatlichen Handelns. Informationsfreiheit ist ein wichtiges Instrument, um Missstände in Behörden oder Fehlentscheidungen bei Verwaltungsentscheidungen oder Rechtsanwendungen sichtbar zu machen. Das ist nicht allein eine Aufgabe der Medien oder des investigativen Journalismus. Ein wesentlicher Grundgedanke eines solchen Gesetzes muss daher lauten: Das Geheimhaltungsinteresse der Verwaltung sollte möglichst in engen Grenzen gehalten werden.
Im SPD-Gesetzentwurf heißt es dazu allerdings: Ein Antrag auf Informationen sei abzulehnen, wenn Beziehungen zum Bund, innere Sicherheit usw. mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ beschädigt würden. „Hohe Wahrscheinlichkeit“ ist ein derartig unklarer und schier endlos dehnbarer Rechtsbegriff. Unser Vorschlag: Nur eine sattelfeste Prognose darf Grundlage einer Auskunftsverweigerung sein. Im Gesetz zur Informationsfreiheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern heißt es lediglich: „geschädigt würden“. Das heißt, die Behörde muss eine konkrete Gefahr der Schädigung belegen können, um die Herausgabe von Informationen verweigern zu dürfen. Nach solchen Maßstäben sind auch manch andere Regelungen des Gesetzentwurfs, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, für uns schwer nachvollziehbar bzw. es bleiben Fragen offen.
Warum z.B. soll der Landtag als gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger und ausgerechnet bei seiner wichtigsten Tätigkeit als Gesetzgeber nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen? Könnte es für wirksamen Schutz des Entscheidungsfreiraums des Landtags nicht abwägende Entscheidungen im Einzelfall geben? Gleiches gilt für den Thüringer Rechnungshof oder den Mitteldeutschen Rundfunk. Müssen diese zum Schutz ihrer verfassungsrechtlichen Stellung in solcher Weise aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden? Auch hier könnte man mit notwendigen Schranken im Einzelfall arbeiten. Warum sollen Berichte des Rechnungshofs über den Umgang der Fraktionen mit Steuergeldern z.B. denn geheim bleiben? Es geht schließlich dabei um den Umgang mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger. Eine demokratische und transparente Gesellschaft verträgt grundsätzlich keine obrigkeitsstaatlichen Schutzreservate.
Das gilt für die Adressaten des Informationsanspruchs ebenso wie für dessen Umfang. Auch hier lässt der Entwurf der SPD Fragen offen. Wenn Notizen und Vorentwürfe nicht zu den zugänglichen Unterlagen zählen, gehören dann dazu auch Aufzeichnungen bzw. Aktennotizen der Behörde über Vorsprachen oder über Gespräche mit Betroffenen. Solche Unterlagen sind zur Aufklärung von Sachverhalten aber oft wichtige Belege oder Beweismittel. Für Betroffene im Bereich Wasser/Abwasser wäre es z.B. sehr hilfreich, wenn sie die behördeninternen Berechnungsunterlagen für die Gebührenkalkulation zu sehen bekommen könnten. Inwieweit können sich überhaupt Private, die mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben befasst sind, beliehene Landesgesellschaften in privatrechtlicher Form, LEG z.B., oder andere auf das Kriterium Betriebsgeheimnis berufen und sich um eine Auskunft drücken? Hier ist der Entwurf sehr allgemein gehalten, obwohl gerade Thüringen so etwas wie ein Vorreiter auf der Strecke der Privatisierung staatlicher Aufgaben und Einrichtungen ist.
Ein letzter, ganz und gar nicht unwichtiger Gesichtspunkt: Für die Linkspartei.PDS gilt der Grundsatz, dass der Zugang zu einem Recht für Bürgerinnen und Bürger nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Deshalb sollte auch die Erfüllung des Informationsrechts nicht von Gebühren- und Kostenerstattungen erstickt werden. In anderen Staaten besteht daher im Bereich der Informationsfreiheit Gebühren- und Auslagenfreiheit für Behördendienstleistungen.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sieht nun aber vor, dass Bürgerinnen und Bürger für Auskünfte auch Gebühren entrichten müssen. Wer für eine amtliche Information aber mit einer spürbaren finanziellen Belastung rechnen muss, der überlegt sich die Inanspruchnahme seines Rechts zweimal. Erstens fragt er sich, ob die Inanspruchnahme seines Rechts ihm das wert ist. Schon das ist bedenklich.
Vor dem Hintergrund einer verständlichen Vermeidung unnötiger Beschäftigung der Verwaltung mit Informations- und Auskunftsersuchen erscheint diese Regelung noch erklärlich. Wenn aber zweitens der Bürger sich fragen muss, ob er sich das leisten kann, ist die Schwelle der Fragwürdigkeit des Ansinnens dieser Regelung erreicht. So nämlich verkommt dann demokratisches oder sogenanntes demokratisches Auskunftsrecht zum puren Geschäft. Damit werden gegebenenfalls ganze Bevölkerungsschichten von Bürgerrechten ausgeschlossen. Wir kennen das von anderen Gesetzen. Ich erinnere nur an Hartz IV. Wer arm dran ist, bekommt nicht nur weniger oder
Als problematisch bewertet unsere Fraktion auch, dass nach dem eingereichten Entwurf der Datenschutzbeauftragte auch mit der Aufsicht über die Durchführung des Informationsfreiheitsgesetzes betraut werden soll. Informationsfreiheit und Datenschutz stehen aber in einem Interessenkonflikt. Genau das war der Grund, warum z.B. in der Bundestagsanhörung zu einem Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene von einer Reihe von Sachverständigen für eine Trennung der beiden Funktionen plädiert wurde.