a) Föderalismusreform im Bildungsbereich Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/1795 -
b) Verbesserungen bei der geplanten Föderalismusre- form Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1816 -
c) Reform des Föderalismus: Bildung ist Ländersache Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/1826 -
Mir ist signalisiert worden, dass keine Begründungen zu den jeweiligen Anträgen erfolgen. Für die Landesregierung hat sich Minister Wucherpfennig zu Wort gemeldet und ich erteile ihm das Wort.
Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zum Thema „Föderalismusreform“ liegen Anträge aller drei Fraktionen vor. Auf die speziellen bildungs- und hochschulrelevanten Anträge bzw. Inhalte wird nach mir der Kultusminister näher eingehen.
als Bildung und Hochschulen beinhaltet, die Landesregierung auf, sich im Bundesrat über die bloße Abgabe von Protokollerklärungen hinaus mit Nachdruck für Verbesserungen bei der geplanten Föderalismusreform einzusetzen. Diese Forderung mag gut gemeint sein, sie ist aber in der Sache wenig zielführend, denn es geht darum, den Föderalismus lebendig zu erhalten und weiter zu stärken. Deshalb muss diese Reform als Gesamtpaket so schnell wie möglich, idealerweise noch vor der Sommerpause, auf den Weg gebracht werden, denn sie ist die Schlüsselreform für alle politischen Reformen, die wir so dringend in diesem Land brauchen.
Der Ökonom Carl Christian von Weizsäcker hat es einmal auf den Punkt gebracht, danach leidet Deutschland an einer institutionell bedingten Unfähigkeit zu Reformen.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt die Chance, uns mit einem großen politischen Schulterschluss aus dieser Falle zu befreien. Die Föderalismusreform will Kompetenzen klarer zuteilen, Gesetzgebungsprozesse vereinfachen und die Länderparlamente stärken. Die Erreichung dieser Ziele ist notwendig und richtig. Mit der Reform beschleunigen wir politische Entscheidungsprozesse vor allem, weil die Quote der zustimmungspflichtigen
Wer jetzt noch Nachbesserungen fordert, dem sage ich: Man kann nicht jahrelang über Blockaden in der Politik klagen und dann, wenn eine Lösung in Reichweite ist, die Auflösung der Blockaden erschweren. Jetzt sind die Chancen für eine Verfassungsänderung so groß wie nie durch die große Koalition im Bundestag und die Stimmenverteilung im Bundesrat. Eine Chance, die auch die SPD-Landtagsfraktion erkennen sollte. Berlins regierender Bürgermeister Wowereit hat diese Chance erkannt, als er am 10. März im Bundesrat sagte: „Es geht um ein Gesamtpaket. Bei allem Verständnis für Bedenken gegen Details der Neuordnung bitte ich darum, diese im Interesse des Gesamtpakets zurückzustellen.“ Darum bitte ich auch und Kurt Beck, ich zitiere: „ist fest davon überzeugt, dass sich das Erreichte unter dem Strich für die Länder in ihrer unterschiedlichen Aufstellung und Größe als tragfähig erweist“. Klaus Stern, der Kölner Staatsrechtler, hat im letzten September in der Staatskanzlei zutreffend formuliert: „Bundesstaat und Föderalismus sind die Verkörperung des permanenten Kompromisses. Eine vollendete, alle Beteiligten zufrieden stellende Föderativverfassung wird es nicht geben - erreichbar ist nur die relativ beste.“
Meine Damen, meine Herren, die Föderalismusreform verlangt allen Beteiligten Zugeständnisse ab, auch von Thüringen. Natürlich gibt es bestimmte Einzelpunkte, in denen wir eine etwas andere Auffassung haben. Aber darum geht es letztendlich nicht. Wir haben nach über zweieinhalb Jahren Diskussion endlich ein Ergebnis und das ist zu wichtig, als dass es jetzt zum Scheitern kommt.
Zum ersten Spiegelstrich: Die Forderung, das geplante Kooperationsverbot aus Artikel 104 b Grundgesetz zu streichen, zielt ins Leere. Denn aus dem neuen Artikel ergibt sich kein generelles Kooperationsverbot. Vielmehr wird der Bund dort, wo die Länder keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz haben, auch weiterhin Finanzhilfen leisten dürfen, beispielsweise bei der außerschulischen Bildung und Weiterbildung oder bei der gemeinsamen Kulturförderung von Bund und Ländern.
Zum vierten Spiegelstrich: Beim Beamtenrecht haben wir uns für die Beibehaltung eines bundesweit einheitlichen Rahmens für das Dienstbesoldungs- und Versorgungsrecht ausgesprochen - aus gutem Grund: um länderübergreifende Qualitäts- und Leistungsstandards zu sichern und einen ruinösen Wettbewerb, den die kleinen und finanzschwachen Län
Zum achten Spiegelstrich: Diese Forderung ist bereits in Teilen erfüllt. Der Bund erhält im Umweltbereich, wo er zurzeit nur die Rahmengesetzgebung hat, konkurrierende Kompetenzen für den Naturschutz, die Landschaftspflege und den Wasserhaushalt ohne Erforderlichkeitsklausel. Außerdem entscheidet der Bund ausschließlich über die Grundsätze des Naturschutzes, den Artenschutz und Meeresnaturschutz
sowie über das Jagdscheinrecht. Allerdings haben sich die Länder geschlossen gegen eine kaum begrenzte und abgrenzbare Querschnittskompetenz des Bundes im Umweltschutz ausgesprochen. Zu Ihrem Alternativvorschlag, die geplante Abweichungsgesetzgebung der Länder im Umweltrecht zu begrenzen, um die Kodifikation eines Umweltgesetzbuches nicht zu gefährden, stelle ich fest: Erstens, wichtige Bereiche bleiben - wie eben gesagt - vom Bund geregelt. Zweitens, das neue Abweichungsrecht der Länder ist erst dann aktuell, wenn ein Umweltgesetzbuch in Kraft tritt. Dafür hat der Bund bis 2010 Zeit - ich denke, eine angemessene Frist. Im Übrigen sind die Länder gerade im Umweltbereich in weiten Teilen an Brüsseler Vorgaben gebunden. Dadurch verbleibt wenig Spielraum für weit reichende Differenzierung.
Zum neunten Spiegelstrich: Die Forderung der SPD ist erfüllt. Die Länder haben fortan beim Verwaltungsvollzug mehr Spielraum in zweifacher Hinsicht: Zum einen durch das neue Abweichungsrecht der Länder und zum anderen können sie durch den neuen Artikel 84 Abs. 1 Grundgesetz abweichende Regelungen treffen, wenn der Bund ausnahmsweise den Gesetzesvollzug regelt.
Zum zehnten Spiegelstrich: Die Mehrzahl der Länder hat sich entgegen der SPD-Forderung dafür ausgesprochen, die Zuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder zu verlagern. Die Befürchtung, das hätte eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, halte ich für unbegründet. Die meisten Grundlagen im Strafvollzug sind verfassungsrechtlich geregelt und daran müssen sich auch die Länder halten.
Für Thüringen stelle ich fest, auch wenn manches mehr wünschenswert wäre, ändert das nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit des Gesamtpakets. Die Länder erhalten durch den Kompromiss größere Gestaltungsmöglichkeiten, die Verantwortung der Landesparlamente wird gestärkt. Für das Hochschulwesen sind zukünftig die Länder zuständig, ausgenommen sind die Bereiche Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse, die nun unter die konkur
rierende Gesetzgebung des Bundes fallen. Das bedeutet nichts weniger als die verfassungsrechtlich verbriefte Kompetenz der Länder für das Bildungswesen. Ich bin überzeugt, neue Wege und Bildungsprojekte können somit von den Ländern flexibler entwickelt und erprobt werden. Einen bildungspolitischen Flickenteppich wird es in Deutschland sicherlich nicht geben, aber es wird der Wettbewerb um die beste Idee gefördert. Auch sind länderübergreifende Mindeststandards nach wie vor möglich und regelbar.
Meine Damen, meine Herren, sicherlich hätten wir uns bei den Übergangsfragen zur Aufteilung der ehemaligen Hochschulbauförderung eine andere Lösung gewünscht und auch bei der Entflechtung der Mischfinanzierung und beim nationalen Stabilitätspakt gäbe es nach unserer Auffassung bessere Lösungen. Aber all das ändert nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit des Gesamtpakets. Das Gesamtpaket besteht aus 25 Grundgesetzänderungen und 21 Einzelgesetzen und ist, so denke ich und so meinen wir, ein guter Kompromiss. Den sollten wir nicht wieder aufschnüren, Thüringen sollte sich seiner gesamtstaatlichen Verantwortung nicht entziehen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu den allgemeinen Ausführungen von Herrn Wucherpfennig ist nichts hinzuzufügen, ich möchte lediglich noch konkret für mein Ressort, für den Bereich Bildung und Wissenschaft, erläutern, welche Auswirkungen sich aus den gesetzlichen Neuregelungen der Föderalismusreform ergeben.
Beginnen wir mit der schulischen Bildung. Um es gleich vorwegzunehmen, die Schulbildung ist weitaus weniger von der anstehenden Föderalismusreform betroffen, als dies in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat.
Die Länder bleiben unverändert für die allgemein bildenden Schulen und die schulische berufliche Bildung und damit den Löwenanteil der Schulpolitik allein verantwortlich. Der Bund behält auch in Zukunft nur die Zuständigkeit für die außerschulische berufliche Bildung und für die Auslandsschulen. Es wird jedoch auch Änderungen geben. So wird die Gemeinschaftsaufgabe „Bildungsplanung“ beendet. Sie
wird durch eine neue Gemeinschaftsaufgabe ersetzt. Danach können Bund und Länder zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken. Außerdem ist der Bereich der schulbezogenen Bildungsforschung weiterhin Teil gemeinsamer Verantwortung. Darüber hinaus wird es keine Finanzhilfen des Bundes mehr im Schulbereich geben. Schließlich wird die Wahrnehmung der Rechte des Bundes als Mitgliedstaat der Europäischen Union auf einen vom Bundesrat benannten Ländervertreter übertragen, wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur und des Rundfunks betroffen sind. Das sind klare Regelungen, die von der Thüringer Landesregierung vollinhaltlich begrüßt werden. Grundsätzlich bleibt im Schulbereich die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern unverändert, und zwar in dem Sinne, dass die Länder nach wie vor in allen wesentlichen Teilen die alleinige Verantwortung tragen.
Zur Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung sei angemerkt, echte gemeinsame Aktivitäten zur Bildungsplanung von Bund und Ländern hat es zumindestens in den vergangenen 15 Jahren nicht gegeben. Die Idee einer zentralen Bildungsplanung war ein Auswuchs der Planungseuphorie der 60er-Jahre. So hat sich die Arbeit der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung letztlich auf die Koordinierung und Finanzierung von Modellversuchen beschränkt. Mit der Verteilung der entsprechenden Bundesmittel auf die Länder sollten wir, die Länder, in der Lage sein, gemeinsame Entwicklungsprojekte künftig selbst zu gestalten. Bei den großen internationalen Vergleichsstudien, ich nenne hier nur stellvertretend die PISAStudien, stellt die neu formulierte Gemeinschaftsaufgabe Bund und Länder in gemeinsame Verantwortung. Damit wird die internationale Sichtbarkeit der deutschen Bildungslandschaft weiter gewährleistet. Nach innen werden die Mechanismen der Zusammenarbeit der Länder weiter an Bedeutung gewinnen. Es ist, denke ich, jedem klar, wir brauchen eine klare und anspruchsvolle gemeinsame Setzung von Leistungszielen auf nationaler Ebene. Das ist ein entscheidendes Erfolgsrezept für eine gute Bildung. Hier wird die Kultusministerkonferenz künftig noch stärker gefordert sein.
Internationale Vergleiche belegen klar, ob die Zuständigkeiten im Bildungsbereich zentral oder föderal geregelt sind, ist für den Erfolg als Bildungsnation nicht entscheidend. Von den PISA-Siegern ist zudem bekannt, dass sie Verantwortung für das Einlösen des Bildungsanspruchs der Kinder und Jugendlichen nur noch sehr begrenzt durch Vorgaben und damit durch Inputs steuern. Sie verlangen diese Verantwortung in starkem Maße von den Einzelschulen.
Gleichzeitig tragen sie dafür Sorge, dass diese Verantwortung nicht nur von den in der Schule Tätigen, sondern von der ganzen Gemeinschaft der im jeweiligen Sozialrahmen lebenden Menschen mit verantwortet wird. Damit findet eine Dezentralisierung statt, die viel weiter geht, als das mit der Föderalismusreform überhaupt denkbar ist. Deutschlandweit folgen inzwischen alle Länder einem solchen Leitbild. In Thüringen wird dies mit dem Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ und der neuen Kultur der Unterstützung von Schulen in die Tat umgesetzt.
Mit den Beschlüssen zu den nationalen Bildungsstandards seit dem Jahre 2002, also jetzt seit 4 Jahren, vorbereitet durch die Konstanzer Beschlüsse zur Teilnahme an den internationalen Erhebungen PISA, IGLU, haben die Länder eine gemeinsame Entscheidung für die Outputsteuerung gefällt. Hierzu brauchten sie keine zentralen Anweisungen. Die Länder sichern in hoher Eigenverantwortung für die Bildung ihrer Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen gemeinsamen Regelstandard, den nachweislich alle erreichen wollen. Sie haben dabei unter anderem mit dem Instrument validierter Beispielaufgaben klare Verbindlichkeiten gesetzt, die für alle Länder Gültigkeit haben. Dazu haben die Länder 2004 gemeinsam das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB/CI) gegründet. Es unterstützt die Arbeiten zur Sicherung und stetigen Verbesserung von Bildungserträgen im Schulsystem. Kernanliegen des IQB sind die Weiterentwicklung, Operationalisierung, Normierung und Überprüfung der gemeinsamen Bildungsstandards. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Ländern und mit allen etablierten nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, mit Verbänden und Institutionen im Bereich der schulischen Bildung. Das Institut schafft damit einen wissenschaftlich fundierten Referenzrahmen für Ländervergleiche, durch die Unterrichtsqualität abgebildet und Mobilität gesichert werden kann.
Meine Damen und Herren, nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik haben die Länder in Deutschland in bildungspolitischen Kernbereichen so eng zusammengearbeitet wie derzeit und das ohne bundespolitische Steuerung und Planung. Dies beweisen nicht nur die Kooperationen zu den Handlungsfeldern, die nach PISA formuliert wurden, sondern vor allem die sich daran anschließenden KMKVorhaben und die enge Kooperation im Bereich der Lernstandserhebung, die seit 2002 entstanden ist.
Gerade die Entwicklung von gemeinsamen Projekten der Länder ohne zentrale Vorgaben und Steuerung mit flexiblen Regelungen bzw. der Beteiligung und Federführung verschiedener Länder zeigt, dass die KMK ihrer Verantwortung gerecht wird. Das ist eine
gute Grundlage, um auf zentral gesteuerte Vorhaben der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung verzichten zu können. Schließlich ergeben sich aus dem gesunden Wettbewerb zwischen den Ländern erhebliche Vorteile. Die Verantwortung für die Bildungspolitik im jeweiligen Land lässt es zu, den eigenen spezifischen Weg zu suchen, und ermöglicht eine Anpassung des Bildungssystems an kulturelle, regionale und sozioökonomische Bedingungen. Die unterschiedlichen Wege bei der Ausgestaltung der Bildungssysteme bieten die Möglichkeit einer Parallelerprobung und leichteren Nachjustierung. Sie ermöglichen ein Voneinanderlernen, das in einem zentralistisch geführten Bildungssystem in dieser Form nicht möglich ist. Internationale Vergleiche beim Nachahmen und Übernehmen stoßen immer wieder an Grenzen der Übertragbarkeit durch kulturelle Bedingungen.
Meine Damen und Herren, einen Beweis für die Wirkung des Wettbewerbs stellt die Reaktion auf ausgewiesenen Entwicklungsbedarf nicht nur bei Ländern mit hohem Standard dar. Man sieht dies an den gegenwärtigen Entwicklungsbemühungen in Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ebenso wie in den Ländern, die schon einen erheblichen Vorsprung haben. Dass Wettbewerb durchaus nicht zu einem Auseinanderdriften bei den Ergebnissen schulischer Bildung führen muss, haben die gemeinsam von Bayern und Thüringen eingesetzten Orientierungsarbeiten und Kompetenztests in der Klassenstufe 3 gezeigt. Es konnte eine praktisch gleiche Verteilung der Schülerleistungen in beiden Bundesländern festgestellt werden, und das bei einem unterschiedlichen Lehrplan, bei unterschiedlichen sozioökonomischen Voraussetzungen, bei einer unterschiedlichen Struktur und Ausgestaltung der Grundschule und bei Lehrern, die unterschiedlich ausgebildet sind. Das ist der Beweis, dass es möglich ist, in Deutschland auf verschiedene Weise die Interessen, Neigungen und Begabungen von Kindern mit einem vergleichbaren Ergebnis anzuregen und zu fördern. Nicht gemeinsame Vorgaben entscheiden, sondern die Antwort auf die Ansprüche des Kindes und das ehrliche Bemühen aller am Bildungs- und Erziehungsprozess Beteiligten, Verantwortung zu übernehmen. Dies gilt für die Kinder und Jugendlichen selbst, für die Lehrer, die Eltern, aber auch für alle Menschen im Sozialraum und schließlich für das Land, das ein hohes Vertrauen in das ehrliche Bemühen der Menschen setzen muss.
Im Übrigen, meine Damen und Herren aus der Opposition, Sie müssen anerkennen, dass Chancengerechtigkeit nur durch Ungleichbehandlung erreicht werden kann. Und bei PISA sehr erfolgreiche zentral gesteuerte Staaten verlassen diese zentrale Steuerung gerade für die bildungspolitische Planung sehr deutlich. Deshalb setzen auch wir darauf, die Ver
antwortung der Einzelschule zu stärken und auch das Unterstützungssystem danach auszurichten, was von den Schulen benötigt und von dort eingefordert wird. Wenn Schulen ihre Arbeit evaluieren, wenn Schulen sich versichern, wo ihre Stärken liegen, wenn sie sich mit ihren Vorhaben identifizieren, ihre Ressourcen in immer höhere Eigenverantwortung selbst verteilen, wenn Stundentafeln flexibilisiert sind, eigene Fortbildungsbudgets zur Verfügung stehen und durch eine sehr weit gehende Öffnung nach außen Synergien genutzt werden, dann entwickelt sich Schule optimal. Das sieht übrigens auch der OECD-Bildungsexperte Prof. Schleicher inzwischen so. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ aus diesen Tagen formuliert er sehr klar, die Frage föderal oder zentralistisch ist weniger entscheidend. Stattdessen sieht er Fragen der Stärkung der Verantwortung von Schule und Lehrern für die Bildungsergebnisse und eine bessere Vernetzung von Kindergarten und Schule prioritär. Ich freue mich über solche Einsichten eines Mannes, der in den letzten Jahren nicht an Kritik am deutschen Bildungswesen gespart hat. Sie bestätigen nicht zuletzt unseren Thüringer Weg in der Schul- und Bildungspolitik.
Meine Damen und Herren, für den Bereich der Hochschulen gilt ganz Ähnliches. Thüringen begrüßt, wie die anderen Länder auch, den sich aus der angestrebten Reform des Föderalismus ergebenden Gewinn an Handlungs- und Innovationsfreiheit der Länder im Hochschulbereich. Die Rahmenkompetenz des Bundes hat in der Vergangenheit stets dazu geführt, dass die Länder bei der Ausgestaltung des Hochschulrechts rasch an Grenzen gestoßen sind. Auch die schrittweise Rücknahme von Regelungen zu Hochschulstrukturen im Rahmengesetz des Bundes in den letzten zehn Jahren ändert daran nichts. Ohne Hochschulrahmengesetz oder mit das Hochschulrahmengesetz ersetzenden gesetzlichen Landesbestimmungen sind wir eindeutig besser in der Lage, die Hochschulautonomie einerseits deutlich zu stärken und andererseits notwendige landesplanerische Interessen zu sichern. Auch dabei sind die Bedingungen von Land zu Land sehr unterschiedlich; zentrales Thema bleibt freilich die Eigenverantwortung, die Autonomie unserer Hochschulen. Eine Autonomie, die sie dringend brauchen, um im Wettbewerb der Ideen, der nicht in Deutschland oder Europa, sondern global ausgetragen wird, bestehen zu können. Das Mehr an Freiheit für die Länder erfordert jedoch auch im Hochschulbereich eine größere gesamtstaatliche Verantwortung für die Länder insgesamt. Die Länder werden in der KMK näher definieren, welche gemeinsamen Regelungen erforderlich sind, um die Mobilität zu sichern und die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse sowie die Qualität der Hochschulausbildung zu gewährleisten. Zu den Kernaufgaben der Kultusministerkonferenz gehören Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
auch im Hochschulbereich. Mit der Akkreditierung von Studiengängen durch die ländergemeinsame Etablierung des Akkreditierungsrates, die Gründung von Akkreditierungsagenturen und die Verabschiedung der Strukturvorgaben für die Bachelor- und Masterstudiengänge sind im Bereich der Lehre heute schon die entscheidenden Schritte getan. Daran ändert sich auch mit der Abschaffung bzw. mit der Freigabe zur konkurrierenden Gesetzgebung des Hochschulrahmengesetzes und der damit verbundenen Übertragung auch von Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder nichts.
Nach dem Wirksamwerden der Föderalismusreform können die Länder die Bundesregelungen durch Landesrecht ersetzen. Auf dem Gebiet der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse hat der Bund weiterhin die Gesetzgebungskompetenz, aber auch hier haben die Länder ein Abweichungsrecht. Dadurch werden die Gesetzgebungskompetenzen der Landtage gestärkt, wogegen, denke ich, auch die Oppositionsfraktionen nichts einwenden sollten. Daraus ergeben sich auch keine nachteiligen Konsequenzen etwa für den europäischen Prozess; die hierzu auf europäischer Ebene von den 45 Bologna-Staaten gefassten Beschlüsse sind in Deutschland in guter Zusammenarbeit von Bund und Ländern mitgetragen worden und für Bund und Länder gleichermaßen verbindlich. Beide haben dies auch zuletzt in der Bergen-Erklärung 2005 bekräftigt. Sie arbeiten bei der Umsetzung der Bologna-Ziele eng zusammen. Mit der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau - dies ist der entscheidende Wermutstropfen einer sonst im Bildungs- und Wissenschaftsbereich sehr zielführenden Reform - wird Thüringen, wie den anderen Ländern übrigens auch, Geld des Bundes als unmittelbare Zahlung verloren gehen. Zumindest bei den Übergangsfragen von der ehemaligen Hochschulbauförderung zur zukünftigen Situation hätte ich mir, das gestehe ich frei, eine andere Lösung gewünscht. Das betrifft insbesondere die Frage der Ausfinanzierung des 34. und 35. Rahmenplans Hochschulbau. Die Lösung dieser Frage bleibt uns weitgehend selbst überlassen und das wird uns noch einige Anstrengungen abverlangen.
Trotzdem gibt es meines Erachtens keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen. Der beim Bund verbleibende Topf von ca. 300 Mio. € für Forschungsgroßbauten im Hochschulbereich und wissenschaftliche Großgeräte steht auch den Thüringer Hochschulen offen. Gemeinsam werden wir uns darum bemühen müssen, davon einen angemessenen Anteil einzuwerben. Ich bin überzeugt, dass uns das auch gelingen wird. Es bleibt zudem ein zentrales und gemeinsames Ziel von Bund, Ländern und Hochschulen, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen unter den Bedingungen der demografischen Entwicklung zu sichern. Bund und Länder haben im Januar bereits
erste Gespräche zu einem Hochschulpakt 2020 aufgenommen; über die Inhalte wollen wir uns gemeinsam in den nächsten Monaten verständigen.