Protocol of the Session on March 3, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen nun schlaglichtartig noch einmal die Maßnahmen darstellen und den jetzigen Stand der Umsetzung der Maßnahmen. Im Kultusbereich war das Studentenwerk Jena-Weimar mit dem Studentenwerk Erfurt-Ilmenau in den Sitz Jena einzugliedern.

Es wird im Dezember 2006 erfolgen. Am 1. Januar 2006 wurden die beiden Denkmalbehörden, nämlich das Landesamt für Denkmalpflege und das Landesamt für Archäologie, zu einem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie zusammengefasst. Das Innenministerium hat Vorschläge für die künftige Organisationsstruktur der Thüringer Polizei unterbreitet. Diese beinhalten u.a. die Umstrukturierung der Polizeiabteilung im Ministerium, den Verzicht auf Direktionen und Dienststellen, die Optimierung der Polizeiausbildung sowie die Stärkung der Grundversorgung. Eine abschließende und vor allem detaillierte Entscheidung der Landesregierung über die künftige Polizeistruktur liegt derzeit noch nicht vor, so dass die Beantwortung der Fragen 1 bis 5 sich erübrigt. Das Justizministerium hat das Thüringer Gesetz zur Änderung von Gerichtsstandorten und zur Anpassung der Gerichtsorganisation in das hier beschlossene Thüringer Haushaltsbegleitgesetz 2006 und 2007 eingebracht.

Im Rahmen der Behördenstrukturreform waren das Landessozialamt und die drei Versorgungsämter aufzulösen und weitestgehend zu kommunalisieren. Die Landesregierung hat am 13. Dezember 2005 die Errichtung des Landesbetriebes für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz beschlossen. Er ist gegliedert in die Geschäftsleitung in Suhl sowie drei Regionalinspektionen an den bisherigen Standorten.

Im Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt wurde durch das Behördenstrukturkonzept die Zahl der Landwirtschaftsämter von elf auf sieben und die Zahl der Forstämter von 46 auf 28 verringert. Die Auflösung der 18 Forstamtstandorte wurde bereits am 29. September 2005 umgesetzt. Am 7. Juni 2005 wurde die Reduzierung der Landwirtschaftsämter rechtlich umgesetzt. Das Landwirtschaftsamt Arnstadt wird bereits durch die Forstverwaltung genutzt, die ehemaligen Landwirtschaftsämter in Meiningen, Altenburg und Stadtroda werden nach Schaffung baulicher Voraussetzungen freigezogen. Eine Änderung gegenüber dem im Strukturkonzept avisierten Zeitplan ist nicht nötig. Die Mietliegenschaft des Landwirtschaftsamts in Leinefelde/Worbis wird voraussichtlich durch den Umzug in eine landeseigene Liegenschaft des frei werdenden Finanzamts aufgegeben werden können. Das spart jährlichen Mietzins in Höhe von 84.000 €. Der Umzug des Landwirtschaftsamts Hildburghausen in das frei werdende Forstamtsgebäude, ebenfalls in Landeseigentum, wird Mietkosten in Höhe von 6.700 € ersparen. Bei der Zusammenlegung der Landwirtschaftsämter wurden 25 Personen an einem anderen Dienstort eingesetzt. Die Kosten für 2005 haben hierfür 6.100 € betragen. Im Forstbereich werden 107 Stellen eingespart, davon sind im Jahr 2005 15 Stellen weggefallen. Bei den Landwirtschaftsämtern werden 24 Stellen eingespart.

Im Ministerium für Bau und Verkehr haben wir das Landesvermessungsamt und die acht Katasterämter zu einem Amt für Vermessung und Geoinformation mit acht Katasterbereichen zusammengefasst. Das Landesamt für Vermessung und die Geoinformation war am 1. April 2005 an 30 Standorten untergebracht. Wir konnten an 21 Standorten vormalige Katasterämter schließen. Aufgrund von Kündigungsfristen sind erst drei Liegenschaften freigezogen. 173 Bedienstete werden an anderen Dienstorten eingesetzt, wobei an Trennungsgeldern, Reisebeihilfen etc. im Jahr 2005 rd. 12.800 € und im Jahr 2006 bisher 2.300 € gezahlt wurden. Es entstanden Ausgaben für Behördenumzüge und IT-Vernetzungen in Höhe von 22.000 €. Dem stehen in 2006 Minderausgaben für bisher zu leistende Mieten in Höhe von 104.000 € jährlich gegenüber. Bis zu weitere 18 Liegenschaften werden gekündigt, die derzeit 1,146 Mio. € jährlich Mietzins kosten. An einigen Standorten sind Neuanmietungen notwendig, diese Kosten werden 850.000 € betragen. Investitionsersparnisse in Höhe von 1,5 Mio. €, längerfristig, aber stetig wachsend, erwarten wir, wie schon im vergangenen April von mir angekündigt, auch im Stellenabbau und Minderausgaben dort in Höhe von 3 Mio. €.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Bereich des Behördenstrukturreformkonzepts ist die Kommunalisierung, die Verlagerung von Verwaltungsaufgaben näher an die Bürger heran. Deshalb wird das Land nur noch für Aufgaben zuständig sein, die Kommunen oder Private nicht besser erfüllen können. Dieses Prinzip, das Subsidiaritätsprinzip, stellt einen Wesenszug der europäischen Rechtsordnung dar. Das vorangestellt, will ich noch einmal auf den Stand der Kommunalisierung zu sprechen kommen. Selbstverständlich sind die Darlegungen nur beispielhaft, denn parallel laufen ja noch die Verhandlungen des Landwirtschaftsministeriums mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Aufgabenübertragung im Bereich der Umweltverwaltung. Im Zuge der Behördenstrukturreform werden die Aufgaben des Landessozialamts weitgehend kommunalisiert und die Teile, die nicht kommunalisiert werden, in den Bereich des Landesverwaltungsamts eingeordnet. Ich zitiere gern hierzu gerade im Bereich der Sozialverwaltung den Kommissionsbericht der Verwaltungsreform aus Sachsen vom 18.10.2005, denn dort wird eindeutig noch einmal festgestellt: „Sozialverwaltung ist per se eine kommunale Aufgabe. Sie verlangt Ortsnähe aus der Sicht der Menschen, denen geholfen werden soll.“ Natürlich kann man Erfahrungen und Ansichten anderer Länder nicht eins zu eins auf die Struktur Thüringens übertragen. Trotzdem bleibt es dabei, die Sozialverwaltung ist so nah wie möglich bei den Menschen zu vollziehen, und das kompetent in den Kommunen. Die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts sollen also von den Kreisen bzw. kreisfreien Städten im übertragenen Wirkungskreis

erfüllt werden. Im Bereich der Kriegsopferversorgung und soziales Entschädigungsrecht sollen die Landratsämter bzw. die Verwaltung der kreisfreien Städte als untere staatliche Verwaltungsbehörden handeln. Hier gilt es bundesrechtliche, aus der Nachkriegszeit herrührende Besonderheiten des Verwaltungsaufbaus zu beachten. Wir wollen Synergiepotenzial z.B. mit den Sozial- und Gesundheitsämtern der Landkreise und der kreisfreien Städte erschließen. Die Möglichkeit der kommunalen Gemeinschaftsarbeit kann dabei genutzt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen eben nicht dieses Bild, das der Landkreistag einmal gemalt hat, dass ein Glas zerschlagen wird, ein Gefäß, sondern ich greife dieses Bild auf und sage, wir wollen dieses Gefäß dorthin stellen, wir wollen, dass es dort Dienst tut, wo es bei den Bürgern ist. Dieses ist Grundlage unserer Verhandlungen des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit mit dem Thüringer Landkreistag und dem Gemeinde- und Städtebund. Wir wollen eine einvernehmliche Aufgabenübertragung. Wir sind dabei noch in den Verhandlungen. Im Dezember letzten Jahres hat das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit nach vielen Vorgesprächen den kommunalen Spitzenverbänden einen Organisationsvorschlag unterbreitet. Auch der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit dieses hohen Hauses hat sich am 13. Januar 2006 mit diesem Organisationsvorschlag und dem Stand der Verhandlungen beschäftigt. Welche Bedeutung der Kommunalisierung im Bereich der Versorgungs- und Sozialverwaltung von der Landesregierung zugemessen wird, ist allein daraus ersichtlich, dass der Ministerpräsident mehrfach, zuletzt am 17. Januar, mit den kommunalen Spitzenverbänden diese Problematik besprochen hat. Für Mitte März ist bereits das nächste Gespräch zu diesem Thema anberaumt. Wir haben das Ziel, die Kommunalisierung der Aufgaben per 1. Januar nächsten Jahres durchzuführen. Nun hat der Verfassungsgerichtshof unseres Landes am 21. Juni 2005 entschieden, dass der Kommunale Finanzausgleich teilweise neu zu regeln ist. In dieser Entscheidung ist auch festgelegt, dass den Kommunen für den übertragenen Wirkungskreis - ich verkürze hier bewusst - die angemessenen Durchschnittskosten der Aufgabenerfüllung zu erstatten sind. Selbstverständlich wird nun mit den kommunalen Spitzenverbänden verhandelt, in welcher Form diese Entscheidung nun bei den geplanten Aufgabenübertragungen zu berücksichtigen ist. Deshalb bleibt der Fortgang dieser Gespräche abzuwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte, Ihnen einige Zusammenhänge der mit der Behördenstruktur eng verbundenen Aufgabenkritik zu erläutern. Es ist mir deshalb ein Anliegen, weil andererseits in der Begründung Ihres Antrags von der SPD unterstellt wird, die Aufgabenkritik würde

fehlen. Nein, tatsächlich wird derzeit in der gesamten unmittelbaren Landesverwaltung eine Aufgabenkritik durchgeführt. Dieses Vorgehen ist von uns entsprechend angekündigt worden. Wir haben immer, vergangenes Jahr auch hier in meiner Rede, von einer begleitenden Aufgabenkritik gesprochen. Auf den Internetseiten des Finanzministeriums können Sie die geplanten Abläufe genau verfolgen. So werden die Landesbehörden ihren Aufgabenbestand dezentral erfassen. Die Grundlage für eine fundierte Aufgabenkritik ist somit bereits geschaffen. Jedes Ressort prüft eigenverantwortlich den Aufgabenbestand seines Geschäftsbereichs. Zur Vereinheitlichung wird die Beschreibung von Querschnittsaufgaben, also Organisation, Personal, Haushalt, Informationstechnik, in einer ressortübergreifenden Projektgruppe gemeinsam mit dem Steuerungskreis des Finanzministeriums erarbeitet. Die Aufgabenkritik schließt damit ab, dass jedes Ressort einer Ministerarbeitsgruppe, bestehend aus Minister der Staatskanzlei, Innenminister und mir selbst, Vorschläge unterbreitet. Dies können Vorschläge zum Wegfall von Aufgaben sein, Verlagerungen, Privatisierungen, verwaltungsinterne Verlagerungen und Veränderungen des Vollzugs. Dabei sind die jeweiligen personellen und finanziellen Auswirkungen ausführlich zu beschreiben. Zielgröße ist, hierbei mindestens 10 Prozent des Aufgabenbestandes abzubauen. Ich erinnere daran, das Land Sachsen-Anhalt hatte sich das Ziel gestellt, mindestens 5 Prozent der Aufgaben wegfallen zu lassen. Die Ergebnisse sehen wohl jetzt so aus, dass man fast an die 10 Prozent heranreicht. Für die Durchführung dieser ersten Aufgabenkritik hat das Kabinett einen stringenten Zeitplan vorgesehen. Jedes Ressort wurde mit Beschluss der Landesregierung vom September 2005 gebeten, die Aufgaben seines Geschäftsbereichs eigenverantwortlich zu erfassen. Im Laufe des Jahres werden die Ressorts der Ministerarbeitsgruppe ihre eigenverantwortliche Arbeit und Vorschläge zum Aufgabenabbau und zur Bewertung vorlegen.

Lassen Sie mich noch einmal darauf hinweisen, dass diese Vorgehensweise eine Vorgehensweise ist, wie sie in Unternehmen durchgeführt wird. Ziele werden formuliert und dann Stück für Stück umgesetzt. Während dieser Umsetzung erfolgt die aufgabenkritische Begleitung, denn es geht darum, Dinge zu bewegen und nicht in Diskutier- und Debattierzirkeln kaputtzureden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf einen entscheidenden Punkt zurückkommen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, äußerten in Ihrem Antrag die Bedenken, sowohl die Beschäftigten als auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verantwortlichen in den betroffenen Kommunen könnten ob unserer Bemühungen verunsichert sein. Wir nehmen solche

Verunsicherungen ernst. Wir sprechen mit den Betroffenen, aber wir können ihre Bedenken nicht nachvollziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen Stellen abbauen und wir wollen keine Menschen entlassen. Wir wollen Zukunft gestalten und keine Existenzen gefährden. Zur Umsetzung dieses Ziels hat die Landesregierung wieder begleitend ein umfangreiches personalwirtschaftliches Maßnahmenpaket beschlossen - anstelle des von den Gewerkschaften geforderten Abschlusses eines Sozialtarifvertrags mit Zwangsteilzeit. Am 31. Dezember 2005 hatten insgesamt 7.519 Mitarbeiter der Landesverwaltung Anträge auf diese freiwilligen Maßnahmen gestellt. 6.853 Anträge betrafen dabei die Altersteilzeit - das sind 91,1 Prozent -, außer im Kultusministerium und das war auch von vornherein vereinbart, dass immer nur schuljahrgangsweise die Entscheidung über diese Anträge fällt. Um den Lehrbetrieb in Qualität aufrechtzuerhalten, sind diese Anträge im Wesentlichen in allen Bereichen genehmigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch Folgendes zusammenfassen: Die Reform in der Thüringer Landesverwaltung ist im Blick auf die Zukunft - Demografie - und die degressiven Finanzzuweisungen notwendig. Sie ist schwierig und mühselig, aber die Landesregierung trägt die Verantwortung dafür, dass diese Aufgaben realisiert werden, dass wir uns mit Blick auf Demografie und Finanzzuweisungen die Zukunft weiter gestaltbar machen. Wir wollen Zukunft gestalten und nicht eine Landesverwaltung, die in Größe und Umfang die finanziellen Ressourcen so einengt und nicht beim Bürger ist, sondern nur für sich selbst da ist. Wir haben eine gute Landesverwaltung, aber wir wollen sie fortentwickeln. Dazu dient das Behördenstrukturkonzept. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, mir liegen Redemeldungen von allen drei Fraktionen vor, also gehe ich davon aus, dass alle drei Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Bitte.

Frau Präsidentin, vielleicht darf ich noch ergänzen: Ich stelle in Aussicht, dass wir im Juni/Juli 2007 noch vor den Beratungen zum Doppelhaushalt 2008/2009 dem Parlament einen umfangreichen schriftlichen Bericht zur Verfügung stellen zum Stand des Behördenstrukturkonzepts, damit die Entscheidungen für den Haushalt 2008/2009 auch auf der Basis des Berichts zum Behördenstrukturkonzept gefällt werden können.

Nach dieser Ankündigung der Ministerin eröffne ich die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Hauboldt, Linkspartei.PDS-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Ministerin Diezel, es war ja eine sehr ausführliche Rede, die Sie hier gehalten haben. Aber zu den Inhalten, denke ich, müssen wir uns noch einmal etwas tiefgründiger verständigen, soweit das möglich ist.

Gestatten Sie mir zunächst eine Bemerkung vorweg. Dem Antrag der SPD-Fraktion kann ich - und ich denke, auch meine Fraktion - uneingeschränkt zustimmen. Gleiche Fragen beschäftigen meine Fraktion, inwieweit die Landesregierung mit diesem wichtigen, aber auch sicherlich politisch brisanten Thema bis heute vorangekommen ist. Ich verstehe auch beim besten Willen nicht, warum hier immer versucht wird, stets und ständig halbherzig zu agieren, aber großzügig der Mantel der Verschwiegenheit über die Thüringer Behördenstruktur geworfen wird. Ich unterstelle einmal, das haben Sie ja auch so in Ihrem Redebeitrag unterschwellig benannt, dass in einem Wahljahr - und das haben wir ja am 7. Mai in diesem Jahr mit den Bürgermeister- und Landratswahlen - eben mit diesen ungeliebten Einschnitten beim Personal, verbunden mit den wegbrechenden Standorten, politisch nicht zu punkten ist. Deshalb - ich unterstelle das einmal - vielleicht die politische Reserviertheit der Landesregierung. Sie sind doch, Frau Ministerin Diezel - das sehe ich Ihnen an -, eine resolute Frau und deshalb frage ich Sie auch: Warum die Zurückhaltung Ihrerseits bei der jeweiligen Berichterstattung? Vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 25. Februar 2005, haben Sie, Frau Ministerin Diezel, einen Bericht über den aktuellen Stand der Umsetzung der angekündigten Behördenstrukturreform gehalten. Sie sagten damals wörtlich - Sie gestatten mir, dass ich zitiere: „Dabei orientieren wir uns an den aktuellen Anforderungen, die Bürger und Wirtschaft an die Verwaltung stellen.“ Mir sei die Frage gestattet: Was ist seitdem geschehen? Sie haben jetzt Ihre Ausführungen dazu getan; ich muss jetzt die Einschätzung treffen. Hier stellen sich für mich mehr Fragen, als Sie Antworten geben konnten zu diesem Problem. Ihre Aussagen waren aus meiner Sicht recht plakativ. Sie haben zwar im zweiten Teil Ihrer Bemerkungen aus den einzelnen Ministerien noch einmal einen Bericht abgegeben, ich sage aber, dies sind keine Fakten gewesen, die neu sind. Das sind Aussagen, die bereits vor einem Jahr durch Sie selbst so getroffen worden sind. Sie haben die Aussage getätigt „keine Zwischenbilanz“. Ich halte Ihnen zugute, Ihre Aussagen waren etwas ausführlicher,

als es um Ihr eigenes Ressort, um das Finanzressort ging. Sie haben ebenfalls deklariert - für mich war das so ähnlich, wie aus dem Lehrbuch für Verwaltungsmodernisierung zitiert -, was die wichtigen Voraussetzungen für Strukturreformen seien. Um es mal mit den Worten von Herrn Gentzel zu beschreiben, der es gestern formuliert hat - das prägt sich immer ein bei mir -, es wäre eine dünne Suppe gewesen: Heute muss ich das vielleicht so einschätzen, dass es nicht nur eine dünne, sondern auch eine kalte, dünne Suppe gewesen ist.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Es gibt auch Gurkensuppe, die ist immer kalt.)

Nichts ist geschehen, so meine Einschätzung, was den Namen einer Reform auch nur ansatzweise verdient hätte. Ich sage aber auch, im Land regen sich die Reformer. In Mittelthüringen - so war vor kurzem zu lesen - wurden durch die kommunale Ebene Projekte initiiert, um künftig eine ineinander greifende und effektive, bürgerfreundliche und auch wirtschaftsfreundliche Verwaltung vorzuhalten. IHK, Sparkassen, Landräte wollen sich diesbezüglich verständigen. Eine nach meiner Einschätzung löbliche Absicht - das Ergebnis bleibt abzuwarten. Würde sich die Landesregierung selbst noch ernst nehmen und die aktuellen Anforderungen aufgreifen und die Verwaltung modernisieren, so hätten uns wesentliche Fortschritte eigentlich am heutigen Tag berichtet werden können. Doch dieses bleibt diese Landesregierung noch immer schuldig. Sie, Frau Diezel, sagten vor einem Jahr ebenfalls: „Darüber hinaus soll die Anpassung an die demografische Entwicklung, die die qualitative und quantitative Veränderung der Landesverwaltung unausweichlich nötig macht, erfolgen.“ Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf leistungsfähige Strukturen, Gewinnung von Handlungsspielräumen für Zukunftsinvestitionen und erforderliche Kriterien für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen, an denen sich die Kommunen bereits heute orientieren können. Umso bedauerlicher ist es, dass seit einem Jahr nicht mehr viel geschehen ist. Statt eigener Aktivitäten und Vorschläge verweist die Landesregierung permanent - das haben Sie nicht so betont - auf die Arbeit der Enquetekommission, in der doch all diese Fragen besprochen werden könnten. Da müsste man der Regierung eigentlich - das sage ich auch - Recht geben, würde die inhaltliche Arbeit der Kommission nicht ständig auf die lange Bank geschoben. Meine Kollegin Enders hat sich diesbezüglich gestern in Richtung Demografieentwicklung dazu geäußert, dass bisher eigentlich rein formale Dinge geklärt worden sind und man nun beginnen könnte, sich inhaltlich weiter darüber zu verständigen.

Meine Damen und Herren, seit geraumer Zeit gibt es auf interministerieller Ebene eine Lenkungsgruppe,

die sich genau mit den Maßnahmen des Landes zur Behördenreform beschäftigen soll. Federführend sind Sie, das Finanzministerium. Zu uns ist vor kurzem die Information vorgedrungen, dass nach einem - ich formuliere es mal - „Eklat“ in der Lenkungsgruppe die Arbeit nicht mehr konstruktiv fortgeführt werden kann, weil sich die Finanzministerin weigerte, die Vorschläge der anderen Fachbereiche ernst zu nehmen. Vielleicht können Sie anschließend noch mal auf diese Dinge eingehen, ob Sie mir Recht geben können bzw. wo da die Säge klemmt in diesem Gremium.

Die Ansiedlung der Lenkungsgruppe im Finanzministerium macht schon deutlich, dass es der Landesregierung nicht um eine Modernisierung der Behördenstruktur geht, wenn ausschließlich finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen. Insoweit kann ich ja Ihren Intentionen folgen. Selbst Sie als Finanzministerin haben ja wenig oder keinerlei Vorstellungen davon, wie Sie im Rahmen des Behördenstrukturkonzepts Erfolge verzeichnen wollen.

Ich möchte nur noch mal ein Beispiel nennen, die Amtsgerichtsstruktur im Ilmkreis: Dort gibt es zwei Amtsgerichte, eins in Ilmenau, eins in Arnstadt. Das Ilmenauer Amtsgericht soll geschlossen und in den Arnstädter Standort integriert werden. Erst nach der Vorstellung des angeblichen Behördenstrukturkonzepts hat man festgestellt, dass für das Ilmenauer Objekt ein langfristiger Mietvertrag besteht, aus dem man so einfach nicht herauskommt. Das Amtsgericht Arnstadt, ebenso wie Ilmenau erst neu saniert und ausgestattet, hat keinerlei Kapazitäten, das Ilmenauer Gericht aufzunehmen, und so bleibt es erst mal, wie es ist, also beim Alten. Sie haben diesbezüglich ja ähnliche Aussagen getroffen zum Katasterwesen. Die Änderungen im Katasterwesen vor einem Jahr wurden ja gesetzlich verankert. Was wurde aus den Immobilien? Wie wurden sie vermarktet? Hier auch mehr Fragen als Antworten. Sie haben gesagt, von den 21 Mietobjekten seien drei freigezogen, eben wegen dieser Problematik längerfristiger Mietverträge, sagen aber auch, bei dieser ganzen Frage hätte man sich doch vorher etwas schlauer machen sollen.

Diese Beispiele, denke ich, ließen sich noch umfangreich fortsetzen. Mit dem Behördenstrukturkonzept hat sich die Landesregierung leider bereits beim Start verstolpert. Meine Damen und Herren, es mag ja aus der Sicht der Landesregierung noch verständlich sein, wenn sie die Hinweise der Opposition nicht beachtet. Was aber keinesfalls Verständnis findet, ist, dass Sie den vorhandenen Sachverstand des eigenen Personals der Behörden, Ämter und Einrichtungen weitestgehend ignorieren. Ich fordere Sie nochmals auf, an dieser Stelle den Dialog mit den Beschäftigten zu suchen und die Hinweise der Beschäftigten auch endlich ernst zu nehmen.

Wenn Sie weiterhin versuchen, die Behördenstrukturreform gegen die Beteiligung der Beschäftigen durchzusetzen, werden Sie unweigerlich scheitern.

Meine Damen und Herren, die Enquetekommission „Verwaltungs- und Strukturreform“ hat sich gebildet. Eine inhaltliche Diskussion hat nach fast einem Jahr seit der Beschlussfassung des Landtags und mehreren Tagungen der Kommission noch nicht stattgefunden. Weiterhin sucht man immer nach Verfahrensfragen und beschäftigt sich damit zu überlegen, welche bereits vorliegenden Daten nochmals abgefordert werden sollten, um eine Arbeit der Kommission letztendlich zu verlangsamen oder auch diese vorzutäuschen. Würde die Enquetekommission tatsächlich arbeiten, hätte man sich schon längst mit künftig möglichen Strukturen befassen können. Dann hätte man beispielsweise darüber reden können, wie die Strukturen in der Wasser- und Abwasserentsorgung aussehen könnten. Hierzu gibt es bereits einen Beschluss zum Haushaltsgesetz für den Doppelhaushalt 2006/2007, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, bis 30. Juni ihre Überlegungen vorzulegen. Ich bin wenig optimistisch, dass das auch eingehalten wird, aber ich bin in dieser Frage gern lernbereit. Immerhin wollte der Innenminister schon vor einem Jahr sein Konzept vorlegen, hatte dann aber nach einem Prozess des Nachdenkens nichts vorweisen können und beschlossen, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Das Gutachten, meine Damen und Herren, soll im Frühjahr 2006 vorgelegt werden. Ein bisschen Zeit ist noch - wenn man sich das Wetter draußen betrachtet -, wir warten ab. Wenn dem noch immer so ist, kann die Landesregierung vielleicht jetzt schon mitteilen - darauf wäre ich gespannt -, zu welchen Empfehlungen zumindest der Gutachter gekommen ist.

Frau Ministerin Diezel, lassen Sie - das sage ich trotz der Gefahr der Vogelgrippe - die Katze aus dem Sack. Bringen Sie Überlegungen und Standpunkte in die Debatte auch innerhalb der Enquetekommission ein. Schaffen Sie keine Parallelstrukturen, indem die Landesregierung eigene Wege geht und die Enquetekommission praktisch zur Schattenkommission degradiert.

Eine Frage sei mir zum Schluss noch gestattet, Frau Ministerin: Sie haben darauf verwiesen, im Juni/Juli 2007 einen Zwischenbericht vorzulegen. Ist es diesbezüglich Ihre ernsthafte Absicht, dann auch den Zwischenbericht der Enquetekommission, der ja Ende 2006 vorliegen soll, in Ihre Überlegungen mit einfließen zu lassen? Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben gerade den Sofortbericht der Landesregierung entgegengenommen. Gestatten Sie mir dazu zwei Vorbemerkungen.

Die Erste: Den drittletzten Satz Ihrer Ausführungen, Frau Ministerin, nämlich die Frage, worum es geht, finanzielle Einsparungen, schlankere Verwaltungen, das ist erklärtes Ziel aller Fraktionen hier im Landtag gewesen. Wir streiten uns nicht darum, ob wir das gleiche Ziel verfolgen, sondern um die Frage des Weges dazu.

Zu der Frage der Berichterstattung muss ich auf jeden Fall feststellen, dass Sie die von uns konkret abgefragten Fakten aus unserem Berichtsersuchen nicht dargestellt haben. Sie haben hier ein Bild abgegeben über den aktuellen Stand der Behördenstrukturreform in rosaroten Farben und Sie haben uns hier mehr oder weniger eine erfolgreiche Umsetzung vorgegaukelt. Schwachpunkte sind nicht zur Sprache gekommen, Schwierigkeiten wurden als Änderung im Prozess verharmlost. Sie haben dann auch Sachen erzählt, insbesondere aus Ihrem Ministerium, über die Frage der Beteiligung von Beschäftigten, wo Sie sagen, die Beteiligung ist umfassend gewesen. Sie haben dann gesagt, detaillierte Vorbereitung und Durchführung passieren auch in allen anderen Ministerien. Ich werde Ihnen Beispiele nennen, wo das nicht der Fall gewesen ist, wo genau was anderes passiert. Es sind Einzelbeispiele, die aufgrund der Redezeit nicht alles, was wir mittlerweile mitbekommen haben, aufführen können. Aber diese Kette zeigt schon, dass es Schwierigkeiten in dem Prozess gibt, mehr als genug. Wenn Sie den Mut zur Wahrheit gehabt hätten, dann würde Ihr Zwischenergebnis folgendermaßen buchstabiert: M - wie märchenhafte Ankündigung, U - wie unüberlegtes Konzept, R - wie realitätsferne Umsetzung, K - wie koste es, was es wolle und S - wie stures Festhalten am falschen Weg. Das ergibt Murks

(Beifall bei der SPD)

und den haben Sie bisher mit Ihren Maßnahmen erreicht. Ich werde das an den Beispielen deutlich machen.

Schon zwischen den Ankündigungen des Herrn Ministerpräsidenten in der Regierungserklärung im September 2004 und der Vorstellung der Behördenstrukturen gestern vor einem Jahr durch Sie, Frau Ministerin, klafften die ersten Lücken. Es war gut so,

dass die Menschen im Unstrut-Hainich-Kreis und in Nordthüringen die grundverkehrte Absicht, den Standort des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft in Mühlhausen zu schließen, verhindert haben.

Frau Ministerin, Sie haben vor einem Jahr ein Papier vorgelegt, mit dem angekündigt wurde, 81 Behörden zu schließen, über 1.000 Stellen abzubauen. Die Einsparungen sollen bei Personal- und Sachkosten 39,6 Mio. € betragen - jährlich.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ja.)

Außerdem sollten 70,5 Mio. € nicht getätigte Investitionen einmalig auf der Habenseite stehen. Und was ist bis jetzt, anderthalb Jahre nach den vollmundigen Erklärungen, passiert?

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Da haben Sie gesagt, …)

Auch zur Zeitschiene kommen wir noch mal. Erst einmal wurden über 50.000 Beschäftigte, fast alle Kommunalparlamente und fast alle gesellschaftlichen Gruppen in unserem Freistaat in helle Aufregung versetzt. Die Vorhaben der Landesregierung trafen die Betroffenen ohne Vorankündigung. Mit ihnen wurde im Vorfeld, wie so oft bei dieser Regierung, nicht gesprochen.

Wie mit den Beschäftigten und ihrem Potenzial, das sie einbringen können, umgegangen wird, möchte ich Ihnen am Beispiel des Landesamtes für Soziales und Familie deutlich machen. Die Landesregierung erklärt, das Landesamt für Soziales und Familie und die Versorgungsämter werden aufgelöst. Die Aufgaben der Versorgungsverwaltung sollen weitgehend auf die Kreise und kreisfreien Städte übergehen. Natürlich wird der Kostenersatz degressiv gestaffelt; Städte und Landkreise werden wieder einmal die Zeche zahlen.

Die Beschäftigten haben dann der Landesregierung ein eigenes Konzept vorgelegt, mit dem eine effiziente, moderne Aufgabenerfüllung möglich wäre. Sie haben darauf hingewiesen, die Beschäftigten, dass eine Kommunalisierung ihrer Aufgaben sogar teurer für den Steuerzahler wird. Auch die Gewerkschaft der Sozialverwaltung - GdV - hat auf das Beispiel der Kommunalisierung des Bundes-/Landeserziehungsgeldes im Jahr 2000 hingewiesen. Laut GdV hat der Ministerpräsident bei einem Gespräch am 13.07.2005 eingeschätzt, dass diese Kommunalisierung eine Fehlentscheidung war.

Ein Dummkopf ist nicht, wer einen Fehler macht, sondern der, der aus begangenen Fehlern nicht lernt. Ich hoffe, Thüringen wird nicht von Dummköpfen regiert.

Auch bei der Neuorganisation der Umweltämter gibt es ernstzunehmende Bedenken von allen Seiten. Seit März letzten Jahres wird über die Absicht diskutiert, die Staatlichen Umweltämter aufzulösen, die Umweltverwaltung dreistufig zu führen, zu kommunalisieren oder private Dritte zu beauftragen. Aber auch dort ist bis heute kein konkretes Ergebnis bekannt.