Protocol of the Session on March 2, 2006

Viertes Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drucksache 4/1707 -

Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung?

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Links- partei.PDS: Ja, Herr Kalich.)

Bitte, Herr Kalich, geben Sie die Begründung für diesen Gesetzentwurf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Handeln auf kommunaler Ebene unterliegt sich ständig ändernden Rahmenbedingungen, wandelnden Ansprüchen der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt. Eine Rechtslage und auch die ständige Rechtsprechung verlangen ein sachgerechtes und zugleich zeitnahes Agieren der Kommunalpolitik. Die Landesregierung reagiert auf die sich stets verändernden Rahmenbedingungen der Kommunen nur zögerlich, bisweilen gar nicht. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat deshalb einen Gesetzentwurf erarbeitet, mit dem den neuen Herausforderungen auf kommunaler Ebene in einer Vielzahl von Fragen Rechnung getragen wird. Dabei möchte ich auch nicht verhehlen, dass unser Gesetzentwurf nicht notwendig gewesen wäre, hätte die CDU-Landesregierung eigenständig die erforderlichen parlamentarischen Initiativen ergriffen.

Meine Damen und Herren, wir halten die von uns vorgeschlagenen gesetzlichen Neuregelungen für erforderlich, damit die Thüringer Kommunen mehr Rechtssicherheit haben als bisher. Eine Vielzahl von Regelungen in der derzeitigen Kommunalordnung ist vollkommen unterschiedlich interpretierbar und führt nicht dazu, dass der vom Gesetzgeber angestrebte einheitliche Rechtsvollzug realisiert werden kann. Wir sind selbstverständlich für den Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung. Nach unserer Auffassung ist das bisherige Maß an kommunaler Selbstverwaltung sogar noch weiter ausbaubar. Doch gleichzeitig muss dabei gesichert werden, dass die Kommunen auf die gesetzlichen Bestimmungen vertrauen können. Nur wenn klare Vorgaben durch den Gesetzgeber gegeben werden, besteht das erforderliche Maß an Rechtssicherheit, damit die Kommunen überhaupt agieren können. Mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Bürgermitwirkung stellen dabei das Leitmotiv der Linkspartei.PDS dar. Wir haben keine Angst vor der Mitwirkung und der Mitentscheidung der Menschen vor Ort. Wir wollen, dass die Bevölkerung kontinuierlich an den Entscheidungsprozessen in den Kommunen mitwirken kann. Letztlich treten doch die Probleme der Gesellschaft in den Gemeinden und Städten, in denen die Menschen unseres Landes leben, zuerst und am deutlichsten zu Tage. Wenn die Kommunen nicht in die Lage versetzt werden, an der Lösung dieser Probleme mitwirken zu können, wird die Lösung der Probleme insgesamt scheitern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam einen Beitrag leisten, die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu erhöhen und die getroffenen Entscheidungen in den Räten und Kreistagen rechtssicherer als bisher zu machen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Abgeordneten Taubert das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir glauben, Herr Kalich, der Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, ist nicht notwendig.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das Landesgesetz „Thüringer Kommunalordnung“, denke ich, sollte nur dann geändert werden, wenn wirklich wichtige Entscheidungen anstehen, die für ganz Thüringen auch relevant sind. Da sind zumindest einige Passagen dabei, die für ganz Thürin

gen überhaupt keine Relevanz haben.

Zunächst einmal zu der Frage Zusammenschlüsse von Verwaltungsgemeinschaften: Ich stimme ja zu, dass wir viel schneller an der Stelle vorankommen müssten, weil es wichtig ist, dass die Gemeinden Rahmenbedingungen brauchen. Aber wenn wir heute sagen, wir machen innerhalb eines Jahres Zwangszusammenschlüsse von Verwaltungsgemeinschaften und auf der anderen Seite im Gesetzentwurf steht, alle Zusammenschlüsse sollen freiwillig sein, und damit sie auch vom Bürger gewollt sind, müssen Bürgerentscheide stattfinden, dann widerspricht sich das einfach.

Zweites Thema - weswegen ich denke, dass die Passage entbehrlich ist - die Frage der Verträge vor dem 17. Mai 1990. Das ist kein Thema für ganz Thüringen. Das ist partiell ein Thema, aber nicht im ganzen Freistaat. Außerdem ist es rechtlich schon gewürdigt worden und es ist schon einmal gerichtlich festgestellt worden, insofern sind Streitigkeiten an der Stelle in Größenordnungen nicht zu erwarten.

Dritte Frage - wer darf im Gemeinderat sitzen, wer darf dem Kreistag angehören? -: Auch da sind widersprüchliche Regelungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf drin. Auch die Begründung ist nicht schlüssig. Natürlich ist ein Gemeindemitarbeiter, der in der Gemeinderatsversammlung sitzt, in jedem Fall befangen, der ist objektiv möglicherweise nicht befangen, aber subjektiv ist er es in jedem Fall. Stellen Sie sich einmal vor, Frau Taubert (SPD) sitzt im Stadtrat der Gemeinde Ronneburg, der Bürgermeister ist von der CDU. Sie können sich so schon nicht leiden. Dann sollen sie auch noch abstimmen. Natürlich ist die Person immer in einer Zwangslage, deswegen kann man so eine Sache einfach nicht fordern. Andere Sache - Bürgermeister im Kreistag, ja, was ist denn der Landkreis? Der Landkreis ist ja ein Gebilde, das dafür zuständig ist, Aufgaben zu übernehmen, die die einzelnen Gemeinden nicht leisten können. Insofern ist natürlich auch der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin in so einem Gremium durchaus erwünscht,

(Beifall bei der SPD)

weil es ja auch um die Aufgaben geht, die sie aus der Gemeinde abgegeben haben. Jetzt muss ich mal aus meiner Verwaltungserfahrung ganz ehrlich sagen, natürlich ist auch die Bürgermeisterfraktion nicht immer ganz einfach, das will ich deutlich sagen, aber sie ist hilfreich, weil sie ein Regulator dafür ist, dass der Landkreis Aufgaben nicht erfüllt, die er nicht erfüllen muss. Deswegen sagen wir, wir haben da intensiven Gesprächsbedarf und wir können uns vorstellen, das im Innenausschuss zu bereden. Aber es in dieser Form, wie es vorliegt, zu beschließen, das fin

det nicht unsere Zustimmung. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuschel, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits die Ankündigung unseres Gesetzentwurfs hat heftige Diskussionen und auch Kritiken hervorgerufen. Das ist umso erstaunlicher, war doch den Kritikern zum Zeitpunkt ihrer Kritik überhaupt nicht bekannt, was unsere Fraktion im Einzelnen fordert und vorschlägt. Den kritischen Stimmen muss man deshalb unterstellen, dass es ihnen nicht immer um den Streit in der Sache geht. Vielmehr erwecken sie den Eindruck, als lehnen sie pauschal unsere Vorschläge grundsätzlich ab, weil es aus ihrer Sicht nicht sein darf, dass Vorschläge unserer Fraktion bei ihnen auf Gegenliebe stoßen. Das bedauern wir, denn die entstandenen Probleme sollten wir nicht länger verdrängen oder aussitzen. Wir haben als Fraktion Vollzugs- und Rechtsprobleme der Thüringer Kommunalordnung aufgegriffen und wollen hier Rechtssicherheit und -klarheit schaffen.

Wenn Frau Taubert darauf verweist, dass wir die Kommunalordnung nur immer dann ändern sollten, wenn es sich um Probleme handelt, die möglichst für alle zutreffen oder flächendeckend erkennbar sind, dann vertreten wir hier eine andere Auffassung. Jedes Gesetz regelt den Einzelfall. Es hat sich gezeigt,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

dass die von uns aufgegriffenen Probleme gerade auf Einzelfälle abstellen. Aber selbst Ihre genannten Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern tatsächlich allein von der Anzahl her durchaus als bedeutsam anzusehen. Ich werde auf das Einzelne noch zurückkommen.

Meine Damen und Herren, wir bedauern, dass Sie sich oftmals verweigern, insbesondere was die Landesregierung und die CDU betrifft, wenn es um die Klärung aufgetretener Vollzugsprobleme geht, denn letztlich sind alle Mandatsträger, alle Kommunen davon betroffen. Wir sollten uns für ein höheres Maß an Rechtssicherheit einsetzen und nicht im Zweifelsfall Entscheidungen immer wieder den Gerichten überlassen. In diesem Zusammenhang haben wir bereits mehrfach betont - und ich mache das an dieser Stelle nochmals -, dass die Menschen in diesem Land einen Anspruch darauf haben, dass die Politik, also der Landtag und auch die Landesregie

rung, anstehende Probleme löst. Wir kosten bekanntlich dem Steuerzahler viel Geld und dafür haben wir gefälligst unsere Arbeit zu machen, und zwar alle.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielleicht würden sich auch dann manche Diskussionen zu Nebentätigkeiten erübrigen.

Meine Damen und Herren, wir als Fraktion haben hier einen Gesetzentwurf zur Diskussion vorgelegt und ich bin Frau Taubert dankbar, dass sie zumindest darauf verwiesen hat, dass man darüber weiter diskutieren kann. Genau das wollen wir, wir wollen weiter diskutieren. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf eine Aufgabe geleistet, die aus unserer Sicht eigentlich der Regierung zusteht. Doch auch bei der Regierung gibt es zum Teil eine Tendenz des Aussitzens von Problemen. Wir laden deshalb die Regierung und die Fraktionen im Landtag recht herzlich zur Diskussion über unseren Gesetzentwurf ein. Dabei ist für uns all das, was wir vorgeschlagen haben, verhandelbar. Nur in einer Sache muss Klarheit bestehen: Wir brauchen Lösungen für die einzelnen hier aufgegriffenen Probleme.

Meine Damen und Herren, der zentrale Punkt unserer Gesetzesinitiative ist der Vorschlag, die so genannten kleinen Verwaltungsgemeinschaften in einem Zeitraum von einem Jahr in Einheitsgemeinden umzuwandeln. Wir haben in Thüringen zurzeit 12 dieser so genannten kleinen Verwaltungsgemeinschaften mit weniger als 5.000 Einwohnern. Weitere 14 Verwaltungsgemeinschaften müssen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren damit rechnen, ebenfalls die 5.000er Einwohnergrenze zu unterschreiten. Hier, Frau Taubert, wird schon sichtbar, es ist zumindest hier kein Einzelfall. Es geht also nicht um Einzelfälle, es geht sicherlich auch nicht um eine große Gebietsreform, die wollen wir nicht vorwegnehmen - schließlich schon deshalb nicht, weil von dieser Regelung, die wir vorschlagen, nur rund 2 Prozent der Thüringer Bürger betroffen sein würden. Es geht aber durchaus um einen Beginn oder den Einstieg in eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Eigentlich geht es im Kern um die Sicherung der gesetzlichen Vorgaben für die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, denn bereits seit 1994 besteht die gesetzliche Regelung, dass eine Verwaltungsgemeinschaft mindestens 5.000 Einwohner umfassen muss. Begründet wurde damals die Einwohnergrenze mit der Sicherung der Leistungskraft. Das ist unbestritten heute noch genauso. Zwischenzeitlich erfüllen 12 dieser Verwaltungsgemeinschaften diese Grundanforderungen nicht mehr. Alle bisherigen Versuche, auf dem Weg der Freiwilligkeit neue leistungsfähige Strukturen zu schaffen, sind gescheitert, zumindest mehr oder weniger. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig, aber doch meist

im subjektiven Bereich zu suchen. Fördermittel haben in diesem Zusammenhang auch nicht ihre Wirkung entfaltet. Wir haben in der jüngsten Sitzung auch die Information der Landesregierung vernehmen müssen, dass gegenwärtig keine aktuellen Anträge vorliegen, obwohl der Landtag auf Vorschlag der Landesregierung hier eine spezielle Förderung vorgesehen hat. Wir bleiben auch dabei, wir brauchen jetzt diese Lösungen, weil die kommunale Ebene leistungsfähig bleiben muss. Wir befürchten, dass diese Leistungsfähigkeit zunehmend abnimmt.

Wir sehen auch keinen Widerspruch zur Arbeit der Enquetekommission. Der Vorwurf, den Frau Taubert in einer Presseinformation geäußert hat, mit dem Gesetzentwurf soll die eigene Untätigkeit in der Enquetekommission überspielt werden, kann von mir nicht ernst genommen werden. Offenbar ist diese Presseinformation dem Zeitpunkt zuzuordnen, es war bekannterweise die Faschingszeit.

Auch die Anmerkung von Herrn Kölbel, dass mit unserem Vorschlag die Arbeit der Enquetekommission als Ganzes in Frage gestellt wird, überzeugt nicht, schon deshalb nicht, weil wir nichts am gesetzlichen Grundkonzept ändern. Wir wollen nur die ausgeuferten Ausnahmen von den gesetzlichen Vorgaben eingrenzen. Dass damit möglicherweise Strukturen entstehen, die in kurzer Zeit erneut in Frage gestellt werden, ist kaum zu befürchten, denn ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern und darauf verweisen, dass jeder einzelne Fall letztlich ein Gesetzgebungsverfahren dieses Haus durchläuft. Wir haben Verständnis, dass CDU und SPD in die Enquetekommission verliebt sind und darüber hinaus kein Auge und kein Ohr mehr für anderes haben wollen - die CDU, weil sie nicht ernsthaft, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt, eine Funktional- und Verwaltungsgebietsreform will, zumindest wenn es nach dem Willen des Ministerpräsidenten geht. Er hat sich dazu eindeutig positioniert. Deshalb haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sicherlich keine Eile. Die Enquetekommission - der Beschluss ist nun nahezu ein Jahr alt und wir sind dort immer noch bei Strukturfragen und bei Fragen der Arbeitsorganisation. Aus unserer Sicht soll die Enquetekommission für die CDU nur bestätigen, dass alles so bleiben kann wie es ist, denn andernfalls müssten Sie ja in der Enquetekommission Ihrem Ministerpräsidenten widersprechen und das ist für Sie offensichtlich nicht zumutbar.

Meine Damen und Herren, die SPD liebt die Enquetekommission über alles, weil die Initiative zur Bildung von ihr ausging. Auch dafür haben wir Verständnis. Hier kann man lange und in Ruhe diskutieren und man hat im Zweifelsfall immer ein Alibi dafür, dass man keine Position zu beziehen braucht, und zwar für aktuelle Probleme keine Position zu

beziehen braucht. Im Zweifelsfall kann man nämlich immer wieder auf die laufenden Diskussionen in der Enquetekommission verweisen. Das ist für uns bedauerlich, aber nicht hinnehmbar. Entweder - und das ist unsere Forderung - kommt die Enquetekommission in absehbarer Zeit zu verwertbaren umsetzbaren Ergebnissen oder wir stellen die Arbeit der Enquetekommission tatsächlich grundsätzlich in Frage. Für Alibistrukturen stehen wir als Fraktion nicht zur Verfügung. Wir brauchen 2009 eine Gebiets-, Verwaltungs- und Funktionalreform. Alles, was später kommt, ist aus unserer Sicht unverantwortlich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, dass das selbst die SPD so sieht, zeigt ihr Bemühen, für die freiwilligen Gemeindeneugliederungsmaßnahmen frühzeitiger Kriterien durch die Enquetekommission beschließen zu lassen. Das ist zum Teil ein widersprüchliches Verhalten. Wir wollen nicht, dass wir nur in der Enquetekommission reden, im Ergebnis schöne Karten entwerfen und die Landesregierung schafft hinter dem Rücken letztlich vollendete Tatsachen. Wir haben schon darauf verwiesen, was Behördenstruktur oder auch manche fragwürdige freiwillige Gemeindeneugliederung betrifft. Im letzten Landtag hatten wir dies. Ich verweise noch mal auf das Problem Brotterode, wo eine Stadt aus einer Verwaltungsgemeinschaft entlassen wird mit 3.056 Einwohnern, wo klar ist, in den nächsten zwei, drei Jahren wird wieder die 3.000er Einwohnergrenze unterschritten.

Meine Damen und Herren, als Zweites wollen wir mehr Bürgerbeteiligung bei Gemeindeneugliederungsmaßnahmen. Ich möchte hier noch mal auf die Ausführungen des Innenministers Dr. Gasser in der letzten Plenarsitzung zurückkommen, wo er unserer Fraktion unterstellt hat, dass unser Vorschlag, ein Gesetz, das hier im Landtag beschlossen wurde, durch einen Bürgerentscheid, also ein Referendum, im Nachhinein nochmals bestätigen zu lassen, verfassungswidrig sei. Wir halten es für sehr bedenklich, Herr Innenminister, wenn Sie hier einer Fraktion im Landtag, die einen Gesetzentwurf eingebracht hat, das die Verwaltung des Landtags passiert hat, die eine Vorprüfung vornimmt, verfassungswidriges Handeln unterstellen. Das sollten Sie nicht tun. Wenn Sie äußern, dass Sie verfassungsrechtliche Bedenken sehen oder dass es vielleicht verfassungsrechtlich umstritten ist, dann ist das zulässig. Aber hier unserer Fraktion zu unterstellen, unsere Forderung ist verfassungswidrig, steht Ihnen als Innenminister nicht zu.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir sind immer bereit, über Verfassungsfragen zu diskutieren und nehmen für uns in Anspruch, dass

wir im Einzelfall durchaus auch mal umstrittene Positionen zur Diskussion stellen. Bitte, wir haben Ihnen eine Brücke gebaut, aber Ihre absolute Bewertung, dass wir verfassungswidrig handeln, die weisen wir strikt von uns.

Meine Damen und Herren, wir sehen es eben nicht als Widerspruch an, so, wie es Frau Taubert formuliert hat, dass wir einerseits Gemeindeneugliederungsmaßnahmen per Gesetz wollen und andererseits in diesem Zusammenhang die Bürger über diese Fragen mit entscheiden können. Das jetzige Verfahren ist so geregelt, dass nach der ersten Lesung eine Anhörung stattfindet, eine öffentliche Auslegung des Gesetzentwurfs, und die Bürger können sich dort äußern. Wir haben bisher zur Kenntnis nehmen müssen, dass diese Äußerungen der Bürger im Wesentlichen keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren erfahren haben, obwohl es vielfältige Äußerungen, Hinweise gab mit ganz unterschiedlicher Qualität, aber sie fanden keine Berücksichtigung. Wir meinen, wir wollen dieses Verfahren qualifizieren, verbindlicher gestalten und im Rahmen dieser öffentlichen Anhörung und Auslegung einen Bürgerentscheid ansiedeln. Der wird Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens. Natürlich liegt es am Gesetzgeber, mit dem Ergebnis eines Bürgerentscheids umzugehen und wir müssen darüber reden, wie wir dann ein solches Ergebnis in das Gesetzgebungsverfahren einfließen lassen. Das ist übrigens auch Anliegen der jetzigen Anhörung und der Möglichkeit, dass sich Bürger äußern. Wir gehen nur gegenwärtig sehr leichtfertig damit um, zumindest die Mehrheit in diesem Haus, und wir wollen hier ein verbindlicheres Maß der Bürgerbeteiligung. Wir glauben, wir müssen die Bürger mitnehmen und da müssen wir argumentieren, Pro und Kontra ausdiskutieren. Es ist aber besser, sich dieser Arbeit zu stellen, als gegebenenfalls Dinge zu realisieren, die dann nicht auf Akzeptanz bei den Bürgern stoßen und neue Konfliktherde hervorbringen.

Meine Damen und Herren, als Drittes wollen wir geregelt haben, dass nur leitende Beschäftigte nicht mehr im Gemeinderat oder Kreistag sein sollen. Das heißt, alle Beschäftigten, die keine leitende Funktion haben, können aus unserer Sicht durchaus die Aufgaben als Gemeinderat und Kreistagsmitglied wahrnehmen. Wir stellen hier auf eine Regelung ab - auch das noch mal in Richtung SPD -, die es bis 1994 gab, ohne dass es dort große Konfliktfälle gab. Erst seit 1994 wurde dann langsam angefangen, den Kreis derjenigen, die das Mandat nicht annehmen können, auszuweiten. Es gibt jetzt bereits Widersprüche, die wenig erklärlich sind. Ein Angestellter darf nicht Mitglied eines Gemeinderats oder Kreistags sein. Da gibt es kuriose Beispiele. Ich will mal zwei nennen: Im Wartburgkreis gab es eine Honorarkraft an der Volkshochschule, wo dann diskutiert wurde,

der Vertrag war beziffert bis zum 14. Juli 2004. Da die Amtsperiode am 1. Juli 2004 begann, wurde wegen 14 Tagen zunächst die Wählbarkeit in Abrede gestellt. Wir mussten erst durch ein Gerichtsverfahren klären, dass das sehr weit überzogen ist. In Wutha-Farnroda gab es eine ABM-Kraft - befristet bis zum 31.08.2004. Der wurde das Gemeinderatsmandat aberkannt, weil die Wahlperiode am 01.07.2004 begann und wegen zweimonatiger ABM-Tätigkeit kann sie fünf Jahre lang nicht ihr Mandat ausüben. Das ist doch wenig erklärlich, wenn man weiß, dass sich im Gegenzug ehrenamtliche Bürgermeister als Arbeiter in den Bauhöfen einstellen lassen. Darüber diskutiert keiner, weil damit gesetzliche Zielvorgaben umgangen werden, weil man nämlich bewusst gesagt hat, es gibt ein Spannungsverhältnis und es ist schwierig, wenn der Bürgermeister zum Schluss sich selbst kontrolliert und sich selbst Aufgaben erteilt. Da geht man nicht heran. Hier erinnere ich an das Beispiel der Wachsenburggemeinde, wo selbst auch die Kommunalaufsicht keinen Handlungsbedarf sieht. Dort ist der Bürgermeister im Bauhof als Arbeiter angestellt. Da ist eine Gemeinde unter 3.000 Einwohner, wird erfüllt durch die Stadt Arnstadt und das wird hingenommen. Bei einer ABM-Kraft oder bei einer Honorarkraft der Volkshochschule sagt man, dort ist das Spannungsverhältnis derart groß, die können das Mandat nicht annehmen. Das ist für uns wenig überzeugend, deswegen sagen wir, nur leitende Angestellte sollten nicht Mitglied eines Gemeinderats oder Kreistags werden. Bei allen anderen sehen wir kein Problem. Zum Schluss entscheidet auch der Wähler. Ich habe einen Anruf erhalten, was ich denn machen würde, wenn die Sekretärin des Bürgermeisters dann im Gemeinderat sitzen würde. Das wäre auch ein Spannungsverhältnis. Wir haben da hohes Vertrauen an den Wähler, dass der schon bei seiner Wahlentscheidung abwägt, ob jemand, der angestellter Beschäftigter bei einer Gemeinde ist, auch noch in der Lage ist, im Gemeinderat seine Aufgaben wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren, wir wollen tatsächlich künftig ab 2009 - die jetzigen Kreistagsmitglieder sind davon nicht betroffen -, dass Bürgermeister, Oberbürgermeister, VG-Vorsitzende, hauptamtliche Beigeordnete nicht mehr im Kreistag sitzen. Wir greifen dabei auf eine Regelung zurück, die es in Brandenburg in vergleichbarer Art und Weise gibt, das mal gleich als Hinweis an den Innenminister. Wenn er dann wieder eine verfassungsrechtliche Bewertung vornimmt und uns gegebenenfalls erneut verfassungswidriges Handeln unterstellt, da muss er gleich die Regelung von Brandenburg in die Bewertung mit einbeziehen. Dort sitzt die CDU mit am Regierungstisch. Wir glauben, das haben die Erfahrungen seit 1994 gezeigt, dass immer mehr Bürgermeister, Oberbürgermeister die Arbeit im Kreistag dominieren und eben nicht die Interessenvertretung für die Gemeinde und die

kreislichen Interessen trennen können. Wir wissen, das ist umstritten. Wir wollen darüber diskutieren. Unser Vorschlag zielt bewusst darauf ab, ein solches Spannungsverhältnis aufzulösen und eine Regelung zu treffen, mit der alle leben können. Im Übrigen sind eigene Leute, auch der Linkspartei.PDS, betroffen. Ich erinnere daran, der Bürgermeister der Stadt Hildburghausen, Herr Steffen Harzer, ist im Kreistag Hildburghausen und dort Fraktionsvorsitzender. Dass der nicht „Hurra“ schreit, wenn wir so etwas vorschlagen, ist verständlich. Uns ist aber wichtig, dass wir eine solche Diskussion führen und Sie können an dem Beispiel sehen, wir scheuen uns nicht davor, solche Diskussionen auch zu führen, selbst wenn eigene Leute in starkem Maße betroffen sind.

Meine Damen und Herren, in einem fünften Komplex geht es um die Sicherung des gemeindlichen Einflusses in den Gremien von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Hier gibt es eine unklare Rechtslage. Seit 2000 besteht sie, jetzt haben wir 2006. Sie wurde in das Gesetz aufgenommen wegen der Öffnung des kommunalen Wirtschaftsrechts und damit im Zusammenhang stehenden größeren Risiken für die Kommunen. Es gibt eine Tendenz, die beschrieben wird - hin zum Modell „Konzern Stadt“ -, das heißt, immer weitere Aufgaben werden aus der klassischen öffentlichen Verwaltung ausgelagert, in privatrechtliche Unternehmen überführt. Wir glauben, wir müssen in diesem Prozess, dem wir uns nicht vollständig verweigern, sichern, dass die demokratische Steuerung, Kontrolle und Mitwirkung gesichert bleibt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Und das insbesondere, glauben wir, wird realisiert, indem der gemeindliche Einfluss in den Gremien dieser privatwirtschaftlichen Unternehmen gesichert wird, und zwar in dem Maße, wie sich der Einfluss darstellt: Je höher der Anteil der Kommune am Unternehmen, umso höher muss der Anteil sein. Wir schlagen dort eine Regelung vor, die sich bewährt hat. Wir sagen, die Ausschussbesetzung können wir auch zur Anwendung bringen hinsichtlich der Besetzung der Organe in den privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Meine Damen und Herren, ein Vorschlag, den wir in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, hat auch zu Diskussionen geführt. Das betrifft die Gültigkeit von Verträgen, die vor dem 17. Mai 1990 abgeschlossen wurden. Am 17. Mai 1990 wurde bekanntermaßen durch die Volkskammer der DDR die kommunale Selbstverwaltung wieder eingeführt, die 1952 aufgehoben wurde. Damit sind kommunalrechtlich die Gemeinden in den neuen Bundesländern, somit auch in Thüringen, erst am 17. Mai 1990 wieder entstanden. Die 1952 untergegangenen Gemeinden bzw. die nach dem 17. Mai 1990 entstandenen Ge