Da sind die Kinder unsere Zukunft und deshalb stärken wir mit der Thüringer Familienoffensive die Familien. Nur ein Beispiel: Künftig haben alle Kinder bereits ab zwei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz - ein Novum in ganz Deutschland.
Damit wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert und die Eltern können frei entscheiden, in welchen Kindergarten ihr Nachwuchs geht. Wichtig dabei ist: Das lückenlose Netz an Kindertageseinrichtungen und die hohe Qualität der Betreuung bleiben erhalten. Wir wollen durch den Systemwechsel, den die Thüringer Familienoffensive im Hinblick auf die Finanzierung von Kindertagesstätten vornimmt, die individuelle Entscheidungsfreiheit stärken. Mehr Selbstverantwortung von Eltern, Trägereinrichtungen und Kommunalpolitik ist das Ziel und wir folgen damit theoretischen Diskussionen und praktischen Reformmodellen in anderen Regionen Europas, in anderen Nationen, die nicht nur im Kindertagesstättenbereich, sondern insgesamt im Bildungssystem in den letzten Jahren entwickelt worden sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, gerade jungen Menschen aber auch Kenntnisse über die historischen Zusammenhänge zu vermitteln, in der Hoffnung, dass wir auch künftig aus den leidvollen Erfahrungen mit zwei überstandenen Diktaturen, die es im 20. Jahrhundert auf deutschem Boden gab, die richtigen Konsequenzen ziehen. Dazu trägt auch das umfangreiche Angebot der Landeszentrale für politische Bildung bei. Ich danke der Landeszentrale, den Grenzlandmuseen, den Stiftungen und allen, die mit ihrer Arbeit die Erinnerung an das nationalsozialistische Verbrechen und auch die Schrecken des SED-Regimes wach halten und damit zur Entwicklung und Beibehaltung einer Bürgerkultur, die sich demokratisch begründet, entscheidend beitragen.
15 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands beginnt, so könnte man sagen, wenn man auf den Solidarpakt schaut, die zweite Halbzeit. Und um im Fußballjargon zu bleiben, auf dem Spielfeld kämpft nicht Ost gegen West, sondern nach meinem Eindruck eine Reformmannschaft aus allen Teilen Deutschlands gegen ein ebenfalls gesamtdeutsches Team der Skeptiker und Besitzstandswahrer, also gegen die Reformunwilligen.
Ich bin fest davon überzeugt, wir müssen reformieren, wir müssen den ordnungspolitischen Rahmen anpassen, damit die innovativen und kreativen Unternehmen wachsen können. In Thüringen steht diese Legislaturperiode deshalb auch unter dem Motto „Wirtschaft, Familie und Bildung“. Wir wollen die Familien stärken, die Bildung im umfassenden Sinn weiter verbessern und nicht zuletzt durch Wirtschaftswachstum Arbeit schaffen. Die politischen Entscheidungen der letzten Monate dienen genau diesen Zielen. Sie dienen damit auch der politischen Kultur in unserem Land. Wenn es der großen Koalition gelingt, durch klare ordnungspolitische Entscheidungen Deutschland zu neuer Wachstumsdynamik zu führen, bedeutet das Rückenwind für unsere Entwicklung in Thüringen. Es bleibt aber neben den konkreten Reformen die wesentliche Aufgabe aller Demokraten, unmissverständlich deutlich zu machen: Die freiheitliche Demokratie ist ein Wert an sich. Freiheit ist nicht alles, aber ohne Freiheit ist alles nichts. Ihre Qualität für den Einzelnen und für die Gesellschaft definiert sich nicht in erster Linie nach wirtschaftlichen Kriterien. Worauf es ankommt, was wir nie preisgeben dürfen, sind die in Jahrhunderten erkämpften Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten. Sie zeichnen selbst in einer angespannten wirtschaftlichen Lage die Demokratie aus und sind Grundbedingung für jeden Wohlstand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fundamente, auf denen wir stehen, sind fest gefügt. Die Orientierungslinien - Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit - haben Bestand und prägen unser Handeln. 15 Jahre nach der Wiedervereinigung dürfen wir Deutschen und vor allem wir Thüringerinnen und Thüringer dankbar und stolz auf das gemeinsam Erarbeitete sein. Der Thüringen-Monitor 2005 motiviert uns für unseren Weg, zeigt uns aber auch die besonderen Probleme auf. Wir werden tun, was immer möglich ist, damit Thüringen weiter gut vorankommt als lebens- und liebenswertes Land in der Mitte Deutschlands und in der Mitte Europas. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich eröffne die Aussprache zur Regierungserklärung und erteile das Wort dem Abgeordneten Hausold, Die Linkspartei.PDS.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Althaus, Sie sprachen in Ihrer Regierungserklärung von einer neuen Politik. Nun, politische Kultur, die die Menschen in diesem Land sicher zu Recht erwarten, verlangt sowohl Bewertung und Innehalten, sie verlangt aber auch zukünftige Entwicklungen und Vorhaben zu skizzieren. Das, Herr Ministerpräsident, habe ich in Ihrer Rede ausdrücklich vermisst. Sie haben erneut bekräftigt, für uns gibt es keine Alternative und alles bleibt so, wie es ist. Das ist eigentlich das, was Bürgerinnen und Bürger in diesem Land nicht unter Demokratie verstehen, meine Damen und Herren.
Insofern war Ihre Regierungserklärung geprägt von allerhand Vermutungen und Deutungen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bericht, man könnte auch sagen, es war mehr eine Regierungsver- denn -erklärung. Ich glaube, eben darin liegt das Problem. Darin liegen die Zumutungen Ihrer Politik für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Ich glaube, zwei Dinge sind es, die nun aus dem vorliegenden Monitor sehr deutlich werden. Die erste Frage ist: Eine ganz deutliche Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer bekennt sich zur Demokratie und zu ihren Prinzipien. Eine große Mehrheit in diesem Land stützt den Fakt der Vereinigung vor 15 Jahren, meine Damen und Herren von der CDU und der Landesregierung, wenn Sie das auch ständig wieder in Frage stellen. Das trifft im Übrigen auch für die Linkspartei.PDS in diesem Land Thüringen zu; ich sage es hier eindeutig noch einmal von dieser Stelle aus.
Aber wir befinden uns auch in Übereinstimmung mit diesen Positionen, denn die Bürgerinnen und Bürger sagen auch Ja zum Prinzip Demokratie, aber sie haben Kritiken - Sie haben das selbst erwähnt - zu ihrer Umsetzung, zu ihrer derzeitigen Praxis in diesem Land. Es ist andererseits auch so, dass sie natürlich zur Art des Vereinigungsprozesses, zu dem, wie das in den vergangenen 15 Jahren vonstatten gegangen ist, ihre Kritiken haben. Und ich sage, die sind auch sehr wohl angebracht. Deshalb wäre die wichtigste Schlussfolgerung für die Landesregierung
und für Sie, Herr Ministerpräsident, aus diesem erneut vorliegenden Monitor, Ihre politischen Positionen einmal von Grund auf zu überprüfen
Wenn ich sage, die Wertungen sind differenziert, dann stimme ich Ihnen selbstverständlich zu, dass unsere Städte und Dörfer, Ortschaften, historische Stadtkerne, Infrastruktur, Straßenwesen sich in den vergangenen 15 Jahren sehr positiv entwickelt haben. Aber andererseits ist es auch so, dass das allein die Lebenswirklichkeit der Menschen natürlich nicht ausmacht oder gar vordergründig prägt. Andererseits ist es auch so, dass zu den 15 Jahren Vereinigungsgeschichte eben auch eine Treuhandpolitik gehört, die Industrie in diesen Ländern nicht nur aus Wettbewerbsgesichtspunkten und -nachteilen, die tatsächlich bestanden haben, sondern auch einfach, um Konkurrenz zu beseitigen, hier ins Abseits geführt hat, eine Deindustrialisierung in unserem Land herbeigeführt hat.
Das muss in die kritische Betrachtung eingeführt werden. Aber gehen wir von den mehr historischen Betrachtungen in die aktuelle Situation.
Wie, meine Damen und Herren, ist denn heute die Nachrichtenlage? Wir hören, man hat sich nun geeinigt bei den Koalitionsverhandlungen, ab 2007 die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent in diesem Land zu erhöhen. Ich will gar nicht über unsere Position an der Stelle sprechen. Aber, meine Damen und Herren, dass gestern der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Deutsche Gewerkschaftsbund deutlich gemacht haben, dass das ökonomisch und sozial die falsche Politik ist, muss doch deutlich machen, dass das dann auch eine Mehrheit von Menschen im Land so empfindet, dass sie erneut angesagt bekommen, vor allen Dingen Arbeit wird dadurch behindert und vor allen Dingen niedrige Einkommen werden dadurch belastet. Das sind nicht die Signale,
meine Damen und Herren, für Demokratie und für den positiven Fortgang des Vereinigungsprozesses. Das sind die kritischen Fragen des Nachdenkens. Wir haben vor einiger Zeit, damals, weil Sie andere Aufgaben wahrnehmen mussten, ohne Ihre Anwesenheit, Herr Althaus, hier über den Haushalt debattiert. Ich habe damals an einigen Punkten deutlich gemacht, dass ich Ihre Politik in bestimmter Hinsicht
zumindest mit der Gefahr der weiteren oder einer neuen politischen Spaltung im Lande verbinde. Frau Lieberknecht - im Moment ist sie leider nicht da - hat das stark kritisiert in ihrer Erwiderung oder ihrer Rede hier im Parlament. Sie haben vergangene Woche den Vorschlag gemacht oder zumindest die Überlegung gehabt, man könne die Bezüge der Hartz IV-Empfänger in der Richtung West an Ost, also mit Absenkung, angleichen. Ich frage Sie allen Ernstes: Wie sollen da Deutsche in Ost und West weiter an ihre Chancen im Vereinigungsprozess glauben, wenn wir eine solche Politik in Gang setzen wollen? Damit müssen wir uns doch auseinander setzen, meine Damen und Herren.
Die Fragen, die sich gegenwärtig in den Koalitionsverhandlungen verbinden mit dem Abschmelzen des Kündigungsschutzes und anderer Probleme, will ich hier gar nicht alle im Einzelnen nennen.
Sie haben mehrfach in Ihrer Rede aufmerksam gemacht auf Zukunftsfragen im Zusammenhang mit Jugendlichen und Kindern. Aber ich muss natürlich - es ist wohl deutlich, dass ich eine andere Auffassung als Sie in der Frage habe - erklären: Ihr Kindertagesstättengesetz, Ihre Familienpolitik oder Familienoffensive, wie auch immer genannt, die führen eben nicht zur Stärkung von Kindertagesstätten in dem Land. Die führt auch nicht dazu, dass es sozusagen eine größere Auswahl und Wahlfreiheit für Eltern gibt. Die führt einfach dazu, dass es für ganz viele Menschen nur noch die Alternative eines finanziellen Zuwachses, der dringend gebraucht wird, oder des Kindergartens gibt. Sie wird dazu führen, dass unsere Kindertagesstätten im Land gefährdet sind insgesamt.
Wenn man schon wie Sie nicht dieser Auffassung ist, dann sollte man doch wenigstens innehalten, wenn es so viel öffentliche Meinungsbildung und Proteste dagegen im Lande gibt, und noch einmal nachdenken und nicht noch voreilig am 8. Dezember diese Sache hier durch dieses Haus einfach bringen wollen, meine Damen und Herren.
Dadurch werden doch demokratische Institutionen in Frage gestellt bei den Bürgerinnen und Bürgern und das sollten wir uns keinesfalls leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie, Herr Ministerpräsident, haben ja mit dem Zitat begonnen, das dieses Schiffsbild aus dem Monitor aufnimmt. Es mag ja schon sein, aber man sollte dieses Zitat
aus meiner Sicht noch ein Stück weiterführen, denn da ist, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, ja zu lesen: Der Kurs und die Geschwindigkeit des Schiffes, auch der Zeitpunkt, zu dem das Reiseziel erreicht werden kann, erscheint Ihnen - gemeint sind hier die Passagiere - zunehmend fraglich und dies verunsichert sie gewaltig. Ich glaube, dass Sie nicht diese Passage weiter zitiert haben, macht ein Stück weit deutlich, dass Sie offensichtlich wie auch die Thüringer CDU einige Realitäten, die in diesem Land und im Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger aufgrund der aktuellen Situation Bestand haben, nicht gerne zur Kenntnis nehmen möchten. Aber Kenntnisnahme ist die erste Voraussetzung für eine Politik im Interesse von Mehrheiten und von Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land.
Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu Punkten aus der Regierungserklärung, die wir als widersprüchlich betrachten und die, glaube ich, auch ein Stück weit Ursache für die politische Situation im Lande und deren Bewertung durch die Bürgerinnen und Bürger ausmachen.
Eine erste Bemerkung: Was mich und auch meine Fraktion an Ihrer Diktion, Herr Althaus, eigentlich grundsätzlich bedenklich macht oder stört, ist die unterschwellige und - ich muss das so sagen - leider mehrfach wiederholte Tadelung der Bürgerinnen und Bürger des Freistaats,
die nicht so denken oder nicht so empfinden wie Sie oder wie die Landesregierung. Und ich muss mal sagen, das ist für meine Begriffe ein Stück Entlarvung Ihrer Positionen in der Frage. In Ihrer Rede bemängeln Sie eine obrigkeitsstaatlich orientierte Haltung der Menschen - vorzüglich natürlich aus der Vergangenheit sozusagen heraus erwachsen. Aber Sie klagen auf der anderen Seite gerade obrigkeitsstaatliches Verhalten ein, indem Sie sagen, unsere Politik ist alternativlos und wieso können nicht alle Bürgerinnen und Bürger im Land ihr zustimmen.
Das ist doch kein Herangehen, wie wir es heute brauchen. Ich muss schon mal die Frage aufwerfen, dass wir dann wahrscheinlich auch bei Ihnen mal anmahnen müssen, über eine solche Art des Denkens vielleicht wirklich nachzudenken. In Ihren Ausführungen zeigt sich nach meiner Auffassung ein außerordentlich bedenkliches Verhältnis in der Be
In Ihrer Rede erwecken Sie, Herr Ministerpräsident, zumindest den Eindruck, als stünden sich Freiheit und Gerechtigkeit wie zwei diametral entgegengesetzte Begriffe gegenüber und der Bürger habe sich zwischen den beiden zu entscheiden oder müsse zumindest eine Priorität dabei setzen. Hier sage ich: Das ist ein grundfalsches Verständnis von Gesellschaftspolitik in heutiger Zeit.
Die Frage heißt nicht „entweder, oder“, sondern die Frage kann heute doch nur heißen in unserer Gesellschaft: Freiheit und Gerechtigkeit und Solidarität.
Im Zusammenhang mit Gerechtigkeit ist auch die Frage auf die Chancen der Menschen in diesem Land zu richten. Sie klagen zum Beispiel Leistungen ein und sprechen sich sozusagen für die aus oder stellen sich auf deren Seite, die die so genannten Leistungsträger dieser Gesellschaft sind. Aber das ist doch ein Stück weit Diffamierung all derjenigen Menschen, die in unserem Land, und das ist die große Mehrheit, gerne Leistungen erbringen möchten, aber nicht in der Lage sind, diese Leistungen zu erbringen aufgrund von Arbeitslosigkeit, von anderweitiger sozialer Ausgrenzung und all den Fragen, die wir kennen. Ich will in diesem Zusammenhang auch noch mal deutlich aus unserer Sicht sagen: Was ist denn ungerecht daran, wenn Menschen fordern, dass alle gleichberechtigt zur Finanzierung des Staatswesens herangezogen werden? Was ist ungerecht daran, wenn Menschen fordern, dass der Stärkere die Schwächeren mit stützt? Was ist ungerecht daran, wenn Menschen die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung einfordern, meine Damen und Herren?