Protocol of the Session on October 7, 2005

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

selbstbestimmte Lebensformen im häuslichen Umfeld fördern, den Bau von stationären Behinderteneinrichtungen nicht weiter vorantreiben, sondern diese gezielt umstrukturieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auf meine diesbezügliche Anfrage im Thüringer Landtag wurde mir mitgeteilt, dass der anspruchsberechtigte Personenkreis für Blinde, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, begrenzt werden soll. Weitere Bedürftige könnten nach § 72 Sozialgesetzbuch II Blindenhilfe in Anspruch nehmen, sofern sie bedürftig sind, oder Leistungen aus dem neu zu bildenden Härtefonds beziehen. Es ist einfach unerträglich, dass ausgerechnet bei Menschen mit Behinderung wieder der Sparstift angesetzt wird. Frau Lehmann - ist leider jetzt nicht da -, auch noch mal für Sie, damit auch Sie es begreifen, wenn Sie in Ihren Reden die Opposition beschimpfen. Da müssen Sie schon ein bisschen cleverer werden, denn wir verstehen auch die vier Grundrechenarten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung rechnet durch diese Umstellung des Landesblindengelds - es würde dann nur noch 250 Menschen von vorher 5.000 betreffen - mit einer enormen Reduzierung der Ausgaben. Andererseits werden 14 Mio. € für die Blindenhilfe, die ja einkommens- und vermögensabhängig gezahlt wird, und 600.000 € für die restlichen Landesblindengeldempfänger im Haushalt 2006 veranschlagt.

Aus einem Bericht des Landesrechnungshofs Niedersachsen geht hervor, dass durch die Abschaffung des Landesblindengelds und die Umstellung auf die Blindenhilfe enorme Verwaltungskosten entstehen. Somit ist die Abschaffung des Landesblindengelds in der jetzigen Form fast ein Nullsummenspiel.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann frage ich mich: Warum dann das Ganze? Um zu sparen wohl kaum.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, am gestrigen Tage und auch heute war es wieder mal zu hören, Sie verweisen doch immer sehr gern auf Mecklenburg-Vorpommern.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Unbeschreiblich.)

Manchmal kommt man sich hier vor, als wenn man nicht in Erfurt wäre, sondern in Schwerin. Dort wurde gerade durch die SPD und die Linkspartei.PDS das Landesblindengeld erhalten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Also, meine Damen und Herren, es geht doch. Ihnen, meinen sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, fehlt aber dazu der politische Willen. Um einen gewissen Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen wie beispielsweise Fahrten mit Taxis, elektrische und elektronische Hilfsmittel, Hilfe im Haushalt, da sind natürlich finanzielle Mittel möglich, denn all das kostet Geld. Gerade diesem Personenkreis das Geld zu kürzen bedeutet, sie in ihrem Bemühen um ein selbstbestimmtes Leben weiter einzuschränken. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen. Die Linkspartei.PDS hat diese Kürzung im Landtag immer abgelehnt und fordert nach wie vor einen vom Einkommen unabhängigen Nachteilsausgleich für alle Menschen mit Behinderungen. Unverständlich ist es für mich, dass sich der Verband der Blinden und Sehbehinderten sowie der Paritätische Landesverband Thüringen lange Zeit mit den Absichten der Landesregierung arrangiert hat oder zumindest dafür Verständnis aufbrachte. Die Fraktion der Linkspartei.PDS unterstützt

den Antrag der SPD-Fraktion. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Mitte September hat der Landesblindenverband rund 45.000 Unterschriften an Minister Zeh überreicht. Blinde und sehbehinderte Menschen aus Thüringen haben beeindruckend dokumentiert, dass sie von der faktischen und angekündigten Abschaffung des Landesblindengelds nichts halten.

Um auf Herrn Nothnagel einzugehen: Irgendwann ist auch bei uns Ende der Fahnenstange und deswegen haben wir uns an dieser Stelle entschlossen, keiner weiteren Kürzung zuzustimmen. Diese Protestwelle war der Auftakt gewesen; am Samstag, das ist erwähnt worden, wird es eine weitere Demonstration vor der Staatskanzlei geben. Noch können wir etwas retten, das Landesblindengeld, wenn wir bzw. wenn die Damen und Herren der Mehrheitsfraktion, die gerade nicht vermehrt vorhanden sind, wenn Sie nur wollen. Menschen mit Behinderung haben verstanden, dass die Versprechungen der Landesregierung und der sie tragenden CDU überall dort nichts wert sind, wo es um die Benachteiligung in unserer Gesellschaft geht. Dazu zählen nun mal auch Menschen mit Behinderungen, sie sind auf die Solidarität von uns, von der Gesellschaft und einem starken Sozialstaat angewiesen. Und Versprechungen der CDU und der von ihr getragenen Landesregierung, die gab es und die gibt es. Im Wahlprogramm der CDU zur Landtagswahl 2004 wurde zum Beispiel mit Blick auf blinde Menschen Folgendes genannt, ich erlaube mir das Zitat: „Das Landesblindengeld wurde erhalten und die Situation blinder Kinder verbessert, ein Netz von Integrationsfachdiensten geschaffen und die Barrierefreiheit erheblich ausgebaut. Wir werden diese sehr erfolgreiche Politik für Menschen mit Behinderung fortsetzen, indem wir dafür sorgen, dass der Grundsatz der Barrierefreiheit möglichst durchgängig umgesetzt wird.“ Und ein wenig später heißt es: „Ein Höchstmaß an Eigenständigkeit und gleichberechtigter Teilhabe sind für uns Eckpunkte der Behindertenpolitik.“ Nun wird jeder Bürger, der sich mit den Finessen der Formulierungskünste eines CDUParteiprogramms nicht auseinander setzt, annehmen, dass das Landesblindengeld nicht nur erhalten wurde, sondern auch erhalten bleibt. Das war - so glauben wir auch - die Botschaft dieses Wahlprogramms der CDU und genau das, denke ich, wollten Sie den Menschen vermitteln. Nach den Wahlversprechun

gen kamen die knapp gewonnene Wahl und die Einsetzung des Beauftragten für Menschen mit Behinderung im Sozialministerium. Mittler sollte der Beauftragte sein, als Feigenblatt für Kürzungen muss er bis heute leider herhalten. Trotzdem kam und kommt die Wahrheit dieser Landesregierung nur scheibchenweise zum Vorschein. Noch vor einem Jahr erklärte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung, dass es um die Anpassung des Landesblindengeldes ginge und die Zahlbeträge auf den Durchschnitt der Bundesländer mit Landesblindengeld abgesenkt werden sollen. Schon das bedeutete eine Kürzung von 26,2 Mio. € auf 16,6 Mio. €. Der Ministerpräsident hielt diese Änderung für vertretbar, die betroffenen Menschen sahen es anders. Keiner ahnte, dass der Ministerpräsident noch viel mehr für vertretbar hielt. Im gleichen Atemzug wurde damals das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen angekündigt. Es dauerte dann doch fast ein Jahr, bis es nun endlich im Juni von der Landesregierung vorgelegt wurde.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns auch um der Wahrheit willen bei den Beratungen im Sozialausschuss neben dem von mir auszugsweise zitierten CDU-Wahlprogramm und neben der Regierungserklärung mit dem Ziel dieses Gesetzes für Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen befassen. Dessen Ziel ist es, entsprechend § 1 des Regierungsentwurfs Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen zu verhindern, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft sicherzustellen. Ein weiteres Ziel ist, eine selbstbestimmte - ich betone das Wort noch mal -, selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei soll besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Dies ist das von der Landesregierung formulierte Ziel in dem Ihnen allen bekannten Gesetzentwurf. Wir wissen, dass die Umsetzung eines wie auch immer letztlich rechtskräftig werdenden Behindertengleichstellungsgesetzes in Thüringen nur Stück für Stück erfolgen kann. Schon bei der Einbringung in diesen Landtag hat meine Kollegin, Frau Künast, deutlich gemacht, dass die notwendigen Finanzen realistisch betrachtet werden müssen. Ein Behindertengleichstellungsgesetz soll also nach unserem Selbstverständnis möglichst schnell die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderungen verbessern. Es gilt, vorhandene Nachteile so weit wie irgend möglich auszugleichen. Es geht um Auf- und Ausbau der Förderung und wir sollten streiten, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum. Es kann aber nicht um den massiven Abbau bestehender und notwendiger Förderung zur gesellschaftlichen Integration behinderter Menschen gehen,

(Beifall bei der SPD)

um einen Abbau zum gleichen Zeitpunkt, wo mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung gegenteilige Ziele formuliert werden. Es kann keiner begreifen, es ist schizophren. Weiß denn in der Landesregierung noch die eine Hand, was die andere tut, oder geht es der Landesregierung etwa um pure Volksverdummung? Es wird doch wohl niemand bestreiten, dass das Blindengeld zum Ersten den besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen Rechnung tragen soll und dass das Blindengeld zweitens zur Herstellung gleichberechtigter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und vor allen Dingen zur selbstbestimmten Lebensführung dienen soll. Jeder, der sich mal mit blinden Menschen auseinander gesetzt hat, der auch Tage von Blinden, öffentliche Veranstaltungen besucht hat, kann dies gut nachvollziehen. Es ist doch Sinn und Zweck des Landesblindengeldes und genau das steht in § 1 auch dieses Gesetzentwurfs von Ihnen. Was ist das denn für eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn das eine formuliert und das andere mit der Streichung des Landesblindengeldes getan wird?

(Beifall bei der SPD)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Fraktion, vor allen Dingen aber liebe Kolleginnen und Kollegen Sozialpolitiker, glauben Sie mir, es wäre skandalös, wenn dieses vom Ministerpräsidenten angekündigte Vorhaben Wirklichkeit würde.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Seit dieser Legislaturperiode scheint es wirklich zur Strategie der Landesregierung zu gehören, die Schwachen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft zu schröpfen und dabei lauthals das Gegenteil zu behaupten. Denken Sie nur an die Diskussion zum Landespflegegeld, das war kürzlich erst, und schauen Sie sich die Diskussionen im letzten Plenum zur so genannten Familienoffensive an.

Die Landesregierung setzt das konsequent fort mit ihrem Vorhaben, das Landesblindengeld weitgehend entfallen zu lassen und nur noch jungen Menschen zu gewähren. Nachdem der Ministerpräsident im vergangenen Jahr die Kürzung für vertretbar gehalten hat, nun den weitgehenden Wegfall für vertretbar hält, würde es nicht mehr lange dauern, bis auch der noch kläglich angekündigte Rest gestrichen wird.

Meine Damen und Herren von der CDU, sagen Sie nicht, dass alles nicht so heiß gegessen wird wie gekocht wurde. Die im Vergleich zu den bisherigen Gesamtausgaben Landesblindengeld und Blindenhilfe nach § 72 SGB XII vorgenommenen Kürzungen belaufen sich auf insgesamt ca. 2,3 Mio. € jährlich, bezogen auf dieses Haushaltsjahr. Wenn Sie

sich die Zahlen anschauen, so ist das offensichtlich nicht viel. Wer sich aber die Bedingungen des SGB XII zur Leistung der Blindenhilfe anschaut, der bezweifelt, ob an die Betroffenen tatsächlich die eingeplanten Summen ausgegeben werden können. Insofern, Herr Nothnagel, glaube ich, ist an dieser Stelle mehr im Haushalt eingestellt, als man da tatsächlich verbrauchen wird. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die Befürchtung vieler Betroffener.

Ich möchte abschließend nochmals an die Damen und Herren von der CDU-Fraktion appellieren: Lassen Sie die Hände weg vom Landesblindengeld und lassen Sie uns im gesamten Bereich der Förderung von Menschen mit Behinderungen keinen Millimeter zurückgehen!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Behindertenförderung muss in Anbetracht des Behindertengleichstellungsgesetzes und der Lebenssituation der betroffenen Menschen tabu sein für Streichungen. Ich möchte eines noch tun: Der Blinden- und Sehbehindertenverband aus Greiz hat mir am Montag drei Steckbriefe in die Hand gedrückt, und zwar war das der Steckbrief von Frau Diezel, der Steckbrief von Herrn Krause und der Steckbrief von Herrn Emde. Da stand drauf, dass diese Abgeordneten ein Herz suchen. Nun kann ich Ihnen mein eigenes nicht geben, das können Sie ja verstehen, aber ich kann Ihnen natürlich ein gebasteltes Herz von mir geben, nehmen Sie sich das Herz, zwei Personen sind nicht da, Herr Emde bekommt das von mir persönlich.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das ist nicht zulässig.)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: So ein Kiki!)

Abgeordnete Taubert, das ist nicht zulässig, was Sie jetzt im Moment tun. Ich bitte Sie, stellen Sie diese Handlung ein.

(Unruhe bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Kollegin Taubert, mit solchen Aktionen tragen Sie natürlich nicht

dazu bei, dass wir uns sachgerecht über dieses Thema hier austauschen können.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte das für unangemessen. Ich hatte während Ihrer Rede gedacht, dass wir vielleicht auch fachlich miteinander diskutieren können. Ich habe jetzt berechtigte Zweifel, ob es Ihnen an dieser Stelle tatsächlich um dieses Thema ging oder doch mehr um öffentliche Wahrnehmung.

Ich würde gern an ein paar Punkten dann vielleicht auch auf das eingehen, was Sie nur so am Rande gestriffen haben, die Frage der Blindenhilfe als Instrument gemäß des SGB XII. Das hat beim Kollegen Nothnagel leider ganz gefehlt, ich halte es allerdings für eines der wichtigen und zukünftigen Instrumente, wie wir blinde Mitbürgerinnen und Mitbürger auch in Zukunft unterstützen wollen.

Lassen Sie mich aber, bevor ich beginne, auch noch auf ein paar Punkte eingehen, was Herr Kollege Nothnagel in seinen Bemerkungen gesagt hat: Herr Nothnagel, ich muss das scharf zurückweisen; es ist eine Unverschämtheit, wenn Sie sich hier hinstellen und der CDU-Fraktion und der Landesregierung unterstellen, sie wolle ein Exempel statuieren. Das ist ein Sprachgebrauch, den ich zutiefst abstoßend finde und den ich zurückweisen möchte und wozu ich Ihnen sagen kann, Herr Nothnagel, mit so etwas tragen Sie auch nicht dazu bei, dass wir uns sachlich über dieses Thema verständigen können.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Was hier einreißt, ist unmöglich.)

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht um das Statuieren eines Exempels. Wenn Sie gestern aufmerksam die Haushaltsberatung verfolgt haben, werden Sie festgestellt haben, wir befinden uns in einer Situation, in der es uns schwer fällt, insgesamt soziale Leistungen im Freistaat Thüringen zu finanzieren. Deswegen haben wir uns bereits Anfang dieses Jahres mit der Frage des Haushalts …

Abgeordneter Panse, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das gestatte ich nicht.

Wir haben uns bereits Anfang dieses Jahres mit der Frage auseinander gesetzt, wie wir den Haus