Die CDU hat auf die sich abzeichnende Lage bereits reagiert, das Haushaltsvolumen, was 2006 trotz vieler, vieler zusätzlicher Belastungen, aber trotzdem sinkt gegenüber 2005, nämlich um 0,6 Prozent, und 2007 gegenüber 2006 um 3,3 Prozent. Die Gesamtausgaben werden im Vergleich, um mal nur eine Zahl zu nennen, zu 1998 in dem kommenden Jahr 2006
um 400 Mio. € und 2007 um 530 Mio. € gesunken sein. Jeder weiß z.B., wie Tarifentwicklungen sich niederschlagen, was da alles aufgefangen werden musste. Ein Rückgang von 4,37 Prozent, ich denke, eine bemerkenswerte Leistung, da kann man unter den deutschen Ländern suchen. Trotzdem Tarifsteigerungen von 13 Prozent seit 1998, die in den Summen aufgefangen worden sind. Und der Personalabbau - das mögen Sie beklagen, aber Sie beklagen eben gleichzeitig auch die hohe Verschuldung - wurde in den letzten Jahren forciert, und zwar mit Erfolg. Ende 2006 werden noch 53.700 Beschäftigte
beim Land in Lohn und Brot stehen - 12.300 weniger als 1998. Wären diese Stellen nicht eingespart worden, muss man deutlich sagen, wäre das eine Belastung von 300 Mio. € mehr für den Landeshaushalt. Trotzdem müssen wir konstatieren: Trotz aller Mühen bleibt das aus heutiger Sicht Mögliche hinter dem Notwendigen zurück. Aus Sicht der von Kürzungen Betroffenen ist das alles schon zu viel, aus ihrer Sicht ja offensichtlich auch, aber aus Sicht einer nachhaltigen, dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit genügenden Haushaltsführung doch zu wenig. Die Schlinge zieht sich von Haushalt zu Haushalt immer weiter zu und deswegen muss es uns gelingen, unser tradiertes Verständnis staatlicher Aufgaben zu revidieren, das ist Teil dieses Umdenkungsprozesses, und viel grundsätzlicher als bisher nach Einsparpotenzialen zu fragen, wenn wir wirklich ausreichend vorankommen wollen. Dies ist eine Aufgabe, die sich nicht irgendwann, sondern eben hier und jetzt und auch in den kommenden Wochen der Beratungen bis zum 22. Dezember stellen wird. Umsteuern, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schon deshalb erforderlich, weil sich die finanzielle Lage eben nicht absehbar verbessern wird, sondern nach allem, was wir heute wissen, sich weiter zuspitzen wird. Die zur Verfügung stehenden Mittel werden sich ab 2008 durch das Absenken des Solidarpakts II, die Reduzierung der EU-Fördermittel und auch durch die demografische Entwicklung deutlich weiter ändern. Allein weil die Sonderförderung für Thüringen wie in den anderen neuen Ländern 2019 auslaufen wird, müssen wir bis 2020 2 Mrd. € einsparen, auch wenn alles, was jetzt verabredet ist, gesichert ist und wofür Dieter Althaus sich ja auch einsetzt und kämpft, aber trotzdem, 2019 ist nach momentaner Lage Schluss. Das müssen wir mit einbeziehen. Parallel werden gesetzliche Leistungen wie Vergütungen, Besoldungen, Pensionslasten, aber auch Zinslasten durch die in den nächsten und übernächsten Jahren aufgenommenen weiteren Schulden ansteigen. Da ist es eben schwierig, dann tatsächlich die Konsolidierung so zu erreichen.
Auch zum demografischen Faktor will ich etwas sagen, weil der nämlich nicht nur in Zukunft wirkt, sondern auch im Blick zurück schon gravierende Auswirkungen hat. Auch hier das Vergleichsjahr 1998: Nach damaliger Bevölkerung, wenn wir sie heute hätten, würde das 300 Mio. € mehr in der Landeskasse bedeuten, haben wir aber nicht - zum Teil Abwanderung, zum Teil aber auch, und zwar zum überwiegenden Teil einfach ein negativer Geburtensaldo; von damals 2.460.000 Einwohnern sind wir eben auf 2.350.000 Einwohner zurückgegangen, 110.000 Einwohner weniger in Thüringen machen 300 Mio. € auch weniger in der Landeskasse aus. Fahrlässig wäre die Annahme, wir könnten diese Rahmendaten irgendwo per weiterer Einflussnahme abwenden. Aufgrund der Gesamtsituation, in der sich Deutschland befindet, die ja auch EU-Kriterien Rechnung tragen muss - auch das wird für eine künftige Bundesregierung hart genug, nicht wieder den Europäischen Stabilitätspakt zu reißen, die Kriterien -, müssen wir - nicht weil ich schwarz malen will, sondern weil ich illusionslos hier auch unserer Zukunft in Thüringen entgegensehe - wirklich weiter umsteuern.
Es geht also, wie gesagt, zum einen um die Sicherung zugesagter Mittel. Es muss aber um mehr gehen und hier ist insgesamt auch mehr Flexibilität angesagt, mehr Rahmenbedingungen, worüber wir auch im Wahlkampf zum Beispiel gestritten haben, die Einflussnahme im Blick auf EU-Förderprogramme, die Einflussnahme im Blick auf Flexibilisierung auch bei der Investitionszulage, deren Geld ja nicht wegfallen soll, sondern deren Geld in die Gemeinschaftsaufgabe mit zur Schwerpunktsetzung bei unseren Bestimmungen im Land eingesetzt werden soll.
Ja, das ist richtig. Auch deswegen sitzt Dieter Althaus nicht nur in der Verhandlungskommission, sondern natürlich auch in unseren internen Gremien, das ist doch völlig klar. Sie wissen doch, wie das geht. Und nicht zuletzt auch die Infrastrukturmaßnahmen, die wir nicht vergessen haben, über die wir seit Jahren uns im Streit mit dem Bund befinden, die wir aber jetzt in neuer Konstellation natürlich schon umsetzen müssen.
Die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt, die ist nicht aus unserem Katalog verschwunden. Ich kann nur sagen, das, was im bisherigen Bundesfinanzministerium unter Finanzminister Eichel ja schon sondiert worden ist zur Streichung Infrastrukturbereich, hätte Thüringen noch einmal 250 Mio. € gekostet - auch das muss verhindert werden. Es ist also dringend notwen
dig, dass wir auch dies im Auge haben bis hin letztlich zur Föderalismusreform, die in der Tat auch wieder nicht nur Transparenz und Klarheit in Aufgabenzuordnung und Verantwortung bringt, sondern auch in Größenordnung koordinierenden Finanzaufwand ersparen kann, wenn nämlich die Stelle, die für eine Tätigkeit zuständig ist, auch die Kontrolle über diese Tätigkeit hat und in Souveränität letztlich die Ausführung tätigt. Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen letztlich wieder in Deutschland - da kommen wir nicht drum herum - Rahmenbedingungen für eine Politik mit mehr Wachstum und Beschäftigung, damit wir die Mittel gerieren können, um auch hier wieder stärker innovatives Potenzial zu unterstützen. Vor allem muss auch hier im Blick auf das, was wir weiter unterstützen, wo wir auch deutlich im Landeshaushalt die Zeichen gesetzt haben - ich nenne nur den Punkt 3 c, den haben wir ja, Hochschulpakt, Verlängerung der Rahmenvereinbarungen; Hochschulen in anderen Ländern würden uns beneiden, sie beneiden uns auch, denn die Kürzungen sind ja vorgetragen worden -, hier geben wir ein ganz klares Bekenntnis, denn wir haben ein Innovationspotenzial auch im Verbund mit der Wirtschaft, wie es sich im Raum Jena, wie es sich an anderen Standorten in Thüringen etabliert hat und auch in einer guten Weise auf sich aufmerksam macht. Es gibt viele unabhängige Institute, die uns gerade in den letzten Tagen wieder beschieden haben, wir sind auf einem guten Weg. „Zusammen mit Sachsen bildet Thüringen weiterhin das ostdeutsche Spitzenduo“, so die Bertelsmannstudie. „Der Abstand zu den folgenden Ländern vergrößert sich. Das Technologiedreieck Jena-Erfurt-Ilmenau entwickelt sich weiter besonders positiv.“ Das könnte man fortsetzen bis hin auch zu unserem eigenen Rechnungshof, der im vorjährigen Bericht im Blick auf das Jahr 2004 ja deutlich gesagt hat, konzentriert eure Förderung auf wirtschaftsnahe Förderung, und uns damals noch gegeißelt hat, wir würden Konsolidierung mit zu wenig Nachdruck betreiben. Der nächste Bericht wird ja vorgelegt. Ich denke, das sieht im Blick auf das Jahr 2005 schon deutlich anders aus, denn die Ansätze, die wir gemacht haben, tragen, meine ich, schon sichtbar Früchte. Der Rechnungshof wird das konstatieren. Das heißt also, es muss darauf ankommen, die äußerst knappen und weiter absehbar dahinschwindenden Mittel gezielter einzusetzen. Das heißt, Augenmaß auch bei mehr Eigenverantwortung einzufordern. Das heißt, bei anderen Punkten, wie z.B. dem Blindengeld, was natürlich schon schmerzt, deutlich zu machen: Wir haben hier den Paradigmenwechsel vom Nachteilsausgleich, den wir bisher hatten, hin zur sozialen Bedürftigkeit, so wie wir das in anderen Sozialbereichen nach Sozialgesetzbuch des Bundes auch haben. Hier muss Anpassung erfolgen und es muss auch alles auf eine finanzierbare neue Basis gestellt werden. Das schafft Verdruss und Enttäuschung, wir wissen das. Aber wir müssen bei allem
auch darüber hinaus schon fragen, bei dem was auch an institutionellen Kürzungen im Land geschieht, bei vielen Vereinen und Verbänden, das wissen wir, das ist schmerzhaft, aber doch zu fragen: Handelt es sich hier um eine wirklich staatliche Aufgabe, für die wir auch vor dem Steuerzahler Verantwortung ablegen, denn es handelt sich um Geld der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, oder kann es eben auch anders erledigt werden? Hier will ich nur mal einige wenige Vergleichszahlen nennen, damit wir uns auch da keine Illusionen machen.
Von den neuen Bundesländern haben die Thüringer zwischen den Jahren 2000 und 2004 die höchsten Finanzhilfen vergeben. Sie lagen bei 5.721 € pro Einwohner. Einen ähnlich hohen Wert erreichte nur Sachsen-Anhalt mit 5.710 €. In den alten Ländern lagen die Werte zwischen 2.460 € in Schleswig-Holstein und in Baden-Württemberg bei 3.500 €. Insgesamt sind wir 21 Prozent höher in unseren Ausgaben als im Schnitt der alten westdeutschen Flächenländer. Das heißt, es ist ein Zustand - und wenn wir dann noch unsere eigene Einnahmequote nehmen, so schmerzlich das ist -, der lässt sich nicht auf Dauer halten. Deswegen sage ich bei allem Wehklagen, wir sollten die Kirche auch im Dorf lassen. Was anderswo sicher auch unter anderen Bedingungen geht, kann für uns nicht alle Zeit tabu sein.
Nun erinnere ich mich an viele Horrorszenarien, die gemalt worden sind, auch bei der letzten Haushaltsverhandlung. Wir haben die noch sehr im Ohr, zumal die Abgeordneten alle einzeln auch in ihren Wahlkreisen natürlich damit konfrontiert worden sind. Aber sowie ein Haushalt beschlossen ist, versinken die jeweils wieder in der Kiste. Nun will ich das gar nicht verharmlosen, aber dass in diesem Land auch Leben weitergeht, wenn der Staat nicht mehr in alles und jedes einsteigt, und das Leben auch da war, bevor - da nehme ich auch den westdeutschen Wohlfahrtsstaat - der Sozialstaat sich in alles und jedes eingemischt hat, ist ja wohl unbestritten und es wird auch weiter Leben geben, wenn wir uns und wenn der Staat sich aus manchem verabschiedet, weil es eben auch von der Gesellschaft geleistet wird.
Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht man wirklich nur mal an den Wochenenden durch das Thüringer Land zu fahren. Ich habe große Sorgen gehabt nach den Haushaltsberatungen, was uns alles gesagt worden ist am Jahresanfang, nicht zuletzt auch von den Kommunalen, vom Gemeinde- und Städtebund, was alles zusammenbricht, was alles nicht mehr geht. Wir haben in diesem Jahr 2005 - ich weiß nicht, woran es lag, aber es ist einfach so zu konstatieren, das kann auch nicht nur alles Galgenhumor sein - Feste der Superlative gehabt: Ob das die Mühlhäuser Stadtkirmes war, ob das der Gerhard Günther und die aus Rudolstadt waren mit dem Tanz-
und Folkfest, in der Kreistadt Apolda ein Zwiebelfest, wie es das noch nie gab … Ich weiß nicht, die Leute wollen das, sie setzen sich auch ein: Das Leben ist bunt und vielfältig in unserem Freistaat, was diese Ebene betrifft. Bei denen, die wirklich die Schwierigkeiten haben, die am Rande stehen, müssen wir die Mittel haben, ihnen zu helfen, aber bedarfsgerecht.
Wir sind in einem Zustand, wo wir letztlich als Staat, und das auch über Entwicklungen über viele Jahre, von einem früher als Ausfallbürgen für die Extremlagen des Lebens und die Notlagen angedacht, zu einem Leistungsbürgen geworden sind, wo selbstverständlich der Anspruch an den Staat gestellt wird, lebensstandsichernd einzugreifen. Damit haben wir uns so völlig überhoben, wie es nicht mehr geht.
Ich habe eines gemacht, ich habe es gestern meiner Fraktion schon gesagt, auch in Vorbereitung jetzt auf 15 Jahre Einheit Deutschlands, im Blick auf die Probleme in unserem Land, das ist alles nicht neu, was wir hier miteinander bereden. Es gibt im Landtag, wie Sie wissen, eine hervorragende Bibliothek. Da sind unsere Protokolle verzeichnet, gut, die können wir auch zum Teil im Internet nachlesen. Es sind aber auch die Bundestagsprotokolle dort in großen dicken Bänden. Band 122, Regierungserklärung Helmut Kohl am 13. Oktober 1982 - man denkt, man liest es heute: Sozialsysteme, Gesundheitssysteme, Rentensysteme, Arbeitsmarktsituation - alte Bundesrepublik 1982 schon katastrophal. Umsteuern ist dringend angesagt, und hier sage ich in einer gemeinsamen Verantwortung: Auch unsere Partei hat über Jahre nicht das getan, was notwendig war. Dann kam die deutsche Einheit. Jeder kennt den Entwicklungsprozess. Und als man es Mitte und Ende der 90erJahre machen wollte, dann kam der Regierungswechsel. Dann gab man sich noch einmal der Illusion hin, es ginge so weiter wie bisher. Dann kam das Erwachen aus dem Traum, Agenda 2010, und dann schließlich die Diskussion, die wir dieses Jahr auch im Wahlkampf hatten. Das heißt, wir brauchen das Umsteuern, das heißt, wir müssen auch mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber sprechen, was ist wirklich noch staatliche Leistung, was ist wirklich staatliche Aufgabe. Das müssen wir viel mehr und viel stärker machen, als das bisher der Fall war.
Ich sage es ganz deutlich: Wenn 35 Prozent aller verdienten Einkommen in Deutschland, also das Nettoinlandsprodukt, für das Sozialbudget inzwischen verwandt werden müssen und sich ein Staatsanteil am Nettoinlandsprodukt auf knapp 50 Prozent beläuft, dann stimmt irgendetwas nicht. Dann muss man darüber reden und muss auch schauen, wie man aus
der Misere wieder herauskommt. Denn abgesehen von dem Gegenwärtigen machen wir eine Politik letztlich, wenn wir da nicht umsteuern, zulasten der nachfolgenden Generationen, im Blick auf Pump. Das macht meine Fraktion nicht mehr mit, denn das ist schlichtweg unmoralisch, eine Politik zu machen gegenüber denen, die sich nicht wehren können, überhaupt nicht wehren können, weil sie in einem Alter sind, wo man sich nicht artikulieren kann oder überhaupt noch nicht geboren ist. Auch da muss man sich mal die langfristige Verschuldungsrate für Thüringen ansehen.
Ich will also insgesamt sagen: Wir werden den Haushalt mit allen Details natürlich besprechen und natürlich haben wir die ganzen Interessengruppen, mit denen wir schon im Übrigen ja über Wochen und Monate im Gespräch sind. Das werden wir auch in den nächsten Wochen weiter so halten, aber wir sollten eben auch das Subsidiaritätsprinzip wirklich ernst nehmen vom Bund auf die Länder und im Land selber. Da haben wir die Elemente, die wir im Haushalt deutlich stärken, eben ganz bewusst Familie, weil Familie neben Arbeit und Bildung ein Hauptpunkt ist, ein Fundament der Gesellschaft. Kommune, Betriebe, weil hier versucht wird, immer wieder Aufgaben zu vergesellschaften, was wir als CDU-Fraktion so nicht mehr mittragen, weil es nicht in die Zukunft führt. Das heißt, wir brauchen diesen Paradigmenwechsel, ich sagte das auch schon in der letzten Beratung zur Familienoffensive, zum Kindertagesstättengesetz. Darüber werden wir uns verständigen. Die CDU-Fraktion hat ganz klare Vorstellungen, wohin sie will. Sie hat ganz klare Vorstellungen darüber, warum diese Änderungen notwendig sind. Wir haben auch klare Vorstellungen darüber, wie wir sie umsetzen werden. Wir werden das gemeinsam als CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag mit der Landesregierung tun. Daran dürfen Sie keinen Zweifel haben. In diesem Sinne werden wir auch die kommenden Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss führen. Danke schön.
Danke schön. Es gibt eine fraktionsübergreifende Übereinstimmung, dass wir jetzt den Tagesordnungspunkt unterbrechen, die Mittagspause bis 14.15 Uhr durchführen werden, im Anschluss dann die Fragestunde und Aktuelle Stunde aufrufen und uns dann wieder mit der Fortführung dieses Tagesordnungspunkts beschäftigen. Dem wird nicht widersprochen. Dann unterbreche ich jetzt und wir treffen uns hier 14.15 Uhr.
Ich bitte Sie Platz zu nehmen. Die Sitzung wird fortgeführt und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16
Wir kommen zur ersten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Gentzel, SPD-Fraktion, in Drucksache 4/1220.
Rechtswidriges Vorgehen bei der Besetzung eines Abteilungsleiterpostens im Thüringer Innenministerium?
In der Einleitung schildere ich, wie sich uns über die Medien dieses dargestellt hat, und ich frage dann die Landesregierung:
1. Wie konnte es im Kabinett zu dem Beschluss über die Besetzung der Stelle kommen, obwohl der Ausschreibungspflicht nicht entsprochen wurde und dem Beschluss kein Auswahlverfahren mit dokumentierten Auswahlvorgängen unter allen potenziellen Konkurrenten zu Grunde lag?
2. Warum wurden vor dem Kabinettsbeschluss nicht alle in Betracht kommenden Beamten - so wie es den rechtlichen Vorgaben entspricht - in ein Auswahlverfahren zur Besetzung des Beförderungsdienstpostens einbezogen?
3. Warum werden im Anforderungsprofil der nachträglichen Stellenausschreibung von den Bewerbern und Bewerberinnen keine Erfahrungen und Kenntnisse im Polizeivollzugsdienst oder im Polizeibereich verlangt?
4. Hätte das Kabinett nicht vor der nachträglichen Stellenausschreibung und dem damit verbundenen Beginn des eigentlichen Besetzungsverfahrens den vorliegenden Kabinettsbeschluss über die Stellenbesetzung vom 19. Juli 2005 aufheben müssen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter Gentzel, ich habe jetzt hier zwei Alternativen für die Antwort. Ich nehme mal die erste Alternative. Sie haben zu Recht das Fragezeichen mit vorgelesen. Die Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung zusammenhängend wie folgt:
Die vorgetragene Fragestellung betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit in zweifacher Hinsicht. Es wird nicht nur Auskunft über eine konkrete Personalentscheidung der Landesregierung begehrt, sondern gleichermaßen Auskunft über eine Willensbildung innerhalb der Landesregierung. Diese Fragestellung berührt damit den nicht ausforschbaren Beratungs- und Handlungsbereich der Exekutive. Gemäß Artikel 67 Abs. 3 Nr. 2 der Thüringer Verfassung liegen die materiellen Voraussetzungen für eine Antwortverpflichtung der Landesregierung somit nicht vor.
Herr Innenminister, wenn Sie oder die, die diese Anfrage bearbeitet hätten, richtig gelesen hätten, wären sie zu dem Ergebnis gekommen, dass ich weder nach Personalentscheidungen noch nach Willensbildung frage, sondern Vorgänge rechtlich betrachte in diesem Fall. Und ich glaube, insofern hätte ich doch eine Antwort verdient.
Sie haben, Herr Gentzel, immer eine Antwort verdient. Natürlich ist das in untrennbarem Zusammenhang miteinander zu sehen. Aber ich will Ihnen noch etwas mehr dazu sagen, vielleicht sind Sie dann damit zufrieden. Das Kabinett hat am 19. Juli 2005 beschlossen, Herrn Oberstaatsanwalt Klüber mit Wirkung vom 1. August 2005 mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Abteilungsleiters IV zu beauftragen. Gegenstand der Kabinettsbefassung war somit lediglich die temporäre Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung des Abteilungsleiters IV und nicht die dauerhafte Übertragung eines Dienstpostens. Entsprechend wurde Herr Oberstaatsanwalt Klüber mit Wirkung vom 1. August 2005 vom Thüringer Justiz- zum Thüringer Innenministerium abgeordnet. Es ist weder üblich noch rechtlich geboten, vor einer Abordnung eine Ausschreibung vorzunehmen.
Zu Frage 2 - da gebe ich Ihnen auch gern noch eine Ergänzung, wobei ich an dem Grundsatz festhalte, da es sich hier um den nicht ausforschbaren Bereich exekutiver Regierungstätigkeit handelt, so dass ich hier auch keinen Präzedenzfall schaffe. Mit dem Wechsel des bisherigen Abteilungsleiters Polizei in das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit war in der Leitung der Polizei eine Vakanz entstanden, die im Hinblick auf die Position und Bedeutung der Aufgabe eine unmittelbare kommissarische Nachbesetzung unerlässlich machte. Darü
Zu Frage 3 vielleicht noch einen ergänzenden Hinweis: Das Auswahlverfahren wurde mit der Ausschreibung des Dienstpostens des Polizeiabteilungsleiters mit Datum zum 8. August 2005 eingeleitet. Sinn und Zweck eines solchen Verfahrens ist die Auswahl des besten Bewerbers nach den Kriterien der fachlichen Eignung, Befähigung und Leistung. Das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung bindet den Dienstherrn bei seiner Auswahlentscheidung. Mit der Festlegung eines Anforderungsprofils ist daher eine Abwägung zwischen zu engen Vorgaben fachlicher Qualifikation und der Vermeidung eines zu schmalen Bewerberkreises vorzunehmen.
Herr Innenminister, Sie haben nach meiner Meinung auch jetzt den Begriff „kommissarische Nachbesetzung“ gebraucht. Warum haben Sie denn in Ihrer Pressemitteilung Nummer 50/05 Herrn Klüber als neuen Abteilungsleiter Polizei vorgestellt und nicht in seiner Funktion, wie Sie eben sagten, in kommissarischer Position?
Weil dies, lieber Herr Gentzel, nicht üblich ist. Wenn man eine Stelle zunächst einmal besetzt, differenziert man in einer Presseerklärung nicht, ob das jemand kommissarisch, abgeordnet oder sonst wie wahrnimmt, sondern dann ist ein Abteilungsleiter Polizei dann im Dienst zunächst einmal.
Danke schön. Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir kommen zur nächsten Mündlichen Anfrage, eine der Abgeordneten Dr. Fuchs, Die Linkspartei.PDS, in Drucksache 4/1222.
Der gemeinsame Beschwerdeausschuss von Vertretern der Ärzte und Krankenkassen in Thüringen entscheidet zu Widersprüchen von Ärzten, aber auch von Krankenkassen im Rahmen der oben genannten Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung selbst erfolgt in einem Prüfungsausschuss (1. Instanz). Ein Beschwerdeausschuss (2. Instanz) ist wie der Prüfungsausschuss sowohl für die niedergelassenen Ärzte als auch für die niedergelassenen Zahnärzte eingerichtet.