Protocol of the Session on October 6, 2005

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Ich und meine Frau.)

Ja, wir sagen alle, das ist wichtig. Ich kann sagen, ich war dort. Ich sage einfach, zur Kür gehört auch die Pflicht. Ich möchte mit einem Zitat einer medizinischen Fachzeitschrift einmal abschließen, weil ich glaube, in diesem Zitat ist ein ganz großes Stück Wahrheit beinhaltet. Das Zitat lautet: „Arbeit ist das halbe Leben, impfen auch.“ Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist gut, dass der Bericht der Landesregierung einschließlich der Beantwortung der Kleinen Anfrage von Frau Kollegin Fuchs vom vergangenen Jahr deutlich erkennen lässt, dass wir in Thüringen im bundesdeutschen Vergleich im Impfschutz recht gut dastehen. Doch wir können die Hände nicht in den Schoß legen. Nein, die Notwendigkeit eines ausreichenden Impfschutzes muss immer und immer wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung gerufen werden, einerseits um den selbsternannten Gesundheitsaposteln nicht auf den Leim zu gehen und andererseits um die uns allen innewohnende Vergesslichkeit und Trägheit zu überwinden. Es ist nun einmal menschlich, dass wir uns die Gefahren der für uns weitgehend überwundenen Krankheiten, wie z.B. Kinderlähmung und Diphtherie, kaum vorstellen können. Erst wenn wir verletzt sind, erinnern wir uns an die Tetanusimpfung. Der Impfschutz gegenüber vielen Krankheitserregern aber ist nur dann hoch wirksam, wenn er zum Beispiel wie bei der MMR-Impfung möglichst mehr als 95 Prozent der Bevölkerung erfasst. Wenn die Vorstellungskraft für überwundene, aber noch nicht bekämpfte Krankheiten nicht immer wieder geweckt und in das Bewusstsein gerufen wird, dann beginnt die Nachlässigkeit. Ich habe beim Bericht der Landesregierung auch keine grundsätzlichen Bedenken, dass eine solche Gefahr der Nachlässigkeit in der Gesundheitsvorsorge unseres Landes drohen würde. Doch bei aller positiven Bewertung möchte ich dennoch auf einige Dinge hinweisen.

Erstens: Wenn wir uns in diesem Hause parteiübergreifend zu einem guten Impfschutz bekennen und den bisher erreichten Stand der Durchimpfung der Bevölkerung anerkennen, dann sollten wir auch ideologiefrei einen Blick zurückwerfen. Die hohe Impfbereitschaft, insbesondere für Kinder, und die im bundesdeutschen Vergleich bis auf wenige Ausnahmen hervorragenden Ergebnisse sind nämlich auch das Resultat einer positiven Grundeinstellung der Bevöl

kerung zum Impfschutz, auch aus den Zeiten der DDR. Gleiches gilt für die funktionierende Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den niedergelassenen Ärzten. Ich betone das deshalb, weil 15 Jahre nach der Wende das damalige Gesundheitswesen hoffentlich differenzierter und objektiver beurteilt werden kann, als dies unmittelbar nach der Wende der Fall war. Wir sollten uns also überlegen, wie diese funktionierende Selbstverständlichkeit in der Zusammenarbeit der Mediziner und die Selbstverständlichkeit im Bewusstsein der Bevölkerung auch zukünftig aufrechtzuerhalten ist. Da bröckelt nämlich schon manches ab von dem Selbstverständnis. Während der Impfschutz der Kinder offensichtlich noch gut funktioniert, trifft dies für die Erwachsenen schon viel weniger zu. Wenn in der Beantwortung der bereits genannten Kleinen Anfrage darüber berichtet wird, dass nur ca. 59 Prozent der Erwachsenen die Auffrischungsimpfung gegen Tetanus und Diphtherie wahrgenommen haben, dann wird durchaus Handlungsbedarf ersichtlich.

Damit komme ich zu meiner zweiten Anmerkung: Ausreichender Impfschutz und das dafür notwendige Bewusstsein der Bevölkerung sind von Information und Aufklärung abhängig. Hier gilt es, immer und immer wieder kompetent und öffentlich wirksam zu informieren, aufzuklären und zu beraten. Das schließt die Information über die Risiken mit ein. Gerade diese Seite der Medaille darf den selbst ernannten Fachleuten nicht überlassen werden. Deshalb war es richtig, einen entsprechenden Beratungsauftrag bei der Aufnahme eines Kindes in eine Kindertageseinrichtung im Kindertagesstättengesetz zu verankern. Wenn dabei den Erziehungsberechtigten die Vervollständigung der empfohlenen Impfungen angeraten wird, dann bietet dieser gesetzliche Auftrag neben dem Hinweis auf die Impflücken gleichzeitig die Chance, Aufklärung gegenüber den Eltern zu leisten. Diese Art der Elternarbeit hat immer den angenehmen Nebeneffekt, dass sich Erwachsene selbst mit ihrem eigenen Impfschutz auseinander setzen müssen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Tageseinrichtungen und Schulen entscheidende Institutionen, um von Kindesbeinen an das Bewusstsein für den notwendigen Impfschutz bei den Eltern und mit zunehmendem Alter auch bei den Kindern zu wecken. Die Landesregierung sollte die Wissensvermittlung zur Schutzimpfung deshalb nicht nur auf die Arbeit an Thüringer Schulen beschränken, sondern auch auf die Elternarbeit in den Thüringer Kindertagesstätten ausweiten. Und weil wir alle Menschen sind, die mitunter mahnende Erinnerung benötigen, empfehle ich sehr, die im Kita-Gesetz ebenfalls verankerte freiwillige jährliche Vorsorgeuntersuchung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Kindertageseinrichtungen mit einem Beratungsangebot gegenüber den Eltern zur Vervollständigung der Impfungen zu verbinden. Eltern sollten also nicht nur bei der Aufnahme beraten wer

den, sondern auch bei der alljährlichen Vorsorgeuntersuchung. Das wäre mit wenigen Federstrichen in Abs. 3 § 15 des derzeitigen Kita-Gesetzes zu ergänzen. Auch rate ich an, dieses Thema in der viel gerühmten Thüringer Elternakademie aufzugreifen. Was mich gefreut hat zu hören, ist, dass das Ministerium auch wieder Flyer auflegt, um für den Impfschutz zu werben. Sollte es allerdings zu der Umsetzung des neuen Kita-Gesetzes kommen, für das mir der von der Landesregierung gewählte Begriff „Familienförderung“ nicht so recht über die Lippen kommt, dann befürchte ich, dass der Beratungsauftrag der Kindertagesstätten für manche Eltern zukünftig nicht mehr zutreffen wird. Die hohe Durchimpfungsrate der Kinder ist eben auch - nicht nur - die Folge der Beratung in Kindertagesstätten und eine Folge davon, dass zwischen 94 und 97 Prozent eines Jahrgangs die Kindertagesstätten besuchen. Das ist gut so und ich wünsche mir, dass es so bleibt.

Eine dritte Anmerkung: Wenn Information und Aufklärung der Schlüssel für einen guten Impfschutz sind, dann sollten wir über die beiden genannten Institutionen, Kindertagesstätten und Schulen, hinaus Informationen in Richtung der Betriebe verstärken. Auch hier könnte ich mir gemeinsame Informationskampagnen des Sozialministeriums mit Krankenkassen und mit Wirtschaftsverbänden vorstellen. Für die Betriebe ist ein guter Impfschutz schließlich auch betriebswirtschaftlich von Vorteil. Er senkt im Fall des Falles krankheitsbedingte Personalausfälle. Um an dieser Stelle aber keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen, Information und Beratung ist für mich im Ergebnis immer verbunden mit der freiwilligen Entscheidung eines jeden Einzelnen. Auch dazu konnte ich eine Reihe von Gesprächen führen und ich denke, man muss es den Bürgerinnen und Bürgern überlassen, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht. Sie müssen nur die optimale Aufklärung dazu erlangen, damit sie frei und selbstbestimmt entscheiden können. Diese Entscheidung kann man aber nur sachgerecht treffen, wenn der Bürger informiert und aufgeklärt ist. Deswegen werbe ich nochmals um Aufklärung. Viele Menschen treffen die erforderliche Entscheidung trotz Aufklärung und Information aber eben erst dann, wenn sie erinnert werden. Immer wiederkehrende Erinnerung soll ja bekanntlich das Denkvermögen erhöhen. Deswegen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bitte ich Sie doch mal, in den Haushalt zu schauen. Da gibt es die Haushaltsposition „Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung, des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitshilfen“. Die Ziffer 3 benennt die Förderung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention. Ich gehe davon aus, dass unter dieser Haushaltsposition genau die hier bereits vorgetragenen Argumente zur Aufrechterhaltung und Verbesserung des Impfschutzes fallen. Der entsprechende Haushaltsansatz ist im vergangenen Jahr be

reits gekürzt worden von 142.000 € auf 100.000 € und soll nun nochmals auf 89.300 € gekürzt werden. Dies sind kleine Summen, trotzdem sind es große Summen in Anbetracht dessen, was sich z.B. bei der Verbesserung des Impfschutzes erreichen ließe. Dort zu kürzen, ist das Gegenteil von verbesserter Information, Aufklärung und Krankheitsprävention. Vielleicht kann man an dieser Stelle noch etwas ändern.

Ich möchte noch ein Wort zur Impfkartei sagen. Frau Dr. Fuchs ist darauf eingegangen, dass statistische Erhebungen eigentlich nur noch über das Abverlangen von Impfstoffen erhoben werden können und nicht mehr direkt, weil wir aufgrund der Freiwilligkeit - da liegt aus meiner Sicht auch der Nachteil - nicht mehr genau Buch führen können in den Landkreisen und kreisfreien Städten, wer sich wann und gegen was hat impfen lassen. Es wäre wünschenswert, wenn man auch an dieser Stelle intensiver darauf Einfluss nehmen könnte, dass diese Impfkarteien, die ja nach wie vor auf freiwilliger Basis geführt werden, weitergeführt werden und man doch versucht, eine nahezu 100prozentige Erfassung zu bekommen. Das ist, denke ich, ein Appell an die verantwortlichen Ärzte. Ich kenne eine Reihe von Ärzten, die da sehr gewissenhaft nachkommen, weil sie auch wissen, dass Bürgerinnen und Bürger hier und da mal Auskunft brauchen über ihren eigenen Impfstatus. Nicht jeder hat den Internationalen Impfausweis, den ich jedem empfehlen kann. Deswegen wäre es wichtig, an dieser Stelle nicht nachzulassen. Ich glaube, es kostet nicht mehr Geld, es kostet nur einfach Werbung für diese Thematik, damit wir auch in Thüringen - auch wenn wir glücklicherweise bisher vor Epidemien verschont worden sind - auf Epidemien, sollte es dazu einmal kommen, exakter reagieren können, weil wir genaue Daten haben. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gumprecht, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn möchte ich mich beim Minister für den Bericht bedanken, der doch über die Situation des Impfschutzes in Thüringen sehr aussagekräftig war. Nun eine Frage an Sie, häufig sind Sie schon heute gefragt worden: Kennen Sie sich aus, ob Ihr persönlicher Impfschutz ausreichend ist? Wissen Sie noch, wo Ihr Impfbuch liegt? Zur Erinnerung: Es sieht gelb aus, meine Damen und Herren.

Doch nun zum Thema: Eine Umfrage der Betriebskrankenkassen im Jahr 2003 besagt, dass fast jeder

zweite Deutsche nicht weiß, ob er ausreichend gegen Infektionen geschützt ist. Grund für diese Impfmüdigkeit ist in Deutschland nicht Angst oder Geld, sondern ist in der großen Breite Gedankenlosigkeit und Nachlässigkeit. Darum sind Aufklärungsaktionen von eminenter Bedeutung. Impfen tut nicht weh. Impfen gehört zu den effektivsten Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge. Es bietet jedem Einzelnen Schutz vor Infektionskrankheiten und bietet darüber hinaus bei hohen Durchimpfungsraten, nämlich über 90 Prozent der Bevölkerung, auch den Schutz derer, die nicht geimpft sind, durch den so genannten Gemeinschaftsschutz. Das negative Beispiel einer im Jahr 2002 in Süditalien ausgebrochenen Masernepidemie mit über 15.000 Erkrankungen ist auf die niedrige Durchimpfungsrate, nämlich unter 50 Prozent, zurückzuführen.

Meine Damen und Herren, Thüringen kann auf einen überdurchschnittlich hohen Impfschutz verweisen. Die Durchimpfungsraten liegen im Vorschulalter bei allen Impfungen bei über 90 Prozent. Damit wurden die WHO-Ziele für die europäischen Mitgliedstaaten betreffs Zurückdrängung von Masern, Diphtherie sowie Rötelnerkrankung bereits vorzeitig erreicht. Bei der Grippeschutzimpfung nimmt Thüringen den vierten Platz innerhalb der Bundesländer ein. Die vom Minister genannte Zahl von - wenn ich mich recht erinnere - 1,2 Mio. Impfungen durch die niedergelassenen Ärzte im Jahr 2002 ist sehr beachtlich. Die Thüringer Ärzte und die Thüringer erweisen sich laut Umfrage der BKK deutlich impfgeneigter als die Deutschen insgesamt. Ein derartiges Ergebnis ist nicht selbstverständlich, sondern man muss sich ständig darum bemühen. Darum an dieser Stelle allen Beteiligten meinen Dank.

Positiv wirken sich auch die Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes aus. Die Gesundheitsämter haben im Jahr 2004 über 9.000 kostenfreie Schutzimpfungen durchgeführt. Neben der Impflückenschließung in Schulen wird das Impfangebot insbesondere für Asylbewerberkinder in Gemeinschaftsunterkünften und für Kinder aus Familien mit sozialer Benachteiligung bereitgehalten.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir es bedauern, die Zeiten der Impfpflicht sind vorbei. Jede Schutzimpfung ist freiwillig. Heute entscheidet der Bürger selbst, ob er sich impfen lässt oder nicht. Jedoch die Eltern entscheiden für ihre Kinder, darum kommt den Eltern eine sehr hohe Verantwortung zu. Die durchweg hohen Impfraten bei Kindern zeugen auch von der hohen Fürsorge der Thüringer Eltern. Zur Unterstützung dieser Entscheidungsfindung gibt es ein umfangreiches Beratungsangebot durch verschiedene Träger. Ein positives Beispiel möchte ich nennen, es ist die Impfberatung, die derzeitig in den Thüringer Apotheken durchgeführt wird und bis Ende

Oktober läuft. Diese Kampagne, die nur berät, hat bei der Bevölkerung große Aufmerksamkeit gefunden. All diese Aktionen zielen natürlich auch auf die Beseitigung von Schwachstellen. So kann beispielsweise die Impfrate bei Hepatitis B, speziell bei Erwachsenen, nicht zufrieden stellend sein. Ich denke, den Auffrischungsimpfungen im Erwachsenenalter müssen wir künftig mehr Aufmerksamkeit widmen.

Lassen Sie mich aber doch noch ein Thema ansprechen, das vor allen Dingen unsere Kommunen betrifft, nämlich für ihre freiwilligen Feuerwehren sind sie gehalten, für die aktiven Mitglieder die Hepatitis BImpfung durchzuführen. Dort sollte man versuchen, gemeinsam mit den Kassen die Aufnahme dieser Impfung in den Impfkatalog zu erreichen.

Meine Damen und Herren, wir haben heute eine Menge über das Impfen gehört. Gründe für Impflücken gibt es viele, sei es verdrängt, vernachlässigt oder vergessen. Meine Damen und Herren, wissen Sie, wann Ihre letzte Hepatitis B-Impfung war? Wenn nicht, schauen Sie in Ihren Ausweis oder nutzen Sie die Gelegenheit bei der nächsten Grippeschutzimpfung Ihren Hausarzt danach zu fragen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache und ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist. Oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit beende ich diesen Punkt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5

Umsetzung des Bologna-Pro- zesses in Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/1088 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich für die Landesregierung das Wort Herrn Minister Prof. Goebel zur Erteilung des Sofortberichts.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sechs Ziele haben sich die europäischen Bildungsminister 1999 mit der Bologna-Deklaration gesetzt:

- ein System vergleichbarer Abschlüsse in Europa zu entwickeln,

- ein zweistufiges System von Studienabschlüssen dabei zu Grunde zu legen,

- ein Leistungspunktesystem zu schaffen,

- Mobilitätshindernisse abzubauen,

- die Qualitätssicherung voranzutreiben und

- die europäische Dimension der Hochschulausbildung zu betonen.

Deutschland ist bei der Einführung von so genannten Bachelor- und Master-Abschlüssen und bei der Umsetzung der übrigen Bologna-Ziele im europäischen Vergleich gut aufgestellt. Die Thüringer Hochschulen leisten dazu einen wesentlichen Beitrag.

Sechs Jahre nach Verabschiedung der BolognaErklärung durch die europäischen Bildungsminister lässt sich für Thüringen eine überaus positive Zwischenbilanz ziehen.

Zunächst ein Gesamtüberblick: Zum Wintersemester 2005/2006 werden von den Thüringer Hochschulen 47 Bachelor- und 38 Master-Studiengänge angeboten. Damit hat Thüringen den Anteil solcher Studiengänge an der Gesamtzahl innerhalb eines Jahres von 23 auf rund 33 Prozent gesteigert. Dies liegt auch deutlich über dem derzeitigen Bundesdurchschnitt. Die neuen Studiengänge werden gut angenommen, nicht zuletzt weil die Thüringer Hochschulen keine Umetikettierung, sondern eine wirkliche Neugestaltung vorgenommen haben. Die studentische Nachfrage wird bei Umstellung bestehender Diplom- in solche BA/MA-Studiengänge nicht beeinträchtigt. Das zeigen aktuelle Beobachtungen etwa an der TU Ilmenau.

Die meisten Thüringer Hochschulen bereiten die Umstellung auf die neuen Strukturen zum Wintersemester 2006/2007 vor. Die Hochschule für Musik Weimar und die Fachhochschule Jena wollen bis 2008 nachziehen. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Fachhochschule Erfurt wollen bis zum Jahre 2010, so ist es ursprünglich in Bologna vereinbart worden, die Umstellung abgeschlossen haben.

Ausnahmen bilden, wie auch in anderen Bundesländern, Studiengänge mit Staatsexamensabschluss in Medizin, Pharmazie, Rechtswissenschaft und beim Lehramt. Hier ist die Frage der Umsetzung noch nicht in jedem Falle geklärt bzw. es gibt unterschiedliche Modellansätze.

Wie sieht das an den einzelnen Thüringer Hochschulen aus? An der Universität Erfurt ist die Umstellung nahezu vollständig abgeschlossen. Die Reformuniversität hat also die Nase vorn. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena, die Fachhochschule Erfurt, die Fach

hochschule Jena und die Fachhochschule Nordhausen haben erste Bachelor- und Master-Studiengänge eingeführt. Die Technische Universität Ilmenau will bis zum Wintersemester 2006/2007 vollständig auf die gestuften Studienstrukturen umgestellt haben. Die ersten Studierenden sind in Bachelor-Studiengänge immatrikuliert. Auch die Bauhaus-Universität in Weimar bietet bereits einen beachtlichen Anteil an Studiengängen gestuft an. Thüringen kann sich also bundesweit sehen lassen. Das unterstreicht auch das erfolgreiche Abschneiden im Wettbewerb „Kompetenzzentrum Bologna“ der Hochschulrektorenkonferenz. Aus 127 Bewerberhochschulen in ganz Deutschland sind 20 Hochschulen ausgezeichnet worden. Sie werden bei der Umstellung besonders gefördert durch Finanzierung von so genannten Bologna-Experten. Unter diesen 20 Hochschulen sind drei Thüringer Hochschulen, die TU Ilmenau, die Bauhaus-Universität und die FH Jena. Sie haben es mit ihren Anstrengungen geschafft, in den Kreis der Sieger zu gelangen. Diese Leistung wird auf alle Hochschulen in unserem Freistaat ausstrahlen.

Kommen wir zur Förderung der Mobilität von Studierenden und Lehrenden. Die Mobilität von Studierenden wird im Rahmen von Auslandssemestern und -praktika gefördert, die über vielfältige internationale Kontakte der Hochschulen ermöglicht werden. Derzeit gibt es an Thüringer Hochschulen insgesamt 965 internationale Kooperationen und vertraglich vereinbart Sokrates-Vereinbarungen und anderes mit 63 Ländern. Auch die Mobilität der Lehrenden ist durch ein eng geflochtenes Netzwerk mit ausländischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen möglich und wird entsprechend angenommen. Zum Beispiel sichert die Beteiligung der Thüringer Hochschulen am Sokrates-Programm den Erlass von Studiengebühren an Partneruniversitäten, die zusätzliche Vermittlung von Studienplätzen und auch finanzielle Zuschüsse für Auswärtsaufenthalte. Über die Beteiligung am Leonardo-Programm werden Auslandspraktika gefördert.

Die Einführung des ECTS (European Credit Transfer System), also des Leistungspunktesystems, hat die Anerkennung von Studienleistungen, die an anderen - auch ausländischen - Hochschulen erbracht werden, wesentlich vereinfacht und fördert die Bereitschaft von Studierenden, an verschiedenen Hochschulen zu studieren. Das Leistungspunktesystem wird in Thüringen an allen Hochschulen weitgehend im Zusammenhang mit der Umstellung der Studienstrukturen eingeführt. Einige Hochschulen wollen künftig verstärkt E-Learning-Module in die Ausbildung integrieren, damit die Studierenden während eines Studien- oder Praxisaufenthalts im Ausland an der Heimathochschule dennoch weitere Leistungspunkte erwerben können.

Kommen wir zur Beteiligung der Hochschulen an europäischen Evaluations- und Akkreditierungsverbünden oder entsprechenden Netzwerken. Die Technische Universität in Ilmenau und die FH Erfurt nehmen an einem Pilotprojekt zur Prozessakkreditierung der international tätigen Akkreditierungsagentur AQUIN teil. Ziel ist es dabei, den Aufwand und die Kosten zu senken und eine Vorzugsvariante auch für künftige andere Hochschulen zu entwickeln.

Die Technische Universität Ilmenau ist des Weiteren Mitglied im Akkreditierungsverbund für Ingenieurstudiengänge (AfI). Die Friedrich-Schiller-Universität hat mit den Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig ein System der Lehrevaluation erarbeitet und etabliert. Die Fachhochschule Jena ist Teil des länderübergreifenden Evaluationsverbundes Jena/Leipzig/Zwickau/Merseburg. Unsere Hochschulen stellen sich also der Qualitätssicherung, der Evaluation und der Akkreditierung nach internationalen Standards.

Ein Wort zur Integration europäischer Bezüge, beispielsweise Sprachen, Kultur, Recht oder Politik, in den Curricula der Studiengänge an Thüringer Hochschulen. Das Angebot englischsprachiger Lehrveranstaltungen wird stetig erweitert. Beispielsweise ist Englisch an der Universität Erfurt gleichberechtigte Lehrsprache. Mit dem Master of Public Policy bietet die Universität einen komplett englischsprachigen Studiengang an. Ab dem Wintersemester 2006/2007 wird auch der Master in Religionswissenschaft durchgehend in Englisch absolviert. Religion wird fakultätsübergreifend auf europäische Religionskulturen erweitert mit Kompetenzen in jüdischer, islamischer, christlich-orthodoxer, evangelischer und katholischer Theologie.

Die Geschichtswissenschaft ist auf die europäische Geschichte ausgerichtet. Die Staatswissenschaftliche Fakultät hat einen eigenen Lehrstuhl für Staatsrecht und Europäische Integration. In allen geeigneten Studiengängen der Friedrich-Schiller-Universität werden europäische Bezüge in dem Curricula berücksichtigt. Einige Fachbereiche bieten auch englischsprachige Module an. Die rechtswissenschaftliche Fakultät bietet Lehrveranstaltungen in Englisch und Französisch an. Der Diplomstudiengang Interkulturelles Management der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät hat mehr als zehn Fremdsprachen und Zielkulturen im Programm. Internationale Pädagogik ist ein integrierter Teil des Magisterfachs Erziehungswissenschaften. Die Philosophische Fakultät bietet den internationalen Masterstudiengang Deutsch als Fremdsprache an, für den fremdsprachige Lehrveranstaltungen bzw. Auslandsaufenthalte an Partneruniversitäten Bestandteile des Curriculums sind. Spezielle Studiengänge für ausländische Graduierte gibt es in der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und im Institut für Politikwissenschaft.

An der Bauhaus-Universität in Weimar bestehen zwei Studienmöglichkeiten mit einem akzentuiert europäischen Profil, der Studiengang Europäische Urbanistik und das Studienprogramm Europäische Medienkultur.

Die Fachhochschule Erfurt sieht für ihre Bachelor- und Master-Studiengänge eine Fremdsprache, in der Regel Englisch, als Pflicht- bzw. Wahlmodul vor.

In den Studiengängen in der Fachhochschule Nordhausen ist bislang eine Sprachausbildung pro Semester obligatorisch. Die geplanten Bachelor-Studiengänge sehen für alle Studierenden ein internationales Projekt mit Lehrenden der Partnerhochschulen vor. Im geplanten Studiengang International Management haben praktisch alle Module internationalen Bezug.