Protocol of the Session on September 16, 2005

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Andere europäische Staaten, die den Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen mit einem geschlossenen integrativen Angebot, haben eine höhere Geburtenrate. Wenn die Geburtenrate darüber entscheidet, Maßstab der Sozialpolitik zu sein, dann sollten wir uns gemeinsam die Zertrümmerung der Kinder- und Familienpolitik in Deutschland anschauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollen die Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängen. Sie wollen keine optimale Förderung von Kindern. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es Kinder in prekären Familiensituationen gibt. Sie wollen nicht wahrhaben, dass diese Familiensituationen eine Begleitung in den Einrichtungen brauchen. Das hat nichts mit Einmischen der staatlichen Kraft zu tun, sondern das hat was mit Ehrlichkeit zu tun, dass man Kindern eine gleiche Chance gibt und dass den Kindern, bei denen sich zu Hause niemand kümmert, zumindest ein Ankerplatz vom zweiten Lebensjahr an geboten wird, bei dem sie eigenständig sich in diese Welt hineinbewegen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir fordern deswegen Chancengleichheit, gebührenfreie Kitas für alle; wir fordern Förderung von allen Kindern, auch denen mit schlechteren Startchancen im Leben; wir fordern dafür gut ausgebildetes Personal. Wir fordern Qualitätsstandards, die vorhanden sind, dass sie erhalten bleiben, also nicht das Absenken der Qualitätsstandards, die Sie einkalkuliert haben. Wir fordern Bildungsstandards, die nicht erst in zwei Jahren festlegen, Sie drücken sich nämlich davor.

Meine Damen und Herren, ich will auf einen sehr problematischen Entwicklungsbereich hinweisen, dass die CDU-Landesregierung immer weiter bei den Finanzen als Dirty- und Trixy-Organisation arbeitet.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ach.)

Ja, Frau Diezel, dass Sie jetzt das Ganze abschieben in eine Stiftung, die am Anfang noch unterfinanziert ist, die irgendwann mal das Geld haben soll, die aber aus dem Stiftungskapital die Erträgnisse aufbringen

soll, um all diese Leistungen, die Wohltaten, die Sie jetzt als modernes Gesetz verkündet haben, dann auszuschütten, darauf wird man erst mal eine zwei- oder dreijährige Ansparphase machen müssen. Dann müssen die Erträgnisse erst erarbeitet werden. Aber, meine Damen und Herren, dass man zunehmend Aufgaben des Landes immer in Stiftungen hineinpackt, bei der Ehrenamtsstiftung waren sie ja schon so kreativ, die Lotto-Mittel, die nehmen Sie, um nach wie vor über Land zu ziehen bei Wahlkämpfen, um dann Wohltaten zu vergeben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wir haben vorgeschlagen, dass die Lotto-Mittel dann in die Ehrenamtsstiftung reinkommen, aber Sie besitzen ja sogar noch die Frechheit, die leere Spielbank auf Ehrenamtsstiftung zu buchen, um zu sagen, die Erträgnisse aus der Spielbank werden genommen, also null Erträgnisse und Verluste im Haushalt, die werden genommen, um Stiftungen auszustaffieren. Das ist Dirty- und Trixy-Haushaltspolitik und bedeutet, dass der Landtag zunehmend überflüssig wird.

CDU-Landespolitik führt dazu, dass in der letzten Konsequenz zwei Dinge festzustellen sind: Der höchste Schuldenberg in Thüringen trägt die schwarze Handschrift,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

von der CDU selber gemacht, Herr Althaus, von Ihnen verantwortet, jedes Jahr eine Milliarde oben drauf. Und dann sagen, die Opposition ist schuld - wie lächerlich, wie erbärmlich. Und dann sagen, weil der Berg zu hoch ist, weil man feststellt, der Schuldenberg ist eben höher als jeder Thüringer Berg mittlerweile, also man vollzieht das, was Herr Lochthofen mit der TA mal gewollt hat, dass man den einen Berg aufschüttet, um ein bisschen höher zu sein. Nein, der Schuldenberg in Thüringen ist mittlerweile der höchste. Jetzt sagen Sie, wir packen alles an Vermögen, was noch da ist, in eine Stiftung rein, und über die Stiftung kann dann gespart werden. Wissen Sie, in der letzten Konsequenz stiften Sie doch den ganzen Landeshaushalt und die Schulden samt dem Sondervermögen Fernwasser und alles, was dazugehört, und schaffen Sie, die Landesregierung, das Landesparlament ab, weil den Rest können Sie dann im Stiftungsbeirat regeln. Merken Sie gar nicht, dass Sie langsam wirklich dieses Landesparlament entwerten durch den Prozess, in dem immer mehr Aufgaben, die Rechts- und Regelleistungen des Staates sind, abgegeben werden an eine Stiftung, die dann nichts mehr mit dem Parlament zu tun hat? Das halte ich für den falschen Weg. Sie haben diesen wirklich zutiefst falschen Weg schon in der Thüringer Industriebeteiligung begonnen, indem Sie das

in Sondervermögen reingepackt haben, und haben die Leute machen lassen, was sie wollten. Das Geld wurde zum Fenster rausgeworfen, im Parlament wurde darüber nicht geredet und wir haben hinterher nur den Ärger gehabt. Jetzt gehen Sie den gleichen Weg mit dieser Stiftung. Beim Flughafen nachher werden wir es ja hören, da werden Sie dann sagen, das ist eine privatwirtschaftliche GmbH, zwar alles aus Landesmitteln finanziert, und das Parlament wird entwertet.

Meine Damen und Herren, merken Sie gar nicht, dass Sie das Parlament, den Parlamentarismus, entwerten? Deswegen: Sie brauchen nicht vor Kommunisten, weder vor alten noch vor neuen, zu warnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich warne vor Politikern, die den Parlamentarismus immer weiter aushöhlen und dann den Eltern sagen, ihr seid nur aufgehetzt worden. Deswegen werden wir die Eltern, die Träger, die Kommunen unterstützen. Wir werden den Weg mit ihnen gemeinsam gehen und wenn die Eltern der Meinung sind, man sollte eine Volksabstimmung über diese Familienpolitik machen, werden wir sie unterstützten. Wenn Sie nicht aufhören, diesen Irrweg zu gehen, dann werden wir den Weg der Eltern begleiten und unterstützen. Wir können nicht zulassen, dass man eine funktionierende Kindergartenlandschaft, Hortlandschaft, integrative Systeme so zertrümmert, wie Sie es machen. Das ist rückwärts gewandte Politik, Herr Althaus, und die verantworten Sie ganz allein. Deutschland und Thüringen kann sich eine solche Politik nicht erlauben und die Kinder am allerwenigsten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Jetzt hören wir erst mal Ihre Wahrheit über das Gesetz.)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Kollege Ramelow, Sie haben gerade hier am Rednerpult Ihre Maske fallen lassen.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Mir ist absolut klar, warum Ihr Kollege Buse in dieser Woche darauf beharrt hat, dass diese Diskussion heute am Freitagmorgen stattfinden sollte. Sie

wollten Ihren Auftritt, Sie hatten Ihren Auftritt, Sie haben bewiesen, dass es Ihnen hier nicht um dieses Kindergartengesetz ging, um dieses Familienfördergesetz ging,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, Die Links- partei.PDS: Stimmt nicht, Sie wollten …)

Ihnen ging es um billigen Bundestagswahlkampf, um nicht mehr! Herr Ramelow, ich sage Ihnen eines:

(Zwischenruf Abg. Ramelow, Die Links- partei.PDS: Hören Sie auf, die Unwahr- heit zu sagen.)

Wir haben Sie in den vergangenen Jahren hier an diesem Rednerpult erlebt, wie Sie polemisch agiert haben, wie Sie dünnhäutig agiert haben. Ich sage Ihnen, heute haben wir Sie mit demagogischen Argumenten erlebt, was Sie entlarvt. Das, was Sie hier gesagt haben, dass Sie sich hinstellen und sagen, Sie wissen nicht, wie die DDR funktioniert hat, ich sage Ihnen, das mag sein, Sie aber und Ihre linken Genossen wollen da wieder hin. Sie wollen Menschen bevormunden, Sie wollen Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben, und genauso haben Sie hier argumentiert.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ramelow, im Gegensatz zu Ihnen werde ich nachher auf das Familienfördergesetz eingehen, aber ich werde Ihnen vorweg einige Sachen zu dem sagen, was Sie uns hier vorgetragen haben. Sprache ist verräterisch und das ist richtig. Wenn Sie hier vorn stehen und von Geiselhaft von Kindern sprechen, ist das verräterisch. Wenn Sie hier vorn stehen und uns Vorträge halten über die Gesamtsituation im Land, über Abwasser, Wasser, Schulen, aber nicht zum Familienfördergesetz, ist das verräterisch, um was es Ihnen geht. Wenn Sie hier vorn stehen und Eltern zum wiederholten Mal, wie es Kollegen aus Ihrer Fraktion auch schon getan haben, unterstellen, Zigaretten rauchende, saufende Eltern zu sein, die nicht in der Lage wären, sich um Ihre Kinder zu kümmern, ist das schlichtweg falsch. Und dann ist das eine Unterstellung, die die übergroße Mehrzahl der Menschen in diesem Land diskreditiert.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Ich sage Ihnen, da spricht ein ganz tiefes Misstrauen gegenüber Familie und gegenüber Eltern aus dieser Sprache.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, Die Linkspartei.PDS: Wer hat denn so was erzählt?)

Ich sage Ihnen, Sie verstehen wenig von dem, was wir als Kinder- und Jugendhilfegesetz haben. Sie verstehen wenig von den Instrumenten, die wir haben, um Familien zu helfen. Hilfe zur Erziehung, die es gibt, wir müssen uns um Problemfamilien kümmern, aber generell Familien unter diesen Verdacht zu stellen, ist unredlich und wird den Eltern in diesem Staat, in diesem Freistaat Thüringen, nicht gerecht. Sie stellen sich hier hin und erzählen etwas von hungernden Kindern. Wo ist denn Ihre Lebenswirklichkeit?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, Die Links- partei.PDS: Nein, nur gegenüber Ihnen.)

Schauen Sie sich wirklich um in diesem Lande und dann belegen Sie das, was Sie hier sagen, und stellen Sie nicht Argumente in den Raum, die Ihnen nur dazu dienen, Stimmung in diesem Land zu schüren. Wissen Sie, es ist ja klasse, wenn Sie sich hier herstellen und populistische Forderungen aufmachen, wenn Sie sich die Lebenswirklichkeit in den Bundesländern anschauen, wo Ihre Kollegen mit am Ruder sind. Wenn Sie sich anschauen, was die Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Kindertagesstättenbereich gemacht haben, ich werde Ihnen nachher das an Beispielen belegen, dann werden Sie ganz genau wissen und das ja dann auch eingestehen müssen, dass Sie nicht

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Bausewein, SPD: Da freuen wir uns aber.)

in der Lage sind, irgendwelche Konzepte vorzulegen, dass Sie nicht in der Lage sind, Alternativen vorzulegen, und dass Sie genau deswegen auch nicht auf das Familienfördergesetz in Ihrer Rede eingegangen sind. Ich denke, Sie haben sicherlich die Gelegenheit, sich hier noch einmal zu äußern, ich weiß nicht, ob Sie uns hier im nächsten Monat noch erhalten bleiben. Ich sage Ihnen aber, das, was Sie heute hier vorgetragen haben, ich wünsche es mir für dieses Haus nicht. Es tut mir aber Leid um das, was gegebenenfalls dann andere Kollegen ertragen müssen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, Die Links- partei.PDS: Erbärmlich.)

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Geht’s noch ein bisschen tie- fer?)

Herr Matschie, Sie haben in dem, was Sie vorgebracht haben, gemeint, Sie könnten die Lücken aufzeigen, die in unserer Argumentation bestehen. Deswegen gehe ich gerne auf die Argumente ein. Als wir über das nahezu lückenlose System in Thüringen gesprochen haben - das habe ich Ihnen schon beim letzen Mal erklärt -, sind Sie einer derjenigen, die diese, wenn auch geringen Lücken mit zu verantworten haben. Wir hatten ein lückenloses System: Bundeserziehungsgeld, Landeserziehungsgeld, Kindertagesstättenbetreuung, Hortbetreuung. Das habe ich beim letzten Mal gesagt, da waren Sie hier nicht im Raum, da sind Sie rausgegangen. Ich dachte, Sie hätten es nachgelesen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Es geht um die Kindergärten.)

Als das Bundeserziehungsgeld reduziert wurde, so dass nur noch 60 Prozent der Bezugsberechtigten dieses bekommen, haben Sie Verantwortung mitgetragen als Staatssekretär bei Ihren Kollegen in Berlin. Genau deswegen können Sie sich hier nicht anmaßen, darüber zu diskutieren, wie unser lückenloses System in Thüringen aussieht.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben über die Kindertagesstättenförderung gesprochen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Sie haben das Thema verfehlt.)

Ja, ich habe gesagt, wir müssen die Betreuungskapazitäten ausweiten und genau das geschieht mit diesem Gesetz. Wir wollen einen Rechtsanspruch ab zwei Jahren. Ab zwei Jahren, wie die SPD in ihrem Bundestagswahlprogramm fordert, aber - hört, hört - ab 2010, weil die SPD da nicht so forsch ist mit den Forderungen und ganz genau weiß, dass sie nicht in der Lage ist …