Das habe ich auch nicht behauptet. Ich fand es in Ordnung, dass sich jemand bereitgefunden hat. Das Thema ist ja auch ein übergreifendes Thema, Frau Fuchs. Aber es wäre schön gewesen, Herr Zeh, Sie wären länger geblieben. In dieser Veranstaltung ist
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Das war fraktionsübergreifend.)
Ja, ich meine jetzt die Podiumsdiskussion. Das ist ja noch einmal ausführlich diskutiert worden und da hat man schon gesehen, dass Thüringen bei der integrierten Versorgung durchaus noch einen großen Nachholbedarf hat, auch wenn das Ergebnis der Studie, das denke ich, ist richtig, nicht unbedingt darauf deutet, dass es eine Totalverhinderungsstrategie von Kassen oder von Kassenärztlicher Vereinigung oder von Ärzten gibt. Lassen Sie mich mit Blick auf die Intention des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes - oder kurz des GMG - noch einmal zwei Dinge festhalten, die für die bessere Versorgung der Patienten in Thüringen von besonderer Bedeutung sind.
Erstens: Mit der integrierten Versorgung soll das Nebeneinander von Hausarzt, Facharzt, ambulanter Behandlung und stationärer Behandlung zu einem Miteinander umgestaltet werden, zu einem Miteinander, welches für den Patienten nachvollziehbar ist und dessen Ablauf der Patient wesentlich mitbestimmen kann. Es geht also um eine individuelle Behandlung und Betreuung, bei der die medizinischen Berufe, Befunde und Behandlungsziele allen Beteiligten bekannt sind. Wer sich dem Thema intensiver gewidmet hat, der weiß, momentan ist das größte Problem neben möglichen Aversionen zwischen Ärzten, die eher persönlich sind, aber auch nur partiell auftreten, die Frage der Versicherung. Wir werden ja oft mit Doppelbefunden belegt, aus dem einfachen Grund, weil der ambulante Arzt sagt, ich muss den Befund selbst sehen und der stationäre Arzt sagt, ich kann dem nicht unbedingt vertrauen, denn im Versicherungsfalle werde ich dann, wenn ich die Behandlung übernommen habe, zur Verantwortung gezogen. Es geht um eine verbindliche Zusammenarbeit der Ärzte, die von Vertrauen und Wissen in die Kompetenzen der anderen Beteiligten getragen ist. Auf der Kostenseite bedeutet dies die Vermeidung zum Beispiel dieser besagten Doppeluntersuchungen, die ansonsten immer wieder entweder aus Unkenntnis oder aufgrund von Skepsis gegenüber anderen Professionen vorgenommen werden.
Sie alle, meine Damen und Herren, kennen Beispiele für Situationen, in denen Patienten eher als zufälliger Vermittler von Nachrichten zwischen Ärzten, zwischen ambulanter und stationärer Versorgung hin und her irren. Genau das wird durch die integrierte Versorgung vermieden. Es geht zunächst und vor allen Dingen um eine bessere Behandlung und Betreuung der Patienten und es geht um Kostenvermeidung und Effektivierung des Gesundheits
systems. In Thüringen sollten wir aber einen zweiten Aspekt mit berücksichtigen. In strukturschwachen ländlichen Regionen, dort, wo die Versorgung mit Allgemeinmedizinern und Fachärzten eher dürftig ist und zukünftig noch angespannter werden wird, kommt es umso mehr darauf an, die Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärzte und die Zusammenarbeit mit den stationären Einrichtungen auf ein qualitativ anderes, höheres und verbindliches Niveau zu heben. Die integrierte Versorgung kann deshalb nicht den Ärztemangel beheben. Sie bietet aber eine Möglichkeit, um die medizinische Versorgung gerade in strukturschwachen Räumen zu verbessern und zu stabilisieren. Wir hätten also - Frau Dr. Fuchs hat das ja schon erwähnt, welche Probleme wir in den nächsten Jahren definitiv haben werden - allen Grund dazu, die vom Gesetz gegebenen Möglichkeiten offensiv zu nutzen. Und genau da will ich kritisieren.
Herr Minister, Sie hatten in der Presseerklärung vom 20. Juni zu der Veranstaltung der TK die durch die Gesundheitsmodernisierungsgesetzgebung gegebenen Möglichkeiten ausdrücklich gelobt. Das ist in Ordnung, aber Sie hatten dabei allerdings mit keinem Wort das GMG erwähnt und nicht darauf hingewiesen, dass die verbesserten Versorgungsmöglichkeiten für Patienten eben diesen neuen gesetzlichen Grundlagen geschuldet sind. Es kann nicht sein, was nicht sein darf, dass auch die Bundesregierung ein Lob verdient, selbst dort nicht, wo es offensichtlich Vorteile bringt. Stattdessen muss das GMG immer wieder dafür herhalten - und auch da hatten Sie letztens eine Presseerklärung zum Zahnersatz gegeben -, wenn es gegenüber der Öffentlichkeit gilt, die im Bundesrat in aller Regel eben auch mit Ihrer CDU erzwungenen zusätzlichen Belastungen für die Patienten zu kritisieren
Umso mehr freut es mich, wenn der für Gesundheit zuständige Landesminister in seiner bereits genannten Presseerklärung formuliert: „Eine enge Zusammenarbeit aller Verantwortlichen im Gesundheitswesen und eine Verstärkung der integrierten Versorgung bedeutet eine große Chance für unser Gesundheitswesen.“ Dem kann ich unumwunden zustimmen. Die mit § 140 a bis 140 d des SGB V gegebenen Möglichkeiten bedeuten eben tatsächlich eine große Chance für unser deutsches Gesundheitswesen. Ich gebe Ihnen auch ausdrücklich Recht,
wenn Sie in dem abschließenden Satz Ihrer Presseerklärung formulieren: „Diese Chance muss von allen Beteiligten ergriffen werden.“ Einer der Beteiligten ist meines Erachtens - auch wenn es so im Gesetz nicht steht - das zuständige Fachressort der Landesregierung. Wenn Sie nun bei der Tagung in Weimar etwas länger da gewesen wären, dann hätten Sie vernommen, dass es zum Beispiel in den Nachbarbundesländern wie Sachsen-Anhalt zunehmend positive Beispiele gibt. Dort habe ich mir auch sagen lassen, dass zum Beispiel die dortige Kassenärztliche Vereinigung, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Bundesgesetz erwähnt ist, mit einer ganz anderen Strategie an die Thematik der integrierten Versorgung herangeht. Sie befördert sie, sie fühlt sich als Mittler. Ich denke, das kann auch eine Chance sein, diese von Frau Dr. Fuchs angesprochenen Kommunikationsschwierigkeiten oder Umsetzungsschwierigkeiten natürlich ein Stück weit zu vermeiden. Denn wenn die KV sich als Moderator versteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt ist, besteht einfach die Möglichkeit, dass diese Verträge, die mit einzelnen Ärzten geschlossen sind, natürlich auch auf eine viel breitere Ärzteanzahl übertragbar sind und mehr angeboten werden können, also für mehrere Ärzte und nicht nur für Einzelfälle. Ich glaube, genau an der Stelle ist es wichtig, dass das Sozialministerium, das ja auch für Gesundheit zuständig ist, verstärkt in eine Moderatorenrolle schlüpft. Wie gesagt, wir wissen, dass Sie nicht direkten Einfluss nehmen können. Aber wir wissen auch, dass bei anderen Themen, die Ihnen wichtig sind, natürlich auch mal ein Wort mehr gesprochen wird, um auch einmal mehr zu erläutern, welche positiven Auswirkungen es haben könnte, wenn wir die integrierte Versorgung im Lande hätten.
Ich möchte auch an der Stelle verweisen - auch das ist kurz angesprochen worden -, wir haben ja quasi schon einmal eine integrierte Versorgung erlebt. Ich kann das auch nur unterstützen, weil ich selbst in solch einer Gesundheitseinrichtung gearbeitet habe - Krankenhaus und Poliklinik in dem Fall gemeinsam, integriert auch noch die Röntgenabteilung. Sie kennen das aus den vergangenen Jahren, wie viele dieser Abteilungen weggenommen wurden von Gesundheitseinrichtungen, weil es ein Kontingent gab, das nicht zulassen konnte, dass kurze Wege für den Patienten an der Stelle erhalten bleiben. Da war es einfach möglich, dass sich Ärzte mit Zustimmung des Patienten auch austauschen konnten auf kurzem Wege. Ich glaube, das ist für uns gerade im Osten bei mehr Bevölkerungsschwund, bei Überalterung der Bevölkerung die einzige Chance, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern auch eine ausreichende Gesundheitsversorgung garantieren können. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als dieses zu forcieren.
Ich sehe auch, dass die Ärztinnen und Ärzte, die sich 1990 niedergelassen haben, und auch das durfte ich in meiner Funktion als Stadtkämmerer ein Stück weit verfolgen, ich habe also mehreren Ärzten geholfen, die ersten Schritte zu tun, dass dort natürlich gesagt wird, wir können nicht einfach umschwenken. Wir können nicht einfach an jedem Krankenhaus eine Poliklinik einrichten. Wir haben ja auch unsere eigenen Intentionen. Trotz alledem glaube ich, dass es auch ein Nebeneinander geben kann. Man muss nicht ausschließen, dass der niedergelassene Arzt nicht genauso Patienten bearbeiten kann wie daneben am Krankenhaus zum Beispiel auch ambulante Versorgung anzubieten - je nachdem, wie es in einer Region notwendig ist. Da kann man auch kein Konzept über ganz Deutschland legen, sondern man muss sogar kleinräumiger in Thüringen schauen, wo es notwendig ist, solche Zentren mit integrierter Versorgung zu bilden und wo es einfach nicht notwendig ist, weil die Wege kurz sind und die Patienten sich anders artikulieren können.
Ich hoffe, das will ich abschließend sagen, dass wir mit der integrierten Versorgung auch in Thüringen vorankommen. Herr Minister Zeh, Sie hatten einiges erwähnt. Auch da haben wir uns informiert, dass es in Kürze mehrere Verträge geben wird. Das finden wir sehr positiv. Wir würden uns freuen, wenn auch der Verband der Kassenärztlichen Vereinigung an der Stelle aktiv mitwirkt, weil es ganz einfach um die Gesundheitsversorgung geht. Wenn wir sehen, wie das in der Vergangenheit beim Rettungsdienst war, Frau Dr. Fuchs, dann muss ich sagen, da müssen wir an der Stelle gemeinsam noch ein kleines Stückchen arbeiten, denn da sind wir bisher nicht überein gekommen, dass wir nur in einem gemeinsamen Weg den Rettungsdienst am Ende für in Thüringen entlegene Gebiete auch retten können. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sprechen heute über ein Thema, das in der Gesundheitsversorgung ein kleiner Ausschnitt ist. Wir sprechen über 2 Prozent des Gesamtbudgets und wir sollten uns wirklich darauf konzentrieren, was können diese bewirken und was können sie nicht. Erstens möchte ich feststellen, und da möchte ich auf Frau Taubert eingehen, ich denke,
gerade dieses neue System der wirklichen Einzelverantwortung in der medizinischen Versorgung, das wir mit der Wiedervereinigung erreicht haben, hat zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung geführt und trägt ganz entscheidend zur Gesundheitsvorsorge unserer Bevölkerung bei.
Dennoch, sage ich, ist es notwendig, wenn ein System zu starr wird, gerade an den Grenzen darüber nachzudenken. Das war Anliegen gerade dieses Themas „integrierte Versorgung“ zu versuchen, an den Grenzen Schnittstellen zu schaffen, vom starren Topfdenken, aus meinem Sektor herauszukommen und zu sagen, ich kann über die Grenze hinwegkommen. Das liegt aber nicht am Arzt, sondern an dem Finanzierungssystem und darüber müssen wir nachdenken, wie wir das so günstig wie möglich gestalten können und so günstig wie möglich nutzen können, damit es für den Arzt und für den Patienten zu einer ganzheitlichen Versorgung kommt. Ich denke, die hehren Ziele dieser integrierten Versorgung, zur Qualitätsverbesserung beizutragen, um für den Patienten für verkürzte Ausfallzeiten zu sorgen, indem die Wartezeiten zwischen Behandlung vom ambulanten Bereich zum Facharztbereich verkürzt werden oder in der Einführung standardisierter Verfahren - das wissen wir alle und genauso die Vorteile, die die Kassen eigentlich haben sollen. Dennoch stellen wir fest, dass zwar in Deutschland bei der Registrierungsstelle 643 Verträge im März dieses Jahres angemeldet waren mit einem Budgetvolumen von 250 Mio. €, aber in Thüringen damit zögerlich umgegangen wurde. Ich denke, das hatte auch seine Ursachen. Es gibt eine Reihe grundsätzlicher Themen, die von Anfang an eine Grenze darstellen. Diese Grenze beinhaltet vor allen Dingen die Verhandlung immer mit einer Kasse. Was nützt es, wenn ich einen riesigen Aufwand betreiben muss in der Technikvernetzung, in der Weitergabe einer Information, einen Papieraufwand betreiben muss und am Schluss sind es im Jahr gerade fünf Patienten in diesem Einzugsbereich, die es betrifft. Deshalb, denke ich, sind vor allem hier die großen Kassen gefragt, die AOK, und wenn ich Herrn Stackelberg vom AOK-Bundesverband zitiere, der sagt - und ich darf, Frau Präsidentin: „Vollversorgung über Integrationsverträge sei eine völlig unrealistische Vorstellung“, also Vollversorgung, und er warnte vor zu großen Erwartungen und nannte auch eine Reihe von Problemen schon vor einem Jahr. Er sah sie in der Unübersichtlichkeit des Versorgungsgeschehens, in der Flucht, in weniger Komplexpauschalen ohne wirkliche Überwindung der Sektoren und er warnte vor der Entstehung von Doppelstrukturen, einmal durch Einzelverträge und Kollektivverträge, die es sind. Ich denke, dort sind auch ein paar Ansatzpunkte zu suchen, über die man nachdenken muss.
Wenn es uns gelingt, die Bündelung des Vertragsgeschehens wieder dort zu finden, wie es ähnlich bei Krankenhäusern ist, dass eine Kasse die Führungsrolle übernimmt, dann entsteht eine wirkliche Verbesserung an dieser Stelle. Ich bin aber der Meinung, und das hat die Tagung in Weimar gezeigt, in vielen Einzelgesprächen konnte ich nämlich erfahren, dass sehr viele intensive Gedanken hier in Thüringen existieren und Verträge in Vorbereitung sind, wie es der Minister sagte. Nicht die Anzahl der Verträge ist das Entscheidende, sondern die Qualität. Ich denke, darauf müssen wir achten, denn unsere Ärzte haben eigentlich durch ihre Aufgabenfülle schon eine ganze Menge Probleme, gerade in der Versorgung der Patienten. Ich denke, die Ärzte praktizieren diesen Begriff „integrierte Versorgung“, indem es für sie selbstverständlich ist, über ihren eigenen Schatten hinauszudenken und interdisziplinär zu behandeln. Das ist eigentlich das Entscheidende, die Einstellung der Ärzte, ihr Berufsethos ist es, was sie die integrierte Versorgung schon heute praktizieren lässt. Sie haben es verdient, ihnen an dieser Stelle zu danken.
Meine Damen und Herren, wir sind für die Einführung dieser integrierten Versorgung. Wir sehen aber auch ihre Zukunft nur dann als einen wesentlich besseren Beitrag gesichert, wenn die Bürokratie zurückgeht. Vielen Dank.
Danke. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch, damit ist das Berichtsersuchen erfüllt.
Gerechte Beiträge für alle si- chern - solidarische Bürger- versicherung einführen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/969 -
Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Taubert von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben ja gerade darüber gesprochen, der Sozialminister erläuterte im Plenum, welche Versorgungsengpässe
im hausärztlichen und fachärztlichen ambulanten Bereich drohen. Die Thüringer Krankenhausplanung, auch das ist im vorherigen Punkt erwähnt worden, muss nach der Umstellung der Finanzierung auf Fallpauschalen oder DRG's von Betten auf Leistungskennziffern umgestellt werden. Über die integrierte Versorgung haben wir gerade debattiert. Meine Wahrnehmung, es kann schon länger sein, aber seit 15 Jahren ist das deutsche Gesundheitswesen in einem permanenten Reformprozess. Sowohl ambulante als auch stationäre Versorgung einschließlich verstärkter Anstrengungen zur Prävention kosten Geld, ebenso neue Medikamente. Ich will einflechten, es tut mir besonders Leid, dass in Berlin das Präventionsgesetz abgelehnt wurde im Bundesrat. Es wäre schön gewesen, wenn man an der Stelle für diese ganz notwendige Aktion, nämlich Vorsorge statt Behandlung und Nachsorge, etwas mehr Aufmerksamkeit hätte.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Es ist im Vermittlungsausschuss!)
Zu den Grundrechten unserer Bevölkerung gehört unseres Erachtens nach ein Recht auf umfassende medizinische Versorgung, unabhängig vom eigenen Einkommen. Alle reden über die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens, alle reden über Kostensteigerungen im deutschen Gesundheitswesen, alle reden über Beitragsstabilität im deutschen Gesundheitswesen. Aber wie konkret sind die Aussagen für die Zukunft? Deswegen sieht sich die SPD-Landtagsfraktion auch angesichts der diffusen Diskussion innerhalb der CDU in der Pflicht, für Thüringerinnen und Thüringer eine klare Positionierung der Landesregierung zu erreichen. Bitte sagen Sie endlich, ob Sie die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens in Deutschland endgültig und komplett verlassen wollen oder doch den Mut haben, sich gegen platte Ideologien der eigenen Bundesparteispitze zu stellen und eine Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens in paritätischer Form und für alle Einkommensbezieher gleichermaßen mitzutragen. Gerechte Beiträge für alle sichern, heißt, die bisherige Einnahmebasis im Gesundheitswesen durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu stabilisieren. Es gibt keinen Grund, nur bestimmte Einkommensarten als Bemessungsgrundlage herauszusuchen. Derzeit existieren zu viele Möglichkeiten, nur auf einen Teil des Einkommens Krankenversicherungsbeiträge zu bezahlen, aber die komplette Leistung im Krankheitsfall abzurufen. Diese Möglichkeiten sind in hohem Maße ungerecht und schaden der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten. Deshalb muss das derzeitige Krankenversicherungssystem weiterentwickelt werden. Mit einer solidarischen
Bürgerversicherung werden die bisherigen Finanzierungsgrundlagen unseres Gesundheitswesens auf eine stabilere Basis gestellt. Wichtig ist, alle zahlen ein und dafür sind alle versichert. Keiner kann sich der Einzahlung entziehen und besteht im Notfall erfolgreich darauf, von der Gemeinschaft der Steuerzahler versorgt zu werden. Jeder zahlt auf Basis seines Einkommens ein. Keiner kann sich mit findiger Armrechnerei aus seiner persönlichen Verantwortung stehlen. Familien, und dabei vor allem die Kinder, wirken bei der Krankenversicherung nicht belastend für eine Familie, sondern werden kostenlos mitfinanziert, da sie kein Einkommen haben. Jeder Mensch hat in Deutschland ein Recht auf umfassende Versorgung im Krankheitsfalle. Dass das deutsche Gesundheitswesen viel besser als sein Ruf ist, beweist die Tatsache, dass Deutsche, die sich im Ausland aufhalten, gern zu umfangreicheren Behandlungen die Heimat wieder aufsuchen. Deshalb ist jeder Bürger und jede Bürgerin aufgefordert, entsprechend seinem Einkommen auch umfänglich seinen Beitrag für den Erhalt des Gesundheitssystems zu leisten. Darüber hinaus halten wir es für gerecht und notwendig, dass auch Arbeitgeber als direkte Nießbraucher menschlicher Arbeit ihren Beitrag zur Gesundheitserhaltung derselben paritätisch beitragen. Der Thüringen-Monitor beweist, dass auch unsere Bürgerinnen und Bürger einen gerechten Ausgleich innerhalb der Gesellschaft vom Sozialstaat erwarten. Sie wissen, dass bereits heute allein die soziale Herkunft bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit des Einzelnen und damit seine Lebenserwartung hat. Dies darf nicht noch durch eine ungerechte Beteiligung an den Kosten für Gesundheit verschärft werden. Die Thüringer Landesregierung hat die Möglichkeit, über den Bundesrat entscheidend an der Ausgestaltung der deutschen Gesundheitsversorgung mitzuwirken und die Vergangenheit hat gezeigt, wie entscheidend der Bundesrat mittlerweile geworden ist. An der für alle Bürgerinnen und Bürger vor allem in den letzten Jahren deutlich sichtbaren und sehr direkten Einflussnahme der Thüringer Landesregierung auf die Bundesgesetzgebung bestehen deshalb ja wohl auch keine Zweifel. Es ist damit eindeutig auch die Aufgabe der Landesregierung, über den Weg des Bundesrats das solidarische und gerechte Finanzierungssystem unseres Gesundheitswesens zu sichern. Die bisherigen Äußerungen sowohl der CDU allgemein als auch des Ministerpräsidenten und des Thüringer Ministers für Soziales, Familie und Gesundheit insbesondere lassen jedoch erkennen, dass dieser solidarische Weg verlassen werden soll. Abgesehen davon, dass es in keinem Fall solidarisch ist, wenn zum Beispiel Chef und Sekretärin die gleiche Pauschale - man geht ja momentan von 109 € aus …
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Das steht nicht drauf, der Chef muss nicht das Gleiche bezahlen wie seine Sekretärin. Wo haben Sie denn das nur her?)
Sicherlich, steht doch drauf, jeder zahlt zunächst das Gleiche, 109 €. Sehen Sie doch auf Ihre Internetseite, dann werden Sie das sehen. Aber Sie können mich auch gerne korrigieren, Herr Dr. Zeh. Also jeder, auch wenn Sie es Gesundheitsprämie nennen, eben eine Kopfpauschale zahlen soll. Gerade Familien mit Kindern sollen nach den bisher bekannten Plänen der CDU durch die Zahlung pro Kopf der Familie, zusätzlich zu allen anderen auch durch die Thüringer Landesregierung gerade in Arbeit befindlichen beträchtlichen Belastungen für junge Familien mit Kindern, weiter unverhältnismäßig belastet werden. Die Gerechtigkeit wiederherstellen zu wollen, indem man die höheren Steuerbeteiligungen höherer Einkommen heranziehen will, zeugt zudem von wenig Kenntnis des derzeitigen deutschen Steuersystems. Nur die Streichung aller Steuervergünstigungen und Absetzungsmöglichkeiten würden den gleichen Effekt haben wie die Heranziehung der Krankenversicherten mit dem Bruttoeinkommen. Da dies in der CDU aber nicht gewollt ist, werden durch die CDU-Kopfpauschale die Bezieher von geringerem Einkommen eben doch überproportional belastet. Ich sage, das ist eine Familienoffensive der neuen Art. Der Ehrliche wird bei der Kopfpauschale wieder einmal der Dumme sein. Auch ein Wort zum Verwaltungsaufwand oder, wie wir landläufig sagen, zur Bürokratie. Die bisherige Verfahrensweise, die Beiträge zur Krankenversicherung über Lohn oder Gehalt zu ermitteln und abzuführen, ist nachweislich die effizienteste und die zeitnaheste Methode, für die Gesundheitsversorgung notwendige Finanzen zur Weitergabe an die Leistungserbringer zu erlangen. Nachlaufende Besteuerungen gehen, wenn überhaupt, ein Jahr nachlaufend ein. Wer bezahlt in dem Jahr die Krankenschwester oder die Ärztin, wer das Medikament oder den Apotheker? Hinzu kommt, dass die Einführung einer Bedürftigkeitsprüfung Geld statt für Gesundheit in Bürokratie bindet. Das macht unser System kranker als es ohnehin schon ist. Wir wollen Gesundheit für alle, ob arm oder reich, zu einem fairen Preis für alle. Es darf keine Gnade der richtigen Geburt geben. Und deshalb, Herr Althaus, sehr geehrte Damen und Herren von der Landesregierung, aber auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, zeigen Sie, ob Sie das auch wollen. Unterstützen Sie unseren
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns heute mit einem Antrag der SPD, der die Landesregierung auffordert, sich für ein neues Strukturmodell in der Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflegeversicherung einzusetzen. Ja, darin stimmen wir überein: Wir brauchen für das Gesundheitswesen eine grundsätzliche Reformierung. Das Besondere an dem Antrag ist, dass sich die CDU-Landesregierung im Bundesrat für die Einführung ihrer Vorstellungen zur Reform des Gesundheitswesens einsetzen soll, obwohl im Bundesrat nach meinem Wissen kein Gesetzentwurf der Bundesregierung mit diesem Anliegen vorliegt. Das ist nicht nur formal fragwürdig, sondern zeugt auch von wenig Vertrauen in die eigene Kraft der SPD im Bund.
Wir erleben diese Kraftlosigkeit ja gerade heute mit der angekündigten Erklärung des Bundeskanzlers und seiner gescheiterten Politik.
Meine Damen und Herren, Sie fordern die Landesregierung auf, Sie zu unterstützen, weil die SPDBundesregierung nicht dazu oder bald nicht mehr in der Lage ist. Das ist fatal, meine Damen und Herren. Die derzeitige Bundesregierung war unfähig oder sie glaubt selbst nicht an ihr Konzept, sonst hätte ja Frau Schmidt selbst dieses Konzept schon eingebracht. Es ist Sache des Bundestags, dieses Anliegen einzubringen. Der Landtag sollte sich auf seine eigenen Aufgaben konzentrieren, und ich zitiere an dieser Stelle Herrn Eberhard Pfeiffer von der TA, der in seinem gestrigen Artikel mit der Überschrift „Schweinsgalopp“ die derzeitige Landtagssitzung beschreibt. Frau Präsidentin, ich darf daraus zitieren: „Aber da ist auch die künftige Organisation der deutschen Krankenversicherung, bei der ein Thüringer Landtag so viel mitzureden hat wie beim Bebauungsplan von Bern.“ Meine Damen und Herren von der SPD, ziehen Sie Ihren Antrag zurück, ich denke, das ist glaubwürdiger.
Lassen Sie mich dennoch kurz auf den Inhalt Ihres Antrags eingehen. Der sehr populistisch klingende Name „solidarische Bürgerversicherung“ täuscht ein gerechtes Modell vor. Bereits die Bezeichnung gleicht dem Bild vom weißen Schimmel, da ja der Begriff „Bürgerversicherung“ bereits das Synonym „solidarisch“ beinhaltet. Denn grundsätzlich ist jedes ausgleichende Versicherungsmodell solidarisch angelegt. Das von Ihnen propagierte Versicherungsmodell täuscht eine scheinbare Rettung der gesetzlichen Krankenversicherung vor, indem sie mehr Beitragszahler in das Boot holen wollen. Das ist jedoch ein Irrglaube, denn wenn Sie mehr Beitragszahler haben, dann haben Sie auch mehr Leistungsempfänger. Der Esel, der nicht frisst, dafür aber Golddukaten ausspuckt, den gibt es nicht. Man überträgt nicht ein marodes System von 90 Prozent der Bevölkerung auf 100 Prozent der Bevölkerung. Ihr rettendes Boot, die solidarische Bürgerversicherung, hat offensichtlich ein gewaltiges Leck.
Meine Damen und Herren, die Bürgerversicherung setzt am falschen Punkt an, Sie sollten den Blick viel mehr auf die beschäftigungsfeindlichen Wirkungen der Lohnnebenkosten richten. Krankenkassenbeiträge, die sich in der Hauptsache an den Arbeitseinkommen orientieren, besteuern Arbeit stärker als andere Produktionsfaktoren und wirken sich so negativ auf Beschäftigung und Wachstum aus. Das führt zu Einkommensverlusten in den gesetzlichen Krankenversicherungen. Nur eine vollständige Entkopplung der Finanzierung der GKV vom Arbeitseinkommen kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Deshalb sprechen wir, die CDU, uns für ein solidarisches Gesundheitsprämienmodell aus,