Protocol of the Session on June 3, 2005

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Reimann, PDS-Fraktion, in der Drucksache 4/918, vorgetragen durch Abgeordneten Buse.

Danke, Frau Präsidentin.

Sozialkundelehrer in Sonderstellung?

Frau Reimann formuliert in ihrer Anfrage: In meinem Abgeordnetenbüro wurden mir im Zusammenhang mit der Unterrichtsplanung für das Fach Sozialkunde im nächsten Schuljahr folgende Fragen gestellt:

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass es seit 1992 eine Anweisung gibt, wonach ehemalige Freundschaftspionierleiter und Staatsbürgerkundelehrer keinen Sozialkundeunterricht erteilen dürfen?

2. Wenn ja, für welche Schulformen wurde bzw. wird diese Anweisung umgesetzt?

3. Können Kollegen, die entgegen dieser Anweisung bisher Sozialkundeunterricht erteilten, eine Bewährungschance bzw. Duldung ableiten?

4. Gibt es eine erneute Anweisung für das kommende Schuljahr, ehemaligen Freundschaftspionierleitern und Staatsbürgerkundelehrern die Erlaubnis zum Unterricht zu entziehen, wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert diese?

Danke schön. Es antwortet Staatssekretär Eberhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Reimann beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es trifft zu, dass Lehrer mit Lehrbefähigung zur Erteilung von Staatsbürgerkundeunterricht an der Polytechnischen Oberschule der ehemaligen DDR und Lehrer mit Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter über keine Lehrbefähigung zur Erteilung des Faches Sozialkunde verfügen. Grundsätzlich werden zur Erteilung von Unterricht in Sozialkunde - wie in allen anderen Fächern auch - soweit vorhanden, vorrangig entsprechend qualifizierte Lehrer eingesetzt, die über eine durch eine staatliche Prüfung erworbene Lehrbefähigung oder eine Unterrichtserlaubnis verfügen. In den Thüringer Verordnungen über die Erste Staatsprüfung vom 6. Mai 1994 für die einzelnen Schularten ist geregelt, dass im staatlichen Schuldienst beschäftigte Lehrer mit einer Lehrbefähigung als Staatsbürgerkundelehrer oder einer Befähigung als Freundschaftspionierleiter keine Erweiterungsprüfung für die Fächer „Evangelische Religionslehre“, „Katholische Religionslehre“, „Ethik“, „Sozialkunde“ oder „Geschichte“ ablegen können. Die berufsbegleitende Weiterbildung zum Erwerb einer Lehrbefähigung in diesen Fächern ist somit nicht möglich. Diese Bestimmungen haben weiterhin Gültigkeit. Ausnahmsweise erfolgten Zulassungen zu entsprechenden Erweiterungsprüfungen aus Vertrauensschutzgründen in den Fällen, in denen das zuständige Schulamt zu Unrecht der Teilnahme von Staatsbürgerkundelehrern und Freundschaftspionierleitern an einer Weiterbildung zum Erwerb einer Unterrichtserlaubnis zustimmte und eine entsprechende Immatrikulation an einer Hochschule erfolgte. Staatsbürgerkundelehrer und Freundschaftspionierleiter konnten und können an Weiterbildungen in den eben genannten Fächern zum Erwerb einer Unterrichtserlaubnis, sofern solche noch angeboten werden, ebenfalls nicht teilnehmen. Lehrern, die zu Unrecht zu einer Weiterbildung in diesen Fächern zugelassen wurden, wurde bei Vorliegen von Vertrauensschutzgründen das Ablegen einer Lehrprobe zum Erwerb einer Unterrichtserlaubnis gestattet und eine entsprechende Bescheinigung durch das Thüringer Kultusministerium ausgestellt. Ehemaligen Staatbürgerkundelehrern und Freundschaftspionierleitern war und ist es möglich, eine grundständige Lehrerausbildung einschließlich Vorbereitungsdienst im Fach Sozialkunde und den anderen oben genannten Fächern zu absolvieren.

Zu Frage 2: Die vorbezeichneten Weiterbildungsregelungen gelten für alle Schularten.

Zu Frage 3: Die Unterrichtserlaubnis selbst begründet keinen Anspruch auf Erteilung von Unterricht in diesen Fächern. Sie hat keine besoldungs- oder statusrechtliche Bedeutung. Wer über eine nach neuem Recht erworbene Lehrbefähigung in Sozialkunde verfügt, wird entsprechend eingesetzt.

Zu Frage 4: Eine Anweisung zum Entzug der durch das Thüringer Kultusministerium bereits ausgestellten Bescheinigung über die Erteilung einer Unterrichtserlaubnis existiert nicht.

Danke, gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Matschie, SPD-Fraktion, Drucksache 4/919.

Der Thüringer Ministerpräsident und das "neue Steuerrecht für Deutschland"

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 26. Mai 2005 kündigte der Thüringer Ministerpräsident eine "Gesamtreform" an und versprach für das kommende Jahr ein "neues Steuerrecht für Deutschland". Dies hätte immer auch konkrete Auswirkungen auf die Landesfinanzen.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

1. Was versteht der Thüringer Ministerpräsident unter einem Steuerrecht "ganz neuer Prägung"?

2. Nach den Worten des Ministerpräsidenten hat Deutschlands Steuerrecht "eine ganze Menge von Anreizwirkungen, die geradezu negativ wirken". Welche sind das konkret?

3. Welche einzelnen Steuerprivilegien sollen abgeschafft werden und in welchem Umfang soll die Steuerlast insgesamt sinken?

4. Wie wirken sich die Vorschläge des Ministerpräsidenten zur Senkung der Steuerlast auf den Thüringer Landeshaushalt aus?

Danke, es antwortet Ministerin Diezel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Matschie wie folgt:

Bevor ich jedoch auf die einzelnen Fragen eingehe, erlauben Sie mir einige grundlegende Ausführungen und Anmerkungen. Der Herr Ministerpräsident hat in dem zitierten Interview für den Fall einer Regierungsübernahme durch die Union ein umfassendes Zukunftsgesetz für Deutschland angekündigt. Ein wesentliches Element dieses Gesamtpakets ist eine grundlegende Steuerreform. Danach dürfen nach Auffassung der Landesregierung nicht einzelne Maßnahmen herausgegriffen und einer isolierten Lösung zugeführt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ein stimmiges Gesamtkonzept umzusetzen, welches neben dem Steuerrecht die Reform der sozialen Sicherungssysteme und des Arbeitsmarkts sowie die Deregulierung und Entbürokratisierung enthält.

Nun zu Frage 1: Das gegenwärtige Steuerrecht ist nicht mehr reparierbar. Hierzu hat der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Paul Kirchhof festgestellt - ich zitiere: „Wenn man immer wieder ein Fahrzeug reparieren soll, das nicht mehr zu reparieren ist, dann will man ein völlig neues Modell auf die Straße bringen“. Grundlage dieses neuen Modells stellt das "Konzept 21" der CDU/CSU dar. An erster Stelle steht dabei die Steuervereinfachung und damit die weitgehende Befreiung des Steuerrechts von Lenkung und Subventionstatbeständen.

Zu Frage 2: Unbestritten ist, dass das gegenwärtige Steuerrecht systematische Schwächen enthält, die zum Teil durch Fehlallokationen von Kapital in steuerlich motivierte, wirtschaftlich aber nicht sinnvolle Investitionen führen. Steuersparmodelle wie Schiffsfonds in Asien oder Videogamefonds in erster Linie zielen darauf ab, ihren Anlegern steuerliche Verluste zuzuweisen, lassen regelmäßig eine attraktive Rendite nur unter Einbeziehung des Steuerspareffekts zu. Zu negativen Anreizwirkungen kann auch die bisher geltende nicht rechtsformneutrale Besteuerung von Unternehmen führen. Insgesamt sollte das Steuerrecht für wirtschaftliche Entscheidungen eine neutrale Grundlage bilden.

Zu Frage 3: Wie bereits erwähnt, ist das deutsche Steuerrecht grundlegend zu reformieren. In diesem Zusammenhang steht jede Subventions- und Lenkungsnorm auf dem Prüfstand. Dabei wird auf die soziale Ausgewogenheit der Belastungswirkung zu achten sein. Es wäre daher falsch, hier bereits einzelne Maßnahmen herauszugreifen, da dies nur im Rahmen des Gesamtkonzepts beantwortet werden kann. Die einzelnen Entlastungswirkungen sind im Zusammenwirken von direkten und indirekten Steuern sowie von Arbeitskosten zu sehen.

Zu Frage 4: Ziel des Gesamtpakets ist es, die Wachstumskräfte in Deutschland zu stärken und damit für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das ist

die wichtigste Voraussetzung für die Verbesserung der Einnahmesituation von Bund, Ländern und Kommunen. Daraus ergeben sich positive Effekte für die öffentlichen Haushalte durch Senkung der Ausgaben und Erhöhung der Steuereinnahmen.

Danke. Es gibt eine Nachfrage. Abgeordneter Matschie.

Frau Finanzministerin, Sie haben auf ein Gesamtpaket verwiesen, aber auch ein Gesamtpaket besteht natürlich aus einzelnen Maßnahmen und einige werden ja schon in der Öffentlichkeit diskutiert bzw. sind in dem von Ihnen angesprochenen „Konzept 21“ beschlossen worden. Wie steht die Thüringer Landesregierung zur Abschaffung der Feiertags- und Nachtzuschläge und zur Kürzung der Pendlerpauschale? Wollen Sie die Abschaffung der Steuerfreiheit von Feiertags- und Nachtzuschlägen und wollen Sie die Kürzung der Pendlerpauschale, so wie es die CDU in ihrem „Konzept 21“ vorsieht?

Herr Abgeordneter Matschie, die CDU Thüringen steht zum „Konzept 21“. Wir haben das Merz-Konzept auf dem Leipziger Parteitag verabschiedet, das dann mit der Union und der CSU zum „Konzept 21“ zusammengeführt wurde, und in diesem Konzept ist die Abschaffung von vielen Sondertatbeständen entalten. Sie selbst waren bei dem Vortrag von Prof. Kirchhof mit dabei. 480 Sondertatbestände im Einkommensteuerrecht - all diese Sondertatbestände werden auf ein Minimum zusammengestrichen und die Senkung der Steuersätze, das ist im Zusammenhang zu sehen und nicht einzelne Sondertatbestände, weil sie eine bestimmte Lobby oder Klientel bedienen, herausgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine zweite Nachfrage.

Ich habe eine zweite Nachfrage: Welche Rolle spielt in Ihrem Konzept die Ökosteuer? Soll die Ökosteuer abgeschafft werden oder so beibehalten werden, wie wir sie jetzt haben?

Die Ökosteuer oder die Energiebesteuerung in Deutschland ist über die Maßen hoch gegenüber Vergleichsländern, Nachbarländern. Sie hat keine wirtschaftsmotivierenden oder viel mehr demotivierende Wirkungen auf die Wirtschaft, aber auch diese Ökosteuer ist im Gesamtpaket zu sehen.

Es gibt eine weitere Nachfrage. Abgeordneter Höhn.

Frau Ministerin, im Zusammenhang mit dem erwähnten Steuerkonzept 21: Wie steht die Thüringer Union zur Frage der Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Da könnte ich jetzt genau dieselbe Antwort wieder fassen. Ich habe in meiner Antwort zu Nummer 3 auf die direkten und indirekten Steuern hingewiesen. Wichtig ist es, dass wir das Gesamtkonzept betrachten und wir als Thüringer Landesregierung haben uns schon mehrfach zur Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen, und zwar dagegen, weil wir alles andere brauchen als Steuererhöhungen, sondern Steuersenkungen, auch im Vergleich zu den direkten Steuern, und hier brauchen wir das Gesamtkonzept. Das muss durchgerechnet werden. Trotzdem bleibt die Steuervereinfachung und keine Steuererhöhung die Grundlage unseres Steuerkonzepts.

Danke. Es gibt noch eine Nachfrage. Ich verweise darauf, dass die Anfragen sich selbstverständlich nur an die Thüringer Landesregierung richten können. Abgeordneter Dr. Pidde.

Frau Ministerin, wie erklären Sie denn die Kehrtwende bezüglich der Anreizwirkung bei der Eigenheimzulage, die jetzt ja offenbar abgeschafft werden soll in diesem Konzept?

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Nicht soufflieren.)

Er muss da nicht soufflieren, weil ich gerade hinsichtlich der Eigenheimzulage unmittelbar vor zwei Jahren in der Untergruppe des Vermittlungsausschusses mit tätig war und die Diskussion miterlebt

habe zwischen A und B, wo man immer wieder die Eigenheimzulage herausgegriffen hat als einen Tatbestand, weil natürlich, wenn man die Summe anschaut, die damit erzielt werden könnte oder die eingespart werden könnte, interessant ist. Aber gerade die Eigenheimzulage gehört in ein Gesamtkonzept. Die Bundesregierung wollte damals die Eigenheimzulage nehmen, um wieder einen anderen Fördertatbestand aufzubauen, zum Beispiel Energie, wieder regenerative Energien. Das war vor allen Dingen von Frau Scheel, kann ich mich damals noch sehr gut erinnern, ein Punkt, wo man zusätzliche Sondertatbestände geschaffen hat im Steuerrecht und die dann mit der Abschaffung eines anderen finanziert hat.

Danke schön. Weitere Nachfragen können nicht gestellt werden. Damit komme wir zur nächsten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Buse, PDSFraktion, in Drucksache 4/878.

Anwendung entsprechender Verwaltungsvorschriften für die spezialisierten Förderschulen, die das JugendSozialwerk Nordhausen e.V. betreibt

Durch die Anwendung der Verwaltungsvorschrift für die Organisation der Schuljahre 2003/2004 und 2004/2005 vom 28. Januar 2003 haben sich nach eigenen Darstellungen für die Förderschulen in Trägerschaft des JugendSozialwerkes Nordhausen e.V. erhebliche Probleme ergeben.

Bei den Berechnungen der Stundenzeiten für die erste und zweite Klassenstufe sind als Berechnungsgrundlage die Werte der Grundschulen herangezogen worden, das heißt, es wurden lediglich 4,5 Prozent der Schüler als förderfähig berücksichtigt. Damit soll die Tatsache, dass für jeden Schüler der Förderschule des Trägers ein sonderpädagogisches Gutachten vorliegt, welches ein Förderbedürfnis nachweist, unbeachtet geblieben sein.