Hier noch einige zusätzliche Details - zunächst die Zeitschiene: Die Entwurfsfassung soll bis September 2006 zur Erprobung vorliegen und ab 2008 systematisch implementiert werden. Bereits im Vorfeld ist der Fachbeirat um eine hohe Akzeptanz bemüht. Die zweijährige Erprobung wird durch eine Evaluierung begleitet. Eine intensive Qualitätsentwicklung ist an unseren Kindergärten bereits in vollem Gange. Die Enquetekommission verbindet mit dem Bildungsplan zu Recht auch die Hoffnung, milieubedingte Benachteiligung im Kindergarten teilweise ausgleichen zu können. Im Projekt „Förderung von Kindern mit besonderen Lernschwierigkeiten im Schriftspracherwerbsprozess werden die Möglichkeiten der Sprachförderung im Kindergarten untersucht. Es liegen bereits erste durchaus positive Zwischenergebnisse vor. Thüringen nimmt am BLK Verbundprojekt „Stärkung der Bildungs- und Erziehungsqualität in Kindertagesstätte und Grundschule und Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule“ teil. Dieses Projekt soll spezielle Curricular- und Förderkonzepte entwickeln, verbunden mit der Fortbildung für Pädagogen und der Förderung einer wirkungsvollen Zusammenarbeit mit Lehrern. In diesem Zusammenhang verdient auch die Innovationspartnerschaft mit der Fa. Microsoft, die wir heute unterzeichnet haben, Erwähnung. Auch hier werden künftig Kindergärten zusätzlich mit entsprechendem Equipment ausgestattet werden können, um die Entwicklung der Sprachfähigkeit zu fördern.
ist als Methode und Ziel einer der Grundpfeiler des Bildungsplans. Die Schule soll die jeweilige Kinderbiographie berücksichtigen. Vernetzung von Bewegungs- und Musikerziehung, Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Sportvereinen sowie Musikschulen, auch das war eine der Empfehlungen. Wir haben in Thüringen eine enge Kooperation zwischen dem Landessportbund und Thüringer Kindertageseinrichtungen aufgebaut. Eine gute Zusammenarbeit entwickelt sich zwischen Kindergärten und den kommunalen Musikschulen.
Die Enquetekommission will den nationalen Kriterienkatalog zum Maßstab des pädagogischen Profils von Kindertageseinrichtungen erheben. Dieser nationale Kriterienkatalog ist in Thüringen Grundlage für die Ausbildung der Multiplikatoren, die bis 2007 mit ihrem Angebot in Arbeitskreisen alle Kindertagesstätten in Thüringen erreichen werden. Dieser Katalog wird durch den Bildungsplan und weitere Aspekte erweitert. Wir entwickeln diesen Bereich schon über den Rahmen der Enquetekommission hinausgehend weiter. Die Kommission mahnt mehr Qualität bei der Fortbildung des Personals in Kindertagesstätten an. Viele Träger organisieren für ihre Mitarbeiter qualitativ hochwertige Fortbildungsveranstaltungen. Das Land wird seinerseits ein strukturiertes Programmangebot entwickeln. Hierzu gibt es einen Abstimmungsprozess zwischen dem Kultusministerium, Sozialministerium und Landesjugendamt. Das ThILLM wird die Koordinierung der Fortbildungsmaßnahmen übernehmen. Der erste Fortbildungskatalog liegt inzwischen vor.
Wir haben eine Arbeitsgruppe Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals eingesetzt, die Empfehlungen zur Reform der Lehrer- und Pädagogenausbildung erarbeiten soll. Bis Mitte 2006 wird ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegen. Ziel ist es, korrespondierend mit der weiteren qualitativen Verbesserung der Erziehung und Betreuung unserer Kinder auch die Qualität der Ausbildung des pädagogischen Personals entsprechend zu verbessernd. In die Arbeit sind auch Thüringer Hoch- und Fachhochschulen integriert sowie externe Sachverständige eingebunden. Die neue Verordnung zur Erzieherausbildung wird dem Landtag in Kürze zugeleitet.
Zum dritten Bereich der Empfehlung - Schule und ihre Partner: Wir betreiben im Sinne der Empfehlung systematisch eine Öffnung der Schule gegenüber Eltern, gegenüber der Kommune, eine Öffnung hin zur Wirtschaft, zu Vereinen, zur Jugendarbeit. Die Schule soll intensiv mit den Partnern vor Ort kooperieren, sich in den sozialen Nahraum einbringen. An Maßnahmen zur Stärkung der Ausbildungsfähigkeit an den allgemein bildenden Schulen nenne ich Schülerbetriebspraktika, das Qualitätssiegel „berufswahl
freundliche Schule“, den Berufswahlpass in Zusammenarbeit mit der Landesarbeitgemeinschaft Schule/Wirtschaft Thüringen, Projekte in Kooperation mit den Kammern, wie Berufsstart, aber auch das Projekt „Schülerfirmen“. Beim Punkt „Schule und Partner“ gibt es auch die Forderung nach bildendem Lernen. Eine Antwort darauf ist das Entwicklungsprogramm „EULE“, das mit Unterstützung der BoschStiftung bis 2008 an allen interessierten Schulen gesichert ist. In diesem Zeitraum werden wir auch die Voraussetzungen für das notwendige Unterstützersystem schaffen. Nach einer Evaluation entscheiden wir, ob eine Verlängerung bis 2010 möglich ist.
Zum Punkt „Vielgestaltige Bildungslandschaft“ - auch eine wichtige Empfehlung - sei an das MontessoriDiplom am ThILLM oder an die Förderung von Projekten zur Ausstattung mit Montessori-Material, an den Schulversuch Jenaplan mit Konsequenzen für das Schulgesetz, zum Beispiel bei der organisatorischen Verbindung von Grundschule und Regelschule, erinnert. Wir sollten den Aspekt „Leistungsfähigkeit“ im Umgang mit einer heterogener werdenden Schülerschaft bei der Schulentwicklung berücksichtigen - so eine weitere Handlungsempfehlung. Das haben wir mit einer veränderten Schulordnung für die Regelschule getan, bei der wir unsere Erkenntnisse aus verschiedenen Schulversuchen genutzt haben. Ich denke an den Schulversuch Lobdeburg, aber auch in Schmiedefeld, dann die integrierte Gesamtschule Erfurt oder auch Projekte am Gymnasium Lengenfeld unterm Stein. Auch die veränderte Schuleingangsphase mit mehr Flexibilität kommt einer heterogener werdenden Schülerschaft entgegen. Zur Individualisierung des Unterrichts haben wir am ThILLM eigens eine Arbeitsgruppe für Schulleiter eingerichtet.
Zum Stichwort - Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Seit Januar 2005 ist die neue Verwaltungsvorschrift „Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunftssprache“ in Kraft; die Förderung von Migrantenkindern erfolgt demnach individuell nach dem Grad des sprachlichen Fortschritts. Nach Einführung des neuen Lehrplans „Deutsch als Zweitsprache“ haben wir für Lehrer eigene Fortbildungsangebote entwickelt. Die Stärkung interkultureller Kompetenzen bei Lehrern und Schülern ist ein Aspekt im Konzept für Mehrsprachigkeit an Thüringer Schulen. Wir geben hiermit eine Antwort auf den KMK-Bericht zur Zuwanderung aus dem Jahr 2002. Das ThILLM hat bereits mit den ersten Fortbildungskursen für das Konzept Mehrsprachigkeit begonnen. Die seit dem Schuljahr 2003/2004 eingesetzten Regionalberaterteams zur schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen nicht deutscher Herkunftssprache arbeiten mit zahlreichen anderen Institutionen eng zusammen, um ein umfassendes Netzwerk zur Integration von Migran
Meine Damen und Herren, Anreize für Schulentwicklung, so lautet eine weitere Empfehlung. Unser Entwicklungsvorhaben „eigenverantwortliche Schule“ ist unser Hauptbeitrag zur Schulentwicklung. Wir haben ein systematisches Unterstützungssystem der Schulen aufgebaut. Ich nenne noch einmal die Stichworte EULE, INIS oder EFQM (European Founda- tion for Qualitiy Management). Mit diesen Instrumenten zur Prozessqualität bieten wir verlässliche Unterstützung des Schulentwicklungsprozesses über mindestens drei Jahre. Schule als lernende Einrichtung zu begreifen, auch dies ist Praxis in Thüringen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, gesetzliche Regelungen durch einen Schulversuchsantrag und im Rahmen des Entwicklungsvorhabens „eigenverantwortliche Schule“ außer Kraft zu setzen. Jede Schule ist antragsberechtigt. Hier gibt es Freiräume für die Schule vor Ort, die genutzt werden können. Zurzeit läuft die erste Runde des Entwicklungsvorhabens. Die Resonanz ist positiv. Noch in diesem Schuljahr werden die ersten Expertenteams aktiv.
Evaluation für die Schuleingangsphase: Auch diese Empfehlung setzen wir um. Mit dem Schuljahr 2005/2006, also ab Herbst dieses Jahres, wird unter dem Projekttitel „begleitete Grundschule“ eine so genannte formative Evaluation, also eine begleitende, unmittelbar rückmeldende Evaluation stattfinden. Einer Anregung der Enquetekommission folgend werden wir bei Lehramtsanwärtern und Lehramtsstudenten eine Werbekampagne zur Gewinnung von Förderschullehrern starten. Wir haben den Schulversuch „praktische Berufsorientierung“ an Förderschulen auf den Weg gebracht. Wir denken auch über eine grundständige Förderschulausbildung nach.
Ein Wort zu den Kommissionempfehlungen zur Ganztagsschule: Im Rahmen des Konzepts Bildung und Betreuung entwickeln wir die ganztägigen Angebote weiter, offene Ganztagsschulen und voll gebundene Ganztagsschulen; die positiven Evaluationsergebnisse der Schuljugendarbeit werden in dieses Vorhaben integriert. Bei der Schuljugendarbeit entwickeln die Schulen gemeinsam mit dem Schulträger und dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Kooperationsmodelle, die ein langfristiges Ganztagsangebot sichern. Die Modalitäten der Schuljugendarbeit werden an die Verfahrensweise der Jugendpauschale unter Beibehaltung der inhaltlichen Eigenständigkeit angeglichen.
Im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Schulentwicklung komme ich zur Forderung nach Evaluation der Kompetenzentwicklungsbögen. In jährlichen Fachtagungen mit Schulamtsreferenten, Fachleitern und Schulleitern werden Wirksamkeit und Qua
lität auf der Grundlage von kontinuierlicher Begleitung der Schulen und gesonderter Befragung mit einem Leitfaden gemeinsam eingeschätzt und beraten. Diagnosefähigkeit durch differenzielle Analyse und Vergleiche zu fördern, auch das ist eine Forderung der Enquetekommission. Eine wichtige Funktion kommt hier den Kompetenztests in der Klassenstufe 3 und 6 zu. Hier arbeitet der schulische Bereich eng mit dem Team Kompetenztest.de an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena zusammen.
Noch einmal zum verständnisintensiven Lernen: Das Entwicklungsprogramm „EULE“, Entwicklungsprogramm für Unterricht und Lernqualität, wird mit 1.500 € Sachmitteln sowie mit Erhöhung des Fortbildungsbudgets für jede beteiligte Schule gefördert. Zudem wird die Beurlaubung von Herrn Prof. Fauser an der Universität Jena finanziert und es gibt Lehrerabordnungen an die Universität, um den Praxisbezug zu stärken. Wir favorisieren mit dem Programm „EULE“ das verständnisintensive Lernen, dass das Lernen des Kindes in den Mittelpunkt stellt, also vom Kind aus denkt. Dieses langfristig angelegte pädagogische Programm baut auf Erfahrungen von Lehrern und Schulen auf. Ich will es so definieren: Lehrer lernen wie Kinder lernen. Verstehen wird als grundlegend und qualitätsbestimmend für Lernen und Unterricht angesehen. Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer entwickeln Methoden der Differenzierung ihres Unterrichts. Der differenzierte Unterricht ist ein ideales Mittel zur individuellen Förderung und Integration aller Schüler. Für benachteiligte Schüler bieten wir zusätzlich Förder- und Ergänzungsunterricht an, dazu kommen sozialpädagogische Betreuung und individuelle Förderpläne. Grundsätzlich gilt in Thüringen das Prinzip „Integration“ vor Separation.
Meine Damen und Herren, der vierte Bereich - Bildung und Entwicklung des pädagogischen Personals: Die Kommission empfiehlt eine gemeinsame inhaltliche und strukturelle Neugestaltung aller drei Lehrerbildungsphasen, und sie empfiehlt die Lehrerfortbildung stärker mit der Schulentwicklung zu verknüpfen. Wir sind dabei, die Lehrerbildung zu reformieren. Schwerpunkte sind hier ein neues Lehrerleitbild, verbesserte Lehrerfort- und -weiterbildung. Stärkung der Rechenschaftslegung, Verbesserung des schulischen Managements. Dazu haben wir das Arbeitspapier „Leitbild für das pädagogische Personal an Kindertagesstätten und Schulen“ entwickelt. Fünf Hauptaufgaben des Lehrers werden hier definiert:
1. unterrichten, also bilden und erziehen, 2. diagnostizieren, beraten, fördern, beurteilen, 3. führen und Verantwortung übernehmen, 4. an der Schulentwicklung mitwirken und 5. die eigenen Kompetenzen weiterentwickeln.
Meine Damen und Herren, lebenslanges Lernen muss auch für Pädagogen gelten. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus PISA ist es, alles für die Qualifikation der Lehrer zu tun und damit auch für die Unterrichtsqualität. Dadurch gelingt es, das einzelne Kind stärker in den Blickpunkt zu nehmen. Was die Kopplung von Lehrerfortbildung mit der Schulentwicklung betrifft, haben wir den Umbau des Unterstützersystems bereits veranlasst, ich habe darüber gesprochen, ein Paradigmenwechsel von der Angebotsorientierung zur Nachfrageorientierung.
Zur Verknüpfung der Phasen der Lehrerbildung, aber auch zur eigenen Qualifikation haben wir Lehrer, insbesondere Fachleiter, an Hochschulen abgeordnet. Wir verzahnen die bisher getrennten Phasen der Lehrerbildung - ein guter Ansatz. Für das Ausbildungspersonal, Fachleiter, Mentoren und Fachberater, gibt es eine spezielle dreisemestrige Fortbildung Didaktik, gemeinsam konzipiert und gestaltet von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, von den Studienseminaren und vom ThILLM.
Begabtenförderung wird in der Lehrerausbildung thematisiert, das betrifft insbesondere die praktische Ausbildung der zweiten Phase. Die Fachleiter sind bei der Begabtenförderung eingebunden. Pädagogische Diagnostik spielt in der Pädagogenfortbildung eine stärkere Rolle. Das ThILLM bildet Lehrer in der Lernstandsdiagnostik aus.
Schließlich der fünfte Bereich - lebenslanges Lernen: In Thüringen bietet sich den Bürgern ein vielfältiges Angebot an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Lebenslanges Lernen, beginnend mit der frühkindlichen Bildung bis hin zur Weiterbildung, ist eine ebenso bedeutsame wie unumstrittene Empfehlung der Kommission. Das betrifft den Übergang von der Schule zur Arbeitswelt, die betriebliche Fortbildung, die Weiterbildung in der Erwachsenenbildung, auch die politische Bildung. Im Kompetenzmodell der Thüringer Lehrpläne ist auch im Sinne des lebenslangen Lernens der Lernkompetenz eine übergeordnete Rolle zugewiesen. Ihr sind alle anderen Kompetenzen untergeordnet. Um nur ein Beispiel
herauszugreifen, wie das im schulischen Alltag umgesetzt wird: Im Fremdsprachenunterricht aller Schularten legen wir besonderen Wert auf den Erwerb von Sprachlernstrategien, so erproben wir schon seit einigen Jahren das Thüringer Modell des Europäischen Sprachenportfolios für das Lehren und Lernen von Sprachen. Das Thüringer Portfolio ist durch den Europarat anerkannt. Mit diesem Modell wol
len wir Lernende aller Altersstufen anregen, Sprachkompetenz zu erwerben und lebenslang weiter zu vertiefen. Der Thüringer Volkshochschulverband arbeitet mit Unterstützung des Kultusministeriums an einem Portfolio für Erwachsene. Ein weiteres Beispiel ist das Modell der Medienkompetenzentwicklung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: In der Thüringer Bildungslandschaft gibt es viel Bewegung. So manches wurde von der Enquetekommission angestoßen; dafür sage ich auch heute noch einmal ausdrücklich allen Mitwirkenden Dank.
Große Hoffnung setzen wir bei der Schulentwicklung auf die eigenverantwortlich handelnden Schulen und wir bauen auf die Erziehungsgemeinschaft Eltern - Kindergarten - Schule. Die Empfehlungen der Enquetekommission haben langfristigen, nachhaltigen Charakter. Sie lassen sich nicht auf Knopfdruck umsetzen, sie müssen vielmehr in ein ganzheitliches Konzept von Bildung, Erziehung und Betreuung einfließen. Wir sind mitten in dieser Umsetzung. Wir sind auf dem Weg und ich werde dem hohen Haus gern zu gegebener Zeit über die weiteren Fortschritte berichten. Vielen Dank.
Wird die Aussprache zu diesem Bericht gewünscht? Die SPD-Fraktion signalisiert das, dann auf Antrag der SPD-Fraktion. Ich rufe als ersten Redner für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Döring auf.
Ich denke, dieses Zitat, das ist nicht bloß mir, sondern vielen von Ihnen sozusagen während des Wortberichts mehrfach in den Sinn gekommen. Denn, Herr Prof. Goebel, Sie haben mit vielen schönen Worten hier ein Bekenntnis zur Enquetekommission abgelegt und sich bemüht, uns alle davon zu überzeugen, dass die dort gegebenen Empfehlungen
Wenn es tatsächlich so wäre, dann könnte ich das nur begrüßen. Sie wissen aber, dass die Realität wirklich in Thüringen eine andere ist.
Lassen Sie mich kurz rekapitulieren. Die Enquetekommission hat vor etwa einem Jahr dem Landtag den Abschlussbericht vorgelegt, 70 bildungspolitische Empfehlungen. Zu diesen Empfehlungen gehören, um einige wichtige zu nennen, die Erarbeitung eines Bildungsrahmenplanes für die Kindertagesstätten, die grundlegende Reform und Auswertung der Erzieherausbildung, der Ausbau schulischer Ganztagsangebote und in diesem Zusammenhang besonders die Ausschöpfung der Entwicklungspotenziale, die sich aus der engen Verzahnung von Grundschule und Hort ergeben, eine substanzielle Reform der Lehrerbildung und die Realisierung größtmöglicher Eigenverantwortung der Schulen. Was den Stellenwert dieser 70 Empfehlungen anbelangt, so verweise ich auch auf den in diesem Haus gefassten Einsetzungsbeschluss der Enquetekommission. Es heißt dort, die Kommission solle für den Landtag Entscheidungsgrundlagen erarbeiten, und an anderer Stelle ist die Rede davon, dass das Plenum Empfehlungen auszusprechen habe, deren Umsetzung eine zukunftsweisende Weiterentwicklung von Erziehung und Bildung gewährleisten kann. So lautete der Arbeitsauftrag der Enquetekommission, und daran hat sie sich auch gehalten. Sie hat nach über einjähriger Arbeit einen umfangreichen, ja von allen Fraktionen gemeinsam getragenen Abschlussbericht vorgelegt, der nicht allein die großen Probleme des Thüringer Bildungswesens angesprochen hat, sondern in seinen Empfehlungen auch gangbare Lösungswege aufgezeigt hat.
Meine Damen und Herren, die von der Enquetekommission vorgelegten Empfehlungen schweben also nicht im luftleeren Raum. Sie sind mit konkretem Anspruch auf spätere Realisierung erarbeitet. Darüber bestand sowohl bei der Einsetzung der Enquetekommission als auch während ihrer Beratungen zwischen allen Fraktionen Einvernehmen. Und trotzdem hapert es genau an diesem Punkt bei der Umsetzung der Kommissionsempfehlungen.
Ich will Ihnen dies an einigen Beispielen deutlich machen. Zunächst zu einem der wenigen substanziellen Punkte, an dem tatsächlich eine gewisse bildungspolitische Bewegung beim Kultusministerium festgestellt werden kann - die Ausweitung der Eigenverantwortung von Schulen: Die SPD-Landtagsfraktion forderte bereits seit Jahren größtmögliche pädagogisch-erzieherische und organisatorisch-administrative Selbstständigkeit für die Thüringer Schulen. Zur organisatorisch-administrativen Seite zählen
für uns unabdingbar die Verwaltung eines eigenen Schulbudgets, die Fähigkeit zum Abschluss von Rechtsgeschäften, deutlich erweiterte Kompetenzen des Schulleiters bei Personalauswahl, Personalentwicklung und Personenführung sowie eine nachhaltige Stärkung der Schulkonferenz im Sinne, dass sie als demokratisch legitimiertes Vertretungsgremium der Schulgemeinde über alle wichtigen Angelegenheiten der Schule beschließt. Hinzu kommt auf pädagogisch-erzieherischer Seite, die Befähigung mittels eines individuellen, selbst erstellten Schulprogramms zu einem eigenständigen, attraktiven und den jeweils regionalen Bedingungen auch entsprechendem Schulprofil zu gelangen.
Dieses deutliche Plus an Eigenverantwortung soll mit einer Rückkopplung in der Form kombiniert werden, dass die Schulen künftig regelmäßig an internen und externen Evaluationen teilzunehmen haben. Zuständig für derartige Qualitätsprüfungen sollten dann die Schulämter sein, die zu regionalen Evaluations- und Beratungsagenturen umzubauen sind. Soweit unsere Vorstellungen, die sich an konkreten Erfahrungen anderer Bundesländer orientieren.
Nachdem das Kultusministerium jahrelang deren Machbarkeit bestritten hat, hat es sich im Zuge der Enquetekommission endlich ebenfalls der Thematik angenommen. Ich würde das ja gern begrüßen, wenn ich allerdings sehe, wie das Kultusministerium die Eigenverantwortung der Schulen zu realisieren versucht, dann bleibt mir nur Kopfschütteln. Das Haus Goebel glaubt offenbar, der Sache sei weitgehend Genüge getan, wenn man ein Rundschreiben an die Schulämter und Schulleiter schickt, in dem sich außer umfangreichen Zitaten aus alten Ministerreden, drei Kopien von Overheadfolien als Orientierungshilfe finden. Und welche konkreten Kompetenzzuwächse die Schulen im Sinne der Ausweitung ihrer Eigenverantwortung erfahren sollen, davon ist in dem Schreiben überhaupt keine Rede.
Einen ähnlich unbefriedigten Eindruck hinterlässt eine gerade erschienene Informationsschrift des Kultusministeriums mit dem Titel „Unterstützungsangebote für Thüringer Schulen“. Dort ist im Hinblick auf die Eigenverantwortung von Schulen immer wieder nebulös die Rede von künftigen Anforderungen, die es zu erfüllen gelte. Was das genau bedeutet, bleibt jedoch im Dunkeln. Doch am Konkretesten wird das Papier dort, wo es um die Umwandlung der Schulämter in Qualitätsagenturen geht. Auch hier hat man im Kultusministerium scheinbar ein simples Konzept gefunden. Denn man benennt die bisherigen Referenten der Schulämter einfach um, sie dürfen sich nun als Ansprechpartner für Qualität, als Ansprechpartner für Förderung, als Supervisoren oder
als Coaches bezeichnen. Dann bedarf es nur noch einer Weiterbildung beim ThILLM für das Kultusministerium und schon können sich die bisherigen Schulamtsreferenten an die Evaluierung schulischer Bildungsqualität heranmachen. Man verfährt hier anscheinend nach dem Motte der Pabstwahl im Mittelalter, mit dem Amt kommt schon irgendwie die Kompetenz. Anders als in Thüringen zäumt z.B. die Schweiz das Pferd von der richtigen Seite auf. Beim international anerkannten Züricher Projekt „Neue Schulaufsicht“ ist eigens ein Evaluatoren-Pool eingerichtet worden, dessen Mitglieder aufgrund einer öffentlichen Stellenausschreibung rekrutiert wurden. Dabei mussten die Lehrer folgende Mindestkriterien erfüllen: möglichst breiter Kenntnis- und Erfahrungshintergrund im Bereich Pädagogik, Didaktik Schulorganisation, Vertrautheit mit verschiedenen Evaluationsverfahren und -instrumenten, hohe kommunikative Kompetenz, Fähigkeit zu unvoreingenommenen Wahrnehmungen und Kenntnisse der unterschiedlichen Schularten. So verantwortungsvoll geht man anderswo mit der Evaluation schulischer Bildungsqualität um. In Thüringen dagegen genügt es offenbar zum Experten ausgerufen zu werden, um dann auch einer zu sein. Ich denke, unter derartigen Vorzeichen droht die Ausweitung der Eigenverantwortung von Schulen zu einem weiteren Potemkin'schen Dorf der Thüringer Bildungspolitik zu werden.
Ich erinnere mich, es wurde jahrelang auch die dialogische Schulaufsicht postuliert, die auch sozusagen durch bloßes Verkünden sichtbare Gestalt annehmen sollte, was natürlich nicht geschah.
Meine Damen und Herren, es geht mir aber nicht allein um Empfehlungen der Enquetekommission, die von der Landesregierung unzulänglich realisiert werden, für mich weit ärgerlicher ist, dass das Kultusministerium vielfach in offenem Widerspruch zur Enquetekommission agiert.