Protocol of the Session on June 2, 2005

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung an den Bildungsausschuss. Wer ist für die Überweisung des Antrags an den Bildungsausschuss? Wer ist gegen die Überweisung an den Bildungsausschuss? Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine

Stimmenthaltungen. Damit ist auch die Überweisung an den Bildungsausschuss mit Mehrheit abgelehnt worden.

Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und rufe als Nächstes den Tagesordnungspunkt 9 auf

Einsetzung einer Enquetekom- mission „Zukunftsfähige Ver- waltungs-, Gemeindegebiets- und Kreisgebietsstrukturen in Thüringen und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen“ Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/716 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/886 -

Das Wort hat die Abgeordnete Taubert aus dem Innenausschuss zur Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der von der Fraktion der SPD in Drucksache 4/716 eingebrachte Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission „Zukunftsfähige Verwaltungs-, Gemeindegebiets- und Kreisgebietsstrukturen in Thüringen und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen“ wurde in der Sitzung des Innenausschusses am 13. Mai 2005 beraten. Zu dem Vorschlag der Fraktion der SPD gingen im Innenausschuss in zeitlicher Reihenfolge Änderungsanträge der PDS sowie der CDU ein. In der Diskussion zu den Anträgen wurde von Seiten der SPDFraktion nochmals auf die Wichtigkeit der Einsetzung einer solchen Enquetekommission für die Vorbereitung einer notwendigen Verwaltungs- und Gebietsreform im Freistaat Thüringen hingewiesen. Die demographische Entwicklung in Thüringen sowie die negative Entwicklung der finanziellen Ressourcen haben gravierende Auswirkungen auf den Freistaat und Thüringer Kommunen. Deswegen müsse zwingend und rasch sowie mit Sachverstand die Grundlage für eine tragfähige Verwaltungsstruktur in allen Verwaltungsbereichen geschaffen werden. Die Enquetekommission diene dazu, die vorhandenen Aufgaben zu bewerten und geeignete Strukturen für eine effizientere Abarbeitung zu finden. Dabei spielen bürgerfreundliche Angebote eine wichtige Rolle. Die Fraktion der PDS erläuterte ihre Ergänzungsanträge als konkretisierende Formulierungen zum vorgelegten Antrag. Es wurde festgestellt, dass der vorgelegte Änderungsantrag der CDU-Fraktion inhaltlich sehr ähnliche Passagen wie der vorgelegte SPDAntrag enthält. Wichtigste Erweiterung des CDUAntrags ist die zusätzliche Betrachtung möglicher Pri

vatisierungen öffentlicher Aufgaben und die Veränderungen der zeitlichen Abläufe. Hier schlägt die CDU-Fraktion einen Zwischenbericht zum 31.12.2006 vor und keinen Abschlussbericht. Dabei wurde ausgeführt, dass die Sammlung von Daten und deren Auswertung der umfangreichste Teil der Arbeit der Enquetekommission ist und es sinnvoll ist, zum 31.12.2006 aus Kenntnis der Daten den Abschlusstermin zu vereinbaren. Ansonsten bestehe möglicherweise die Notwendigkeit, die Kommissionsarbeit, wie in anderen Kommissionen mehrfach erfolgt, zu verlängern. Die Vertreter der PDS-Fraktion stützten die Auffassung, die Arbeit der Kommission zum 31.12.2006 abzuschließen. Im Ergebnis der Diskussion empfiehlt der Innenausschuss mehrheitlich, den Antrag der Fraktion der SPD mit den Änderungen der Fraktion der CDU anzunehmen.

Ich danke für die Berichterstattung und eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Hauboldt, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die öffentlichen Erwartungen zur Einsetzung einer Enquetekommission und deren inhaltlicher Anspruch sind enorm. Ich denke auch, unstrittig ist der Handlungsbedarf. Selbst die CDU-Fraktion kann sich der inhaltlichen Thematik annähern, sie hat ja eigene Vorstellungen dazu geäußert. Strittig ist nach wie vor der Zeitpunkt, ob und wann ein Ergebnis präsentiert wird. Unsere Erwartung war eine notwendige und zügige Bearbeitung, verbunden mit Handlungsoptionen für eine zukunftsfähige Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform. Die vorliegende Beschlussempfehlung des Innenausschusses ist nun leider - und das ist meine Einschätzung - halbherzig und unverbindlich. Die ursprüngliche Fassung des SPD-Antrags ist in einzelnen Punkten hinsichtlich der Aufgabenstellung und der Zielsetzung der Kommission durch die CDU-Fraktion etwas modifiziert worden. Selbst damit kann ich mich anfreunden, weil es egal ist, wer den Stein ins Rollen bringt. Ich denke, wichtig ist, dass er rollt. Man kann in die nunmehr vorliegenden Formulierungen sicherlich vieles hineininterpretieren. Das ist so schlimm eben nicht. Immerhin kann somit die PDS ausgiebig und umfangreich ihr Konzept „Masterplan“ mit den entsprechenden Fachleuten diskutieren. Schließlich sind wir als PDS bisher die einzigen in Thüringen, welche bereits im Vorfeld der Enquetekommission ein Konzept erarbeitet haben. Was Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bisher auf den Tisch gelegt haben, will ich nicht als Konzept bezeichnen. Es ist ja auch verbunden mit der Aussage, vor 2009 keinen Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht zu sehen. Und die SPD,

meine Damen und Herren, Sie üben sich teilweise in unterschiedlichsten Interpretationen, wie und wann man das Problem lösen könne. Aber, wie gesagt, wir wollen und werden die Enquetekommission nutzen, um unsere Vorstellungen zu diskutieren. Das eigentlich Groteske am vorliegenden Antrag ist allerdings - ich erwähnte es bereits - die Zeitschiene.

Herr Matschie, Sie haben in der März-Sitzung des Landtags auf den enormen Zeitdruck verwiesen: Jedes Jahr - ich darf das noch einmal in Erinnerung rufen - ohne Reform sei ein verlorenes Jahr. Sie sprachen sogar davon, dass wir sehr schnell das bereuen würden, was wir heute ungetan lassen. Sie sprachen auch weiter davon, dass das so genannte Behördenstrukturkonzept der Landesregierung mit den Gemeinde- und Gebietsstrukturen in Einklang zu bringen sei, und zwar zeitgleich. Wörtlich sagten Sie Folgendes, ich darf Sie auch noch mal zitieren: „Eins ist mir dabei wichtig, dass wir einen klaren Zeitrahmen abstecken; das darf keine Endlosdebatte werden.“ Hierbei können wir als PDS-Fraktion oder auch ich persönlich jeden Satz unterschreiben. Mir erscheinen ebenfalls eineinhalb Jahre ein angemessener Zeitrahmen für eine solche Arbeit. Im Herbst des nächsten Jahres sollten ja, wie ursprünglich vorgesehen, die Vorschläge auf dem Tisch liegen. Doch was ist seitdem geschehen? Da erinnere ich an eine gemeinsame Beratung und Debatte, die über die Friedrich-Ebert-Stiftung initiiert worden ist, wo noch genau diese Inhalte und zeitlichen Vorschläge verkündet wurden. Nun haben Sie Ihre Idee verworfen und folgten im Innenausschuss dem CDU-Vorschlag. Die CDU will bis zum Herbst 2006 keine Ergebnisse aus der Enquetekommission, sondern lediglich einen Zwischenbericht. Wann es überhaupt einmal zu Handlungsempfehlungen an die Landesregierung kommen wird, ist demnach ungewiss. Und die SPD - lieber Heiko Gentzel, es tut mir Leid - hat diesem CDU-Ansinnen bereitwillig ihre Stimme gegeben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Mit der Einschränkung, dass ich nicht die SPD bin.)

Dieses doch widersprüchliche Agieren Ihrer Fraktion verdeutlicht nun, dass Sie gemeinsam mit der CDU leider die Lösung dieser Probleme auf die lange Bank schieben. Aber spätestens - das will ich in Erinnerung rufen - in der Enquetekommission müssen Sie alle Farbe bekennen und Ihre Konzepte, sollten Sie einmal erarbeitet sein, auf den Tisch legen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Matschie, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, jeder Baumeister kennt eine gute Regel: Wer eine Brücke bauen will, der muss zuerst messen, wie breit der Fluss ist. Das wollen wir mit der Enquetekommission tun, aber wir wollen noch mehr, wir wollen auch einen Entwurf für diese Brücke liefern. Die Aufgabe der kommenden Monate wird es sein, die Strukturen hier im Land auf Herz und Nieren, auf Funktionsfähigkeit für die Zukunft zu prüfen. Gleichzeitig müssen wir die Rahmenbedingungen analysieren. Das beginnt bei den schrumpfenden Finanzzuweisungen in den nächsten Jahren und reicht bis hin zu den Folgen von Abwanderung und Geburtenknick. Und der dritte und sicherlich schwerste Schritt, Herr Hauboldt, wird es dann auch sein, handfeste und konkrete Empfehlungen zu erarbeiten, mit welchen Strukturen das Land zukunftsfähig gemacht werden kann.

Ich will an dieser Stelle zum Zeitplan so viel sagen: Wir können uns natürlich hier weiter die gegenseitigen Auffassungen um die Ohren hauen, wir können hier Anträge stellen, das können Sie tun, das könnten wir als SPD-Fraktion tun, die abgeschmettert werden von der Mehrheit dieses Landtags. Deshalb war es notwendig, einen Weg zu suchen, wie wir Dynamik in die Geschichte bringen, und mir ist es lieber, wir bringen diese Enquetekommission auf den Weg und wir haben einen ersten Bericht im Herbst nächsten Jahres, als dass wir hier überhaupt nichts tun und das ganze Problem liegen lassen. Insofern war es ein richtiger Kompromiss, den wir hier geschlossen haben.

(Beifall bei der SPD)

Diese Arbeit verlangt Mut, aber eine andere Wahl bleibt uns nicht. Hier muss der Landtag ran, denn die Regierung traut sich nicht an dieser Stelle. Mit dem Mut ist das eben so eine Sache. Wer in diesen Tagen die bundespolitischen Aussagen des Ministerpräsidenten gehört hat, der konnte denken, Mann oh Mann, hier hat einer den Mut mit der großen Kelle gefrühstückt. Da ging es um die mutigste Steuerreform aller Zeiten, den Mut zum großen Wurf, den der Ministerpräsident gefordert hat. Aber leider, muss man auch sagen, verhält sich dieser Mut umgekehrt proportional zur Wahrscheinlichkeit, sich beweisen zu müssen. Oder, um es noch mal auf Deutsch zu formulieren: Je weiter weg die Aufgabe, desto größer die Kühnheit von Herrn Althaus.

(Beifall bei der SPD)

Denn da, wo er handeln kann, drückt er sich. Eine Verwaltungs- und Gebietsreform, die wir in Thüringen dringend brauchen, die will Dieter Althaus nicht anpacken.

Gestern war Kindertag, wie Sie wissen. Ich habe in einem Erfurter Kindergarten den Kindern eine Geschichte vorgelesen. Diese Geschichte handelte vom kleinen Angsthasen.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Sind Sie nicht aufgenommen worden?)

Das Schöne an dieser Geschichte ist, diese Geschichte lässt hoffen, denn am Ende beweist der kleine Angsthase dann doch noch Mut und wird zum mutigen Hasen. Manchmal, das zeigt die Kindergeschichte, muss man diesen Mut aber provozieren. Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit dieser Enquetekommission den Mut der Landesregierung zu provozieren, endlich konkrete Schritte in Richtung einer Verwaltungs- und Gebietsreform zu gehen. Wenn der Ministerpräsident nicht selbst aufbricht, dazu nicht den Mut oder nicht die Kraft hat, dann müssen wir ihn eben zum Jagen tragen. Genau das wollen wir mit der Enquetekommission. Das ist zwar nicht die eleganteste Art und Weise, die Probleme hier im Land zu lösen, aber diese Aufgaben dürfen nicht liegen bleiben, sie werden nicht kleiner, sondern die Probleme wachsen mit jedem Tag der Untätigkeit.

Ich will uns noch einmal drei wichtige Gründe für rasches Handeln ins Gedächtnis rufen: 14 Mrd. € Schulden haben die CDU-Finanzminister in den letzten 14 Jahren aufgetürmt. Eine weitere Milliarde kommt dieses Jahr hinzu und die Prognose für das nächste Jahr sieht nicht sehr viel besser aus. Von 900 Mio. € ist heute schon die Rede. Durch den degressiv ausgestalteten Solidarpakt und weniger EUMittel in den nächsten Jahren wird sich die Finanzsituation auch von dieser Seite weiter verschärfen.

Zum Zweiten: Wenn man sich den Vergleich aller neuen Länder anschaut, dann hat Thüringen seit Jahren eine der höchsten Personalausgabenquoten und mit die niedrigste Investitionsquote. So steht es jedenfalls im Fortschrittsbericht Ost. Die hohen Kosten unserer Landesverwaltung gehen also erkennbar zulasten der Investitionen, der Bildung und des sozialen Ausgleichs in Thüringen. Wir müssen von diesen hohen Kosten herunterkommen.

Der dritte wichtige Punkt: Jeden Tag verliert Thüringen 50 Einwohner, jede Woche verschwindet ein Dorf, im letzten Jahr eine Stadt in der Größe von Heiligenstadt. Immer weniger Menschen bedeuten: immer weniger Steuereinnahmen, aber auch immer

weniger Mittel aus dem Länderfinanzausgleich. Und es bedeutet darüber hinaus - und auch das muss man sich immer wieder klar machen -, dass weniger Menschen in Zukunft die gleichen Kosten für Infrastruktur bezahlen müssen, wenn wir hier nicht handeln. Das heißt, für jeden Einzelnen in Thüringen wird es immer teurer. Deshalb muss man sich diesen Fragen stellen: Wie bauen wir die viel zu hohen Schulden ab? Wie bringen wir mehr Effizienz in die Verwaltung? Wie müssen wir auf den demographischen Wandel, wie müssen wir auf die Abwanderung reagieren? Das sind die Fragen, die die Landesregierung schon viel zu lange unerledigt vor sich her schiebt. Ich will Ihnen das auch noch einmal ganz deutlich sagen: Ihre Behördenstrukturreform reicht nicht einmal ansatzweise, um die Ausgabenentwicklung in den Griff zu bekommen, und das wissen Sie auch. Den Kommunen die Luft abzudrücken, indem Sie beim Kommunalen Finanzausgleich die Schraube immer weiter anziehen, verbessert die Zukunftsperspektiven Thüringens auch nicht. Auch das kann kein Weg sein. Wenn man sich die Lage anschaut, dann muss man nüchtern feststellen, eine überzeugende Antwort hat der Ministerpräsident auch zwei Jahre nach seinem Amtsantritt hier in Thüringen nicht gefunden. Als wäre die Haushaltslage in Thüringen nicht schon dramatisch genug, hat er in den letzten Wochen weitere Steuersenkungen gefordert. Er will die Einnahmesituation - auf gut Deutsch - noch weiter verschlechtern, das Ganze mit der vagen Hoffnung, dass irgendwann eine verbesserte Konjunktur wieder mehr Mittel in die Kasse bringen könnte. Dabei haben wir ja ganz konkrete Erfahrungen mit den Steuersenkungen. Wir haben in den letzten Jahren, und zwar gemeinsam mit der CDU auch im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss getragen, beträchtliche Steuersenkungen beschlossen und durchgesetzt. Die Unternehmenssteuer, also die Körperschaftssteuer, ist von 45 Prozent auf 25 Prozent gesunken. Der Spitzensteuersatz ist von 53 Prozent auf 42 Prozent gesunken, der Eingangssteuersatz von knapp 26 Prozent auf 15 Prozent. Und trotzdem oder vielleicht auch deshalb haben wir eine so schwierige Situation in den öffentlichen Kassen. Es ist eben nicht so, dass Steuersenkung gleich Anspringen der Konjunktur und Mehreinnahmen bedeutet. Das ist die ganz konkrete Erfahrung der letzten Jahre. Fakt ist auch, dass Deutschland schon heute bei der Gesamtsteuerquote am unteren Ende im Vergleich der Europäischen Union angekommen ist. An dieser Stelle werden wir also den Ausweg nicht finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren in der Landesregierung, wenn Sie der Argumentation der SPD nicht folgen wollen oder können, dann möchte ich Sie bitten, schauen Sie sich die Argumente der Wirtschaft zum Thema Verwaltungs- und Gebietsreform an. Im Positionspapier der IHK Erfurt können Sie da

zu alle Argumente nachlesen. Dort heißt es nach einer Analyse der Bevölkerungs- und Finanzentwicklung, ich zitiere: „Es gilt, konsequent und zügig zu handeln, um Strukturen rechtzeitig so zu verändern, dass Thüringen in der Lage ist, die Entwicklungen aufzufangen und mit weniger Geld die Leistungen der Verwaltung zu erbringen, die auch in Zukunft nötig sind.“ Und weiter heißt es dann da, ich zitiere: „Der Umbau der Verwaltungsstruktur kann nur durch ein umfassendes, komplexes und in sich verzahntes Gesamtkonzept erfolgen, welches sämtliche Verwaltungsebenen einschließt. Land und Kommunen können den Modernisierungsprozess nur gemeinsam bewältigen, die Landesregierung sollte dabei aber auch die Verantwortung wahrnehmen, die ihr im Rahmen der Landesentwicklung zufällt.“ Schöner hätte es die SPD-Fraktion auch nicht formulieren können. Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie nicht auf die SPD hören wollen, dann hören Sie wenigstens auf die Forderungen, die aus der Wirtschaft an Sie gerichtet werden. Andere Bundesländer haben längst angepackt, was die IHK Erfurt fordert und wovor sich Dieter Althaus noch immer fürchtet. Mitte Mai hat in Sachsen-Anhalt das Kabinett eine umfangreiche Reform zur Neugliederung beschlossen; in Klammern sage ich dazu, das Ganze passiert nur ein Jahr vor den Landtagswahlen in diesem Bundesland. Das zeigt, dass man hier der politischen Verantwortung nicht ausweicht, sondern die notwendigen Schritte unternimmt. Unsere Nachbarn wollen die Zahl der Landkreise etwa halbieren und nach Aussagen des sachsen-anhaltinischen Innenministers tun sie das, weil die Auswirkungen der demographischen Entwicklung und die finanziellen Entwicklungen einen anderen Weg nicht zulassen. Das Gleiche gilt für Thüringen ganz genauso. Bis Ende des Jahres soll in Sachsen-Anhalt der Gesetzgebungsprozess im Landtag abgeschlossen sein. Die Sachsen-Anhaltiner sind aber nicht die einzigen, die uns hier etwas vormachen. Seit Januar brütet auch in Dresden eine Expertenkommission über neuen Verwaltungsstrukturen; auch in Sachsen sollen die kommunalen Einheiten, insbesondere die Kreisgebietsstrukturen, neu gedacht werden. Erste Ergebnisse sollen noch Mitte des Jahres vorliegen. Die Brandenburger haben von Anfang an mit größeren Kreisstrukturen gearbeitet, die haben vor zwei Jahren eine Gemeindegebietsreform nachgeholt und haben jetzt insgesamt effiziente Strukturen geschaffen. Und auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich längst auf den Weg gemacht mit einer ziemlich weitgreifenden Kreisreform mit Verwaltungsumbau und neuen Gemeindegrößen und will bis 2009 diesen Umbau auch faktisch abgeschlossen haben. Und was passiert in Thüringen? Der Ministerpräsident in den neuen Bundesländern, der sich als einziger auf eine absolute Mehrheit stützen kann und niemand anderes als die eigene Partei fragen muss, der hat weiche Knie und traut sich an diese Aufgabe nicht heran. Ja, es ist so

gar noch schlimmer, er traut sich nicht mal die Einhaltung geltender Gesetze durchzusetzen, denn mehr als ein Fünftel unserer selbstständigen Gemeinden ist mittlerweile unter die Grenze von 3.000 Einwohner gesackt und nach geltendem Kommunalrecht müsste die Regierung hier ordnend eingreifen. Das Gesetz lässt zwar Ausnahmen zu, aber mehr als ein Fünftel der Gemeinden sind sicher keine Ausnahme mehr, hier muss gehandelt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum der Thüringer Regierungschef so zögerlich ist, ist eigentlich kaum zu begreifen, denn es gibt nicht nur zwingende Argumente für rasches Handeln,

(Beifall bei der SPD)

es gibt auch bei vielen im Land die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Das gilt für den Gemeinde- und Städtebund genauso wie für den Landkreistag. Der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Herr Rusch, hält z.B. eine Kreisgebietsreform für sinnvoll und sieht auch unglaublich viel Bewegung in den Gemeinden, was das Nachdenken über neue Strukturen angeht. Und auch der Landkreistagspräsident, Herr Dondorf, appelliert seit Monaten an die Landesregierung, über den Komplex Verwaltungsumbau und Gebietszuschnitt nachzudenken und hier Zielvorgaben zu entwickeln. Neben die schon angeführten Gründe für eine Verwaltungs- und Gebietsreform tritt aber auch noch eine weitere Notwendigkeit. Ich finde, die Hängepartie für die Gemeinden, für die Städte und für die Kreise muss endlich ein Ende haben, denn mit Ihren Haushaltsbeschlüssen treiben Sie die Thüringer Kommunen in eine immer ausweglosere Situation. Es wird gekürzt und gekürzt, aber es wird nicht gemeinsam dafür gesorgt, dass auch neue Perspektiven entwickelt werden können, und das geht nur mit einer gemeinsam vorangetriebenen Verwaltungs- und Gebietsreform.

(Beifall bei der SPD)

Die Konsequenzen dieser Politik sind inzwischen verheerend, denn der Investor Nummer 1, die Kommunen, haben kaum noch Kraft. Verglichen mit dem Stand 2002 sind im I. Quartal 2005 mehr als 50 Mio. weniger von den Kommunen investiert worden. Das ist eine Reduzierung der Sachinvestitionen um ein Drittel und ganz besonders betroffen ist davon der Baubereich. Die Folge ist ganz klar, die Auftragsbücher bei Unternehmen bleiben leer, Arbeitsplätze fallen weg, Steuern bleiben aus. Dauerhaft kommen wir aus diesem Teufelskreis nur heraus, wenn wir bereit sind, die Strukturen zu ändern. Nur mit effizienteren Strukturen bekommt Thüringen wieder die Kraft für Zukunftsinvestitionen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch einmal sehr deutlich sagen: Die Behördenreform der Landesregierung ist keine Lösung. Der Einspareffekt ist viel zu gering, um die Probleme der Landeskassen zu lösen. Nicht einmal die demographisch bedingten Einnahmeausfälle können Sie damit ausgleichen. Auch inhaltlich ist das Vorgehen ja zum Teil wirklich absurdes Theater. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Mit dieser Behördenreform wird jetzt die Versorgungsverwaltung auf die Kreise und die kreisfreien Städte aufgeteilt. Und in Kürze - das ist doch absehbar, wenn die Kreisstrukturen und die Strukturen der kreisfreien Städte wieder verändert werden - wird das Ganze, was Sie jetzt neu aufgeteilt haben, wieder über den Haufen geworfen. Das ist doch ein Schildbürgerstreich und keine seriöse Politik.

(Beifall bei der SPD)

Eine Verwaltungsreform muss zwingend mit einer Gebietsreform gekoppelt werden, anders kommt das Land nicht zu effizienten Strukturen. Auch Ihre Richtlinie für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse, die wir ja noch diskutieren werden hier im Landtag, ist ein weiteres Beispiel für kurzatmigen Aktionismus. Sie fördern damit Zusammenschlüsse, die schon aus heutiger Sicht nicht die Größe haben, um wirklich effizient arbeiten zu können. Anstatt klare Vorgaben für eine Gebietsreform zu machen, was Sie ja können, geben Sie das Geld des Steuerzahlers aus, um jetzt Strukturen zu schaffen, die wir in wenigen Jahren schon wieder über den Haufen werfen müssen. Nennen Sie das Verantwortung für unser Land? Beim Blindengeld wird gestrichen, fürs Essengeld in der Schule ist nichts mehr da, aber hier sind plötzlich Millionen zur Verfügung, die für eine solche Aufgabe eingesetzt werden können, nur weil Sie nicht den Mut haben, klare Zielvorgaben hier im Landtag durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wie wollen Sie eigentlich dafür sorgen, dass aus diesen freiwilligen Zusammenschlüssen am Ende sinnvolle Strukturen für das ganze Land entstehen? Wir haben doch heute schon genügend Beispiele, und ich habe Ihnen das in der letzten Debatte gesagt, wo sich Umlandgemeinden gegen Städte zusammenschließen, anstatt mit diesen Städten im Zentrum gemeinsam eine sinnvolle Struktur zu bilden. Wollen Sie diesen Unfug jetzt weiter fortsetzen und zusätzlich dafür Geld zum Fenster rausschmeißen? Ich frage Sie ernsthaft: Kann denn das der Weg sein, wie Thüringen in die Zukunft geht? Wenn Sie unseren Argumenten hier nicht folgen wollen, empfehle ich Ihnen zum zweiten Mal an dieser Stelle das schon zitierte Papier der Industrie- und Handelskammer Erfurt. Die sagt nämlich zum Vorgehen der

Landesregierung, ich zitiere: „Den Kommunen zu überlassen, sich freiwillig zusammenzuschließen, führt zu uneinheitlichen und möglicherweise auch zersplitterten Strukturen, die einer nachhaltigen Landesentwicklung abträglich und möglicherweise, langfristig gesehen, teuer sind. Es bedarf bei einem solchen zukunftsentscheidenden Prozess unbedingt einer starken Führung.“ Da diese starke Führung der Landesregierung fehlt, wird der Landtag mit seinem heutigen Beschluss die Entwicklung in die Hand nehmen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute eine solche Enquetekommission zur Verwaltungs- und Gebietsreform beschließen, bauen wir damit eine Brücke in die Zukunft unseres Landes. Wir machen klar, dass gehandelt werden muss, und wir wollen auch konkret beschreiben, wie gehandelt werden muss. Wir wollen mit dieser Enquetekommission der Landesregierung Beine machen. Im Herbst des nächsten Jahres soll ein Zwischenbericht auf dem Tisch liegen. Ich wünsche mir, dass der umfangreich ist, und unsere Vorstellung als SPDFraktion ist, dass wir im Jahr darauf auch den Endbericht hier auf dem Tisch haben. Wir müssen noch in dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung einer solchen Verwaltungs- und Gebietsreform beginnen. Wir können diese Aufgabe nicht liegen lassen, nur weil der Ministerpräsident weiche Knie hat und sich nicht rantraut an diese Reform. Je länger wir mit diesen notwendigen Strukturreformen warten, umso schwerer wird es nämlich auch, sozialverträgliche Lösungen für diesen Umbau in Thüringen zu finden. Wer heute zögert, der verschärft die Probleme. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam handeln und lassen Sie uns das so zügig wie irgend möglich tun. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Groß, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Matschie, ich kann Sie beruhigen mit diesen weichen Knien. Der Ministerpräsident hat keine weichen Knie, wir haben eine starke Führung und wir haben ein

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wahlkampfprogramm gehabt, und was wir da den Menschen in unserem Land versprochen haben, dazu stehen wir. Das hat etwas mit verlässlicher Politik zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Der Antrag der SPD-Fraktion ist im März dieses Jahres eingebracht worden. Wir befassten uns mit dem Antrag bereits im Plenum und im Innenausschuss, wie Kollegin Taubert bereits ausführte. Um es vorwegzunehmen, die CDU-Fraktion wird der Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom 13.05.2005 in Drucksache 4/886 zustimmen. Der Arbeitsumfang, der hier auf die Mitglieder der Enquetekommission zukommt, ist gewaltig, aber auch wichtig für die Entwicklung in Thüringen. Der ursprüngliche Antrag der SPD-Fraktion griff unseres Erachtens nur einige Aspekte des Themas heraus. Deshalb brachten wir einen eigenen Antrag zur Präzisierung in den Innenausschuss ein. Das Thema der Enquetekommission betrifft Weichenstellungen, ich denke, für die nächsten 20 Jahre, so dass hier gründlich und ohne Zeitdruck gearbeitet werden sollte. Die ursprüngliche Terminstellung zum Abschlussbericht für den 30.11.2006 war unseres Erachtens unrealistisch. Die uns jetzt vorliegende Beschlussempfehlung, die einen Zwischenbericht Ende November 2006 vorsieht, kommt der Bedeutung und der Aufgabenbreite der Kommission wesentlich näher.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDUFraktion hat betont und dabei bleiben wir, in dieser Legislatur wird es keine Gebietsreform von oben geben. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass wir freiwillige Bestrebungen von kommunaler Seite her unterbinden werden. Im Gegenteil, wir werden heute oder morgen, je nachdem, wann der Tagesordnungspunkt dran sein wird, die Richtlinie für die Gewährung von Zuweisungen des Freistaats zur Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse behandeln. Damit geben wir den Verantwortlichen vor Ort einen finanziellen Anreiz, um effektivere Strukturen zu bilden.