Protocol of the Session on June 19, 2009

(Unruhe CDU)

Also dann darf ich feststellen, solange es schlecht lief, waren immer die anderen schuld, die in Berlin, die Wirtschaft, sonst wer. Wenn es gut läuft, sind Sie schuld, okay, so kann man die Welt sich natürlich auch schönreden. Sie merken doch selbst, dass das Schaufenster ist, was Sie hier veranstalten. Sie wissen, es gibt eine Schuldenbegrenzung, die steht im Grundgesetz, die gilt für alle Bundesländer, die gilt für den Bund. Wir brauchen eine Übergangsfrist, um zu garantieren, dass die Haushalte strukturell darauf vorbereitet werden, ohne neue Schulden auszukommen.

(Unruhe CDU)

Das einfach nur in die Verfassung zu schreiben, da könnten Sie auch beschließen, dass morgen die Sonne scheint. Es kommt nicht darauf an, hier etwas in die Verfassung zu schreiben, was ohnehin im Grundgesetz geregelt ist, sondern es kommt darauf an, endlich Haushaltspolitik zu machen und Strukturveränderung möglich zu machen in diesem Land, was langfristig dazu führt, dass die Haushalte ausgeglichen sind - aber genau an der Stelle weigern Sie sich. Das, was andere Bundesländer gemacht haben, nämlich Verwaltungs- und Gebietsreformen, um einzusparen,

(Unruhe CDU)

um die Haushalte auf die Zukunft auszurichten, da verweigern Sie sich, das haben Sie erst gestern hier wieder deutlich gemacht. Solange Sie nicht bereit sind, wirklich Strukturreformen anzupacken, können Sie hier beschließen, was Sie wollen, da werden die Haushalte nicht ins Gleichgewicht kommen. Deshalb ist es höchste Zeit am 30. August für neue Mehrheiten, damit endlich solide Haushaltspolitik in Thüringen möglich wird.

(Beifall SPD)

(Heiterkeit CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Mohring, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst will ich erklären: Dieser Thüringer Landtag ist nicht geeignet, hier Wahlkampfreden zu halten.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD)

Herr Matschie, wenn Sie denken, dass Sie jede Rede dazu benutzen müssen, sich hier im Wahlkampf zu postulieren, dann verwechseln Sie, dass Sie auch als Abgeordneter hier im Thüringer Landtag, das heißt einer von 88, auch eine Verantwortung für den Freistaat Thüringen haben. Sie nehmen diese Verantwortung für diesen Freistaat nicht wahr.

(Beifall CDU)

Ich habe ja gehofft, wenn Sie selbst das Wort ergreifen, nachdem Sie noch mal ergänzend Stellung nehmen mussten für den Abgeordneten Pidde, dass vielleicht jetzt doch gescheite Vorschläge der SPD-Frak

tion kommen, wie Sie sich die strukturelle Veränderung in den Haushalten in Thüringen vorstellen. Sie sagen, wir brauchen jetzt keine Verfassungsänderung, weil das Grundgesetz vorschreibt, im Jahr 2020 müssen die Bundesländer keine Schulden machen. Aber wo sind denn Ihre Vorschläge für diesen langen Bremsweg, wie Sie sich vorstellen - außer Ihrer immer wieder hergeleierten Gebietsreform -, wie sich Thüringen darauf einstellen soll, ohne neue Schulden auszukommen in den nächsten Jahren? Sie haben keinen Vorschlag gemacht.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wo ist denn Ihr Vorschlag?)

Sie bleiben diesen Vorschlag seit Wochen, seit Monaten schuldig.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wo ist denn Ihrer?)

Sie bleiben ihn auch in den nächsten Monaten schuldig. Deshalb können Sie keine Verantwortung übernehmen, weil Sie außer der Gebietsreform nichts auf der Pfanne haben. Sie sind ein schwacher Politiker, Sie sind ein Gebietsreformpolitiker, aber kein guter Haushälter und Sie wären auch kein guter Ministerpräsident.

(Beifall CDU)

(Unruhe SPD)

Gestern wollten Sie uns erzählen, wie Sie abstimmen im Bundesrat, wenn Sie denn abstimmen dürften. Mir wäre lieber, Sie würden uns nicht erzählen, wie Sie abstimmen würden in Gremien, in denen Sie nie Mitglied werden; es wäre besser, Sie würden gescheit abstimmen in diesem Haus, wo Sie eine Stimme haben, wo Sie Verantwortung haben für die Zukunft dieses Landes, wo Sie Verantwortung haben, wie sich das in der Zukunft gestaltet, und wo Sie auch Verantwortung haben, auch tatsächlich politische Verantwortung. Sich nur hierher zu stellen und zu kritisieren, das ist zu wenig. Wir haben im Haushaltsausschuss Ihre Fraktion mehrmals aufgefordert und haben gesagt, liebe SPD, wenn ihr mittragen wollt, wie sich verfassungsändernde Mehrheiten bilden können, um auf den Weg zur Schuldenbremse zu kommen, dann sind wir für jeden Vorschlag offen, der auch abweicht vom vorgelegten Landesregierungsentwurf. Wir haben Ihnen das vor mehreren Monaten gesagt bei der Einbringung hier im Parlament, bei der ersten Lesung, wir haben es Ihnen während der Haushaltsberatungen gesagt, wir haben es Ihnen zwischen diesen Beratungen gesagt. Sie haben die Monate verstreichen lassen; außer blasierten Reden ist kein gescheiter Vorschlag gekommen. Ich will das der Öffentlichkeit sagen, damit sie Sie richtig ein

schätzen können.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Es reicht!)

Herr Matschie, dass Sie keine großen Zahlenkenntnisse haben, zeigt schon Ihr erster Satz, den Sie hier am Pult gesagt haben, die CDU hätte zehn Jahre Verantwortung. Ich will das nur mal richtigrücken: 19 Jahre Verantwortung und es werden weitere fünf nach dem 30. August hinzukommen.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Außerdem, sehr geehrter Herr Matschie, weil Sie die Abwassergeschichte noch einmal angesprochen haben - ich muss darauf reagieren -, haben wir natürlich mit dem Gesetz, das Sie gestern vorgeschlagen haben, gesagt: Wir wollen den Bürgern in Thüringen helfen, wir wollen den Städten und Gemeinden helfen, wir wollen den Zweckverbänden helfen, damit keine enorme Beitragslast auf die Leute zukommt. Dieses Versprechen, diese Hilfe kostet uns in den nächsten 50 Jahren zusätzlich 1,8 Mrd. €. Aber ich will auch sagen, wenn Sie über Verantwortung reden, dann kann mir ein Satz nicht erspart bleiben und ich will ihn jetzt noch einmal sagen: Natürlich ist die Abwasserproblematik schwierig; wir alle tragen auch ein Stück mit, die in den ganzen Jahren Verantwortung hatten. Aber ich persönlich bin fest überzeugt, dass vor allen Dingen Anfang der 90er-Jahre bis Mitte der 90er-Jahre die Weichenstellungen für diese schwierige Problematik gemacht wurden. Ich will Ihnen sagen und ich will Ihnen das vorhalten: Von 1994 bis 1999 war da ein Innenminister im Land, der Verantwortung hatte, der

(Unruhe SPD)

gehört zu Ihrer Partei und er hat fünf Jahre lang im Abwasserbereich alles verschlafen, was man verschlafen konnte. Auch Sie tragen Schuld daran, dass wir so hohe Kosten haben.

(Beifall CDU)

Kommen Sie zur Vernunft und machen Sie ordentliche Politik. Wir laden Sie ein, da mitzumachen. Nutzen Sie die nächsten fünf Jahre Opposition, um auf besseren Tugenden mitzumachen, damit Thüringen gut vorankommt. Wir werden wieder die Verantwortung in der Mitte wahrnehmen.

(Beifall CDU)

Bitte, Abgeordneter Huster, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich versuche etwas zur Versachlichung der Debatte insofern beizutragen, als dass ich Sie und uns alle bitte, zum Ausgangspunkt der Debatte zurückzukehren.

Nun ist die Frage: Wie sollen in Zukunft die öffentlichen Haushalte in Deutschland finanziert werden? Herr Mohring, das, was wir von Ihnen gehört haben, neben dem Wunsch, per einfachem Gesetz die Schuldenbremse de facto zu verankern, sind Vorschläge von Ihnen nur zu hören im Sinne von, wir zerstören weiter die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Sie haben bisher nur Vorschläge gemacht, die in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen dazu führen, dass uns in Thüringen Einnahmen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro weiter wegbrechen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben zumindest vorhin versucht, Ihnen in der Debatte einmal die einfache Frage zu stellen, selbst wenn Ihre Annahme stimmt, dass Sie die Konjunktur wieder ins Laufen bekommen, dass Sie damit nicht mehr Steuereinnahmen haben und keine Haushaltsausgleiche gewährleisten können und dass Sie mit einer Schuldenbremse, so wie Sie sie, glaube ich, implizieren, um Sozialabbau vorzubereiten, das Problem, das wir heute in der Wirtschaftsordnung haben, noch verschärfen. Die Menschen werden Einkommen verlieren. Es sind Vorschläge - Herr Kuschel hat das vorhin benannt - im Raum einer Mehrwertsteuer von 25 Prozent. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Kaufkraft bei den kleinen Einkommen weiter abgezogen wird. Dann gibt es zwar einen einfachen Widerspruch, der bedeutet, dass, auf deutsch gesagt, sich jeder Bockwursthändler irgendwie mehr mit den Großkonzernen, die spekulieren, identifiziert und sagt, ich wähle zum Schluss trotzdem die, die ich immer gewählt habe. Aber im Kern geht es darum, ob wir eine Politik machen können in Thüringen und in Deutschland, die die hier arbeitenden und lebenden Menschen zum Ziel hat und nicht die Rendite von global agierenden Unternehmen. Das ist auch die Kernfrage, wie die öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren finanziert werden sollen. Alle Vorschläge, die von Ihrer Seite kommen, bedeuten, dass sie Legitimationszusammenhänge für Sozialabbau schaffen. Und, Herr Mohring, wer sich hier hinstellt und dann so argumentiert mit dem politischen Kontrahenten oder Gegner, dass nur der gut und ernst zu nehmen ist, der Ihre Weltsicht teilt, ansonsten schimp

fen Sie auf die Leute ein und bezichtigen sie mehr oder weniger der vaterlosen Gesellen, wie Sie das in der Geschichte schon immer mal gebracht haben,

(Unruhe CDU)

das ist ein undemokratischer Umgang hier im Haus. Es ist genauso undemokratisch, Frau Ministerin, wenn Sie unterstellen, die Opposition hätte in den letzten Jahren hier die Verfassung so ausgelegt, als hätte man grenzenlos mit den Anträgen Schulden machen wollen.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Ja- wohl.)

Das stimmt nicht, das stimmt auch in der letzten Legislatur nicht. Was hier immer im politischen Diskurs war, dass Ihre Investitionen natürlich unter Kritik standen und wir Alternativen vorgeschlagen haben, natürlich genau mit diesem Filter, welche Investition am ehesten geeignet ist, die Binnennachfrage zu stärken, ausreichend Menschen in Beschäftigung zu bringen und für Lohn und Brot zu sorgen. Ihre Vorschläge haben viel zu oft und oft genug damit zu tun gehabt, Prestigebauten in die Landschaft zu setzen, Beton statt Bildung zu finanzieren und damit nicht für einen selbsttragenden Aufschwung in Thüringen zu sorgen. Das ist doch das Kernproblem der Debatte. Ich bitte darum - deswegen werden wir Ihren jetzigen Gesetzentwurf ebenso ablehnen -, dass darüber in diesem Land debattiert wird, weil so, wie Ihr bisheriges wirtschaftspolitisches Konzept war, es nicht geeignet ist, für Stabilität zu sorgen, für Sicherheit bei den Menschen zu sorgen. Es ist nicht geeignet, Ihren zur Worthülse verkommenen Begriff der sozialen Marktwirtschaft wieder mit Leben zu erfüllen und damit dafür zu sorgen, dass langfristig auch die jüngeren Generationen hier einen Sozialstaat vorfinden, mit dem sie die zentralen Lebensrisiken abgesichert sehen. Darum geht es in dieser Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Bitte, Frau Ministerin Diezel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch mal auf die Argumente von Herrn Matschie eingehen: Wir hätten nicht gespart, die letzten Jahre nicht konsolidiert, es wäre ja bloß das Geschenk der Steuermehreinnahmen. Herr Matschie, wenn Sie sich die Haushaltspläne der Jahre seit 1994, seit 1999 anschauen, dann kommen wir

auf eine Ausgabengröße von 10,4 Mrd. €. Wir sind jetzt auf einer Ausgabengröße von 9,2 Mrd. €. Noch in dem Rückblick der letzten Mittelfristigen Finanzplanung kommen wir auf 9,6 Mrd. €. Diese Ausgaben von 9,6 Mrd. € wurden aber finanziert im Jahr 2000 mit rund 600 Mio. € Krediten. Jetzt haben wir einen Haushalt, der Abschluss 2008, von 9,2 Mrd. €, das heißt, die Ausgabengröße ist gesunken und wir haben ohne Schulden diesen Haushalt finanziert und noch eine Rücklage von 319 Mio. € bilden können.

(Beifall CDU)

Das heißt, hier wurde ganz konkret konsolidiert und gespart. Die Personalquote ist in den letzten Jahren nicht über 26/27 Prozent gestiegen, und das bei Tariferhöhungen, die rückblickend 13/14 Prozent im Besoldungsbereich genauso wie im Tarifbereich ausgemacht haben. Hier wurde echt gespart. Da Sie sagen, die Opposition oder Ihre Partei hätten immer Vorschläge gemacht, die nie die Ausgabengröße erhöht hätten - nun sitze ich seit 1994 in diesem Landtag und da im Haushalts- und Finanzausschuss -, ich habe sehr oft erlebt, wie Frau Ellenberger gerade im Sozialbereich immer mehr Forderungen hatte. Wir haben entschieden, Nachtragshaushalte mit 100 Mio. €, mit 90 Mio. € gemacht für die Erhöhung von Frau Ellenberger. Zum Schluss hat sie es gar nicht gebraucht, aber man hat es ja vorsorglich erst einmal gemacht und wir haben Schulden aufgenommen. An diese Vorschläge kann ich mich noch sehr, sehr gut erinnern.

Wenn Sie das ansprechen, wofür Sie Verantwortung haben beim letzten Doppelhaushalt: Ich kann mich auch erinnern, wie Sie den Deckungsvorschlag gemacht haben. Sie haben nämlich diese prognostizierten oder eventuellen Steuermehreinnahmen schon mit eingerechnet. Das heißt, Sie haben die Einnahmen nach oben geschrieben, um Ihre Ausgaben zu decken. Das ist Ihre Rechnung.