Protocol of the Session on May 8, 2009

Zum Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, das Ihnen SPD und DIE LINKE jetzt zur Diskussion vorgelegt haben, muss ich nicht mehr viel sagen. Der Kollege Gentzel hat die Kurzfassung, die wir dazu verfasst haben, vorgetragen mit allen Punkten, die im Landesprogramm verankert sind. Sie müssen natürlich, wenn Sie sich dafür interessieren, das Landesprogramm selbst ausführlich lesen, weil mit einer kurzen Zusammenfassung nicht alles gesagt ist.

Meine Damen und Herren, Thüringen braucht dieses Landesprogramm nämlich, damit in einem Gesamtkonzept gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Rechtsextremismus und gegen rechtsextremistische oder rassistisch-motivierte Gewalt gearbeitet werden kann. Die Einzelmaßnahmen, die in Ihren Berichten, sehr geehrte Landesregierung, beschrieben sind, nützen nichts. Wir sehen das an den Ergebnissen des Thüringen-Monitors. In dem Bericht ist der Thüringen-Monitor sogar als wichtige Maßnahme beschrieben, aber was man aus den Ergebnissen des Thüringen-Monitors schlussfolgern kann, lese ich in keinem der Berichte, die Sie vorlegen. Was man in dem Bericht, der in diesem Jahr herausgegeben wurde, positiv lesen kann, ist eine Begründung, warum das Landesprogramm der Oppositionsfraktionen gebraucht wird. Hier kann man nämlich auf Seite 4 lesen: Für eine wirksame Prävention und Bekämpfung des Rechtsextremismus ist aber auch die verantwortliche Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen erforderlich, die den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verteidigen. Ich denke, wir haben das in unserem Landesprogramm verankert. Auf Seite 5 kann man lesen: „Zur Herausbildung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Einstellungen und Verhaltensweisen trägt eine Vielzahl von Faktoren bei. Am wirkungsvollsten ist es, bereits möglichst früh an diesen Faktoren anzusetzen.“ Wir versuchen das mit dem Schwerpunkt Prävention, insbesondere auch im Vorschul-, Grundschul- und Schulalter mit sehr konkreten Maßnahmen. Man kann weiterlesen, dass auch eine mehrdimensionale Handlungsstrategie unentbehrlich ist - auch das, denke ich, haben wir vorgelegt mit unserem Landesprogramm. Wir machen eben nicht nur „Prävention“ im Bereich der Bildungsarbeit; Herr

Gentzel hat es gesagt, wir sind bei der außerschulischen Jugendbildung, bei Erwachsenenbildung, Familiensozialarbeit, Repression natürlich auch, wir wollen alle möglichen Präventionsmaßnahmen, Interventionsmaßnahmen miteinander verknüpfen, zu einem Konzept zusammenfügen und es gemeinsam mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU und der Landesregierung, umsetzen.

Ich möchte noch mal ergänzen - ich bin nicht sicher, ob ich Herrn Gentzel vorhin richtig verstanden habe bei den Ausschüssen, die genannt wurden. Er hat benannt den Innenausschuss, den Sozialausschuss, den Bildungsausschuss und ich habe nicht gehört, vielleicht habe ich es überhört, den Justizausschuss, weil wir ja auch im Bereich der Justiz Maßnahmen drinhaben, die umgesetzt werden sollen, die wir mit Ihnen diskutieren wollen. Ich möchte mit Brecht schließen und noch mal wiederholen: „Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage.“ Und die Niederlage, meine Damen und Herren, das ist die Mitverantwortung von Landesregierung und CDU für den erstarkenden Rechtsextremismus, für rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung, die wir immer wieder im Thüringen-Monitor messen können, und für alle damit sich ergebenden Konsequenzen für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Deswegen kann ich einfach nur an Sie appellieren, meine Damen und Herren, diskutieren Sie mit uns unser Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und vielleicht können wir uns annähern und können gemeinsam wirksame Maßnahmen und eine wirksame Strategie gegen den Rechtsextremismus miteinander erarbeiten und umsetzen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Gentzel zu Wort gemeldet.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, vor allen Dingen Frau Groß, ich will Sie nicht verbessern, ich will mit Ihnen ins Gespräch kommen. Das ist genau das in diesem Sinne, wie Frau Klaubert dieses Programm eingebracht hat, es geht hier nicht darum, die eine oder andere gute Initiative des anderen hier in Grund und Boden zu reden, weil nämlich Wahlkampf ist, sondern es geht darum, dass wir zusammen, dass wir gemeinsam ein ordentliches Landesprogramm gegen Rechtsextremismus auf die Beine bringen. Wenn Sie dann sagen, dass Ihnen da das eine oder andere in unserem Programm abgekupfert vorkommt, dann sage

ich Ihnen, das ist vollkommen normal. Wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind, habe ich gesagt, dass wir durchaus Sinnvolles, was es bisher gibt, weiterführen wollen. Deshalb geht es nicht darum, sprachlich oder irgendwie etwas Neues zu finden, sondern das nehmen wir auf. Das ist eben nicht Wahlkampf, weil wir nicht das, was bisher nach unserer Auffassung viel zu wenig passiert ist, in Grund und Boden rammen, weil wir es ziemlich genau gefiltert haben, was da funktioniert. Ich nenne z.B. das „Buddy-Projekt“ oder das Projekt „Faustlos“. Die Landesstelle Gewaltprävention befindet sich in der Abwicklung. Das sagen Sie sicher nicht so laut, aber dafür gibt es ganz klare Indizien. Ich habe im letzten Jahr eine Anfrage gestellt zur Besetzung der Landesstelle Gewaltprävention, da habe ich zur Antwort bekommen, dass von elf Stellen nur sieben besetzt sind, und das sind alles Abordnungen oder befristete Einstellungen. Es gibt nicht mal mehr einen Leiter dieser Landesstelle Gewaltprävention. Insofern, diese Landesstelle ist in der Abwicklung und da bin ich schon dafür, dass wir das auch mit einer gewissen Konsequenz machen, wenn Sie das jetzt begonnen haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Mit der Polizeiausbildung, sehen Sie, das ist so ein Punkt, da würde ich gern im Innenausschuss zuhören. Sie haben ja zumindest hier signalisiert, dass Sie das Problem selbst erkannt haben und das angepasst wird. Darüber will ich ganz einfach mit Ihnen reden. Wenn das funktioniert, dann schreiben wir das im Programm anders oder nehmen es ganz und gar raus, das ist doch nicht das Problem. Aber wir haben Probleme, da will ich jetzt nur eins erwähnen, weil das sehr aktuell ist. Was Sie am Schluss gesagt haben, bei den Staatsanwaltschaften das funktioniert, das ist falsch. Das ist definitiv falsch und ich will Ihnen das an einem Beispiel auch deutlich erläutern. Das ist ein Beispiel, was eindeutig für sich spricht. Wir haben letztes Jahr im Juni hier darüber diskutiert, im Justizausschuss ist diskutiert worden, wie es sein kann, dass ein Rechtsextremer wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wird. Das Problem war, das Verfahren lief sage und schreibe fünf Jahre und diese Verfahrensdauer muss dann angerechnet werden. Wir haben das im Justizausschuss miteinander besprochen und da haben wir die klare Aussage von der Justizministerin bekommen, das ist ein Ausnahmefall. So etwas passiert nicht - es ist ein Ausnahmefall. Da schaue ich heute in die Zeitung

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Bedauerlicher Einzelfall.)

- ja, bedauerlicher Einzelfall, genau das ist es gewesen - da lese ich unter der Überschrift „Prozess

gegen NPD-Politiker Heß vertagt“, dass seine Revision zum Urteil gegen Volksverhetzung angenommen worden ist. Das OLG hat entschieden, dass der Schuldspruch zwar richtig ist, dass bei der Strafzumessung aber die lange Verfahrensdauer unberücksichtigt geblieben ist. Wir wissen aus einer Anfrage, dass so eine Verfahrensdauer durchschnittlich 141 Tage dauert, das ist uns schon zu viel. Da kann man sich mal ausrechnen, wie viele Verfahren wir haben - das ist nur der Durchschnitt -, die über diese Zeit gehen. Ich sage Ihnen, das stinkt mir mächtig. Wir machen bei der Polizei viele Klimmzüge und ich habe nie abgestritten, dass es da in der letzten Zeit auch Fortschritte gab, z.B. was das Verhindern von rechtsextremistischen Konzerten betrifft. Wir machen bei der Polizei Klimmzüge und wir erfahren ganz real, dass es bei der Justiz nicht funktioniert, dass wir Verfahren haben - und das sind keine Ausnahmen, das wissen wir jetzt -, die teilweise fünf Jahre dauern und dass es deshalb nicht zur entsprechenden Verurteilung kommt. Genauso wie wir beim Thema Polizei sagen, wir hören uns das an und wir gehen dann auf Sie zu, wenn das funktioniert, verlange ich von Ihnen schon, dass Sie solche Fälle nicht kalt lassen. Ich finde das schon interessant, wenn so eine bekannte Person wie der Herr Heise, wenn bei der Staatsanwaltschaft so mit dieser Problematik umgegangen wird. Ich hoffe, ich konnte Ihnen an diesem kleinen Ausschnitt zeigen, dass es nicht darum geht, hier irgendetwas aufzubauen, sondern wir wollen miteinander reden, wir wollen ein Landesprogramm gegen rechts auf die Beine bringen. Wir wollen eigenständige Strukturen. Deshalb will ich noch einmal dafür werben, dass Sie diesen Antrag an die entsprechenden Ausschüsse überweisen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Abgeordneter Kummer zu Wort gemeldet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich zu Wort gemeldet aus persönlicher Betroffenheit. Da brauchen Sie nicht stöhnen. Ich fühle mich hilflos. Ich habe schon viermal erlebt, dass meine Büroscheiben zu Bruch gegangen sind und beim letzten Mal hatte ich noch zwei Feuerwerkskörper im Büro liegen. Es konnte bisher nie ein rechtsextremer Hintergrund nachgewiesen werden. Die Ereignisse - ich weiß nicht, was bei Ihnen in den Kreisen los ist -, die sich bei uns in der Stadt Hildburghausen abspielen, sind katastrophal. Da findet verboten ein Fußballwettstreit von Rechtsextremen statt. Der Bürgermeister geht in Begleitung von Polizei hin, um das aufzulösen und landet auf der Nase. Unser Bürger

meister ist ziemlich groß, wer ihn kennt, da gehört schon einiges dazu. Nazis tummeln sich vor seinem Haus nachts und brüllen, dass sie ihm die Bude anstecken wollen. Bekannte aus der Szene haben auch schon Häuser angesteckt in Hildburghausen. Das letzte Erlebnis, was ich hatte, war, dass vier Rechtsradikale am Bürgermeister und mir vorbeigegangen sind auf dem Markt, wo man uns dazugeholt hatte, weil man sie „Sieg heil“ aus einem Haus hatte brüllen hören, die liefen an uns vorbei und sagten zum Bürgermeister noch „Wichser“, zogen weiter, traten links und rechts ein paar Aufsteller zusammen und ein „Sieg heil“ grölte durch die Stadt. Ich bin dann als Zeuge vernommen worden dazu. Da wurde ich gefragt, wer von den Vieren denn „Sieg heil“ gerufen hat. Ich habe sie nur von hinten gesehen, ich konnte es nicht zuordnen. Wie das ausgeht, wissen wir, es wird nichts geben, alles bleibt ohne Konsequenzen. Wenn wir dem weiter zusehen wollen, dann müssen wir mit dem Ergebnis rechnen, deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Programm, deshalb bitte ich Sie, dass wir gemeinsam etwas tun. Dieses Signal sollte vom Landtag ausgehen. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Mir liegen jetzt seitens der Abgeordneten keine weiteren Redeanmeldungen vor. Für die Landesregierung Herr Staatssekretär bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor drei Jahren, am 31. März 2006, hat der Thüringer Landtag mit Stimmen aus allen Fraktionen einen Beschluss mit dem Titel „Initiative für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt“ gefasst. Im Rahmen der jährlichen Berichterstattung hierzu hat die Landesregierung ihre bekannten und bewährten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus unter dem Titel „Landesstrategie gegen Rechtsextremismus“ zusammengefasst und den Thüringer Landtag in der Drucksache 4/5052 vom 30. März 2009 darüber unterrichtet. Dass man aus diesem Bericht und aus diesem Geschehen schließen kann, dass hier kein Kampf stattfindet, ist mir nicht nachvollziehbar. Oder dieses Tätigsein und diesen Bericht als Placebo darzustellen, Placebo - also etwas Untaugliches, was nichts mit den Wirkungen zu tun hat -, denke ich, wird dem nicht gerecht. Die angesprochene Evaluation ist in der Tat als sehr anspruchsvolles Projekt von Sozialforschung zu bewerten und dies vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass man ja nicht weiß, was gewesen wäre, wenn nichts an Intervention erfolgt wäre; in der Tat sehr anspruchsvoll und sehr

aufwendig.

Die Landesstrategie gegen Rechtsextremismus bündelt alle Maßnahmen der Landesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sowohl im Bereich der Prävention als auch der Repression.

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Anfrage durch Frau Abgeordnete Berninger?

Ja.

Bitte, Frau Berninger.

Vielen Dank. Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie mir noch mal erläutern, wie evaluiert wird oder ob überhaupt Evaluation stattfindet. Das kann ich in dem Bericht nicht erkennen. Ich kann in dem Bericht auch beispielsweise nicht erkennen, was Evaluation sein könnte. In der Beschlussnummer 1.5, zu dem der Bericht gemacht wurde, steht etwas über den Beirat bei der Landesstelle Gewaltprävention. Ich konnte lediglich in den Berichten, die der Herr Zeh noch geschrieben hat, 2007/2008 etwas über diesen Beirat lesen. Einmal, dass er konstituiert wurde und einmal, dass er viermal getagt hat und was er eventuell noch vorhat. Aber am Schluss steht, der Beirat soll die Projekte und Initiativen evaluieren, und er soll darüber berichten und Empfehlungen abgeben. Mir sind aber leider keine Empfehlungen bekannt. Vielleicht können Sie das noch mal aufklären.

Ich werde sicherlich noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Zu meinem Hinweis auf die in Ihrem Sinne angesprochene Evaluation muss ich sagen, dass mir bei dem angeführten Beispiel etwa aus Mecklenburg-Vorpommern entsprechende Evaluationen nicht bekannt sind, die ableiten, wie wirkungsvoll etwa die dort getroffenen Maßnahmen im Sinne von Einsatz und Wirkung sind.

Bei der Ausweitung der Landesstrategie haben wir uns nicht nur auf unsere jahrelange Erfahrung in der Bekämpfung des Rechtsextremismus verlassen, sondern wissenschaftlichen Sachverstand zurate gezogen. An dieser Stelle möchte ich dem wissenschaftlichen Beirat der Landesstelle Gewaltprävention ganz herzlich für die dort geleistete Arbeit danken.

(Beifall CDU)

Eine wissenschaftliche Tagung im letzten Jahr hat zahlreiche Anregungen zur Verbesserung der Landesstrategie gegen Rechtsextremismus erbracht.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Wann ist denn die …)

Die systematische Betrachtung hat uns die Stärken und die Möglichkeiten der weiteren Verbesserung unserer Strategie aufgezeigt. Kinder und Jugendliche stehen deshalb im Zentrum der Präventionsmaßnahmen, weil es zu den gesicherten Erkenntnissen gehört, dass in diesem Alter wesentliche Grundlagen gelegt werden. Soziale Kompetenz, Empathie und Konfliktfähigkeit müssen bereits im Vorschulalter gefördert werden, damit Kinder und Jugendliche nicht Gewalt zur Lösung von Konflikten vorziehen. Wir wissen, dass rechtsextremes Denken und Handeln häufig mit einem Mangel an Sozialkompetenz einhergehen. Die Maßnahmen der Landesstrategie gegen Rechtsextremismus im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit sind sehr vielfältig. Sie setzen an bei der Verpflichtung auf demokratische Grundregeln in der Schule, abgestimmte Lehr- und Arbeitspläne zur Demokratieerziehung und enthalten zahlreiche Einzelmaßnahmen für Kinder jeden Alters. „Papilio“ unterstützt Kindergartenkinder in der Persönlichkeitsentwicklung. „Faustlos“, „Balu und Du“ sowie das Buddy-Programm sind Bausteine zur Verbesserung der sozialen Kompetenz von Grundschülern. Weitere Beispiele sind Schülerstreitschlichter, „Sozialkompetent in der Ausbildung“ für Regel- und Berufsschüler. Auch die Verteilung der Respekt-Schulhof-CD und die zugehörige Aktionswoche vom kommenden Montag an wird von der Landesregierung aktiv unterstützt. Selbstverständlich werden auch Pädagogen entsprechend aus- und fortgebildet, im „Studienkurs Gewaltprävention“ an der Fachhochschule Erfurt genauso wie im Projekt „Perspektivwechsel“, dass in der Trägerschaft der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland läuft. Diese Präventionsmaßnahmen bei Kindern, Jugendlichen und Pädagogen sind beispielhafte Ausschnitte aus der Landesstrategie gegen Rechtsextremismus, die Ihnen ja vorliegt.

Wesentlich schwieriger als bei Kindern und Jugendlichen ist die Präventionsarbeit bei Erwachsenen. Hier setzen wir auf eine nachhaltige Stärkung der Zivilgesellschaft. Alle Aktivitäten, die zivilgesellschaftliche Strukturen weiterentwickeln, werden unterstützt. Kommunale Präventionsgremien existieren bereits in einer ganzen Reihe von Thüringer Kommunen. Zukünftig sollen sie noch weiter vernetzt werden und eine Stimme im neu zu gründenden Landespräventionsrat haben. Lokale Aktionspläne, gefördert mit Bundesmitteln, dienen in 10 Thüringer Landkreisen

der Entwicklung und Vernetzung vor Ort. Die Vermittlung von Erfahrungen an andere Kommunen war Ziel einer Fachtagung im Herbst des vergangenen Jahres in Ohrdruf. Mit der Kontakt- und Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus verfügen wir einerseits über eine landesweite mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, andererseits über eine Beratung von Opfern und Zeugen rechtsextremer Gewalt. Im Landessportbund fördert die Landesregierung eine Stelle für Gewalt- und Extremismusprävention, die Sportvereine im Umgang mit Rechtsextremismus berät. Außerdem engagiert sich die Landesregierung in der Arbeit mit Fußballfans in den sogenannten Fanprojekten. Die erwähnte wissenschaftliche Fachtagung für Evaluation von Strategien gegen Rechtsextremismus hat die wissenschaftliche Unterscheidung dreier Präventionsstrategien noch einmal verdeutlicht. Universelle Prävention zielt auf alle Personen eines Gemeinwesens. Die selektive Prävention soll diejenigen von Gewalt und Extremismus abbringen, die ein erhöhtes Risiko dabei haben, und schließlich soll die indizierte Prävention bereits auffällige oder sogar straffällig gewordene Personen vor einem Rückfall bewahren. Misst man die Landesstrategie gegen Rechtsextremismus an diesem Konzept, diesem dreigestuften Konzept, so zeigt sich, wie gut diese drei Bereiche in Thüringen abgedeckt sind. Zahlreiche Maßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit dienen der universellen Prävention. Auch der jährliche Thüringen-Monitor gehört in diese Kategorie, denn er informiert über die politische Kultur und wird in zahlreichen Schulprojekten eingesetzt. Die Schülerstreitschlichter, das Modellprojekt von Aggression bis Delinquenz und die Fanprojekte sind Beispiele für Maßnahmen der selektiven Prävention. Dazu gehört auch die Arbeit der Kontakt- und Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie wiederholen sich.)

Indizierte Präventionsarbeit wird schließlich in den Justizvollzugsanstalten des Landes in Form von Antiagressivitätstraining oder dem Thüringer Trainings- und Bildungsprogramm geleistet. An den wenigen noch offenen Punkten, die die Landesstrategie gegen Rechtsextremismus noch lässt, wird mit Hochdruck gearbeitet. So wird etwa ein Thüringer Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten entwickelt, das noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen soll. In der Kombination dieser Präventionsmaßnahmen mit Maßnahmen der Repression lässt sich insgesamt festhalten, dass Thüringen im Kampf gegen Rechtsextremismus gute Arbeit leistet. Bei einem solch wichtigen Thema wie Rechtsextremismus ist es richtig und wünschenswert, wenn sich alle demokratisch-gesellschaftlichen Kräfte hierzu Gedanken machen und sich austauschen. Daher ist im

Grundsatz zu begrüßen, wenn die Oppositionsparteien nun auch ihre eigenen Vorstellungen vorlegen. Es wäre allerdings besser gewesen, wenn Sie anknüpfend an den erwähnten Landtagsbeschluss vom 31. März 2006 vorher den Dialog gesucht hätten. In Ihrem Antrag werden über weite Teile Selbstverständlichkeiten referiert, in denen überhaupt kein Dissens besteht. Vergleicht man diesen Text mit unserer Landesstrategie gegen Rechtsextremismus, so fallen eine ganze Reihe von Doppelungen auf.

Die bisherigen Anstrengungen des Freistaats Thüringen auf dem Gebiet der Prävention wie auf dem Gebiet der Repression werden teilweise ja durchaus positiv wahrgenommen. Die Projekte der Landesregierung, deren Fortführung Sie anstreben, sind wesentlich zahlreicher als die von Ihnen neu vorgeschlagenen. Ich nenne nur „Buddy“, „Faustlos“ oder „Sozialkompetent in der Ausbildung“. Ein wesentlicher Unterschied zur Landesstrategie kann in der schon lange bekannten Forderung nach Regionalzentren für Demokratie gesehen werden. Bevor man nach unserer Auffassung eine solche Forderung erhebt, sollten zuerst der tatsächliche Bedarf hierfür geklärt und mögliche Wirkungen auch bedacht werden. Ein solcher Bedarf auf kommunaler Ebene ist in diesem Umfang seitens der Landesregierung nicht erkennbar. Ein Ausbau des bestehenden und von Bund zu Land zu 100 Prozent geförderten Angebots könnte sogar nachteilige Wirkungen - wie wir meinen - haben. Wer sich zum Beispiel mit Mobit-Mitarbeitern unterhält, kann erfahren, dass diese häufig folgende Erwartungshaltungen antreffen: Jetzt kommen die Experten, die packen ihren Werkzeugkoffer aus und dann lösen sie mir mit ihren Instrumenten meine Probleme. Genau diese Erwartungshaltung darf nicht gestärkt werden. Externe Beratung kann immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein und darf die kommunalen Entscheidungsträger nicht aus ihrer originären Verantwortung entlassen.

Um die Verantwortung dort zu belassen, wohin sie gehört, aber gleichzeitig die erforderliche Kommunikation, die Vernetzung, den Austausch über Erfolg versprechende Handlungsansätze besser zu gewährleisten, enthält unsere Landesstrategie gegen Rechtsextremismus die Einrichtung eines Landespräventionsrats. In vielen anderen Bundesländern besteht ein solcher Rat bereits oder wird aktuell eingerichtet. Ein derartiges Gremium kann die präventionsrelevanten Themen bearbeiten und Kristallisationskerne von kommunalen Initiativen gegen Extremismus sein. Unsere Landesstelle Gewaltprävention würde in diesem Zusammenhang zur Geschäftsstelle des Landespräventionsrats weiterentwickelt werden. Die Umsetzung Ihres Vorschlags, die Landesstelle Gewaltprävention zugunsten eines Landesprogramms gegen Rechtsextremismus abzuschaffen, würde nicht nur die dort geleistete Arbeit auf dem

Gebiet der Prävention und Bekämpfung häuslicher Gewalt und von Gewalt im Bereich von Kindern und Jugendlichen gleich mit abschaffen, Sie würden sich zudem selbst widersprechen, denn einen Teil der geleisteten Arbeit würdigen Sie ja, und das durchaus zu Recht.

Zudem verkennt Ihr Vorschlag völlig die Funktion, die die Landesstelle in den verschiedenen Zusammenhängen in Thüringen und bundesweit hat. Die Forderung nach einer rund um die Uhr besetzten Schwerpunktstaatsanwaltschaft ist unnötig aus unserer Sicht, denn seit Langem bestehen bei allen Thüringer Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für die Verfolgung extremistischer Straftaten, die angewiesen sind, in diesem Bereich für einen schnellen Verfahrensabschluss, bei prozessualer Eignung auch im beschleunigten Verfahren Sorge zu tragen.

Was in Ihrem Antrag aus unserer Sicht völlig fehlt, sind die eingangs erwähnten indizierten Präventionsstrategien. Dazu zählen Projekte, die sich mit den Rechtsextremen selbst beschäftigen. Seit Jahren wird in Thüringen erfolgreich Antiaggressivitätstraining und Aggressionsschwellentraining mit rechtsextremen Straftätern durchgeführt. Auch das ist Prävention, nämlich von Rückfällen. Eine langfristige Strategie muss auch so etwas bedenken ebenso, wie sie den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene fördern sollte. Ein solches Programm wird - wie bereits gesagt - für Thüringen gerade entwickelt.

Die Thüringer Landesregierung legt Wert auf ein realistisches Bild des Rechtsextremismus, wie von jeglichem Extremismus in Thüringen. Wir sehen die Gefahr, die von diesen Tendenzen ausgeht sehr deutlich und wir legen Wert darauf, sie mit wirksamen Mitteln zu bekämpfen. Beides ist in der Landesstrategie gegen Rechtsextremismus konkret festgelegt. Ein neues Landesprogramm braucht es nicht, wohl aber immer wieder ein Zusammenstehen aller Demokraten bei der praktischen Umsetzung dieser Ziele. Daher möchte ich abschließend noch einmal an die eingangs erwähnte gemeinsam von allen Fraktionen getragene Initiative für Demokratie und Toleranz erinnern und Sie auffordern, auf dieser Grundlage den Kampf gegen den Rechtsextremismus gemeinsam mit uns fortzuführen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE und der SPD. Es wurden Ausschussüberweisungen beantragt, über die ich jetzt in der entsprechenden Reihenfolge abstimmen lasse.

Wer dafür ist, dass dieser Antrag der beiden Fraktionen an den Innenausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltungen. Damit mehrheitlich abgelehnt.

Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltungen. Die Überweisung wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

Wir stimmen ab über die Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung. Auch diese Überweisung wurde mehrheitlich abgelehnt.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Bildungsausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung. Die Überweisung wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung. Die Überweisung wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

Und ich lasse letztlich abstimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung. Die Überweisung wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.