Von den Programmgemeinden werden uns steigende Einwohnerzahlen in den innerstädtischen Gebieten der Städtebauförderung gemeldet und das nicht nur in den größeren Städten. Dazu einige Beispiele: In Jena war der höchste Zuwachs von 1995 bis 2007 mit 20 Prozent. Aber auch Ilmenau hat seit 1990 einen Zuwachs von 12 Prozent zu verzeichnen. Als besonderen Erfolg werte ich den Einwohnerzuwachs in Mühlhausen. Die Einwohnerzahl in dieser einen Stadt hat sich von 2.982 Einwohnern im Jahr 1997 auf 3.449 Einwohner in 2007 erhöht.
Meine Damen und Herren, die Evaluierung bestätigt, dass Thüringen bei der Reaktion auf den demographischen Wandel auf dem richtigen Weg ist und dass das Land den Kommunen die geeignete Unterstützung anbietet. Die Evaluierung belegt aber auch, dass noch ein erheblicher Handlungs- und Förderbedarf beim Stadtumbau in allen neuen Ländern besteht. Dass das auch für Thüringen gilt, will ich nicht verschweigen. Wir müssen uns also fragen, was noch zu tun ist und wo wir uns noch verbessern können. Beispielsweise ist festzustellen, dass viele Innenstädte noch nicht als sicher konsolidiert gelten können, obwohl ich Ihnen anfangs jetzt ein paar Beispiele genannt hatte. Das ist mir bei meinen Stadtumbaubereisungen sehr deutlich geworden. In vielen Fällen sind die Leerstandsquoten in den Innenstädten noch höher als in den Plattenbau
gebieten. Selbst in Erfurt finden wir beispielsweise 14 Prozent Leerstand in der Innenstand gegenüber nur sieben Prozent in den größeren Neubaugebieten. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger im Zentrum mit seiner mittelalterlichen Prägung, sondern vielmehr in den gründerzeitlichen Quartieren. Ländliche Kleinstädte wie zum Beispiel Pößneck und Artern haben sogar Auflösungstendenzen in ihren historischen Stadtzentren vorzuweisen. Das Fazit lautet: Es ist in den kommenden Jahren noch einiges zu tun und deshalb gilt es, aufbauend auf unseren Erfahrungen, bestimmte Positionen in den künftigen Vereinbarungen der Städtebauförderung zwischen Bund und Ländern zu verankern. Thüringen wird darauf hinwirken, dass bei der weiteren Ausgestaltung des Programms folgende Punkte berücksichtigt werden.
Herr Minister, einen kleinen Moment mal. Ich bitte darum, dass dem Sofortbericht zugehört wird und dass die individuellen Beratungen entweder draußen geführt werden oder gar nicht.
1. Das Programm Stadtumbau Ost ist über 2009 hinaus für mindestens weitere sieben Jahre bis 2016 mit einem jährlichen Programmvolumen in mindestens der bisherigen Höhe fortzuführen. Unterstützt wird diese Forderung von den Gutachtern und der Lenkungsgruppe. Sie weisen auf weiterhin anwachsende Leerstände hin und empfehlen deshalb die Fortsetzung des Stadtumbauprogramms Ost als eigenständiges Programm im Bereich der Städtebauförderung mindestens bis zum Jahr 2016. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass die vorliegende Evaluierung eine gute Grundlage für die Abstimmungen zur Ausgestaltung des Programms nach 2009 sein kann.
2. Es ist an den gebündelten städtebaulichen und wohnungspolitischen Strategien festzuhalten. Ein Grundprinzip der Thüringer Städte- und Wohnungsbauförderung ist die Flexibilität beim Einsatz und bei der Bündelung der verschiedenen verfügbaren Förderprogramme innerhalb der Fördergebietskulisse. Dazu gehört auch die Einbindung und Kofinanzierung von EU-Mitteln des EFRE und ELER. So ist es uns in vielen Fällen auch gelungen, maßgeschneiderte Förder- und Finanzierungskonzepte zu entwickeln, die der jeweils besonderen Bedeutung der Projekte ebenso gerecht wurden wie der konkreten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Projekt
träger. Die Vielfalt der neuen Bundesprogramme macht es künftig nicht leichter. Wir werden deshalb auch eine höhere Flexibilität beim Bund einfordern.
3. Die Aufwertung insbesondere der Innenstädte ist auf der Grundlage integrierter Stadtentwicklungskonzepte vorrangig fortzusetzen. Bei meinen Besuchen vor Ort habe ich immer wieder festgestellt, wie wichtig eine solide planerische Begleitung des Stadtumbauprozesses ist. Ohne Rahmenplan lief in Thüringen schon in den länger bestehenden Programmen, wie städtebaulicher Denkmalschutz oder städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete, nichts. Mit dem Programm Stadtumbau Ost wurden diese Konzepte in einen gesamtstädtischen Zusammenhang eingeordnet. Dies war der eigentlich innovative Ansatz dieses Programms im Ergebnis der damaligen Lehmann-Grube-Kommission.
4. Besondere Bedeutung erhalten zukünftig die Unterstützung der privaten Eigentümer in den Innenstädten sowie die Wiedernutzung von innerstädtischen Brachen und Baulücken. Verantwortlich für Leerstand in den Innenstädten sind meist unsanierte Gebäude. Da der Rückbau in den Innenbereichen in aller Regel keine vertretbare Alternative ist, müssen wir Instrumente entwickeln, die den privaten Einzeleigentümern Anreize dafür bieten, sich aktiver als bisher am Stadtumbau zu beteiligen. Die von uns bereits praktizierten Gebäudesicherungsmaßnahmen können dabei ein strategischer Einstieg für eine weiterführende Sanierung im Rahmen eines Gesamtkonzepts sein. Was die Wiedernutzung von innerstädtischen Brachen und Baulücken betrifft, so ist festzustellen, dass die Thüringer Kommunen unterstützt von Förderinitiativen zunehmend auf diesem Gebiet aktiv werden. So nehmen sich die erzielten Flächenmanagements der Brachflächenverwertung an und schaffen dort Angebote für eine ganze Reihe städtischer Nutzungen. Genau darauf zielt die Förderinitiative „Genial zentral“. Sie war zunächst eingegrenzt auf den Wohnungsbau durch Selbstnutzer, inzwischen konnte sie auf alle Bereiche innerstädtischer Nutzungen und Nutzer ausgeweitet werden. Im Rahmen der Förderinitiative „Genial zentral“ sind in der alten Initiative 14 Standorte gefördert worden. Im Rahmen der erweiterten Initiative ab dem Jahr 2007 sollen insgesamt 55 Standorte in 33 Kommunen aktiv betreut und gefördert werden. Gegenwärtig wird geprüft, inwieweit hier Stadtentwicklungs- und Grundstücksfonds unterstützend eingesetzt werden können.
5. Der Rückbau ist fortzusetzen und städtebaulich weiterzuqualifizieren. Dabei sind künftig auch unterstützende Instrumente außerhalb des Förderprogramms einzusetzen. Der Rückbau soll weiterhin eine in aller Regel städtebaulich gebotene Dichtereduzierung von außen nach innen unterstützen. Aus
Thüringer Sicht sollten Umzüge in die Innenstadt erleichtert und gezielt unterstützt werden. Allerdings fehlt dort gegenwärtig oftmals noch ausreichend sanierter Bestand, deshalb legen wir Wert darauf, dass sich beim Umzugsmanagement die institutionelle Wohnungswirtschaft besonders engagiert. Eine spezielle, aber sehr wichtige Frage für die Wohnungswirtschaft ist die Altschuldenhilfe. So wurden nach § 6 a Altschuldenhilfegesetz - kurz AHG - den existenzgefährdeten Thüringer Unternehmen 174,4 Mio. € bewilligt. Mit Stand 5. März 2009 wurden 130,3 Mio. € - das sind 74,8 Prozent des Gesamtvolumens - abgerufen. Unabhängig davon, dass im Rahmen der Altschuldenhilfen noch etwa 45 Mio. € verfügbar sind, unterstützt der Freistaat die Forderung, bei der Fortführung des Stadtumbauprogramms nach dem Jahr 2009 eine vergleichbare Anschlussförderung im Sinne von § 6 a AHG vorzusehen.
6. Auch im Zeitraum von 2010 bis 2016 ist die Unterstützung beim Wohnungsrückbau notwendig. Thüringen wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass Wohnungsrückbau nicht zulasten der Innenstadtstrukturen stattfindet, denn die Innenstädte müssen pulsierende Zentren sein, wenn die Städte für ihre Bewohner attraktiv bleiben wollen. Ich betone deshalb nochmals, dass es vor diesem Hintergrund hilfreich wäre, wenn gerade die konsolidierten Wohnungsunternehmen die Chancen des Geschäftsfelds Innenstadt noch intensiver als bisher für sich entdecken würden.
7. Die Verteilung der Bundesfinanzhilfen für die Städtebauförderung sollte nach einem einheitlichen problemorientierten Verteilerschlüssel erfolgen, der die demographischen Veränderungen maßgeblich berücksichtigt. Aus Sicht des Freistaats Thüringen ist beim zukünftigen Einsatz der Bundesfinanzhilfen auf eine länderbezogene Flexibilisierung zu achten. So tritt Thüringen dafür ein, die im Rahmen der Städtebauförderung für alle Programmbereiche geltende Experimentierklausel als dauerhafte Regelung in die Verwaltungsvereinbarung aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Herangehensweise in Thüringen bei der Umsetzung des Stadtumbaus dazu geführt hat, dass der Stadtumbau Ost im Freistaat erfolgreich war und ist. Deshalb wird mein Ministerium auch in Zukunft die Kommunen im Land unterstützen, wenn es darum geht, die Herausforderungen des demographischen Wandels und gesellschaftlicher Veränderungen zu meistern. Unser oberstes Ziel ist es, die Rahmenbedingungen und inhaltlichen Orientierungen des Stadtumbaus zukunftsfähig zu gestalten.
In diesem Sinne werde ich mich erstens dafür einsetzen, dass unsere Erfahrungen und Forderungen weiterhin Eingang in die Beschlüsse der Bauminis
Zweitens wollen wir den Stadtumbau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe weiter profilieren. Dazu ist es notwendig, die künftigen innerstädtischen Wohn- und Infrastrukturangebote den qualitativen Anforderungen, die sich aus den Veränderungen der Bevölkerungsstruktur ergeben, anzupassen.
Drittens wollen wir weiterhin auf die impulsgebende Wirkung unserer thematischen Landesinitiativen wie „Genial zentral“, der Thüringer Innenstadtinitiative und der Dorfkirchen weiter setzen. Wir werden diese Instrumente entsprechend weiterentwickeln.
Viertens halten wir mehr denn je solide, schlüssige und aktuelle planerische Grundlagen und Zielkonzepte für unverzichtbar, deshalb werden wir die Kommunen bei der Erarbeitung und Aktualisierung der integrierten Stadtentwicklungskonzepte auch weiterhin unterstützen.
Fünftens muss Qualitätssicherung diesen Planungsprozess begleiten. Das beinhaltet sowohl das kommunale Monitoring als auch das Landesmonitoring und die Bereisungen.
Sechstens müssen die integrierten Stadtentwicklungskonzepte verstärkt die Einbindung des regionalen Verschlechterungsraums zum Gegenstand haben.
Siebtens wollen wir den ländlichen Raum verstärkt zum Gegenstand des Stadtumbaus machen. Die Förderinhalte sollen deshalb im Sinne einer regionalen Entwicklung ausgeweitet werden.
Achtens wollen wir den Stadtumbau ökologisch gestalten und die klimatischen und energetischen Herausforderungen stärker in den Mittelpunkt der künftigen Strategien stellen.
Abschließend, meine Damen, meine Herren, weise ich darauf hin, dass Stadtumbau keine Aufgabe ist, für die ein Abschlussdatum genannt werden kann. Stadtumbau ist eine permanente Aufgabe, weil sie die Städteanpassung an demographische, ökologische und sozioökonomische Veränderungen beinhaltet, denn Veränderungen hat es in unserer Evolutionsgeschichte immer gegeben und wird es auch immer geben. Das gilt auch über das Jahr 2016 hinaus. Deshalb bin ich mir ganz sicher, Stadtumbau wird eine unserer zentralen Zukunftsaufgaben in Thüringen bleiben. Bisher waren wir auf einem guten Weg und diesen Weg wollen wir auch weiterhin erfolgreich gestalten. Vielen Dank.
Wer wünscht die Aussprache zu diesem Bericht? Die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktion DIE LINKE auch, also alle. Ich kann in die Aussprache zum Sofortbericht und zu Nummer II des Antrags gehen. Ich rufe als Erstes für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Sedlacik auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag „Evaluierung und Perspektiven des Stadtumbauprogramms Ost“ ist, wie mir gesagt wurde, vom Ältestenrat als Herzenssache der CDU-Fraktion heute vorgezogen worden. Das uns am Herzen liegende Problem der Altschulden wird damit auch um ein weiteres Mal verschoben, das ist sehr schade. Dabei waren doch die Kurzfassung des Evaluierungsgutachtens sowie die Empfehlungen der Lenkungsgruppe bereits Gegenstand der Landtagssitzung im November vergangenen Jahres, ebenfalls ein Antrag der CDU-Fraktion. Die meisten Fakten, die wir jetzt gerade vom Minister gehört haben, sind daher nicht neu. Neu ist, dass die Landesregierung aufgefordert wird, darauf hinzuwirken, dass der Entwurf der Verwaltungsvereinbarung für die Fortführung der Städtebauförderung ab dem Jahr 2010 möglichst frühzeitig zur Abstimmung vorgelegt wird. Das ist aus unserer Sicht aber noch nicht ausreichend. Wir fordern auch eine rechtzeitige Unterzeichnung, damit die Verwaltungsvereinbarung auch ihre Gültigkeit entfaltet, denn die vertragliche Grundlage für das laufende Jahr, also für die Städtebauförderung 2009, ist noch nicht unterzeichnet, sie liegt nur im Entwurf vor und das I. Quartal in diesem Jahr ist bereits verstrichen. Stadtentwicklung braucht Verlässlichkeit und Planungssicherheit, da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Weitaus wirkungsvoller wäre diesbezüglich der Abschluss mehrjähriger Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern, wie ihn meine Fraktion im Einklang mit dem Wohnungswirtschaftsverband schon seit Jahren fordert und nunmehr auch durch das Gutachten forciert wird. Dass der Stadtumbau weitergehen muss, war in dieser Grundforderung breiter Konsens. Die Fortführung auch über das Jahr 2009 wurde für weitere sieben Jahre festgelegt aus zwingender Notwendigkeit, denn die Herausforderungen werden aufgrund der demographischen Entwicklung ja nicht weniger, das wissen wir, sondern mehr. Die diesbezüglichen Prognosen sind schon keine Prognosen mehr, sondern Realität. Wir spüren schon heute, dass die potenziellen Mütter von morgen schon nicht mehr da sind in Thüringen. Dieses zentrale Ergebnis der Programmevaluierung wird aktuell und auch faktisch im Rahmen eines Koa
litionsantrags im Bundestag untersetzt. Aber auch die Forderung bis 2016 dürfte nicht der Schlusspunkt sein, so die Meinung meiner Fraktion.
Auch eine Reduzierung des Wohnungsbestands wird darüber hinaus in den meisten Regionen Thüringens erforderlich sein. Was bisher rückgebaut wurde, hat zwar durchaus zur Stabilisierung beigetragen, die Folgen des demographischen Wandels sind damit aber noch nicht in Angriff genommen. Der Titel des Koalitionsantrags ganz aktuell heißt: „Stadtumbau Ost - Fortsetzung eines Erfolgsprogramms“. Dieser Titel macht die Wahrnehmung in der Logik der Regierungsparteien im Bund, aber auch hier in Thüringen deutlich. Sie messen den Erfolg rein quantitativ an wohnungswirtschaftlichen Kennzahlen. Wir dagegen wollen aber dieses Ergebnis an quantitativen Ergebnissen messen und nach dem Platz der Menschen in diesem Programm. Wenn wir über Stadtumbau sprechen, reden wir über die Stadt der Zukunft, insgesamt eine Stadt für die Menschen, denn es sind die Bürgerinnen und Bürger, die Adressat des Stadtumbaus sind. Bisher beschränkt sich aber Bürgerbeteiligung beim Stadtumbau oft nur auf Informationen. Stadtentwicklung ist für DIE LINKE aber ein öffentlicher und transparenter Prozess, der eine aktive Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Planungsprozesse erfordert.
Selbstverständlich kann Abriss auch eine Chance sein, wenn er sich einem sinnvollen gesamtstädtischen Leitbild unter- bzw. einordnet. Ich will mich hier aber nicht weiter in Zahlen verlieren und mich insbesondere auf das Stadtumbauprogramm Ost beschränken. Stadtumbau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Wohnungsabriss und Wohnumfeldaufwertung ist eben nicht die alleinige Antwort auf die aktuellen Probleme des Schrumpfens.
Vielmehr geht es um die Frage: Wie wird das Land insgesamt attraktiver? Es geht um Lebensqualität in den Städten und Regionen für Bürgerinnen und Bürger und mit ihnen. Es geht um Lebensbedingungen und natürlich auch den Zugang dazu. Ausprägung von Armut erhöht sich, immer mehr Menschen werden daher Schwierigkeiten haben, an den Fortschritten der Stadtentwicklung auch teilzuhaben. Die Stadtentwicklung steht vor großen Herausforderungen. Ich nenne es noch mal: Demographie, niedrige Geburtenrate, Änderung der Altersstruktur, Sozialversorgung, Arbeitskräftemangel bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit usw. usf. Der demographische und soziale Wandel eröffnet auch eine Chance, die Stadt der Zukunft ökologisch nachhaltig, sozial ge
Die Stadtentwicklung muss künftig nicht nur auf die demographische Entwicklung, sondern auch auf Anforderungen von Energieeffizienz und Klimaschutz reagieren und insbesondere Stadtumbau als sozialpolitisches Anliegen begreifen. Dies ist insbesondere das Ergebnis einer intensiven Diskussion auf zwei Fachkonferenzen der LINKEN, die 2008 in Hermsdorf und 2009 in Weimar stattgefunden haben. Wir müssen den engeren Begriff des Stadtumbaus überwinden und hin zu einer komplexen und lebendigen Stadtentwicklung kommen. Meine Fraktion fordert daher eine komplexe, ministerienübergreifende Betrachtung dieses Themas. Nur so können wir der großen Herausforderung gerecht werden, Stadtumbau muss ein Gesamtkonzept zur wirtschaftlichen, sozialen Entwicklung sein und darüber hinaus zu einem Leitbild der alten und familiengerechten Wohnkultur finden.
Das ist eine neue soziale Dimension. Es geht um bezahlbares Wohnen für alle und um die Vermeidung sozialer Spaltung in den Wohnquartieren. Wohnen ist für die LINKE ein Menschenrecht und gehört als solches ins Grundgesetz. Eine wichtige Herausforderung besteht auch darin, sozial stabile Wohnungsstrukturen zu schaffen und zu erhalten und damit aktive Integrationspolitik zu betreiben. Bisher haben wir eher eine defensive Stadtentwicklung, die versucht, auf die Probleme zu reagieren. DIE LINKE fordert aber den Fokus stärker auf eine soziale Stadtentwicklung zu richten, damit soziale Brennpunkte und eine Zuspitzung der Probleme in manchem Stadtteil vorab verhindert werden kann. In diesem Zusammenhang muss das Programm „Soziale Stadt“ dauerhaft etabliert und verstetigt werden. Aktuell erfasst das Programm nur die Problemgebiete. Wir brauchen aber auch ganzheitliche Konzepte und besondere Strategien für den ländlichen Raum. Der ländliche Raum wird das Problemkind des nächsten Jahrzehnts.
Eine Orientierung auf das Zentrale-Orte-System ist aus Sicht meiner Fraktion keine Lösung, weil es nicht die Lebensbedingungen derjenigen erfasst, die nicht in den Städten leben, und das ist in Thüringen die Mehrheit der Bevölkerung. Im Rahmen der Beratung des Antrags „Entwicklung der Städte als Schwerpunkt des wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Lebens im Freistaat Thüringen“ hat bereits meine Fraktionskollegin Petra Enders unsere diesbezüglichen
Forderungen dargelegt. Linke Programmatik orientiert sich auch in den Fragen der Raumordnung am Leitgedanken der sozialen Gerechtigkeit. Die alleinige Stärkung der Städte ist nicht unser Ansatz. Wir verfolgen das Prinzip der dezentralen Konzentration. Jedenfalls dürfen nicht die Schrumpfungsprozesse auf Kosten anderer gelöst werden.
Dabei braucht es aber eine entsprechende Handlungsfähigkeit der Kommunen und eine Regionalplanung, die kein Papiertiger ist. Die Kommunen können den komplizierten Strukturwandel nicht allein aus eigener Kraft vollziehen. Ihnen muss durch eine verbesserte finanzielle Ausstattung mehr Handlungsspielraum und Entscheidungskompetenz vor Ort geschaffen werden. In diesem Zusammenhang komme ich nicht umhin, wieder die Forderung meiner Fraktion hier in den Raum zu stellen, nämlich die Wiedereinführung der Investitionszulage zu fordern für die Wohnungswirtschaft, auch für mehr Flexibilität und für Transparenz sowie die Verzahnung von Förderprogrammen. Wenn schon die politischen Entscheidungsträger den Förderdschungel kaum durchdringen können, wie soll tatsächlich auch eine Bürgerbeteiligung in diesem Prozess möglich sein.
Noch ein Wort zu den kommunalen Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften: Sie sind unbestritten die Hauptakteure des Stadtumbaus und unverzichtbarer Bestandteil zur Sicherung der Daseinsvorsorge. Wenn sich jetzt in der Landesregierung die Erkenntnis durchsetzt, dass die Einbeziehung Privater für einen erfolgreichen Stadtumbau notwendig ist, dann können wir das nur begrüßen. Meine Fraktion hat dieses Problem schon lange erkannt und entsprechende Forderungen formuliert. Der Wohnungswirtschaft kommt auch künftig eine wesentliche Aufgabe zu. Sie müssen einen Beitrag für die Innenstadtentwicklung leisten und die soziale Wohnraumversorgung sichern. Als Haupthindernis erweist sich hier die Altschuldenproblematik, so auch ein zentrales Ergebnis der Evaluierung. Insofern nehmen wir die Forderung im eingangs erwähnten Koalitionsantrag aufmerksam zur Kenntnis, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird zu prüfen, und hier zitiere ich aus dem Vertrag, „ob eine neue Antragstellung ähnlich der Härtefallregelung nach § 6 a Altschuldenhilfeverordnung für eine befristete Zeit erforderlich und finanzierbar ist.“ Insofern wäre es der Sache dienlich gewesen, Sie hätten unserem Antrag heute auch eine Chance gegeben, ihn im Plenum zu debattieren. Dass die Altschulden ein Problem sind, die in aller Munde sind, haben wir erkannt und auch der Minister hat dazu heute hier Stellung genommen. Allerdings hat der Minister auch im zuständigen Ausschuss immer darauf verwiesen, es ist die Zuständigkeit des Bundes. Formal ist das
richtig. Es ist ein Bundesproblem und bedarf einer bundeseinheitlichen Lösung, so auch die Forderung der LINKEN, die sich in zahlreichen Anträgen unserer Fraktion, der Linksfraktion im Bundestag, manifestiert, aber keine Mehrheiten gefunden hat. Es reicht also nicht aus, die Probleme zu benennen, wir müssen sie auch lösen. Den diesbezüglichen Vorschlag meiner Fraktion, der keinesfalls von einer Forderung entbindet, eine generelle Entlastung herbeizuführen, werden wir dann hoffentlich in der nächsten Plenarsitzung am 3. April hier im Haus beraten. Dort können Sie dann den heutigen Worten zur Erfolgsgeschichte Stadtumbau wahre Taten folgen lassen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thema Stadtumbau ist sicherlich ein wichtiges Thema, über das wir hier im Landtag reden müssen. Warum dieser Antrag aber auf den heutigen Tag vorgezogen wurde, hat sich mir auch nicht so ganz erschlossen. Ich hätte dann zumindest vom Minister jetzt noch große neue Vorschläge erwartet.