Protocol of the Session on March 20, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese beiden Aspekte sind natürlich nur ein Teil der Betrachtungen. Ich will Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben, warum das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten niemals als Begründung für den Bau der 380-kV-Leitung Halle-Schweinfurt akzeptiert werden kann. Die Hauptenergiequelle der Zukunft ist das Energiesparen. Das steht als Aufgabe in den Klimaschutzzielen unseres Landes und auch der EU-Gipfel in Brüssel im Dezember hat diesem Ziel nicht ausweichen können. 20 Prozent weniger C02 bis 2020 und Wissenschaftler fordern angesichts der Erderwärmung ein höheres Tempo. Wir, DIE LINKEN, weichen von diesen Klimazielen nicht ab. Im Gegenteil, wir wollen mehr und wir wollen es schneller. Das ist einer der Gründe, warum wir

gegen den Bau dieser Leitung sind.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist deshalb auch eines der Defizite des Gutachtens, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Energiesparszenarien sind nicht in die Betrachtungen mit einbezogen worden. Beim Lesen des Gutachtens hatte ich das Gefühl, dass die Probleme bei der Installation der Windkrafträder in Nord- und Ostsee für die Gutachter nicht nur ein willkommener Anlass sind, längere Laufzeiten von Atomkraftwerken zu begründen, ich hatte auch das Gefühl, dass in konservativen Kreisen die Angst umgeht, Klimaschutz gefährdet Arbeitsplätze. Das ist natürlich Unsinn selbst angesichts von Rezession und Wirtschaftskrise. Wer Abstriche an den Klimazielen machen will, gefährdet nicht nur die ökologische Wende, der riskiert irreversible globale Probleme und bürdet zukünftigen Generationen in unverantwortlicher Weise Lasten auf. Wir in Thüringen müssten das eigentlich besser wissen, denn unsere Wahrnehmung ist: Klimaschutz gefährdet keine Arbeitsplätze, Klimaschutz schafft Arbeitsplätze.

Ein weiteres Defizit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist darüber hinaus die Ausblendung der Möglichkeiten dezentraler Energieerzeugung. Es kann doch im 21. Jahrhundert nicht der Weisheit letzter Schluss sein, sich bei der Energiepolitik im Wesentlichen darauf zu beschränken, an und in Nord- und Ostsee Windstrom zu erzeugen und ihn dann unter riesigen Leitungsverlusten nach Süden zu transportieren. Es gibt doch auch noch andere Potenziale an erneuerbaren Energien, und es gibt große Anstrengungen, wie mir ein Besuch beim Fraunhofer Institut gezeigt hat, Speicherkapazitäten zu entwickeln und die verschiedenen Formen alternativer Energieerzeugung in virtuellen Kraftwerken zusammenzufassen. Das muss doch auch eine Betrachtung wert sein.

Genauso wäre es eine Betrachtung wert gewesen, wenn schon nicht von den Gutachtern, dann aber wenigstens doch von der Landesregierung, wenn bei der Berichterstattung auf das an der Technischen Universität Ilmenau entwickelte energietechnische Zentrum eingegangen worden wäre. Dort gibt es Überlegungen, wie dezentrale, alternative Energieerzeugung umgesetzt werden kann. Wir heizen, auch wenn der Gashahn zugedreht wird, hat Prof. Karl-Heinz Brandenburg vom Fraunhofer Institut gesagt. Er hat damit deutlich gemacht, welche die eigentliche Katastrophe der Zukunft sein könnte - im Interesse der Profitmaximierung blockierte Leitungen, ob nun für Gas, wie wir es in der Ukraine erlebt haben, oder zukünftig vielleicht auch bei der Elektrizität. An dezentraler Energieerzeugung geht kein Weg vorbei, meine sehr verehrten Damen und

Herren.

Des Weiteren ist uns aufgefallen, dass im vorliegenden Gutachten die wirtschaftliche Zumutbarkeit dieser 380-kV-Leitung nicht begründet wird. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagt, die Verpflichtung der Netzbetreiber zum unverzüglichen Ausbau der Stromnetze steht unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Diese wirtschaftliche Zumutbarkeit bemisst sich keineswegs nur daran, dass die Netzbetreiber die Anbaukosten auf die Stromkunden umlegen können. Maßstab ist vielmehr die Verhältnismäßigkeit des volkswirtschaftlichen Nutzens vermehrter Einspeisung erneuerbarer Energien gegenüber den Kosten, die die Stromkunden und die gesamte Gesellschaft für den erforderlichen Netzaufbau aufbringen müssen. Zu diesen gesamtgesellschaftlichen Kosten gehört auch die Entwertung des Eigentums, das vielen Bürgerinnen und Bürgern bevorsteht, die in unmittelbarer Nähe der Stromtrasse wohnen. Zu diesen Kosten gehört ebenfalls die Beeinträchtigung der Lebensqualität. Gerade diese Lebensqualität ist einer der wichtigsten weichen Standortfaktoren in unserer Region. Zu den gesellschaftlichen Kosten gehört auch die Beeinträchtigung des Tourismus, einem der wichtigsten Wirtschaftszweige im Thüringer Wald.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Das klang beim Schnee gestern noch an- ders.)

Nicht hinnehmbar ist deshalb die Einschätzung der Gutachten, keine Region kann für sich in Anspruch nehmen, nur von den Vorteilen, aber nicht an den Lasten der industriellen Stromerzeugung zu partizipieren. Das kommt nicht nur einer Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger unserer Region gleich, nein, solche Aussagen muss sich keiner gefallen lassen, der die Autobahn in seiner Nähe gewollt hat, der den ICE-Bau mit all seinen negativen Folgen tolerieren muss und nun auch noch eine weitere Infrastrukturmaßnahme akzeptieren soll, die versorgungstechnisch einfach nicht notwendig ist. Irgendwann ist einfach auch mal Schluss.

Noch eine massiv in die Landschaft eingreifende Infrastrukturmaßnahme wie diese 380-kV-Leitung wird ganz einfach von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert. Das muss nun endlich einmal abschließend zur Kenntnis genommen werden, auch hier im Thüringer Landtag, auch hier von der Landesregierung. Sie ist einfach nicht notwendig, weil - und dieses Argument noch einmal zum Schluss, von Jarass und Obermaier nachgewiesen und von Säcker und Belmans nicht widerlegt - der volkswirtschaftliche optimale Netzausbau liegt nicht bei 90 Prozent der installierten Windgeneratorenleistung,

sondern bei 65 Prozent. Und das noch mal mit aller Deutlichkeit: Jarass und Obermaier sind in ihrem Gutachten zu der Erkenntnis gelangt, dass der Netzausbau auf 90 Prozent der installierten Windgeneratorenleistung an der Kuppelstelle zwischen der Vattenfall- und der E.ON-Regelzone nicht zu vertreten ist. Sie sagen, ich zitiere: „Selbst in windstarken Jahren fällt diese Spitzenleistung höchstens für insgesamt einige Viertelstundenintervalle an.“ Sie sagen weiter: „Das Netz mittels dieser 380-kV-Leitung auszubauen, ist demnach ein grober Verstoß gegen das Gebot der gesetzlichen wirtschaftlichen Zumutbarkeit.“

Ich empfehle Ihnen, meine Damen und Herren, lesen Sie nicht nur das Gutachten der Landesregierung, lesen Sie auch das Gutachten der Bürgerinitiativen, der Landräte, der Oberbürgermeister und Bürgermeister aus Thüringen und Bayern. Lesen Sie vor allem ohne ideologische Scheuklappen. Machen Sie sich endlich ein umfassendes Bild. Die geplante 380-kV-Freileitung Vieselbach-AltenfeldRettwitz quer über den Rennsteig und den Thüringer Wald ist nicht notwendig. Ihr Bau ist unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Netzausbaus nicht zu vertreten, weil der Nutzen weit unter den Kosten liegt. Die notwendige Netzverstärkung zwischen Südthüringen und Oberfranken für Windenergieübertragung und zur Verstärkung des europäischen Verbundnetzes kann durch technische Alternativen wie Hochtemperaturseile und Freileitungsmonitoring auf bestehenden Trassen - und das sei auch noch mal gesagt - mit einem Bruchteil der Kosten und ohne verheerende Eingriffe in Natur und Landschaft erreicht werden. Damit ist alles gesagt, auch zum Erdkabel unter dem Rennsteig und damit auch zu dem Antrag der SPD. Was nicht gebraucht wird, braucht nicht in die Erde gelegt oder sonstwie gebaut zu werden.

Ich sage Ihnen auch eines und das mit aller Deutlichkeit: Der Widerstand gegen diese Leitung ist weiterhin ungebrochen. Das ist so und das bleibt so und Bürgerinnen und Bürger, Städte und Gemeinden scheuen sich nicht, gegebenenfalls ihre Rechte auch einzuklagen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das uns vorliegende Gutachten des Landes

bestätigt die Notwendigkeit der viel diskutierten Leitung. Das war meiner Ansicht nach auch nicht anders zu erwarten. Der Antrag der CDU-Fraktion, ein Gegengutachten zum sogenannten Jarass-Gutachten zu erstellen, hatte offensichtlich genau dieses Ziel.

Aus meiner Sicht ist aber immer noch die Notwendigkeit der Leitung unklar. Bei der Frage, ob die Hochspannungstrasse durch den Thüringer Wald gebraucht wird, ist für mich eine Frage ganz entscheidend, nämlich, wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus? Klar ist, dass wir in wenigen Jahrzehnten im Wesentlichen Strom nur noch aus erneuerbaren Energien gewinnen werden. Aber die Frage ist, wie das dann passiert. Wird dann die Wasserkraft aus Skandinavien genutzt, Windkraft an der Nord- und Ostsee installiert und von dort erzeugt und transportiert und die Photovoltaik dann mehr im Süden Europas, weil dort halt die Sonne mehr und intensiver scheint? Oder wird es in Zukunft eine dezentrale Energieversorgung geben, das heißt mit ganz vielen Solarstromanlagen auf Dächern und mit dezentralen Biomassekraftwerken und anderen Formen der erneuerbaren Energien? Wir wissen es nicht. Sollte sich die zweite Struktur, die ich jetzt genannt habe, durchsetzen, dann wird ein Übertragungsnetz nur noch gebraucht, um Spitzen auszugleichen und um an Industriestandorten, wo extrem hohe Bedarfe sind, den nötigen Strom zu liefern.

Für eine dezentrale Struktur spricht der mögliche Ausbau der Photovoltaik. Die Entwicklung bei den Preisen - ich habe das mal verfolgt - lässt darauf schließen, dass in wenigen Jahren dort die Netzparität erreicht werden kann, das heißt, Strom vom Dach wird dann billiger werden als Strom aus der Steckdose. Dies wird die Stromversorgung aus meiner Sicht nahezu revolutionieren, vor allen Dingen dann, wenn die Preise weiter sinken und auf der anderen Seite die Preise für konventionellen Strom weiter steigen. Keiner von uns kann voraussagen, mit welcher Geschwindigkeit dann eine neue Struktur entsteht. Auch wenn das alles Zukunftsvisionen sind, so ist diese Frage meiner Ansicht nach von entscheidender Bedeutung: Brauchen wir in Zukunft einen massiven Ausbau des Übertragungsnetzes oder können wir mit Optimierung, das heißt mit Leitungsmonitoring und Hochtemperaturseilen, bis dahin die zu übertragenden Strommengen erhöhen? Natürlich ist es für die Variante 1 klar, die ich vorhin genannt habe, dass wir da wahrscheinlich deutlich mehr Übertragung an Strommengen brauchen, weil ja der Strom dann zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Stellen entsteht und quer durch Europa transportiert werden muss. Aber am Ende wird das meiner Ansicht nach der Markt entscheiden, der Preis ist hier, denke ich mal, das entscheidende Kriterium.

Auf diese Frage geht das vorliegende Gutachten, was wir heute kurz diskutieren, allerdings nicht weiter ein. Nach dem Gutachten soll die geplante 380-kVTrasse in der bisher vorgesehenen Trassenführung errichtet werden, weil die Leitung energiewirtschaftlich und energierechtlich notwendig sei. Die Trasse wird zudem auch als sachgerechte Lösung charakterisiert. Als wesentliches Argument wird dafür die vorgesehene Aufnahme der Trasse in den Bedarfsplan des geplanten Leitungsausbaugesetzes des Bundes angegeben. Das ist zumindest politisch wenig überzeugend; die Aufnahme der Trasse in den Bedarfsplan ist gerade der wesentliche Streitpunkt für die Gegner der Trasse. Die Zweifel des JarassGutachtens zur Notwendigkeit wurden in der neuen Studie verworfen, allerdings mit sehr knapper Argumentation. Insbesondere wird das wesentliche Kriterium zur Aussperrung eines bestimmten Teils der installierten Windkraftleistung, also 65 Prozent-Grenze haben wir jetzt schon mehrfach gehört, als nicht gesetzeskonform bezeichnet. Diese Aussperrung erfordere ein nicht vom Gesetzgeber vorhergesehenes permanentes Einspeisemanagement. Zudem würden bei einer solchen Aussperrung Anreize zur Errichtung von Windkraftanlagen sinken, weil es dem Ziel und Zweck des Erneuerbare-Energien-Gesetzes widerspräche.

Ebenfalls wird das zentrale Argument der JarassStudie, dass Netzverstärkung und Netzoptimierung in Form von Freileitungsmonitoring und Hochtemperaturseilen auf Bestandstrassen ausreichend seien, um den Strom zu transportieren, als nicht tragfähig zurückgewiesen. Die Annahmen zur möglichen Steigerung der Transportkapazität werden bezweifelt. Die zu erwartenden Strommengen könnten daher nicht vollständig aufgenommen werden. Der Gutachter widmet sich ausführlich den Akzeptanzproblemen der geplanten Trasse. Dies betrifft insbesondere den Bereich des Rennsteigs. In dem Gutachten findet sich eine Abwägung mit den Belangen des Landschaftsschutzes für diesen besonders sensiblen Bereich. Die Rennsteigquerung wird als kritischer Punkt angesehen. Die Gutachter schlagen für diesen Bereich eine Kabellösung vor. Diese sei unter ökologischen Aspekten vorzuziehen. Dennoch verweisen die Gutachter auf zahlreiche Probleme der Kabellösung gegenüber der klassischen Freileitung. Im Gutachten wird auch eine Genehmigungsfähigkeit der Mehrkosten des Erdkabels durch die Bundesnetzagentur bejaht. Eine Aufnahme der erhöhten Kosten in das Investitionsbudget von Vattenfall sei noch vertretbar. In diesem Falle müsste die Bundesnetzagentur auch die Mehrkosten genehmigen.

Für den Bereich der Rennsteigquerung wird derzeit eine Erdverkabelung als Pilotprojekt im Leitungsausbaugesetz des Bundes beraten. Irgend

wann in nächster Zeit soll dann die abschließende Beratung dazu sein. Nach dem bisherigen Entwurf kann die Höchstspannungsleitung im Bereich der Querung des Rennsteigs auf einem technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitt als Erdkabel errichtet werden. Als technisch und wirtschaftlich effizient gelte ein Teilabschnitt dann, wenn er mindestens eine Länge von 3 km aufweist. Andere Alternativen zur Freileitung wurden im Gutachten als ungeeignet eingestuft. So weit die wesentlichen Erkenntnisse des Gutachtens. Wenn also die Landesregierung und die CDU die Leitung aufgrund des neuen Gutachtens für notwendig halten, muss sie dafür sorgen, dass die Leitung auch so verträglich wie möglich errichtet werden kann. Eine mögliche, auch vom Gutachter erwähnte Option stellt dafür die Erdverkabelung dar. Deren Vor- und Nachteile müssen auch im Hinblick auf den ökologischen Eingriff abgewogen werden. Um ein Erdkabel zu ermöglichen, muss dieses aber im Leitungsausbaubeschleunigungsgesetz des Bundes ausreichend und verbindlich verankert werden. Hier gibt es für meinen Geschmack noch zu viele Hintertürchen im Gesetz. Die Landesregierung muss da im Interesse Thüringens über den Bundesrat für Klarheit im Gesetz sorgen.

Ich komme jetzt zu unserem Entschließungsantrag: Zur Frage, wie die Leitung so verträglich wie möglich errichtet werden kann, haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht. Danach soll die Landesregierung auf die Einarbeitung von weiteren Pilotprojekten in Thüringen neben dem schon erwähnten Rennsteig in das Energieleitungsausbaugesetz über den Bundesrat einwirken. Auf Bundesebene gibt es nämlich gerade eine Debatte zur Aufnahme von weiteren Projekten. Die CDU im Bund stellt sich dabei bislang quer. Es ist möglicherweise sogar zu befürchten, dass der Rennsteig aus dem Gesetzentwurf wieder gestrichen wird. Hier muss die Landesregierung eine klare Position beziehen und diese auch umsetzen.

Neben dem Rennsteig gibt es in Thüringen aber auch weitere Bereiche, in denen ein Freileitungsneubau erhebliche Konflikte mit dem Natur- und Landschaftsschutz, aber auch mit der vorhandenen Wohnbebauung nach sich ziehen würde. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Riechheimer Berges, aber auch für weitere Abschnitte, z.B. im Bereich der Gemeinde Hochstedt. Auf diesem Streckenabschnitt wäre eine Erdverkabelung aufgrund des Geländes zudem technisch möglicherweise wesentlich leichter zu realisieren als im Bereich des Rennsteigs. Unabhängig davon, ob ein Neubau erfolgen muss, sollte daher bereits jetzt im Gesetz auch auf diesen Streckenabschnitten ein Erdkabel als Option im Gesetz vorgesehen werden. Die endgültige Auswahl kann nur das Land mit seiner genauen

Kenntnis der konkreten Problemlage treffen.

Eine Aufnahme im Gesetz ist erforderlich. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass Vattenfall von sich aus eine Erdverkabelung beantragen wird. Vattenfall hat dazu eine sehr skeptische Haltung. Mit dem Argument, erst eine zehnjährige Testphase zu bauen, wird offensichtlich versucht, das ungeliebte Erdkabel auf geeigneten Strecken zu verhindern. Bei anderen Netzbetreibern wie E.ON-Netz hat offenbar ein Umdenken begonnen. E.ON verweist darauf, dass die Hersteller die Erdverkabelung als technisch machbar ansehen. Zudem handelt es sich für E.ON bei den vorgesehenen Pilotprojekten nicht um einen Test, wie man in der „neue energie“, die jetzt vor Kurzem kam, auf Seite 39 nachlesen konnte. Der Blick ins Ausland zeigt, dass eine Erdverkabelung keine Pionierleistung im unbekannten Gebiet ist. In Dänemark soll nun bei Neubauten auf Freileitungen ganz verzichtet werden. Auch in der Schweiz wird eine neue 380-kV-Leitung als Erdkabel geplant. Notwendig ist auch schon jetzt, auf die Vattenfall Europe Transmission GmbH einzuwirken, dass diese die Möglichkeiten der Erdverkabelung bei ihren weiteren Planungen frühzeitig berücksichtigt. Nur dann können die im Gesetz verankerten Pilotprojekte überhaupt als Erdkabel realisiert werden.

Wir sind der Auffassung, dass viele entscheidende Fragen noch immer offen sind. Weil dies so ist, halten wir eine weitere Anhörung für dringend geboten. Wir bieten damit Befürwortern und Gegnern auf Basis der nun vorliegenden Erkenntnisse die Gelegenheit, offene Fragen zu klären. Dabei sollte auch die Frage Erdverkabelung in weiteren Streckenabschnitten eine Rolle spielen. Dies ist für die Akzeptanz einer Leitung, sollte diese überhaupt gebraucht werden, unverzichtbar. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Netzoptimierung sind technische Probleme in den Raum geworfen, die wir abschließend nur in einer Anhörung auch bewerten können. Dabei ist interessant, dass es offenbar seit Kurzem ein Umdenken bei einigen Netzbetreibern - ich hatte vorhin schon E.ON genannt - hinsichtlich der Möglichkeit der Netzoptimierung gibt. Maßgeblich dafür dürfte sicher die Novelle des EEG sein. Danach soll der Netzbetreiber Schadensersatz leisten, wenn er seiner Verpflichtung zur Optimierung oder Verstärkung des Netzes nicht nachgekommen ist. Ich beantrage deshalb, den heutigen Beratungsgegenstand an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen mit dem Ziel, kurzfristig dort eine Anhörung durchzuführen. Über den Entschließungsantrag von uns sollten wir heute abstimmen, da nicht mehr viel Zeit ist, bis die endgültige Beratung auf Bundesebene erfolgt. Danke.

(Beifall SPD)

Herr Dr. Schubert, ich muss noch mal nachfragen: Sie möchten also die Fortberatung des Berichts im Wirtschaftsausschuss und den Entschließungsantrag heute abstimmen?

Gut. Für die CDU-Fraktion hat sich Dr. Krapp zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ein Gutachten eintrifft, das vor gut einem Jahr bestellt wurde, tut man gut daran, den zugrunde liegenden Beschluss noch einmal aufmerksam zu lesen. In diesem Beschluss vom 16. November 2007 in der Drucksache 4/3541 wurde die Landesregierung gebeten - ich zitiere -: „ein unabhängiges Institut mit einem Gutachten zu beauftragen, das Aussagen trifft über die energiewirtschaftliche Notwendigkeit einer weiteren 380-kV-Trasse sowie über technische Möglichkeiten der Netzoptimierung und des Netzmanagements und wie diese Lösungen für den notwendigen zusätzlichen Stromtransport auf Bestandstrassen durch Thüringen angewendet werden können.“ Die Betonung lag auf „einer weiteren... Trasse“ bzw. „Bestandstrassen“. Schaut man mit entsprechender Erwartung in das Gutachten, fällt sofort auf, dass die Gutachter ohne Auftrag unter Punkt V einen eigenen Lösungsansatz hinzufügen, indem sie eine Aufspaltung der von Vattenfall geplanten einen Zusatztrasse in zwei Trassen vorschlagen. Unabhängig von den technischen Begründungen weist meine Fraktion darauf hin, dass damit eine Verschärfung des Konflikts um den Schutz der Kulturlandschaft des Thüringer Waldes, die nicht nur auf den Rennsteig einzugrenzen ist, einhergeht. Auf Unverständnis stößt auch die technische Begründung dazu, dass die mit diesem Vorschlag verbundene Aufspaltung der ursprünglich von Vattenfall geplanten einen Zusatztrasse mit vier Stromkreisen in zwei Trassen mit je zwei Stromkreisen eine Erweiterung der E.ON-Trasse auf bayerisches Gebiet von Redwitz nach Schweinfurt von zwei auf vier Stromkreise erübrigt. Damit würde ein von mir bereits am 21. September 2007 an dieser Stelle angesprochenes Planungsdefizit von Vattenfall auf Kosten Thüringens beseitigt, was wohl kaum akzeptabel ist.

Positiv möchte ich feststellen, dass das Gutachten rechtzeitig noch in der Beratungsphase des Energieleitungsausbaugesetzes vorgelegt wurde, so dass

die Bedenken der Fraktionen der SPD und DIE LINKE aus der Debatte vom 12. September 2008 zerstreut wurden. Das Gutachten nimmt auch die Prämissen dieses Gesetzentwurfs auf. Das bedeutet, dass es nicht mehr vorrangig um die Übertragung von unstetiger Windenergie aus dem Norden, sondern um den Ersatz grundlastfähiger Kernenergie aus dem Süden Deutschlands geht. Damit wird auch die Aussagekraft der Jarass-Studie, und ich sage persönlich, leider relativiert, die sich ausgehend von der primären Vattenfallargumentation vor allem auf die Besonderheiten der Windenergie bezogen hat. Dass sich die heute zur Diskussion stehenden Gutachter ohne neue Erkenntnisse über lange Passagen in den Streit um die Bewertung von Windspitzen einmischen, ist unter diesen Bedingungen für mich nicht ganz verständlich. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass die Bundesregierung, und nicht etwa Vattenfall, mit Vorlage des Energieleitungsausbaugesetzes signalisiert, dass mit dem von RotGrün durchgesetzten frühzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland ein dringender Ersatzbedarf grundlastfähiger Energie entsteht, die offensichtlich bis auf Weiteres nur von konventionellen Kohle- und Gaskraftwerken geliefert werden kann. Dass diese Kraftwerke an der Küste liegen sollen, ist aus erklärbaren logistischen Gründen nachvollziehbar. Dass die Gutachter darüber hinaus die Verwendung von Meerwasser zur Kühlung als besonders wirtschaftlich bewerten, konterkariert allerdings die Bemühungen um den Klimaschutz, der die Verwendung der Abwärme von fossilen Kraftwerken durch Kraft-Wärme-Kopplung nahelegt.

Wie dem auch sei, da die Hauptabnehmer aber nach wie vor im Süden Deutschlands liegen, müssen entsprechende Transportkapazitäten von Nord nach Süd geschaffen werden. Die bestehende 380-kVTrasse über Remptendorf reicht dafür entsprechend dem vorliegenden Gutachten auch mit Leitungsmonitoren offensichtlich nicht aus. Ein Neubau dieser Trasse mit höherer Übertragungskapazität wird als technisch nicht möglich bezeichnet, was ich als Zweckpessimismus einschätze. Ich habe einen Werbefilm von Vattenfall gesehen, der dem Slogan einer bekannten Automarke recht nahekommt - ich zitiere -: „Nichts ist unmöglich.“ Ich denke also, ein Neubau einer bestehenden Trasse ist durchaus auch möglich. Leider verharren die Gutachter bei mindestens einer zusätzlichen 380-kV-Drehstromfreileitung in konventioneller Technik mit der Option einer kurzen Kabelstrecke unter dem Rennsteig und untersuchen im Detail deren denkbare Trassenverläufe von Altenfeld nach Redwitz. Ich werde mich dazu hier nicht äußern, da das gegebenenfalls Gegenstand der Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sein wird.

Interessant ist für mich allerdings das Detail, nach dem man bei den verkabelten Wechselstromstrecken mit einer Temperaturerhöhung des Erdreichs auf einer Breite von etwa 40 Metern um 5 bis 10 Grad Celsius rechnen muss. Mit diesem Fußbodenheizungseffekt wird ein Problem von langen Drehstromtrassen im wahrsten Sinne des Wortes greifbar - die relativ hohe Verlustleistung. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es notwendig, über neue, verlustärmere Technologien bei der Energieübertragung nachzudenken. Auf hoher See sind solche Technologien in Form von HGÜ-Kabeln bereits Realität, da die ungleich härteren Umweltbedingungen andere Lösungen dort gar nicht zulassen. Man muss es dem in Rede stehenden Gutachten zugute halten, dass diese Möglichkeit in Verbindung mit dem Problem der Überquerung des Thüringer Waldes wenigstens erwähnt wird. Über eine Erwähnung mit anschließender Verwerfung dieser Möglichkeit aus finanziellen Gründen geht das Gutachten aber leider nicht hinaus. Dabei eröffnet der bereits erwähnte Entwurf des Energieleitungsausbaugesetzes durchaus den Einsatz und die Finanzierung auch dieser Technik. Sicher hatte der Gesetzgeber bei Eröffnung dieser Möglichkeit vor allem die Anlandung der Offshore-Windenergie im Blick. Andererseits hat er auch den Einsatz von Kabeltechnik für sensible Räume wie den Thüringer Wald eingeräumt. Insofern hätte man von den Gutachtern auch erwarten können, dass sie diese Möglichkeit ernsthafter in Erwägung ziehen.

Dafür sprechen auch die sich in der Fachliteratur verdichtenden Anzeichen, dass in der dena-II-Studie ohnehin ein HGÜ-Netz für den zukünftigen weiträumigen Energietransport in Europa vorgeschlagen werden wird. Erfreulicherweise hat der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestags in seiner öffentlichen Anhörung am 15. Dezember 2008 zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze dieser Erdkabeloption mehr Bedeutung eingeräumt. So weist z.B. Herr Rüdiger Haake vom ZVEI Fachverband Energietechnik in dieser Anhörung darauf hin, dass sich die HGÜ-Technik zwar weltweit im Vormarsch befindet, in Deutschland bisher aber leider nur ein Pilotprojekt genehmigt wurde. Gleichwohl sind die Erfahrungen mit diesem Projekt sehr positiv, denn nach Auftragsvergabe Mitte 2007 wird im September 2009 die sogenannte HGÜSteckdose zur Anbindung des Windparkclusters Borkum 2 an das deutsche Höchstspannungsnetz fertig sein. Ich darf, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, Herrn Haake kurz zitieren: „Dazu muss man nicht nur Seekabel verlegen, sondern dazu werden auch Landkabel verlegt und hieraus schöpfen wir auch unseren Optimismus, dass Landkabelverlegung durchaus einen Beschleunigungseffekt haben kann. Wenn man mit Innovationen nicht anfängt, wird man

diese Erfahrungen vermutlich niemals erhalten. So gesehen laufen wir als Energietechnikbranche und als Technologiestandort eines Tages Gefahr, dass wir Technologien, die wir weltweit vermarkten, im eigenen Land nicht zum Einsatz bringen.“ In einem entsprechenden Gespräch hat Prof. Westermann von der TU Ilmenau mir gegenüber geäußert, dass seinem im Aufbau befindlichen „Thüringer Kompetenzzentrum - Dezentrale und intelligente Energienetze“ nichts Besseres passieren könnte, als dass es eine HGÜ-Pilotstrecke vor der Haustür betreut. Damit sollten auch die in der Einführungsphase einer neuen Technologie anfallenden Mehrkosten zu begründen sein. Außerdem würde diese Pilotstrecke im Erfolgsfall Teil des von der dena angestrebten HGÜ-Overlay-Netzes von Norwegen bis Sizilien oder sogar Nordafrika werden können, womit sich diese Investition mehr als refinanzieren würde.

Meine Fraktion nimmt also das vorliegende Gutachten in der Erwartung zur Kenntnis, dass die steigende Langstreckenübertragung von Elektroenergie in Europa nur noch soweit unvermeidlich notwendig mit konventionellen Freileitungstrassen und sobald wie möglich mit modernen Erdkabeltrassen abgewickelt wird. Diese Entwicklung ist genauso unvermeidlich wie die Ergänzung der Landstraße durch die Autobahn in der Verkehrstechnik oder der Übergang vom analogen Telefon zum digitalen Internet in der Kommunikationstechnik. Der Antrag der SPD in Drucksache 4/4924 ist in diesem Sinne nicht ausreichend zukunftsorientiert und wird deshalb von meiner Fraktion abgelehnt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich kann demzufolge die Aussprache schließen.

Es ist beantragt worden, dass die Fortberatung des Berichts im Wirtschaftsausschuss erfolgt. Das setzt das Einverständnis der Fraktionen voraus, die die Beratung zum Sofortbericht verlangt haben. Die CDU-Fraktion verneint das. Demzufolge kann ich den Antrag gar nicht stellen und nur feststellen, dass sich das Berichtsersuchen erfüllt hat, falls sich kein Widerspruch regt. Das ist so.

Ich komme nun zur Abstimmung zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/4924. Hier ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage

nach den Stimmenthaltungen. Es gibt eine ganze Reihe von Stimmenthaltungen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt worden.

Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 37

Evaluierung und Perspektiven des Stadtumbauprogramms Ost Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4930 -

Es ist nicht signalisiert worden, dass die CDUFraktion das Wort zur Begründung nehmen möchte, aber die Landesregierung hat angekündigt, den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags zu geben. Ich bitte für die Landesregierung Herrn Minister Wucherpfennig.

Frau Landtagspräsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, das Thema Stadtumbau Ost wurde zuletzt im Landtag am 14. November 2008 behandelt. Zugesagt hatte ich damals, wenn das Gutachten vorliegt, erneut zu berichten. Das Gutachten über die Evaluierung des Bund-Länder-Programms Stadtumbau Ost liegt nunmehr seit Ende Januar 2009 vor.

Von den Programmgemeinden werden uns steigende Einwohnerzahlen in den innerstädtischen Gebieten der Städtebauförderung gemeldet und das nicht nur in den größeren Städten. Dazu einige Beispiele: In Jena war der höchste Zuwachs von 1995 bis 2007 mit 20 Prozent. Aber auch Ilmenau hat seit 1990 einen Zuwachs von 12 Prozent zu verzeichnen. Als besonderen Erfolg werte ich den Einwohnerzuwachs in Mühlhausen. Die Einwohnerzahl in dieser einen Stadt hat sich von 2.982 Einwohnern im Jahr 1997 auf 3.449 Einwohner in 2007 erhöht.