Dabei wird es uns insbesondere um die Frage einer Lagedarstellung gehen. Für uns ist ein großer Schwerpunkt die Frage Vermögensabschöpfung, Organisierte Kriminalität triffst du da insbesondere am Nerv, wenn du an das Vermögen herangehst, und ich will auch sagen, Herr Hahnemann hat das in seiner Rede angesprochen, ich glaube, wir sollten auch in der Öffentlichkeitswirkung ein Bild so ein Stückchen verschieben. Bei Organisierter Kriminalität wird immer sehr viel von Mafia und asiatischen Gruppierungen gesprochen, Organisierte Kriminalität ist im Wesentlichen deutsch. Wer sich das Bundeslagebild - das dürfen wir ja nun wieder haben - zur Organisierten Kriminalität anschaut, kommt zu diesem Ergebnis, also auch im Bewusstsein der Bevölkerung mal klarzustellen, es geht nicht ausschließlich um Mafia und es geht nicht nur um asiatische Gruppierungen, Organisierte Kriminalität ist im Wesentlichen deutsch. Auch das halte ich für ganz wichtig.
Was ich nicht verstehe, Herr Innenminister, ist für mich die Frage, wieso die Argumentationen immer wechseln. Wenn wir das Polizeiaufgabengesetz diskutieren, da wird uns erzählt, das ist alles ganz schwer und eine riesige Herausforderung. Man hat mitunter das Gefühl, dass ausländische Banden an der Landesgrenze von Thüringen nur darauf warten, einzufallen. Wenn wir dann bei so einem Lagebild nachfragen, na wenn das denn so ist, dann gebt doch einmal ein Lagebild zur Organisierten Kriminalität, dann wird uns gesagt, da gibt es ja gar nichts. Es lohnt sich ja gar nicht, darüber zu sprechen. Im Zusammenhang mit Gesetzesverschärfungen reden Sie sehr gern über den Zuwachs und über die Gefährlichkeit von Organisierter Kriminalität, aber wenn wir Sie bitten, einmal ein Lagebild dazu herzustellen, ist das plötzlich alles nichts. Also das müssen Sie auflösen.
Ich glaube, diesem Antrag zuzustimmen, wäre der klarere Weg gewesen, ich glaube, er wäre auch für den Innenminister der bessere gangbare Weg gewesen. Wie gesagt, Sie können heute abstimmen, wie Sie wollen, das Lagebild zur Organisierten Kriminalität in Thüringen wird es regelmäßig geben. Ich
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, entgegen der Aussage von Herrn Hahnemann haben wir ausgiebig den Antrag der SPD im Innenausschuss beraten. Ich wundere mich immer wieder, wie die unterschiedlichen Wahrnehmungen sind, und ich entsinne mich, dass wir das wirklich ausgiebig beraten haben. Ich will darauf verweisen, dass das im Plenum an den Innenausschuss überwiesen wurde, wir haben uns ausgiebig beraten. Dass wir am Ende nicht zu derselben Meinung gekommen sind, dem stimme ich zu. Dort wurde deutlich, dass ein, wie der Vorschlag ist, Lagebild zur Organisierten Kriminalität im Plenum diskutieren zu wollen, also, meine Damen und Herren, das ist weltfremd und mir fehlen einfach die Worte dazu. Selbstverständlich bedarf es aktueller Lagebilder, die werden uns ständig gegeben und auch entsprechend ausgewertet. Aber solche Dinge werden doch nicht hier im Plenum diskutiert, dann kann man es doch gleich irgendwo auf die Homepage stellen, von mir aus vom Innenministerium, da kann sie jeder abrufen und kann sich jeder informieren, wo wir denn gerade stehen. Also, Herr Kollege Gentzel, bei allem Verständnis für die Dinge, das ist einfach überzogen und übertrieben und es hilft uns auch nicht und das ist für mich das Entscheidende. Es hilft niemandem. Es sind nur ganz wenige, Gott sei Dank, nur wenige organisierte Kriminalitätsfälle in Thüringen, ohne das jetzt herunterzuspielen, aber dieses vielleicht zu veröffentlichen, ist vollkommen unsinnig. Sie wissen ganz genau, dass wir z. B. in den zuständigen Behörden - wir haben doch in der Thüringer Informations- und Auswertungszentrale, wo die Sicherheitsbehörden sich untereinander abstimmen, ob das Polizei, Justiz, Verfassungsschutz ist -, wo diese Dinge natürlich ausgewertet werden. Das hat der Innenminister auch deutlich gemacht, dass er bereit und willens ist, die Dinge in entsprechend vertraulicher Sitzung etc. oder in der PKK, Herr Kollege, wo Sie ja fahnenflüchtig geworden sind, dann entsprechend zu beraten. Ich bin auch ab und zu mal ausgezogen, aber ich bin wieder zurückgekehrt, weil dann die Dinge erfüllt wurden, die ich meinte, die die Landesregierung zu liefern hat. Sie wissen, dass das damals noch nicht dieser Minister war, sondern ein anderer. Also, meine Damen und Herren, selbstverständlich brauchen wir auch die parlamentarische Kontrolle, aber dieses muss natürlich in den Gremien passieren, in die es gehört unter den
entsprechenden Vertraulichkeiten, die notwendig sind. Wir lehnen den Antrag ab aus guten Gründen, die ich gerade genannt habe. Danke.
Weitere Redeanmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Auch die Landesregierung wünscht nicht mehr das Wort. Damit kann ich die Aussprache schließen. Herr Abgeordneter Schröter, bitte zur Geschäftsordnung.
Dann kommen wir jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/4457. Damit ist die Abstimmung eröffnet und ich bitte, die Abstimmungskarten einzusammeln.
So, darf ich jetzt bitte noch mal fragen, wer hat noch eine Stimmkarte? Damit sind alle Stimmkarten eingesammelt und ich kann diesen Abstimmungsvorgang schließen und bitte um Auszählung.
Ich kann das Abstimmungsergebnis vortragen: Es wurden 66 Stimmen abgegeben. Jastimmen 6, Neinstimmen 44, Enthaltungen 16 (namentliche Abstim- mung siehe Anlage 1). Damit wurde der SPD-Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Thüringer Gesetz zur Weiterent- wicklung, Demokratisierung und Beschleunigung von Wider- spruchsverfahren Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4816 - ERSTE BERATUNG
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Baumann, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem genannten Gesetzentwurf versucht die Fraktion DIE LINKE, sogenannte Widerspruchsausschüsse auf kommunaler Ebene zu installieren. Mit einer Änderung der Kommunalordnung soll gewährleistet werden, dass künftig in jeder Gemeinde mit mehr als 1.000 Einwohnern ein Ausschuss zu bilden ist, der im Rahmen der Abhilfeprüfung eines Widerspruchsverfahrens den Widerspruchsführer zu Verwaltungsakten der Gemeinde oder der Verwaltungsgemeinschaft mündlich zu hören hat. Ferner soll auf der Landkreisebene vom Kreistag ein Ausschuss gebildet werden, der im Rahmen der Abhilfeentscheidung den Widerspruchsführer zu Verwaltungsakten des Landkreises und von Gemeinden, in denen kein eigener Widerspruchsausschuss eingerichtet ist, mündlich zu hören hat. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung wird der Widerspruchsausschuss laut Gesetzentwurf dazu angehalten, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Für den Bereich der Landesebene soll der Bürgerbeauftragte durch entsprechende Ergänzung des Thüringer Gesetzes über den Bürgerbeauftragten verpflichtet werden, mit dem Widerspruchsführer und der Landesbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, die Sach- und Rechtslage mündlich zu erörtern und zeitnah auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den Gesetzentwurf spricht, dass er im Prinzip versucht, im Widerspruchsverfahren eine gütliche Einigung zu erreichen, um den Gang vor das Verwaltungsgericht zu vermeiden. Das Projekt der Güterichter, an dem unter anderem das Verwaltungsgericht Gera teilnimmt, versucht dies ebenfalls. Ein weiteres Pro-Argument ergibt sich aus der Historie. Bis zum Jahr 1992 gab es in Thüringen die Regelung im Thüringer Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung, dass vor jeder Entscheidung über Widersprüche gegen Verwaltungsakte der Gemeinden, Landkreise und Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörde der Widerspruchsführer durch einen Ausschuss mündlich zu hören sei. Der Einschränkung dieser Regelung im Jahr 1992 wurde vonseiten der SPD-Landtagsfraktion heftig widersprochen. Gegen die Annahme des Gesetzentwurfs sprechen praktische Gesichtspunkte, wie ein hoher Organisations- und Verwaltungsaufwand zur Bestellung von Widerspruchsausschüssen, zur Vorbereitung ihrer Arbeit sowie Kostenargumente. Gegen den Gesetzentwurf spricht des Weiteren, dass eine bessere Akzeptanz von Widerspruchsbescheiden gerade in Verfahren, in denen Landesbehörden beteiligt sind, nicht erreicht wird, wenn der Bürgerbeauftragte als Einzelperson und kein Widerspruchsausschuss die gütliche Einigung zwischen den streitenden Parteien
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit insbesondere der Kosten- und Nutzenaufwand von Widerspruchsausschüssen noch einmal eingehend untersucht werden kann, macht eine Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Sinn. Dort könnte z.B. per Gutachten durch den Wissenschaftlichen Dienst des Thüringer Landtags geklärt werden, welchen Kosten- und Arbeitsaufwand Widerspruchsausschüsse tatsächlich verursachen. Des Weiteren muss untersucht werden, welche Auswirkungen dieser Gesetzentwurf gegenüber dem jetzigen Verfahren hat. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Gesetzentwurf hat schon eine parlamentarische Vorgeschichte, die nach meiner Überzeugung fast einmalig ist hier im Thüringer Landtag. Bekanntermaßen hatte die Landesregierung, als ihr noch Innenminister Gasser angehört hatte, einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Widerspruchsrechts dem Landtag zugeleitet. Es fand auch eine erste Lesung statt; es fanden Ausschussberatungen statt mit einer Anhörung. Ziel dieses Gesetzentwurfs war im Wesentlichen, die Widerspruchsverfahren abzuschaffen und damit aus unserer Sicht erheblich auch die rechtlichen Möglichkeiten der betroffenen Bürger einzuschränken. Man hatte das damit begründet, die Bürger könnten sich direkt an die Verwaltungsgerichte wenden. Man hat gesagt, man optimiert das Verfahren, man beschleunigt es, aber hat dabei aus meiner Sicht vergessen, zwei wesentliche Aspekte in die Bewertung einzubeziehen, dass nämlich das Kostenverfahrensrisiko bei den Verwaltungsgerichten für den betroffenen Bürger ein viel höheres ist als im Widerspruchsverfahren, dass es damit auch zu einer Überlastung der Verwaltungsgerichte kommen kann, aber davon abgesehen, ein noch wichtiger Aspekt war völlig ausgeblendet, nämlich dass das Widerspruchsverfahren auch die Funktion der Selbstkontrolle der Verwaltung hat. Über das Widerspruchsverfahren soll die Verwaltung selbst überprüfen, inwieweit ihr Verwaltungshandeln richtig ist. Deshalb hatten wir heftig diesen Gesetzentwurf der Landesregierung kritisiert.
Wir wissen nicht, ob unsere Kritik Anlass dafür war, dass dann die CDU-Landtagsfraktion und der neue Innenminister die Landesregierung gebeten haben, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Offenbar hat der neue Innenminister sich nicht getraut, die Arbeit seines Vorgängers fortzusetzen, sondern lieber gesagt, wir beerdigen die Sache mal. Die Landesregierung ist diesem Wunsch der Fraktion und des neuen Innenministers gefolgt. Das zeigt auch ein wenig, welche Verwürfnisse offenbar innerhalb der CDU-Fraktion und auch der Landesregierung bestehen. Man lässt alles beim Alten. Wir haben dafür Verständnis, wir haben gesagt, wir haben das kritisiert, aber dass jetzt gar nichts getan wird, dafür haben wir kein Verständnis.
Unstrittig ist, wir müssen an dem Widerspruchsverfahren etwas verändern, denn allgemein gibt es ein hohes Maß an Unzufriedenheit, aber auch Unverständnis; Unzufriedenheit, insbesondere was Bearbeitungsfristen angeht. Wir haben jetzt erst wieder zwei aktuelle Fälle, einen aus der Stadt Erfurt, dass ein Widerspruch erst nach zehn Jahren letztlich entschieden wurde. Da ist die Widerspruchsbehörde übrigens das Landesverwaltungsamt. Da ging es um Hortgebühren. Im Bereich des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Arnstadt und Umgebung ist jetzt aufgefallen, dass die Bürger gegen Abwasserbescheide der Jahre 1999/2000 mal Widerspruch eingelegt haben. Das haben die jetzt irgendwie gefunden und die sollen jetzt entschieden werden. Das konnte abgewendet werden, indem neue Bescheide erlassen wurden. Aber das zeigt erst einmal, dass mit den Fristen ein hohes Maß an Unverständnis existiert. Gerade im Bereich der Kommunalabgaben, aber auch im Baurecht haben wir sehr lange Bearbeitungsfristen.
Die Bürger haben auch Unverständnis, was die Bearbeitung betrifft, weil oftmals die gleiche Behörde, die den Bescheid erlassen hat, auch im Rahmen der Abhilfe noch einmal den Vorgang prüft. Das mag noch im Bereich der Selbstkontrolle durchaus angeraten sein, aber die Aufsichtsbehörden, die letztlich die Entscheidungen treffen, sind oftmals die, die die Voraussetzungen, die Grundlagen für die Verwaltungsakte geprüft haben. Nun hat sich herausgestellt, das bringt nicht die Lösung. Es hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl dieser Verfahren bei den Verwaltungsgerichten gelandet ist, und dort wurde auch in einer hohen Quote dann letztlich den Bürgern recht gegeben und Verwaltungsakte wurden aufgehoben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das gesamte Drama im Bereich der Kommunalabgaben. Es gab Ende der 90er-Jahre nicht einen kommunalen Zweckverband, der sein Satzungsrecht durchgebracht hat. Das hatte auch etwas mit dem Versagen der Landesregierung zu tun. Ich erinnere da an die Thüringer Bekanntmachungsverordnung,
die derart kompliziert formuliert war, dass die Kommunen und die Zweckverbände nicht mal in der Lage waren, ordnungsgemäß ihre Satzung zu veröffentlichen. Daran sind sie schon gescheitert, geschweige denn manche materiell-inhaltliche Frage in den Satzungen zu regeln.
Insgesamt gibt es also ein hohes Maß an Unzufriedenheit. Es stellt sich schon die Frage, warum die Landesregierung vor zwei Jahren noch Änderungsbedarf gesehen hat in eine Richtung, die wir kritisiert haben, nämlich Sie sagten, wir lösen das Problem, indem wir einfach diese Widerspruchsverfahren abschaffen. Das ist uns zu einfach, aber dass Sie nun gar nicht mehr handeln, das ist doch schon erstaunlich. Wenn Sie es tatsächlich ernsthaft noch in dieser Legislaturperiode angehen wollen, hätte es jetzt zumindest einen neuen Referentenentwurf geben müssen usw., sonst bekommen wir es ja zeitlich nicht mehr hin.
Da wir schon öfter in den vergangenen viereinhalb Jahren uns genötigt gefühlt haben, die Arbeit der Landesregierung zu machen, weil sie offenbar dazu nicht in der Lage ist, haben wir auch in diesem Fall so eine Art Amtshilfe geleistet und haben dem Innenminister das abgenommen,
damit er sich auf andere Dinge konzentrieren kann. Da hoffe ich ja, dass Sie das mindestens ordentlich machen.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorgelegt als Diskussionsgrundlage. Ich bin Herrn Baumann ausgesprochen dankbar, dass er hier gesagt hat, es gibt noch aus Sicht der SPD-Fraktion einigen Klärungsbedarf. Diese Punkte sehen wir auch, was bürokratische Dinge betrifft bei der Bildung der Ausschüsse und was auch Kosten betrifft. Ich werde zu den zwei Punkten noch etwas sagen. Dafür sind ja die Ausschussberatungen da, dass wir diese Fragen weiter klären können. Natürlich hat auch die Landesregierung die Möglichkeit, sich in diese Diskussion in den Ausschussberatungen einzubringen, da habe ich hohe Hoffnungen. Wir haben ja zwei Juristen an der Spitze des Innenministeriums, die sich gerade damit hoch identifizieren können. Vielleicht kann auch der eine oder andere Abgeordnete aus der CDUFraktion sich mit seinen Ideen einbringen und dann könnten wir noch in dieser Legislaturperiode tatsächlich ein wichtiges Problem für die Bürger lösen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns geht es in dem Verfahren um drei Punkte: um eine Weiterentwicklung, mehr Transparenz und auch Demokratisierung. Das haben wir ja auch schon im Titel
unseres Gesetzentwurfs so formuliert. Wir haben bei den Widerspruchsausschüssen, die wir jetzt vorschlagen, uns an einem Modell orientiert, das es bereits in Hessen gibt, nicht in der Tiefe, wie wir es hier vorgeschlagen haben, aber dort gibt es jetzt Ansatzpunkte, und wir sagen, wir wollen im Grunde genommen raus aus der ausschließlich ordnungsbehördlichen Orientierung von Verwaltungen. Wir wollen nicht, dass der Bürger bloß Adressat von Verwaltungshandeln ist, und man sagt, den Rest kannst du im Rechtsmittelverfahren klären. Wir wollen, dass der Bürger Partner im Verwaltungshandeln ist, also ein Dialogverfahren anstatt die einseitige Willenserklärung. Im Dialogverfahren sagen wir, da ist es gut, wenn außer der Behörde, die die Bescheide erlassen hat, auch noch andere mit beteiligt sind. Damit greifen wir nicht in die Zuständigkeiten ein, letztlich muss die Behörde auch die Abhilfe selbst vollziehen und verantworten, auch den Widerspruchsbescheid erlassen.
Wir schlagen vor, dass in den Ausschüssen der Betroffene angehört wird. Da sind unsere Erfahrungen sehr gute. In vielen Gemeinden, aber auch bei Zweckverbänden hat sich in der Verwaltungspraxis jetzt das Verfahren herauskristallisiert, dass Betroffene im Rahmen der Abhilfe angehört werden, und zwar nicht nur schriftlich mit komplizierten Schriftsätzen, zusammengestellt aus Textbausteinen von Computerprogrammen. Das haben wieder Juristen gemacht, die sich dann selbst darüber streiten, das versteht kein Bürger, sondern im Dialogverfahren kann man viele Fragen klären und oftmals sind es ja fehlende Informationen, die den Bürger veranlassen, zunächst erst einmal Widerspruch einzulegen. Eine Vielzahl von Verfahren kann schon durch Informationen realisiert oder aus der Welt geschafft werden. Deshalb unser Vorschlag, diese Widerspruchsausschüsse. Wir haben gesagt, wir greifen auf Elemente zurück, die es in der Kommunalordnung, im Kommunalrecht schon gibt, um nicht etwas völlig Neues zu installieren, um gerade Bürokratieaufwand zu reduzieren und auch Kosten. Wir haben gesagt, in der Kommunalordnung ist geregelt, ab 1.000 Einwohner muss es einen Hauptausschuss geben und deswegen haben wir auch diese Grenze genommen für den Widerspruchsausschuss.
Die Art und Weise der Bildung dieser Widerspruchsausschüsse überlassen wir den Gemeinden und Landkreisen. Die können also die allgemeinen Regelungen zur Anwendung bringen. Die können übrigens - und damit komme ich auch auf den Hinweis, dass möglicherweise ein neuer Aufwand entsteht, neue Kosten - auch auf bestehende Ausschüsse zurückgreifen. Wir können uns beispielsweise vorstellen, dass bei den Gemeinden der Hauptausschuss gleichzeitig als Widerspruchsausschuss fungiert. Bei den Gemeinden halten sich die
Widerspruchsverfahren in Grenzen, weil wir wissen, in Thüringen sind die kreisangehörigen Gemeinden, wenn ich mal die Großen kreisangehörigen Städte herausnehme, nicht Bauordnungsbehörde. Das sind die Landkreise und kreisfreien Städte und die Großen kreisangehörigen Städte, die haben auch eine andere Größenordnung und damit ist da sicherlich auch die Bildung von Ausschüssen unkomplizierter. Also, dieses große Themenfeld entfällt und die kleineren Gemeinden sind im Regelfall auch nicht Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung und der Abfallwirtschaft, so dass das auch entfällt. So hält sich das in Grenzen und im Regelfall werden sich aus unserer Sicht die Gemeinden entscheiden, bereits einen vorhandenen Ausschuss mit dieser Aufgabe zu betrauen. Damit, sagen wir, ist der bürokratische Aufwand sehr übersichtlich und die zusätzlichen Kosten, die entstehen, werden eingespart, weil sich eine Vielzahl von Fällen erledigen und damit Verfahrenskosten sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren entfallen. Dort werden zwar Gebühren fällig, aber dort wissen wir, die Gebühren sowohl im Widerspruchsverfahren als auch beim Klageverfahren decken nicht einmal ansatzweise die Verwaltungsaufwendungen, so dass wir sagen, insgesamt wird öffentliche Verwaltung sogar, was die Kostenseite betrifft, entlastet. Aber ich will auch gleichzeitig sagen, in diesem Verfahren geht es um einen Interessenausgleich und da nehmen wir möglicherweise auch geringere Mehrkosten in Kauf, wenn dadurch der Interessenausgleich letztlich gelingt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Landesebene haben wir innerhalb der Fraktion auch diskutiert, wem wir diese Aufgabe zuordnen und ob wir so etwas Ähnliches wie auf der kommunalen Ebene installieren, also eine Art Widerspruchsausschuss. Wir haben uns aber entschieden, diese Aufgabe dem Bürgerbeauftragten zuzuordnen. Wir wollen, dass der Bürgerbeauftragte eben tatsächlich in seinem Amt gestärkt wird, und wir sind davon überzeugt, dass mit der Zuordnung dieser Aufgabe das auch gelingt. Wir haben natürlich überlegt, ob dort ein Ausschuss sinnvoll ist und haben aber gesagt, der Bürgerbeauftragte hat ausreichend eigene Instrumente, um das eigenverantwortlich zu machen. Der zusätzliche Blick auf das Verfahren ist damit gesichert. Auf Landesebene wäre es tatsächlich schwierig gewesen, das alles noch mit einem Ausschuss zu versehen. Aber auch über diese Frage können wir diskutieren. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, wir wollten keinen Gesetzentwurf vorlegen mit verschiedenen Alternativen, aber in der Ausschussberatung können wir auch andere Formen und Alternativen diskutieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete und Gäste, seit nur wenigen Tagen liegt uns in der Drucksache 4/4816 ein Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vor zu, wie es heißt, „Weiterentwicklung, Demokratisierung und Beschleunigung von Widerspruchsverfahren“, das ist eben durch Herrn Abgeordneten Kuschel auch noch einmal wiederholt worden. Er legte dar, dass das etwas an Hessen angelehnt wurde, aber der Schwerpunkt liegt im Interessenausgleich zwischen dem Widerspruchsführer und der -behörde. Es ist in einem erheblichen Umfang besonders in den neuen Bundesländern, so konnte ich immer wieder feststellen, so, dass auf Verwaltungsakte besonders bei Gebührenbescheidungen Widerspruch der Betroffenen eingelegt wird und dies besonders häufig, wenn solche Bescheide für den Bürger überraschend eintreffen oder die Abfassungen unübersichtlich oder, was wir auch schon hatten, wenig aussagekräftig sind. Führt so ein Widerspruch nicht zum Erfolg, steht der Klageweg offen. Im einleitenden Text ist zu lesen: Die Fraktion DIE LINKE begrüßt in ihrem Antrag wohl, dass die Thüringer Landesregierung für einige Fachgebiete angedachte Abschaffungen des Widerspruchsverfahrens - von einigen anderen Bundesländern waren vorher Erprobungsphasen angesetzt und auch ausgewertet worden -, dies nicht weiter verfolgt hat.
Was wird uns nun heute in dieser Drucksache 4/4816 aufgemacht? In Gemeinden über 1.000 Einwohner sollen Ausschüsse gebildet werden zur gütlichen Erledigung von Widersprüchen, zwischen Behörde und Widerspruchsführer eine Lösung erarbeitet und vermittelt werden. Das Gleiche soll auf der Ebene der Kreise vom Kreistag erfolgen für alle Widerspruchsangelegenheiten auf Kreisebene. Dazu sollen beide im Streit befindlichen Parteien gehört werden und die Tagung solle nach Möglichkeit öffentlich stattfinden. Um dem gesetzliches Gefüge und Gepräge zu geben, sollte die Thüringer Kommunalordnung in diesem Sinne geändert werden. Auf Landesebene soll der Bürgerbeauftragte zwischen den im Streit befindlichen Stellen eine Anhörung durchführen und eine gütliche Regelung finden. Dazu solle das Thüringer Gesetz über den Bürgerbeauftragten in diesem Sinne geändert werden. Persönlich war ich nach dem ersten flüchtigen Lesen - wie gesagt, so viele Tage hatten wir es noch gar nicht - etwas erschüttert über solch einen Antrag und ich sah das
da ja nun Verwaltungsakte verhandelt, ausgehandelt, umgemodelt werden können. Bloß gut, dass in der Begründung dann zu lesen war, dass die abschließende Entscheidung - das ist von den Vorrednern noch einmal unterstrichen worden - über den Widerspruch trotz Vermittlungsbemühungen die Behörde zu treffen hat. Wenn dem aber so ist und es auch so bleiben soll, weshalb so ein Aufwand, warum ein Extra-Gesetzentwurf, warum ist dieses Anliegen nicht in dem Gesetzentwurf, da er auch von Ihrer Fraktion gekommen ist, in Drucksache 4/4676 über die Neuordnung des Petitionswesens in Thüringen? In Artikel 2 Abs. 3 - ich erinnere nur noch mal daran - dieser Drucksache 4/4676 soll der Gemeinderat bei Gemeinden über 1.000 Einwohnern einen Petitionsausschuss bilden, im übertragenen Sinne gelte dies auch für den Kreistag für kreisliche Angelegenheiten. In der Begründung heißt es weiter, dass mit der Einführung des Petitionsrechts auf kommunaler Ebene das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Kommune gefördert wird und das Problembewusstsein der Kommune und der Verwaltung geschärft würde. Dabei wird so weit wie möglich von einer öffentlichen Petitionsausschuss-Sitzung ausgegangen. Persönlich sehe ich dafür also keine Notwendigkeit für einen Extra-Gesetzentwurf, wie er hier heute in der Drucksache 4/4816 vorliegt. Dies sagt noch nichts über die inhaltliche Notwendigkeit der Regelung in unserem Bundesland Thüringen.
Für mich stellen sich, wenn wir dieses nüchtern betrachten, eine ganze Reihe von Fragen. Eine Überlegung meinerseits: Erreichen wir mit einer solchen aufwendigen Streitschlichtungseinheit - ich nenne sie mal so - eine bessere Qualität bei den entsprechenden Behörden? Schüren wir vielleicht zwischen denen, die Widerspruch einlegten, und denen, die keinen Widerspruch erhoben haben, nicht neuen Streit? Mindern wir tatsächlich hiermit die Fälle, die anschließend bei Gericht landen? Kreuzen sich nicht die Aufgaben dieser neuen streitschlichtenden Ausschüsse mit denen, die für Petitionen zuständig sein sollen? Wenn das Recht nicht ganz auf der Strecke bleiben soll, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass eine Mehrheit von Personen, hier wurde immer der Vermittlungs- oder Streitschlichter genannt, eines solchen Vermittlungsausschusses darüber entscheidet, ob ein erstellter Bescheid in Ordnung ist oder eine Abänderung erfolgen soll, um dann von einem weiterentwickelten Bescheid, einem demokratischer Bescheid, wie es hier eingangs heißt, und einem beschleunigten Verfahren zu sprechen? Ich kann seitens meiner Fraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf in Drucksache 4/4816 so, wie er hier abgefasst ist, nicht zustimmen. Ich