Protocol of the Session on October 16, 2003

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die im vorigen Jahr verabschiedeten Maßnahmen der Thüringer Landesregierung gegen häusliche Gewalt waren schon mehrfach Thema hier im Landtag bzw. in seinen Ausschüssen, und das ist auch richtig und wichtig so. Es ist zu begrüßen, dass heute von der Landesregierung ein Bericht über den jetzigen Stand der Umsetzung und Weiterführung der Maßnahmen gegeben wurde. Es ist schon viel unternommen worden, aber die Statistiken beweisen, dass alles noch nicht reicht oder alles noch nicht oder vieles noch nicht greift. Nach wie vor sind natürlich noch Fragen für mich offen bzw. wären weiter gehende Informationen von Interesse. Öffentlichkeitsarbeit ist bei diesem Themenkreis von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

(Beifall bei der SPD)

Es muss in der öffentlichen Meinung auch Gewalt in der Familie, gegen Frauen und Kinder als ein schweres Vergehen betrachtet werden. Deshalb sind die durch das Büro der Landesfrauenbeauftragten erstellten und veröffentlichten Flyer, Plakate und Tagungen usw. zu begrüßen. Die Frage ist: Wie effektiv war die Aktion - und ganz besonders -, wie kann sie kontinuierlich weitergehen und eine noch größere Zahl der Bevölkerung erreichen? Eine vordergründige oder gar reißerische Öffentlichkeitsarbeit halte ich aber bei diesem schwierigen Thema für nicht angebracht. Weiterhin interessieren mich noch einige Problemfelder, die meiner Meinung nach noch nicht ausführlich hier im Plenum beraten werden können und die wir in den Ausschüssen beraten sollten. Zum Beispiel bei dem Themenkreis "Kinder und Jugendliche" geht es unter anderem um Kinderschutzwohnungen bzw. um die Inobhutnahme von Gewalt betroffener Kinder. Weiterhin wurden in den Maßnahmen das Streitschlichterprogramm und die Konfliktlotsen an den Schulen genannt. Diese sollten eine wesentliche Rolle bei den schulischen Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt spielen. Wie haben sich diese Maßnahmen bewährt? Gibt es sie flächendeckend?

Ein Kritikpunkt war von uns die fehlende Beratungsmöglichkeit für gewaltbereite Männer - die Täterarbeit. Aus Mangel an Fachkräften für die Beratung gab es im Jahr 2002 gar keine Beratungsstelle. Von den veranschlagten 21.500         ?   ausgegeben.

Desto positiver zu bewerten ist die zum 1. Juli 2003 eröffnete Beratungsstelle in Weimar in der Trägerschaft von Pro Familia. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass sie eine erfolgreiche Arbeit im Sinne der Betroffenen leisten wird. Aus dem jetzigen Modellprojekt muss aber unserer Meinung nach eine feste Institution werden und sie darf in Thüringen nicht die einzige Beratungsstelle für gewaltbereite Männer bleiben.

Es ist zu begrüßen, dass in der Aus- und Fortbildung der Polizei die Problematik häuslicher Gewalt verstärkt thematisiert wird und damit ein fester Bestandteil des Lehrplans ist. Ganz besonders wichtig finde ich, dass die Beamten vor Ort durch ein umfangreiches Training für diese Situation sensibilisiert und geschult werden, um dementsprechend auftreten und agieren zu können. Wie hat sich das in der Praxis bewährt? Sehen die Beamten des Außendienstes diese Schulung als ausreichend und praxisnah genug an?

Das Problem der sexuellen Gewalt gegen Kinder ist in den Maßnahmen nicht explizit ausgeführt. Wie wird das Thema in den Fortbildungsveranstaltungen zur häuslichen Gewalt behandelt? Aufgrund der angespannten Haushaltssituation müssen die einzelnen Ressourcen Schwerpunkte setzen. Wo sind diese gesetzt worden?

Es gibt, wie Sie sehen, eine ganze Reihe von Fragen, die im Plenum nicht in genügender Ausführlichkeit behandelt werden können. Aus diesem Grunde beantrage ich im Namen meiner Fraktion die Überweisung des Berichts an den Gleichstellungsausschuss federführend. Und jetzt muss ich im Gegensatz noch zur PDS sagen, ich denke, auch an den Innenausschuss, denn es betrifft auch die Polizei, den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, es betrifft auch unsere Kinder.

(Zwischenruf Abg. Dr. Wildauer, PDS: Das geht nicht.)

Liebe Frau Abgeordnete, es geht nur die Fortberatung des Berichts in einem Ausschuss. Frau Abgeordnete Wolf hat sich für die PDS-Fraktion für den Gleichstellungsausschuss entschieden.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Dann schließe ich mich an. Wir können ja die entsprechenden Leute dann zu uns in den Ausschuss einladen. Ich danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Tasch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zuerst einmal danke an Sie, Frau Dr. Meier, für Ihren Bericht, der nicht nur

(Beifall bei der CDU)

den Ist-Stand der Umsetzung der Maßnahmen der Landesregierung gegen häusliche Gewalt beinhaltet hat, sondern auch schon erste Erkenntnisse gibt, wie der Weg weiter beschritten werden muss. Wir haben im Gleichstellungsausschuss vor einem Jahr angekündigt, im Herbst 2003 einen Antrag auf Berichterstattung einreichen zu wollen, um dann eine erste Auswertung vornehmen zu können und über die Fortführung zu beraten. Die CDUFraktion hat ihre Zusage eingelöst und möchte den Bericht weiter im Ausschuss beraten haben, deshalb beantrage ich jetzt auch, nachdem das meine Kolleginnen schon getan haben, den Sofortbericht an den Gleichstellungsausschuss zu überweisen.

Das Thema "Häusliche Gewalt" hat in diesem hohen Haus in den vergangenen Jahren mehrfach eine Rolle gespielt. Das war von uns so gewollt, um dieses Thema aus dem Dunkel an das Licht der Öffentlichkeit zu holen.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, dieses ist uns gemeinsam gelungen. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle auch mal bei meinen Kolleginnen Frau Bechthum, Frau Künast wird es mir nachsehen, und Frau Wolf bedanken, die in dieser Frage sachlich und engagiert gemeinsam mit uns gearbeitet haben.

Wir haben uns zur Maxime gemacht, dieses Thema, so hoffe ich jedenfalls, nicht parteipolitisch zu bearbeiten, und ich denke, dieses hat auch Wirkung gezeigt. Wir haben somit den Vereinen und Verbänden, die im Freistaat an diesem Thema arbeiten, gezeigt, dass man nur gemeinsam hier handeln kann und das hat ihnen vor Ort auch gut getan, denn keiner von uns hat es schlechtgeredet. Ich denke mal, wir haben gemeinsam dieses als Handlungsgrundlage betrachtet, denn, meine Damen und Herren, nur wenn häusliche Gewalt gesellschaftlich geächtet wird, dann kann sie dauerhaft bekämpft und zurückgedrängt werden.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, zum 01.01.2002 ist das Gewaltschutzgesetz in Deutschland in Kraft getre

ten, welches einen besseren Schutz der Opfer darstellt. Nicht die Opfer, meist Frauen und Kinder, aber auch Männer, müssen die häusliche Umgebung verlassen, sondern der Täter muss gehen. Thüringen hat sich unserer Auffassung nach gut auf die Umsetzung dieses Gesetzes vorbereitet. Das wurde ja öfters durch die Opposition angezweifelt. Es kamen Fragen auf: Ist die Thüringer Polizei in der Lage das Gewaltschutzgesetz anzuwenden? Sind die Thüringer Beamtinnen und Beamten ausreichend auf Einsätze bei häuslicher Gewalt vorbereitet? Das Ergebnis zeigt, sie ist es. Seit dem 01.01.2002 ist die Thüringer Polizei in 3.500 Fällen aufgrund häuslicher Gewalt tätig geworden. Es wurden 1.808 Strafanzeigen aufgenommen, 858 mal gab die Polizei Hinweise auf das Gewaltschutzgesetz, 412 Personen wurden in Gewahrsam genommen und 529 Wegweisungen und Platzverweise wurden ausgesprochen. Das zeigt, dass von den neuen Möglichkeiten auch Gebrauch gemacht wird. Es hat keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung gegeben, die der Entscheidung der Polizei widersprochen hat. Das zeigt uns ganz klar, dass unsere Beamten vor Ort gut vorbereitet sind, und es ist für uns auch der Beweis, dass der § 18 des Polizeiaufgabengesetzes ausreichend ist, denn das hat die Praxis in den letzten anderthalb Jahren gezeigt.

(Beifall im Hause)

Aber auch das Thema "Bekämpfung von häuslicher Gewalt" spielt eine große Rolle bei der Aus- und Fortbildung der Polizei. Es ist eines der Pflichtthemen bei der Ausbildung des gehobenen Dienstes. Es ist Bestandteil der Modulausbildung im mittleren Dienst, gerade das Thüringer Innenministerium war mehrfach Gast in unserem Ausschuss und hat uns darüber auch immer Rede und Antwort gestanden und uns gut informiert. Es ist aber auch Bestandteil im Dienstunterricht in allen Dienststellen im Freistaat.

Die Praxis hat hier ebenfalls gezeigt, dass die Leitlinien, die bereits im Februar 2002 in Kraft gesetzt wurden, der richtige Weg waren. Diese befinden sich jetzt in einer Überarbeitung und sollen Ende 2003 neu aufgelegt werden. Und all das, was in dem letzten Jahr an Erfahrung, nicht nur in Thüringen, sondern auch in anderen Bundesländern gesammelt werden konnte, fließt in die neuen Leitlinien ein. Da möchte ich an dieser Stelle auch meinen Kollegen, den Innenpolitikern der CDU-Fraktion, für ihre Unterstützung danken.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben uns in diesen Fragen viel unterstützt und ich hoffe, dass das auch weiter der Fall ist, denn nur gemeinsam können wir häusliche Gewalt bekämpfen. Ich möchte auch an dieser Stelle den vielen Beamtinnen und Beamten danken, die vor Ort gut vorbereitet vieles leisten müssen und auch oft an ihre Grenzen stoßen in diesem sensiblen Bereich, aber auch den Mitarbeitern im Thüringer Innenministerium, die mit dem Thema beschäftigt sind und uns im

mer Rede und Antwort gestanden haben und viele unserer Anregungen, die wir haben, aufgenommen haben.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch möchte ich hier von dieser Stelle einmal die Arbeit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention beleuchten. Die wurde ja am Anfang oft kritisiert und ihre Arbeit fälschlicherweise als nicht ausreichend bezeichnet. Gerade in Bezug auf die Aktivitäten auf dem Gebiet der häuslichen Gewalt ging viel von der Koordinierungsstelle aus. Ich möchte hier nicht alles aufzählen, das hat Frau Dr. Meier schon getan, aber ich möchte einmal eins benennen, und zwar das landesweite Projekt "Wege aus der häuslichen Gewalt", welches auf drei Jahre angelegt ist. Dieses Konzept wurde maßgeblich durch die Koordinierungsstelle erarbeitet. Es handelt sich dabei um ein disziplin- und trägerübergreifendes Verbundprojekt für welches die KOOST(G) die Geschäftsführung der landesweiten Lenkungsgruppe übernommen hat. Was die sechs Arbeitsgruppen alles zu leisten haben, das hat auch Frau Dr. Meier schon benannt, das muss ich jetzt nicht noch einmal machen, aber ich möchte mich auch von diesem Pult aus bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Koordinierungsstelle Gewaltprävention, insbesonders bei Herrn Hillmann und Frau Guntau.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Täterarbeit ist uns ein wichtiges Anliegen gewesen. Ein effektiver Opferschutz kann nur erzielt werden, wenn auch Hilfsangebote für die Täter zur Verfügung stehen. Ich denke, wir sind alle froh, dass im Juli dieses Jahres die Täterberatungsstelle der Pro Familia in Weimar ihre Arbeit aufgenommen hat. Wir alle wissen, es war nicht leicht, es war doch eine schwierige Geburt und ich muss für mich sagen, ich hatte mir das auch einfacher vorgestellt, ich musste mich da auch eines Besseren belehren lassen, dass man so etwas nicht aus dem Ärmel schüttelt und dass es vor allen Dingen auch gut vorbereitet sein muss, damit das kein "Schuss in den Ofen" wird.

Was ich auch noch einmal besonders hervorheben möchte, ist, dass diese Arbeit wissenschaftlich begleitet wird, und zwar von einem Fachmann auf diesem Gebiet, Professor Bullinger - hier in Erfurt vielen bekannt -, und dass wir somit in die Lage versetzt werden, in zwei, drei Jahren diese Arbeit zu evaluieren und dann auch wirklich mit handfesten Ergebnissen beraten können, wie es weitergehen soll. Das halte ich und auch meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion auch für ganz wichtig, dass das nicht aus dem hohlen Bauch heraus gemacht werden kann, sondern das muss Hand und Fuß haben, das muss wissenschaftlich begleitet werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, derzeit laufen die Bewerbungen von Frauenschutzwohnungen und Frauenzentren an, die Interventionsstellen einrichten wollen. Ich denke, das ist ein weiterer Baustein, Frau Wolf, das haben wir auch so gesehen und auch so gefordert, dass Interventionsstellen in den Frauenschutzwohnungen, Frauen

zentren eingerichtet werden müssen. Sicher, Sie haben die finanzielle Ausstattung hier angemahnt. Wir waren uns klar, dass Interventionsstellen dazu beitragen können, a) dass die Arbeit geleistet wird, aber auch b) dass die höhere Akzeptanz vor Ort da ist. Frau Wolf hört jetzt gar nicht zu.

(Zwischenruf Abg. K. Wolf, PDS: Ich höre zu.)

Sie hören zu. Ich denke, dass die Landesregierung sich ihrer Verantwortung bewusst ist, das zeigt auch die Ausreichung der Mittel. Was wir anmahnen müssen, ist die Verantwortung der Kommunen, sie können hier nicht aus der Pflicht genommen werden. Ich denke, das Land hat in diesem Jahr trotz der schwierigen Haushaltssituation seine Verantwortung wahrgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Ausführungen zur Umsetzung der Maßnahmen gegen häusliche Gewalt haben wir heute vieles vernommen, was in kurzer Zeit wir sprechen hier über knapp eineinhalb Jahre - auf den Weg gebracht wurde, was auf die Verbesserung des Opferschutzes zielt, aber auch dem Täter klar aufzeigt, wer schlägt, der geht. Häusliche Gewalt wird nicht mehr toleriert oder totgeschwiegen. Ich denke, wir werden gemeinsam weiter arbeiten und die Maßnahmen immer wieder hinterfragen, weiterentwickeln, sachlich wie bisher, erfolgreich gemeinsam. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnte Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Vorsitzende, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Bericht der Landesregierung wurde gegeben. Ein Dankeschön auch an Frau Dr. Meier. Die Fraktionen haben dazu gesprochen. Erfolge im Vorgehen gegen häusliche Gewalt durch Polizeibeamte und -beamtinnen sind zu verzeichnen. Den Beamtinnen und Beamten ist hier ein ganz besonderes Dankeschön auszusprechen. Aber auch dem Innenausschuss, denn die haben sich damit sehr intensiv befasst und sie haben auch dieses Thema hier im Landtag zu einem sehr ernsten und wirklich wichtigen und brennenden Thema gemacht. Auch natürlich den Kolleginnen und Kollegen vom Justizausschuss.

Gewalt in der Familie im häuslichen Bereich sind als traurige Realität inzwischen anerkannt. Fast jede Woche informieren Gerichtsprozesse über schlimme Taten, die Männer Frauen, aber auch Frauen Männern antun könnten. Man glaubt, von einem Gewaltschutzgesetz haben sie noch nie etwas gehört. Anfänge zur Arbeit mit den Gewalttätern gibt es auch. Die Maßnahmen gegen Ge

walt im häuslichen Bereich sind aber für mich nicht nur Gewalt zwischen Frauen und Männern.

Die CDU-Fraktion hat nach gut einem Jahr der Beschlussfassung der Maßnahmen gegen häusliche Gewalt sie zur Beratung ins Plenum eingebracht. Welche Erfahrungen vorliegen, das ist positiv zu bewerten. Ich muss aber etwas Wasser in den Wein gießen. Wir hätten uns jedoch gewünscht, ein anderes Gesetz, das in unmittelbarer und nicht zu trennender Verbindung im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen häusliche Gewalt steht, mit seinen Auswirkungen in Thüringen zu beleuchten. Denn genau das war es, was auf Bundesebene gleich nach Antritt der neuen Bundesregierung gedacht war, dass man erst das Gewaltächtungsgesetz - das wurde am 2. November 2000 verabschiedet - und dann das Gewaltschutzgesetz in Kraft treten lässt. Das trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Ich spreche hier also von einem Gesetz, dass das Recht jedes Kindes auf eine Erziehung ohne Gewalt gesetzlich festschreibt. Es ist das so genannte Gewaltächtungsgesetz. Ich sagte schon, es ist am 2. November 2000, d.h. vor knapp drei Jahren, in Kraft getreten. Ich zitiere: "Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig." So heißt dieses Gesetz.

Frau Pelke und ich hatten schon 2001 zu diesem Gesetz hier im Landtag eine Mündliche Anfrage gestellt, wie die Umsetzung geschehen wird, was wird getan, um dazu aufzuklären. Herr Dr. Pietzsch hatte damals darauf geantwortet noch als der zuständige Minister.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer kennt dieses Gewaltächtungsgesetz? Von Ihnen hier bestimmt im Landtag auch schon keiner mehr. Wer soll es dann außerhalb des Landtags kennen? Es sind die, die sich mit Kinderschutz befassen, die kennen es auch. Ich frage deshalb: Wie hat die Landesregierung darüber öffentlich informiert, dieses Gesetz erläutert, es auch erklärt, Kampagnen dazu durchgeführt in Kitas, in Schulen? Ich weiß, es sind Bundesinitiativen dazu gestartet worden, vielleicht erinnern Sie sich auch daran, "Mehr Respekt vor Kindern". Der Artikel, der gestern in der "Osterländer Volkszeitung" stand, müsste Sie alle ebenfalls aufgeschreckt haben. Erneut, es gab schon ähnliche Infos dazu zu der Statistik. Vielleicht interessiert Sie das doch noch mal, weil es uns alle angeht, dass hier sehr deutlich gesagt wird, immer mehr Kinder werden misshandelt. 2002 mussten 750 Mädchen und Jungen in Thüringen durch Jugendämter und freie Träger in Schutz genommen werden. Wenn die Jugendämter zugreifen, dann ist es schon sehr, sehr schlimm, dass es so in der Öffentlichkeit ist. Vor acht Jahren waren es noch 400 Kinder, die in Obhut genommen werden mussten, weil sie von ihren Eltern geschlagen, misshandelt oder vernachlässigt wurden. Dabei sei sehr bedenklich, dass Eltern immer öfter die Verantwortung für ihr Kind einfach nicht übernehmen wollen. Der Kinderschutzdienst in Gera hat z.B. 2002 mehr als 70 Fälle bearbeitet.

Sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und körperliche Misshandlung seien hier die Hauptgründe gewesen. Diese Familien benötigen Hilfe, denn Kinder, die in der Familie selbst Opfer von Gewalt wurden, seien besonders gefährdet, selbst später Gewalt als Lösungsstrategie bei Problemen anzusehen. Hier müssen Präventionsprojekte ansetzen. Das fordert auch der Geschäftsführer des Vereins Schlupfwinkel und Sorgentelefon. Denn wo Gewalt angewendet wird, wird Gewalt auch geweckt. Das hat schon der berühmte deutsche Philosoph Karl Jaspers gesagt. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden, wenn wirklich Maßnahmen gegen häusliche Gewalt greifen sollen, wenn sie Wirkung erzielen sollen. Diese erschütternden Zahlen zur Gewalt an Kindern sollen und müssen als dringender Appell, als eine Anforderung an uns alle gestellt werden, dieses Gesetz, das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung, hier auch darüber aufzuklären. In besonderer Verantwortung ist aber die Landesregierung. Sie haben dazu die Mittel, und Sie haben auch die Möglichkeiten, hier tätig zu werden, mehr als wir noch, wo wir in Reden, wenn wir irgendwo sind, dazu aufklären können. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sexueller Missbrauch an Kindern ist das schlimmste Vergehen, Verbrechen, das Kindern angetan werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Ein Richter des Erfurter Landgerichts nannte es Mord an der Seele, und das ist es auch. Gehen Sie mal zu so einem Prozess. Ich weiß nicht, ob Sie schon zu so einem Prozess gewesen sind, das miterlebt haben. Danach geht es einem nicht gut. Aber man muss es selbst miterleben, damit man darüber aufklären kann. Und es ist eben leider so, ich habe bis jetzt nur volljährige junge Frauen erlebt, die sich dazu durchgerungen hatten mit viel Kraft und auch Empfehlungen, nachdem sie sich geöffnet hatten, das zur Anzeige zu bringen, was Ihnen mit sechs, sieben, acht Jahren angetan worden ist. Die Tat liegt zum Teil zehn Jahre und mehr zurück. Es sind erschütternde Szenen, die sich vor Gericht abspielen. Und wie viele Jahre Kindheit, Jugend diesen jungen Frauen gestohlen worden sind, das kann man gar nicht ermessen. Es ist gut, dass es die Gerichte gibt, die wirklich fair in solchen Prozessen umgehen, die wirklich auch diesen jungen Frauen glauben und auch harte Urteile aussprechen. Das kann ich nur unterstützen und stehe auch voll dahinter. Deshalb ist eine frühe Aufklärung nötig, es könnte eine Chance sein, manches Unheil in Familien zu verhindern. Manche Männer und Väter als Täter sind sich der Folgen ihres schändlichen Handelns zum Teil überhaupt nicht bewusst. Sie sitzen dann dort und weinen bitterlich. Sie können das nicht wieder gutmachen. Familien zerbrechen daran. Es ist schlimm, aber man könnte vielleicht, wenn man darüber aufklärt, dieses Leid, diese Gewalt in Familien hier auch vielleicht unterbinden. Ob es gelingt, das weiß man nicht, aber es könnte ein Stein dazu sein. Positiv bewerte ich deshalb auch die gestiegene Nachfrage nach Erziehungsberatung. Beratung kann ebenfalls Gewalt im häuslichen Bereich vermindern helfen. Deshalb sind Kür