Protocol of the Session on May 8, 2003

Und zum Schluss noch - Herr Pietzsch, Sie haben hier diese Broschüre erstellen lassen, wo Veranstaltungen im Freistaat Thüringen enthalten sein sollen. Mich wundert es doch sehr, dass diese hervorragende Ausstellung des Hygienemuseums Dresdens und der Deutschen Behindertenhilfe "Aktion Mensch", die im Haus "Krönbacken" Waidspeicher ist, "Bilder die noch fehlten" - eine wunderbare Ausstellung - hier nicht enthalten ist und auch keine Werbung dafür gemacht wird.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Wenn Sie es uns nicht mitgeteilt haben. Wir können nur das reinschreiben, was uns mitgeteilt wird.)

Das ist dann aber traurig. Ich muss Ihnen sagen warum das im "Krönbacken" ist, normalerweise sollte sie in der Galerie am Fischmarkt sein. Dort konnte sie leider nicht sein, weil es in diesem wunderschönen alten restaurierten Haus keine Möglichkeit gibt für behinderte Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, hineinzukommen. Wir haben darüber mit der Stadt gesprochen. Man wird sich Gedanken machen bei einer Prioritätenliste dieses Museum vielleicht vorzugsweise erst einmal so auch mindestens einzurichten, dass dort wirklich auch vielmehr Ausstellungen sein könnten. Ich beantrage im Namen der Fraktion der SPD die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 3/3266, Maik Nothnagel hat es schon betont, auch den eigenen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit federführend und als mitberatende Ausschüsse den Haushalts- und Finanzausschuss, den Innenausschuss und den Justizausschuss. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Pietzsch. Bitte schön.

(Zuruf Dr. Pietzsch, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Ich komme gleich.)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch verehrte Behinderte, wir sollten das Thema Behinderte nicht zu einem Wettlauf der guten Menschen werden lassen. Ich habe bei den letzten Redemeldungen dieses so manchmal empfunden. Ich habe mir überlegt, ob irgendetwas bei mir nicht stimmt, wenn ich immer als Erstes auf die Redner der PDS Bezug nehme, aber ich nehme Bezug auf Sie, Herr Nothnagel. Wenn Sie sagen, die Landesregierung, so ungefähr, soll endlich etwas tun für die Gleichstellung Behinderter. Meine Damen und Herren, lieber Herr Abgeordneter Nothnagel, ich weiß nicht welchen Winterschlaf Sie in den letzten 13 Jahren durchgemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, PDS: Winterschlaf ist eine Eigenart von Tieren, Herr Minister.)

Lassen Sie doch reden! Wissen Sie, auf so etwas reagiert man nicht.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Genau!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, PDS: So etwas tut man nicht!)

Meine Damen und Herren, die Thüringer Landesregierung hat eben in diesen letzten 13 Jahren für unsere behinderten Mitbürger vieles gemacht und die Arbeit für eine Gleichstellung hat auch in Zukunft eine große Bedeutung.

(Beifall bei der CDU)

Ich behaupte, wer eben nicht in den letzten 13 Jahren mit geschlossenen Augen durch den Freistaat Thüringen gegangen ist und wer mitbekommen wollte was passiert ist, hat festgestellt, dass eine neue Epoche der Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben stattgefunden hat. Sicherlich nicht nur was Thüringen angeht, sondern es hat insgesamt in Deutschland ein Umdenken in dieser Situation, in dieser Frage gegeben, ein Umdenken von Fürsorge zur Teilhabe. Meine Damen und Herren, wenn wir uns hier damit befassen, dann denke ich, wir sollten wirklich alle daran denken - es ist vorhin schon einmal darauf hingewiesen worden -, dann sollte jeder nicht auf dem hohen Ross sitzen - wenn ein Tiername gestattet ist - zu meinen, er könne für den Rest seines Lebens

unbehindert sein. Jeder von uns ist gefährdet, schon morgen oder übermorgen ein behinderter Mitbürger sein zu können. Es ist die geringere Zahl bei denen eine Behinderung schon angeboren ist. Mit dem Alter nimmt Behinderung zu. Aber wir haben es auch besonders viel mit Menschen zu tun, die behindert sind durch einen Unfall oder durch eine Krankheit, die sich im Laufe des Lebens einstellt. Insofern kann ich nur noch einmal sagen, es ist eine Problematik, die uns alle angeht und übrigens auch alle angeht unabhängig davon, ob wir im Jahr der Menschen mit Behinderungen leben oder nicht. Wir alle wissen, die Sichtweise von Menschen mit Behinderungen und die Sichtweise auf Menschen mit Behinderungen war nicht immer so, wie es heute ist. Das Bild vom behinderten Mitbürger hat sich in den letzten Jahren gewandelt von der Betreuung zur Teilhabe. Ein behinderter Mensch ist keine Belastung, sondern einfach ein Mitmensch, dem besondere gesellschaftliche Beachtung zuteil werden soll.

(Beifall bei der CDU)

Aus der reinen Fürsorge- und Betreuungssicht sollte und muss partnerschaftliches Miteinander werden, aber ich weise immer darauf hin, meine Damen und Herren, ein Stück Verantwortung für den Nächsten und ein Stück Fürsorge sollte uns auch noch erhalten bleiben und wir sollten auch dieses wahrnehmen. Wir sollten nicht darauf verzichten. Ich möchte all denen danken, die sich im täglichen Leben um Lebensqualität behinderter Menschen bemühen, ob ehrenamtlich oder hauptamtlich.

(Beifall bei der CDU)

Denn fürsorgliche Betreuung bedeutet nicht immer gleichzeitig eine Bevormundung. Da lege ich schon Wert drauf.

(Beifall bei der CDU)

Denn behindert ist nicht gleich behindert. Es gibt sehr unterschiedliche Formen der Behinderung. Meine Damen und Herren, Gott sei Dank hatten wir Menschen, die für fürsorgliche Betreuung eingestanden sind, als es in der DDR notwendig war, sich gerade um diese behinderten Randgruppen zu bemühen. Meine Damen und Herren, die Situation gerade für Menschen mit Behinderung in der DDR war äußerst schwierig. Das hing auch mit den materiell-technischen Voraussetzungen zusammen und das hing ganz entscheidend mit dem Geld zusammen. Meine Damen und Herren, es ist doch kein Zufall, wie viele Rollstuhlfahrer wir seit 1990 auf unseren Straßen sehen. Früher gab es sie einfach nicht, weil es keine Rollstühle gab und weil es vielleicht auch keine Aufzüge in den Häusern gab, weil sie im dritten oder vierten Stock für den Rest ihres Lebens waren. Sehr verehrter Herr Nothnagel, es geht nicht um Vergangenheit, sondern es geht um Zukunft von Gleichstellung, haben Sie gesagt. Aber es darf doch schon auch einmal darauf hingewiesen werden, was sich in diesen letzten Jahren zum Positiven verändert hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage doch nicht, dass wir am Ende eines Weges sind. Wir sind auf dem Weg, auf dem Weg gleichwertige Bedingungen für Behinderte im Verhältnis zu nicht Behinderten zu schaffen. Viel der Behindertenpolitik der Landesregierung ist dieses partnerschaftliche Miteinander. Ziel ist möglichst volle Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen, sportlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben unseres Landes. Meine Damen und Herren, unbestritten, wir haben in Thüringen ein hohes Niveau erreicht; längst noch nicht, dass man mit allem zufrieden sein kann. Trotz der bekanntlich engen finanziellen Situation ist Thüringen in der Behindertenpolitik sicher nicht stehen geblieben. Meine Damen und Herren, auch die Abgeordneten des Thüringer Landtags haben natürlich erheblichen Teil - ich sage nicht nur die Landesregierung.

Herr Nothnagel, wenn Sie - oder Frau Bechthum war es auch - einen jährlichen Behindertenbericht fordern, meine Damen und Herren, wenn ich nur einen Behindertenbericht im Jahr geben sollte, dann wäre das ausgesprochen wenig. Wenn ich an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit denke, dann berichte ich mindestens jedes halbe Jahr über die Situation

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

sicherlich zu unterschiedlichen Schwerpunkten, sicher zu unterschiedlichen Themen, aber ich kann mich an wenige Ausschuss-Sitzungen erinnern, wo nicht das Behindertenthema auch ein Thema gewesen ist.

Meine Damen und Herren, wir haben in Thüringen einiges bewegt. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Es ist die Verfassung des Freistaats Thüringen erwähnt worden. 1993 haben wir sie auf der Wartburg verabschiedet. Ins Grundgesetz ist diese Forderung erst 1994 gekommen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS)

Ja, ein Jahr ist besser als keines, Frau Abgeordnete Thierbach, und wir waren früher dran.

Für behinderte Kinder und Jugendliche besteht in Thüringen ein flächendeckendes Netz an Angeboten der Frühförderung. Derzeit werden in 245 Kindertageseinrichtungen 900 behinderte Kinder betreut. Wir haben zusätzlich sieben sonder- und heilpädagogische Einrichtungen, in denen etwa 250 Kinder betreut werden. Die berufliche Integration behinderter Menschen wurde verbessert. Die Beschäftigungsquote kann uns nicht zufrieden stellen. Dennoch ist die Beschäftigungsquote im Bereich des öffentlichen Dienstes von 4 auf 4,6 und im Bereich der privaten Arbeitgeber von 2,6 auf 3,1 Prozent gestiegen.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Und, meine Damen und Herren, das bedarf bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation schon einer Anstrengung. Ich möchte denen auch herzlich danken, die dieses möglich gemacht haben, ob im öffentlichen oder im privaten Bereich.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Nothnagel, unser zusätzliches Sonderprogramm zur Unterstützung der Integration schwer behinderter arbeitsloser Menschen ist nicht ausgelaufen, das geht weiter. Ich frage mich nur manchmal, Herr Abgeordneter, erzählen Sie hier bewusst den Menschen falsche Dinge oder wissen Sie es halt nicht besser? Was die 15 Mio. angeht, die angeblich auf Halde liegen,

(Zwischenruf Abg. Nothnagel, PDS: 15,4.)

Sie sollten eigentlich wissen, dass dieses Geld gesetzlich dafür gebunden ist, wofür es verwendet werden kann, und zwar bundesgesetzlich gebunden ist, und dass dieses Geld auch verzinslich angelegt sein muss, übrigens auch gesetzlich festgelegt, und dass dieses Geld zum Teil über Bewilligungen der Vorjahre auch gebunden ist und wir nicht frei darüber verfügen können. Im Übrigen sind es Dinge wie beim Haushalt, wo Sie auch manchmal das Geld, was wir haben, zwei- und dreimal verfrühstücken.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Wir reden über die Rücklage, Herr Minister, und die ist nicht gebunden.)

Nein, wir reden nicht über die Rücklagen, wir reden über das, was als Rücklage sehr wohl da ist, was aber bereits gebunden ist.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Förderprogramme der Landesregierung wurden barrierefreie Wohnungen fertig gestellt. Und eines, als eines von wenigen Bundesländern haben wir ein eigenes Blindengeld. Ich bin nicht damit zufrieden, dass wir für andere Behindertengruppen eine entsprechende Förderung nicht haben, aber ich sage auf der anderen Seite, dass wir eben mehr im Augenblick nicht leisten können. Das sind nur einige wenige Beispiele für das gewesen, was in Thüringen für die Behindertenpolitik getan wird.

Meine Damen und Herren, zu den Gesetzentwürfen: Sie wissen, dass wir von Seiten der Landesregierung in der gegenwärtigen Situation gesagt haben, wir können nicht einen zusätzlichen Pfennig ausgeben. Ich sage Ihnen mehr noch, ich werde froh sein nach der Mai-Steuerschätzung, wenn ich nicht in anderen Bereichen zusätzliche schwere Einschnitte vornehmen muss.

Meine Damen und Herren, und da ist es dann auch ein Posten von 300.000           rückstellen muss, nicht verwerfen, sondern zurückstellen muss.

Zu den Gesetzentwürfen der PDS-Fraktion und der SPDFraktion kann ich nur sagen, bei der PDS, ich habe es einmal durchrechnen lassen, die finanziellen Mittel dieses Gesetzentwurfs, die Erforderlichkeiten belaufen sich auf ca. 500 Mio. !*+        für seriös, wo das Sozialministerium einen Haushalt von insgesamt 680 Mio.  , 

Meine Damen und Herren, es ist unredlich, Hoffnungen zu erwecken und Wünsche zu formulieren, von denen man weiß, dass sie unrealistisch sind.

(Beifall bei der CDU)

Wollten Sie, dass es abgelehnt wird?

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie selbst, Herr Nothnagel, haben irgendetwas von "Utopia" gesagt. Ich muss Ihnen insofern sagen, sehr wohl, Ihr Gesetzentwurf gehört nach Utopia und nicht in den Thüringer Landtag in dieser gegenwärtigen Situation.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht versuchen Sie es doch mal in Berlin, man kann ja Gesetzesnovellen vornehmen. Vielleicht novelliert ja Berlin sein Gleichstellungsgesetz, wo ja doch die Sozialministerin Ihrer Farbe ist. Oder vielleicht machen Sie es ja auch in Mecklenburg-Vorpommern und bringen Ihr Gesetz ein, so, wie Sie es hier im Thüringer Landtag eingebracht haben. Ich wage zu bezweifeln, ob Sie mehr Erfolg damit haben werden als hier in Thüringen.

Meine Damen und Herren, ich will noch einmal sagen, die Thüringer Landesregierung hat sich darauf verständigt, die gegenwärtige Einbringung von Gesetzen, die weitere Kosten verursachen, nicht für verantwortlich zu halten. Ich sage aber auch hier das, was ich auch vor der Staatskanzlei gesagt habe und auch, was ich in Interviews gesagt habe, wir werden sehr aufmerksam verfolgen, wie in anderen Ländern diese Gesetze erarbeitet werden. Ich meine, dass wir zwar, weiß Gott, nicht die Ersten sind, aber ich meine, dass wir auch nicht die Letzten in Thüringen sein werden, die schließlich mit solch einem Gesetz arbeiten werden.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der SPD ist wesentlich realistischer. Dennoch muss ich auch Ihnen, Frau Bechthum, sagen, es ist schon erstaunlich, der Bundeskanzler und Ihr Parteivorsitzender muss Regionalkonferenzen machen, weil er Sorgen haben muss, dass seine Reformen nicht getragen werden. Ich bin gestern zu einer Diskussionsrunde zur Gesundheitsreform gewesen, wo Herr Staatssekretär Schröder da war und einiges hat durchblicken lassen, was kommt. Ich glaube, dass dort erhebliche Belastungen auf uns zukommen. Dort wird mit jedem Pfennig gespart. Dort werden Belastungen auf die Bürger zukommen. Wir haben eine ernste Situation in unseren sozialen Sicherungssystemen. Ich glaube, wenn wir