Das hat aber mit der Beobachtung des Abgeordneten, wie Sie dies hier erscheinen lassen wollen, überhaupt nichts zu tun. Die Ziffer 3 des Gesetzentwurfs ist bereits jetzt bestehende Rechtslage. Die Gründe für eine Auskunftsverweigerung sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch zum Zwecke der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zu dokumentieren. Dies war und ist auch im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ständige Praxis und auch hinsichtlich des Prüfungsrechts der Landesbeauftragten für den Datenschutz sei angemerkt, dass dieser stets sämtliche Unterlagen vorgelegt worden sind.
Meine Damen und Herren, das Recht auf Auskunft nach § 11 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes ist für den Betroffenen in Thüringen im Übrigen bereits jetzt günstiger geregelt als auf Bundesebene, da dieser nicht neben einer Darlegung seines berechtigten Interesses selbst auf einen konkreten Sachverhalt hinweisen muss - siehe § 5 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
Die aufgezeigten Gründe sprechen insgesamt gegen eine Aufnahme der Regelung des Entwurfs in das Thüringer Verfassungsschutzgesetz. Über die gebotenen und mit dem Gesetz vom Juni 2002 vorgenommenen Änderungen hinaus gibt es nach Auffassung der Landesregierung gegenwärtig keinen weiteren sachlich begründeten Änderungsbedarf.
Lassen Sie mich schließen mit dem Appell, sehr behutsam mit der ganzen Thematik umzugehen. Äußerungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren aus Teilen der Opposition gehört haben und wie sie auch in der Begründung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf zu lesen sind, sind geeignet, das Amt erneut zu Unrecht in die Schlagzeilen zu bringen und die Mitarbeiter zu verunsichern. Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nun nicht mehr vor. Wir schließen die Aussprache und stimmen ab, zunächst über die beantragte Ausschussüberweisung. Beantragt wurde die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss, auch die Federführung dort, und an den Justizausschuss begleitend. Dann stimmen wir das so ab. Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion in Drucksache 3/3093 an den Innenausschuss zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sieht sehr einmütig aus. Gegenstimmen? Wenige Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltungen. Dann ist das so beschlossen.
Dann stimmen wir ab über die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Justizausschuss. Wer der Überweisung an den Justizausschuss zustimmen will, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei 3 Gegenstimmen mit sehr großer Mehrheit ist auch die Überweisung an den Justizausschuss beschlossen worden.
Dann stimmen wir noch die Federführung ab. Wer dem Innenausschuss als federführendem Ausschuss zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung. Somit ist auch die Federführung beschlossen. Wir können den Tagesordnungspunkt 10 abschließen.
Wollen Sie den Antrag begründen? Gleich den Sofortbericht. Dann bitte ich Herrn Innenminister um den Sofortbericht der Landesregierung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen. Artikel 73 Nummer 10 Grundgesetz definiert den Begriff "Verfassungsschutz" als Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherung des Bundes oder eines Landes.
In Artikel 73 Grundgesetz ist dem Bund auch die Befugnis zur ausschließlichen Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes sowie zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärti
ge Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, zugewiesen worden. Darüber hinaus erhielt der Bund in Artikel 87 Abs. 1 Grundgesetz das Recht zugewiesen, eine Zentralstelle für Zwecke des Verfassungsschutzes einzurichten. Mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Das Gesetz beschreibt die von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes gemeinsam zu erfüllenden Aufgaben und bestimmt, dass jedes Land für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterhält.
Diese zu bestimmende Behörde ist im Freistaat Thüringen das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und entsprechend dem gesetzlichen Auftrag beobachtet das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz
1. Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherung des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben,
2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeit im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht,
3. Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
4. Bestrebungen und Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind,
5. Bestrebungen und Tätigkeiten der organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes und
6. frühere fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR im Geltungsbereich des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes.
Darüber hinaus wirkt das Landesamt für Verfassungsschutz auf Ersuchen bei Sicherheitsüberprüfungen und bei den technischen Sicherheitsmaßnahmen mit. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags verpflichtet, Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu speichern, und Informationen werden durch das Landesamt offen und mit nachrichtendienstlichen Mitteln beschafft. Zu den offen zu beschaffenden Informationen zählen u.a. die Auswertungen von Zeitungen, Zeit
schriften und sonstigen Veröffentlichungen auf dem politischen Sektor, von Broschüren, Flugblättern und anderen Selbsterzeugnissen extremistischer Organisationen sowie der Besuch öffentlicher Veranstaltungen solcher Gruppierungen.
Nicht immer reichen die so gewonnenen Informationen für eine abschließende Bewertung aus. Insbesondere verfassungsfeindliche Organisationen, aber auch Bereiche der organisierten Kriminalität arbeiten häufig verdeckt, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Um hierüber zuverlässige Informationen zu erhalten, bedarf das Landesamt unter bestimmten Voraussetzungen Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beschaffen. Dazu gehören beispielsweise die Observation, der Einsatz von V-Leuten, die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. Bei der Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nur ein kleiner Teil der Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen, die nach dem gesetzlichen Auftrag gesammelt werden, sind durch die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel erlangt.
Die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs ist nach dem Gesetz zur Neuregelung der Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nur unter engen Voraussetzungen gestattet. Unter anderem muss die Überwachung erforderlich sein, um drohende Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes abzuwehren. Zusätzlich müssen Anhaltspunkte für bestimmte schwer wiegende Straftaten, z.B. Hochverrat, geheimdienstliche Agententätigkeit oder Bildung einer terroristischen Vereinigung, vorliegen. Außerdem muss die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein.
Auch muss über die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer solchen Beschränkungsmaßnahme ein besonderes parlamentarisches Gremium entscheiden. Dieses Gremium ist unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Nur bei Gefahr im Verzug, wenn eine Aufklärungschance unwiederbringlich vertan würde, kann eine Anordnung ohne vorherige Zustimmung des betroffenen Gremiums getroffen werden. Dessen Genehmigung muss aber unverzüglich nachträglich eingeholt werden.
Ist das Gremium mit der Beschränkungsmaßnahme nicht einverstanden, so muss diese sofort beendet werden. Die Auswertung der Informationen beginnt mit der Sichtung und Bewertung der vorliegenden Erkenntnisse. Nur Informationen, die glaubwürdig und für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes relevant sind, gelangen in die Akten. Informationen, die das Amt nicht benötigt, werden vernichtet.
Wurden beispielsweise personenbezogene Daten gespeichert, so hat das Landesamt bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgelegten Fristen zu prüfen, ob die Daten zu
berichtigen oder zu löschen sind. Löschungsfristen sind auch vorgesehen, wenn in einem bestimmten Zeitraum nach den letzten gespeicherten relevanten Informationen keine weiteren Speicherungen erfolgt sind.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Datensystem NADIS: Es ist ein automatisiertes Datenverbundsystem, an dem alle Behörden für Verfassungsschutz des Bundes und der Länder im Online-Verkehr beteiligt sind, also unmittelbar am eigenen Bildschirm Daten eingeben und abrufen können. NADIS ist aber kein System, das wesentliche Sachinformationen enthält, sondern ein automatisiertes Hilfsmittel der Aktenregistratur. Es gibt die Aktenzeichen der vorhandenen Aktenbestände an und enthält zum Zwecke der Zuordnung der Akten personenbezogene Grunddaten des Betroffenen, wie z.B. Namen, Vornamen, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Anschrift. Hat ein Teilnehmer des Verbundsystems dienstliche Gründe dafür, sich Informationen über eine Person zu beschaffen, deren Verbunddaten in NADIS gespeichert sind, so muss er auf konventionellem Wege, d.h. im Regelfall schriftlich, bei der aktenführenden Stelle unter Nennung des Aktenzeichens nachfragen. Die speichernde Stelle zieht die Akten bei und ermittelt hieraus die notwendigen Erkenntnisse und die aus NADIS ersichtlichen Angaben besagen nicht, dass es sich bei der betreffenden Person um einen Extremisten, Terroristen oder gegnerischen Agenten handelt. Ein Großteil der Speicherung bezieht sich auf Personen, die durch gewaltgeneigte Organisationen gefährdet scheinen, die im konkrekten Interesse gegnerischer Nachrichtendienste stehen oder die einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden oder wurden. Bei NADIS handelt es sich daher nicht um eine Verdächtigtendatei. Die Speicherung einer Person in diesem System hat für den Betroffenen keinerlei diskriminierende Wirkung.
Meine Damen und Herren, der Antrag steht offensichtlich in Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion, inwieweit Abgeordnete durch den Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen. Hat das Landesamt festgestellt, dass Bestrebungen gerichtet gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen, muss es entsprechend seiner ihm zugewiesenen Aufgabe tätig werden. Der Begriff "Bestrebung" ist gesetzlich nicht weiter konkretisiert; im Kontext der Bestimmungen werden solche Bestrebungen als Agitation, Infiltration, Subversion, Zersetzung, totalitäre Bewusstseinsveränderung und das Vertrauen in den Staat untergrabenden Handlungen im weitesten Sinne definiert. Kein notwendiger Bestandteil des Begriffs ist der Verstoß gegen Strafgesetze, denn die Verfassungsschutztätigkeit bezieht sich auf derartige Aktivitäten im Vorfeld strafbarer Handlungen. Danach ist die Veranlassungsschwelle für Tätigkeiten durch den Verfassungsschutz insgesamt als gering anzusehen. Nicht den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzbehörde berührt jedoch die bloße Gesinnung politisch anders Denkender.
Der Grund der durch den Gesetzgeber geschaffenen relativ geringen Hürde für das Speichern personenbezogener Daten durch die Verwendung des Begriffs "tatsächlicher Anhaltspunkte" wird deutlich, dass nicht jede Person, zu der Daten gespeichert sind, auch als Verfassungsfeind zu betrachten ist. So können etwa Personen, die selbst keiner Bestrebung nachgehen, sich aber an unter dieses Raster fallende Veranstaltungen beteiligen, unter diesem Gesichtspunkt und in rechtmäßiger Weise in den Akten des Landesamts gespeichert werden. Die gesetzlichen Vorgaben sehen dabei keine Privilegierung bestimmter Personen oder Berufsgruppen vor; somit gelten für einen Abgeordneten die gleichen Voraussetzungen wie auch für jeden anderen Bürger.
Ein Ansatz, Abgeordneten hinsichtlich der Speicherung personenbezogener Daten durch eine Verfassungsschutzbehörde eine besondere Rechtsposition zu vermitteln, besteht lediglich darin, auf die Immunität der Abgeordneten nach § 55 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen zu verweisen. Daraus folgt, dass der Abgeordnete bei einer von ihm begangenen strafbaren Handlung nur mit Zustimmung des Parlaments zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden dürfte. Diese Immunität ist jedoch kein Privileg der Abgeordneten selbst, sondern schützt die Funktionsfähigkeit des Parlaments und soll zudem eine manipulative Veränderung der Mehrheitsverhältnisse verhindern.
Teilweise werden zurzeit Forderungen erhoben, die gesetzlichen Bestimmungen dahin gehend zu ändern, dass Abgeordnete nicht mehr durch den Verfassungsschutz beobachtet werden dürfen. Eine solche angedachte Regelung könnte zum Beispiel dazu führen, dass verfassungsfeindliche Aktivitäten von Mitgliedern beispielsweise rechtsextremistischer Parteien, sofern sie in den Landtag einzögen, nicht mehr beobachtet werden dürften. Die geforderte Regelung wäre zudem ein Freibrief, der Mitgliedern verfassungsfeindlicher Parteien erlaubte, unter dem Schutz des Abgeordnetenstatus ungehindert aktiv und kämpferisch Aktivitäten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu entwickeln bzw. solchen weiter nachzugehen, und dies kann auch von der Opposition nicht gewollt sein.
Ich frage die Fraktionen: Wird Aussprache gewünscht? Es gibt ein allgemeines Kopfnicken aller drei Fraktionen. Dann eröffne ich die Aussprache und bitte als Erste Abgeordnete Frau Klaubert an das Rednerpult. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, etwas absurd ist die Situation jetzt schon, wenn ich den Antrag der CDU-Fraktion lese, die vorhin gesagt hat, bestimmte politische Instrumentalisierungen wollen wir nicht und dann auch der SPD-Fraktion unterstellt, sie würde schon in der Schattenwirtschaft mit der PDS irgendwelche Aktionen unternehmen. Der Herr Schemmel musste sich dann dagegen verteidigen. Und jetzt hören wir einen Bericht über die Aktivitäten des Landesamts und dabei soll im Rahmen - so sagt es jedenfalls der Antrag - der gesetzlichen Möglichkeiten über die Erfassung und Speicherung von Daten Auskunft gegeben werden. Dazu gibt es einen Lehrbericht. Herr Minister Trautvetter, die Frage für mich wäre erst einmal nur: Gibt es den schon als Broschüre oder wird das eine Wanderaustellung?
Diese könnten wir dann durch Deutschland wandern lassen und dann könnten wir sagen: In Thüringen ist alles o.k. beim Landesamt für Verfassungsschutz.
Das ist es aber nicht. Es ist nicht alles in Ordnung beim Landesamt für Verfassungsschutz und auf einige grundsätzlichere Dinge im Zusammenhang mit Verfassungsschutzgesetz und Verfassung und mit einigen konkreten Fällen, die hier so in der Grauzone behandelt werden, werde ich noch zu sprechen kommen.